Protokoll der Sitzung vom 13.02.2013

Es ist richtig, dass die Sanierung der Frauenhäuser vorangetrieben wird, um eine bessere Wohnsituation zu erreichen. Im Übrigen sind die immensen Sanierungsbedarfe ein Zeugnis dafür, dass der schwarz-grüne Vorgänger-Senat offenkundig den Instandsetzungsbedarf der Frauenhäuser nicht im Blick hatte.

(Beifall bei Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP und Dirk Kienscherf SPD)

Auch begrüßen wir, dass ein Qualitätsentwicklungsprozess mit wissenschaftlicher Begleitung auf den Weg gebracht wurde, um die Rahmenbedingungen zu verbessern und vor allem das Konzept neu aufzustellen; meine Vorredner wiesen schon darauf hin und ich gehe auch noch einmal kurz darauf ein. Das neue Konzept, die angrenzenden Hilfesysteme verstärkt einzubeziehen und Absprachen mit Dritten wie beispielsweise der Wohnungswirtschaft und den Familiengerichten vorzunehmen, überzeugt. Es ist notwendig, die Arbeit der Frauenhäuser in einen größeren Kontext zu stellen, denn was bringt es beispielsweise den notleidenden Frauen, wenn sie durch ihren Aufenthalt im Frauenhaus ihre Existenz draußen gefährden, wie zum Beispiel die Wohnung zu verlieren. Auch ist es wichtig, dass die Familiengerichte eingebun

den werden, damit Sorgerechts- und Scheidungsverfahren trotzdem vorangehen, natürlich unter Berücksichtigung der besonderen Bedingungen der Frauen, die abgetaucht sind in den Frauenhäusern.

Der Blick auf die Zahlen macht zwei wichtige Umstände deutlich. Ein Großteil der Frauen sucht gemeinsam mit ihren Kindern Schutz in einem Frauenhaus. Ein großer Teil der Frauen verweilt zwar nur kurz in den Frauenhäusern, aber 13 Prozent der Bewohnerinnen verbleiben länger als ein halbes Jahr. Der Grund hierfür ist sicher oftmals das Problem, im Anschluss an die Unterbringung im Frauenhaus eine selbstständige Lebenssituation zu finden. Auch spielt hierbei natürlich die allgemein schwierige Wohnsituation in Hamburg eine Rolle. Insofern ist es von großer Wichtigkeit, dass im Rahmen der Qualitätsverbesserung das Thema nachsorgende Betreuung mit angegangen wird.

Gerade für Frauen, die von Zwangsheirat bedroht werden oder waren, ist dies oft elementar. Bleibt in diesen Fällen eine Anschlussbetreuung aus, ist nämlich häufig ein nächster notwendiger Aufenthalt im Frauenhaus absehbar. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Frau Artus, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Die Folgekosten von Männergewalt werden pro Jahr für die gesamte Bundesrepublik auf 14,5 Milliarden Euro geschätzt. Wenn wir uns diesen Betrag vergegenwärtigen, muten die 700 000 Euro, die der Senat jetzt für die fünf Hamburger Frauenhäuser bereitstellt, nicht sehr hoch an.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Sie sind ein kleiner Anteil, allerdings ein sehr wichtiger und bedeutsamer, um den Opfern von Männergewalt den gebotenen Schutz und Mindesthilfe niedrigschwellig anzubieten. Das Gros der anderen Kosten teilt sich dann für die Justiz, Polizei, ärztliche Behandlung und auch für die vielen Arbeitsausfälle auf. Die Sanierung und Instandhaltung unserer Frauenhäuser sind überfällig und werden daher von uns unterstützt.

(Beifall bei der LINKEN und bei Annkathrin Kammeyer SPD)

Ich freue mich auch, dass die FDP das mittlerweile unterstützt. Im Ersuchungsbegehren haben Sie sich damals noch enthalten.

