Protokoll der Sitzung vom 28.02.2013

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Frau Hajduk hat das Wort.

(Dr. Monika Schaal)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die SPD hat ein wichtiges Thema zur Debatte angemeldet.

(Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Die Richtlinie, die wir im Entwurf bekommen haben, könnte in der Tat tief in die Praxis unserer Kommunen und Städte eingreifen, die Daseinsvorsorge in vielen Bereichen in öffentlicher Hand zu regeln und damit das Gemeinwohlinteresse in den Vordergrund zu stellen und nicht in erster Linie den Profit. Wir halten es ausdrücklich für wichtig, dass das auch für das Wasser in Zukunft gilt. Insofern gibt es eine klare Unterstützung von unserer Seite.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Es ist auch richtig, den Entwurf sehr ernst zu nehmen, denn die Unklarheit der Formulierungen und ihr Interpretationsspielraum geben in der Tat Anlass zur Sorge, dass es in Zukunft anders laufen könnte. Wir müssen das zum Beispiel auch vor dem Hintergrund der aktuellen Anpassungsprogramme der EU-Kommission für die Länder Griechenland und Portugal sehen, die mit weitreichenden Privatisierungen der Wasserorganisation in Athen, in Thessaloniki und auch in Portugal verbunden sind. Dies lehnen wir GRÜNEN ab.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Zweitens möchte ich darauf hinweisen, dass wir uns jetzt natürlich auch damit auseinandersetzen müssen, wie wir klug vorgehen. Herr Heintze hat dazu einiges gesagt. Die SPD schreibt in ihrem Antrag, dass in den Ausschussberatungen des Europäischen Parlaments nach langen Verhandlungen zwar erreicht werden konnte, dass Rettungsdienstleistungen und Hafendienstleistungen herausgenommen wurden, aber der im Ausschuss gestellte Antrag, auch das Wasser herauszunehmen, mit Stimmen von SPD-Abgeordneten abgelehnt worden ist. Das, liebe SPD, gibt uns GRÜNEN einen doppelten Grund, Ihrem Antrag heute zuzustimmen, damit Sie Ihren eigenen Leuten auf EU-Ebene bitte Beine machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte noch einen anderen Punkt ansprechen. Wenn Sie sich seitens der SPD in Ihrem Antrag so positiv auf die Initiative "Unser-Wasser-Hamburg" beziehen, dann drängt sich ein bisschen der Verdacht auf, dass Sie ein schlechtes Gewissen haben oder ein Feigenblatt brauchen, weil Sie solche Probleme mit der Initiative – der Name hört sich ähnlich an – UNSER HAMBURG – UNSER NETZ haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der LINKEN – Dora Heyenn DIE LINKE: Richtig!)

Liebe SPD, es passt nicht zusammen, dass man sich im Rahmen der Daseinsvorsorge beim Wasser so ins Zeug legt, aber gleichzeitig die Fernwärme im letzten Jahr endgültig auf Dauer privatisiert hat. Die Fernwärme betrifft ganz viele Menschen in der Stadt, und das ist auch ein Teil der Daseinsvorsorge.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Deswegen unterstreichen wir hier heute gerne: Es ist gut, dass es diese europäische Bürgerinitiative für die Daseinsvorsorge beim Wasser gibt, aber es ist ebenso gut, dass es jetzt einen Volksentscheid geben wird, weil eine Bürgerinitiative für die Rekommunalisierung bei Gas, Strom und Fernwärme in Hamburg kämpft.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist durchaus an der Zeit, jetzt auch für das Wasser aktiv zu werden. Es macht schon ein bisschen Hoffnung, dass Herr Barnier sich in den letzten Tagen bewegt hat und schon anfängt anzudeuten, er könne sich eine Ausnahme von der gängigen Praxis vorstellen, dass Mehrspartenunternehmen in den Kommunen der Mitgliedstaaten nicht gezwungen würden, den Wasserbereich auszuschreiben. Aber wir sind da noch nicht am Ende, die Trilogverhandlungen werden jetzt weitergehen.

Insofern, ich hatte es schon angedeutet, stimmen wir dem Antrag der SPD zu. Wir stimmen im Übrigen auch dem Antrag der LINKEN zu,

(Vereinzelter Beifall bei der LINKEN)

aber die SPD muss die Hauptarbeit machen. Sie sind keine sichere Bank bei der Daseinsvorsorge. Ich habe Sie darauf hingewiesen, was die EU-Parlamentarier der SPD angeht, weil das Parlament selbst da wirklich andere Mehrheiten erreichen sollte.

Liebe SPD, auch wenn Sie zu den Netzen in Hamburg per Beschluss eine andere Meinung haben – wobei ich gar nicht so sicher bin, ob Sie alle eine andere Meinung haben –, dann sollten Sie, wenn Sie hier positiv Bezug auf die europäische Initiative und auf die alte Hamburger Initiative zum Wasser nehmen, in Ihren Reihen auf die Diffamierung von Verbraucher- und Umweltschützern verzichten, die sich eine ebensolche öffentliche Verantwortung für Fernwärme und andere Dinge in Hamburg wünschen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Haben Sie dazu einen Satz von uns gehört?)