Aber es wird Sie nicht wundern, wenn ich Ihnen auch heute wieder sage, dass die bereitgestellten Gelder insgesamt nicht ausreichen, auch wenn ich

(Dr. Stefanie von Berg)

Ihre Initiativen, den dazu angelegten Qualitätsentwicklungsprozess und die weiteren Maßnahmen bezüglich der verbesserten Schnittstellen – meine Vorrednerinnen sprachen bereits davon – zwischen team.arbeit.hamburg und den Frauenhäusern ausdrücklich gutheißen will. Das erste Mal seit Jahren haben ich und viele andere in der Stadt den Eindruck, dass die Frauenhäuser wesentliche Unterstützung erhalten, die sie zumindest zur Bewältigung ihrer Arbeit benötigen.

Es ist daher eine richtige Entscheidung des Senats gewesen, den Opferschutz aus allen Kürzungsplanungen herauszuhalten und die Finanzierung für die nächsten zwei Jahre bereits abzusichern. Eine gute Ausstattung und gute Arbeitsbedingungen der Kolleginnen sind die wichtigsten Voraussetzungen dafür, dass die Frauen gut begleitet werden, die von ihren Männern verprügelt, missbraucht oder auch mit dem Tod bedroht wurden. Aber die Zahlen, die uns mit der Drucksache vorgelegt werden, bestätigen unsere Auffassung, nämlich dass die Auslastung der Frauenhäuser viel zu hoch ist. Lediglich das Frauenhaus des Diakonischen Werks zeigt eine Quote von 83 Prozent auf, was auch für eine Noteinrichtung angemessen ist. Die anderen liegen knapp zwischen 95 Prozent und 100 Prozent. Das zeigt wiederholt, dass zu wenige Frauenhausplätze in Hamburg vorhanden sind. Der reale Bedarf ist höher, als Plätze zur Verfügung stehen, und das seit Jahren.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Es sind immer noch die Folgen der Kürzungen aus 2005, unter denen die Frauenhäuser, die Fachfrauen und natürlich die Bewohnerinnen leiden. Und diese nehmen Sie, Herr Scheele, leider nicht zurück, obwohl die SPD diese Kürzungen stets kritisiert hat. Jetzt haben Sie die großartige Gelegenheit, falsche Entscheidungen der damaligen Sozialsenatorin Schnieber-Jastram zurückzunehmen. Warum tun Sie es nicht?

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Ich habe hier die Große Anfrage der SPD aus dem Jahr 2006, darin sind alle Kürzungsdaten enthalten. Hieraus geht hervor, dass die Auslastung der Frauenhäuser bereits damals zum Teil sogar über 100 Prozent betragen hat. Dass das alles keine Berücksichtigung gefunden hat, dafür müssen Sie sich bitte noch einmal rechtfertigen. Dass Schwarz-Grün dies nicht geschafft hat, ist schlimm genug, aber Sie haben jetzt die Möglichkeit, das endlich zu korrigieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sehen anhand der aktuellen Zahlen auch, dass in 2011 insgesamt 184 Bewohnerinnen über sechs Monate, zum Teil sogar über zwei Jahre, in einem Frauenhaus gelebt haben. Das sind 14 Prozent al

ler Frauen, die 2011 ein Frauenhaus aufsuchen mussten. Das muss doch jedem politisch Verantwortlichen sofort ins Auge stechen und zu Maßnahmen bewegen, um dem Bedarf endlich gerecht zu werden.

Herr Senator Scheele, ich höre noch Ihre von großer und ehrlicher Betroffenheit geprägte Rede, die Sie an dieser Stelle gehalten haben. Aber Sie sind jetzt leider auf halbem Wege stehengeblieben. Stattdessen wurde der Antrag der Fraktion DIE LINKE weggestimmt, der die wesentlichen Zielsetzungen und Fragestellungen zusätzlich zu der Initiative der SPD beinhaltete. Die Daten, die der Senat jetzt vorlegt, sprechen aber Bände. Allein 83 Frauen – Frau von Berg sagte es – und Kinder mussten aus Platzmangel in andere Bundesländer vermittelt werden, und zwar nicht aus Sicherheitsgründen, wie dies durchaus auch vorkommen kann.

Wir werden uns den Abschlussbericht, der im Sommer dieses Jahres vorgestellt werden soll, sehr kritisch ansehen. Die Drucksache gibt aber immerhin einige Hinweise darauf, dass die Fragestellungen, die die Links-Fraktion zur Überprüfung beantragt hatte, im Qualitätsentwicklungsprozess berücksichtigt werden. Ein Beispiel ist, dass auch der Betreuungsschlüssel von 1:8,25 viel zu schlecht ist. Daher kann ich feststellen, dass die Behörde offenbar etwas weitsichtiger und tiefschichtiger arbeitet, als die SPD-Fraktion in der Bürgerschaft dies wollte. Die Drucksache, die Mitteilung des Senats, geht jedenfalls über den Antrag der SPD hinaus.

Ich bin davon überzeugt, dass der Abschlussbericht ergeben wird, dass Hamburg mindestens ein weiteres, gut ausgestattetes Frauenhaus benötigt. Wir werden uns nachhaltig dafür einsetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun noch ein wichtiger Hinweis, meine Kollegin Frau von Berg hat auch schon darauf hingewiesen. Morgen, sehr geehrte Herren und Damen, findet "One Billion Rising" statt, eine weltweite Aktionsidee für von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen auf der ganzen Erde. 1 Milliarde Menschen wollen morgen aufstehen und auf den Straßen tanzen. Es gibt in Hamburg viele Gelegenheiten, sich daran zu beteiligen. Beteiligen Sie sich bitte auch daran.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Isabella Vértes-Schütter SPD)

Nun hat Senator Scheele das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Hamburger Frauenhäuser sind seit Jahren ein besonders wichtiger Bestandteil der Opferhilfe in Hamburg und ein sicherer Zu

(Kersten Artus)

fluchtsort und eine Kriseneinrichtung für von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder. Zu Recht gebührt den Frauenhäusern daher eine herausgehobene Rolle in der Hamburger Sozialpolitik. Da passt es, dass wir den Frauenhäusern mehr Planungssicherheit gegeben haben, indem wir die Zuwendungen dieses Mal, im Gegensatz zu den Vorjahren, für zwei Jahre bewilligt haben. Das schafft Planungssicherheit.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben es geschafft, die einfache Zuwendungsfinanzierung, darauf wurde hingewiesen, zu erhalten und sie mit einer wichtigen Refinanzierungsmöglichkeit zu verbinden. Damit gewährleisten wir, dass die Hamburger Frauenhäuser weiterhin leicht und anonym zugänglich sind und die Frauen dabei nicht diskriminiert werden. In Hamburg können alle von Gewalt betroffenen und bedrohten Hamburger und ortsfremde Frauen und deren Kinder unbürokratisch in einem Hamburger Frauenhaus Schutz suchen. Dies ist unabhängig von ihrer finanziellen und leistungsrechtlichen Situation.

Gleichzeitig haben wir die Zuwendungsfinanzierung um eine bestimmte Abrechnungsform ergänzt, um uns die Kosten für die Unterbringung von Frauen aus anderen Bundesländern nach Paragraf 36 SGB II erstatten lassen zu können. Mit allen Frauenhäusern haben wir zusätzliche Leistungsvereinbarungen und Vergütungsvereinbarungen geschlossen, die wir gemeinsam mit den Frauenhäusern ausgehandelt haben und die zum 1. Januar 2012, also vor einem Jahr, in Kraft traten.

Weder die Frauenhäuser noch die aufgenommenen Frauen werden durch dieses Modell finanziell belastet. Keine Frau muss also Sorge haben, sich für ihre Flucht ins Frauenhaus verschulden zu müssen, wie es auch manchmal der Fall ist. Und auch die Frauenhäuser müssen keine Zahlungsverläufe veranlassen oder Zahlungen entgegennehmen. Jobcenter, team.arbeit.hamburg und meine Behörde arbeiten quasi als Backoffice für die Frauenhäuser.

Dieses Finanzierungsmodell ist nach wie vor keine Selbstverständlichkeit, darauf ist hingewiesen worden. Nur Schleswig-Holstein und Berlin haben eine Finanzierungsart gewählt, die einen einkommensunabhängigen, niedrigschwelligen und diskriminierungsfreien Zugang aller Frauen gewährleistet. So hat der im August 2012 vorgelegte Bericht der Bundesregierung zur Situation der Frauenhäuser zu Recht Hindernisse beim effektiven Zugang zu Frauenhäusern mit Blick auf die Tagessatzfinanzierung festgestellt. Wir wollen uns daher weiter für unser Finanzierungsmodell gegenüber den anderen Bundesländern einsetzen und werden das auch mit Nachdruck tun.