Ich habe nicht die Parlamentsreihen gemeint. Die SPD ist größer als dieses Parlament, und es gibt in Ihren Reihen Personen, die wirklich diffamierend auf diese Initiative einwirken wollen. Es stünde Ihnen besser an, wenn Sie es nicht täten und wenn Sie Ihren Einfluss geltend machen würden. – Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der LINKEN – Dr. Andreas Dressel SPD: Wen meinen Sie denn damit?)

Das Wort bekommt Herr Dr. Kluth.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das ist wieder so eine Debatte mit einem Konsens von vier der fünf Fraktionen in unserem Hause, von der CDU bis hin zu den LINKEN. Da bin ich dann immer ganz froh, dass es in diesem Parlament auch noch die liberale Stimme gibt.

(Beifall bei der FDP)

Die medialen Wellen sind in den vergangenen vier Wochen ziemlich hochgeschlagen, nachdem die EU-Kommission bekannt gegeben hat, dass sie für mehr Wettbewerb und Transparenz bei der Vergabe der Wasserversorgung in Europa ist. Das Meiste, was dazu vorgetragen wurde, war hochgradig emotional und selten rational. Da war von einer Zwangsprivatisierung der Stadtwerke zu hören und von einer Nötigung aus Brüssel, die deutsche Wasserversorgung würde an private Unternehmen gegeben werden müssen. Es wurde ganz gezielt mit den Ängsten der Bevölkerung gespielt, und das zum großen Teil sogar wider besseres Wissen. Das ist keine verantwortungsvolle Politik.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl CDU)

Der vorliegende SPD-Antrag stimmt nun in diese Panikmache ein. Offensichtlich naht der Wahlkampf, denn das ist streckenweise Polemik pur.

(Beifall bei der FDP)

Unter anderem können wir lesen, dass die Übergabe von Leistungen an Private zu – ich zitiere –

"[…] nachlassende[r] Qualität […], höhere[n] Preise[n] für die Verbraucherinnen und Verbraucher [und] größere[r] Bürokratie für die Verwaltungen […]"

führen würde.

Das ist doch absurd. Das widerspricht allen Erfahrungen, die wir etwa im Bereich der Telekommunikation gemacht haben oder in dem seit jeher privat und wettbewerblich organisierten, aber staatlich beaufsichtigten Bereich der Lebensmittelproduktion. Ganz überwiegend verfügen wir über Lebensmittel zu günstigen Preisen und in hoher Qualität.

Aber wir wollen hier nicht unnötig das Privatisierungsfass aufmachen, denn es geht der EU-Kommission schließlich in Wahrheit gar nicht um die Privatisierung der Wasserversorgung, sondern es geht um Wettbewerb und Transparenz, und dies soll durch europaweite Ausschreibungen von Dienstleistungskonzessionen erreicht werden – ei

ne Forderung, die im Grunde höchst selbstverständlich und in einem gemeinsamen Binnenmarkt auch sinnvoll ist.

Was will die EU ändern im Vergleich zur jetzigen Situation? Es geht darum, die Aufgabe öffentlicher Aufträge transparent zu machen und einen Wettbewerb um das beste Angebot zu ermöglichen, aber es geht gerade nicht darum – und dazu muss man sich halt die Mühe machen, die 98-seitige Richtlinie der EU auch einmal zu lesen –, eine zwangsweise Privatisierung der Wasserversorgung durchzusetzen. Selbstverständlich können Stadtwerke und andere kommunale Träger, die zuverlässig und hochwertig die Wasserversorgung erbringen, dies auch nach der Verabschiedung der Richtlinie tun. Allerdings, und das ist richtig, müssen Sie sich bei ihrer Leistung auch mit den Leistungen anderer öffentlicher und privater Anbieter messen lassen. Der vorliegende Antrag der SPDFraktion ist daher nichts anderes als ein Sturm im Wasserglas,

(Olaf Ohlsen CDU: Just for show!)

und das gleich aus zwei weiteren Gründen.

Erstens: Der von der Lobby der kommunalen Unternehmen entfachte Protest gegen die Richtlinie hat zwischenzeitlich schon Wirkung gezeigt. EUBinnenmarktkommissar Barnier hat bereits Überarbeitungen vorgenommen.

Zweitens: Selbst wenn die FDP-Fraktion inhaltlich die Meinung der Antragsteller teilen würde, was sie nicht tut – vielleicht wird es Sie überraschen, dass wir in der Tat gegen eine Privatisierung von HAMBURG WASSER sind –, so würde sich immer noch die Frage nach der formalen Zuständigkeit der Bürgerschaft bei einer EU-Richtlinie stellen. Unterm Strich ist dieser Antrag im wahrsten Sinne des Wortes überflüssig. Wir werden ihn ablehnen, und das gilt auch für die Zusatzanträge. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Frau Heyenn.

(Finn-Ole Ritter FDP: Jetzt kommen die Kommunalisierungsfans!)

Da stellt sich natürlich die Frage, was überflüssig ist. Das müsste auch Ihnen bekannt sein: Wasser ist Leben, es ist lebenswichtig und es ist überlebenswichtig. Deshalb muss sauberes Trinkwasser für jeden verfügbar sein, egal, in welcher Lage er ist, und deswegen muss es in der kommunalen Verfügbarkeit bleiben.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Frau Dr. Schaal hat darauf hingewiesen, dass die Volksinitiative "Unser-Wasser-Hamburg" es 2006

(Anja Hajduk)