(Beifall bei der SPD)

Gleichzeitig möchte ich auch an Sie, meine Damen und Herren Abgeordnete, appellieren, sich im Kontakt mit Ihren Kolleginnen und Kollegen der Landesparlamente im Bundesgebiet für eine Abkehr der Tagessatzfinanzierung und für unser Hamburger Finanzierungsmodell einzusetzen. Die Frauen und die Frauenhäuser verdienen bundesweit eine gemeinsame Unterstützung in dieser Frage.

(Beifall bei der SPD)

Neben dem niedrigschwelligen Zugang in die Frauenhäuser ist es aber auch wichtig, dass die Frauen und ihre Kinder vernünftige räumliche Gegebenheiten vorfinden. Gleich zu Beginn meiner Amtszeit war ich selbst vor Ort, und ich sage auch heute noch einmal, dass die räumlichen Zustände damals für die Frauen und Kinder nicht zumutbar waren. Meine Eindrücke hatte ich hier, darauf wurde hingewiesen, im August 2011 geschildert und versprochen, dass wir uns bemühen wollen – Frau Artus nickt, vielen Dank –, die längst überfällige Sanierung vorzunehmen. Sie ist uns nun gelungen, wir modernisieren in zwei Sanierungsphasen – das tat der Vorgänger-Senat eben nicht – die bestehenden Räume für die Frauen und ihre Kinder. Dafür haben wir bereits im letzten Jahr 730 000 Euro zur Verfügung gestellt. Und bis Ende 2013 soll alles renoviert und saniert sein, was zwingend notwendig und zeitnah umsetzbar ist. In einer zweiten Phase, die noch in diesem Jahr parallel zur ersten Phase beginnen wird und bis Ende 2014 andauert, investieren wir mit weiteren Mitteln, vor allen Dingen mit Blick auf Fassaden, Fenster- und Bodenbeläge. Im Rahmen einer Inventur haben wir zudem weitere Ausstattungsbedarfe bei Möbeln und Betten systematisch erfasst. Diese Bedarfe wollen wir aus Restmitteln meiner Behörde decken.

Mein Dank gilt an dieser Stelle ausdrücklich der SPD-Fraktion und dem Parlament, die uns bei der Sanierung mit rund 1,3 Millionen Euro aus dem Sanierungsfonds "Hamburg 2020" unterstützen.

Neben Zugangs- und Ausstattungsfragen ist es mir ein besonderes Anliegen, die strukturellen Probleme der Frauenhäuser anzugehen, da stimme ich meinen Vorrednerinnen ausdrücklich zu. Die Frauenhäuser schildern uns, wie auch schon den Vorgänger-Senaten – da ist allerdings nichts passiert –, zahlreiche Fragen und Problemstellungen zu ihrer Situation. Hierzu gehören insbesondere der Betreuungsschlüssel, die finanziellen Rahmenbedingungen wie Stellenausstattungen, die ausreichende Versorgung mit Plätzen sowie die Angebotsstruktur für Frauen und deren Kinder.

All diese Fragen greifen wir im Rahmen des Qualitätsentwicklungsprozesses mit den Frauenhäusern auf, den wir im letzten Juni begonnen haben. Ich bin überzeugt, dass die aktive und gleichberechtigte Teilhabe der Frauenhausmitarbeiterinnen es ermöglichen wird, Anregungen offen zu benennen und nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Ich will

(Senator Detlef Scheele)

mich ausdrücklich bei den Frauenhausmitarbeiterinnen für die außerordentlich konstruktive, gemeinsame Arbeit mit meiner Behörde bedanken. Das ist nicht immer selbstverständlich.

(Beifall bei der SPD)

Ich denke, wir sind hier auf einem erfolgversprechenden Weg und werden der Bürgerschaft in nächster Zeit über die Fortschritte in diesem Prozess berichten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)