Protokoll der Sitzung vom 28.02.2013

(Beifall bei der CDU, den GRÜNEN, der FDP und der LINKEN – Antje Möller GRÜ- NE: Da haben Sie recht!)

Insofern ist der Erkenntnisprozess der Kollegen der SPD ein später. Nun hoffe ich aber – ich bin ein positiv denkender Mensch –, dass dieser Erkenntnisprozess wie auch bei vielen anderen Anträgen, die Sie nicht überweisen wollen, bei Ihnen jetzt einsetzt und man dann etwas großzügiger bei der Überweisung an den Ausschuss ist.

Ich will darauf hinweisen, dass man in diesem Jahr einiges hätte tun können, wenn man es denn gewollt hätte als Sozialdemokratie. Das benachbarte Bundesland Niedersachsen hat zum Beispiel nicht

etwa erst nach dem Regierungswechsel, sondern bereits im Februar des vergangenen Jahres – wenn ich es richtig im Kopf habe, am 24. Februar 2012 – das Bundesland Hamburg angeschrieben mit der Bitte, mit Hamburg ähnlich wie mit Bremen eine Regelung zu finden, wie man das bilateral klären kann.

(Matthias Albrecht SPD: Die wollen nur ihre Leute loswerden!)

Ich weiß nicht, wie der Sachstand ist, ich habe nicht den Eindruck, dass wir da ernsthaft vorangekommen sind. Das hätte man längst und relativ leicht hinbekommen können.

Ich will noch einmal deutlich die Position meiner Fraktion nennen. Wir sind weiterhin dafür, dass die Residenzpflicht so, wie sie vom Grunde her gemeint ist, bestehen bleibt. Wir sind aber auch dafür, über die Punkte, die zum Teil wirkliche Härten auslösen und soziale Kontakte nicht möglich machen, nachzudenken. Dazu gehören vor allem bilaterale Vereinbarungen, das ist ein richtiger und guter Weg. Nur den, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, haben Sie ein Jahr lang verschlafen, und jetzt kommen Sie und sagen, dass Sie das überweisen wollen. Das ist ein bisschen spät.

(Beifall bei der CDU, den GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Da reicht es auch nicht, über irgendwelche großen Parteigrenzen zu reden. Wie schon gesagt, der Antrag aus Niedersachsen kam von einer schwarzgelben Regierung. Sie können also nicht ernsthaft glauben, dass das eine Errungenschaft der letzten Wochen und Monate ist.

Wir werden gerne gemeinsam mit Ihnen im Innenausschuss über all diese Fragen reden, und ich gebe Ihnen voll und ganz recht, dass es eine Menge offener Fragen gibt. Wir wollen eine Regelung, die es den Menschen in ihren Lebensumständen erleichtert, sich zu bewegen, aber wir wollen auch klar und deutlich machen, dass das Instrumentarium der Residenzpflicht ein wichtiges Instrumentarium ist, denn es hat viel zu tun mit dem Status derer, die betroffen sind. Wir dürfen bei den derzeitigen Anerkennungszahlen nicht vergessen, dass viele der Aufenthaltstitel, die erworben werden sollen, gar nicht erworben werden, weil die Asylanträge nicht erfolgreich sind. Dazu gehört eben auch ein Stückchen Residenzpflicht, damit der Rechtsstaat die Möglichkeit hat, diese rechtlichen Verfahren in der Konsequenz durchzuführen.

Deshalb muss ein sinnvoller Kompromiss zwischen sozialen Kontakten und Rechtstaatlichkeit her, und das werden wir gemeinsam hinbekommen. Deshalb freue ich mich, dass die SPD nach später Erkenntnis jetzt auf dem richtigen Weg ist.

(Beifall bei der CDU)

(Dr. Martin Schäfer)

Herr Ritter, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will das Rätsel lösen: Der Antrag vor einem Jahr kam von uns als FDP-Fraktion. Herr Schäfer, ich wundere mich schon sehr. Es ist aus Ihrer Rede von damals zitiert worden und das lässt eigentlich nur einen Schluss zu: Sie konnten damals nicht über Ihren Schatten springen, weil der Antrag von der FDP kam, und deswegen haben Sie zum Leidwesen der Betroffenen ein Jahr lang nichts getan.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Herr Rit- ter, jetzt bleiben Sie aber ein bisschen bei der Wahrheit!)

Ich bleibe doch bei der Wahrheit, selbstverständlich bleibe ich bei der Wahrheit.

Als wir damals den Antrag gestellt haben, wurde er nicht einmal überwiesen. Man kann also nicht davon reden, dass das Thema von Herrn Schäfer ernstgenommen wurde.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte Ihnen sagen, wo bürokratische Hürden in der Praxis dazu führen, dass Menschen ihre persönliche Freiheit nicht zu 100 Prozent ausleben können. Ich hatte kürzlich einen Termin mit einer Pflegemutter, die an der Hamburger Landesgrenze wohnt. Eines ihrer Pflegekinder darf diese Landesgrenze nicht einfach so übertreten. Was war die Folge davon? Immer, wenn sie das naheliegende Schwimmband besuchen oder einen Ausflug ins Umland machen wollte, brauchte sie jedes Mal die schon angesprochene Genehmigung. Das zeigt aus meiner Sicht sehr deutlich, welch absurde Folgen diese Regelung der Residenzpflicht im Einzelnen hat. Auch Herr van Vormizeele von der CDUFraktion war bereit, darüber zu sprechen.

Meine Damen und Herren! Die schwarz-gelbe Koalition hat gute Vorarbeit geleistet. 2011 wurden in Berlin Spielräume geschaffen. Alle Bundesländer bekamen die Möglichkeit, Vereinbarungen mit ihren Nachbarländern zu schließen. Danach waren die Länder in der Pflicht. Die meisten sind dieser Pflicht nachgekommen und haben ihre Regelungen so geändert, dass sich Asylbewerber innerhalb eines Landes frei bewegen können. Darüber hinaus haben sie Vereinbarungen mit anderen Bundesländern geschlossen.

(Antje Möller GRÜNE: Das haben wir auch schon alles gesagt!)

Herr Schäfer, Sie kennen die politische Konstellation in den umliegenden Bundesländern. Wir haben nicht nur in Hamburg die SPD, sondern sind ringsum eingekesselt von Rot-Grün – wie auch immer.

(Jan Quast SPD: Das hat doch mit Einkes- seln nichts zu tun!)

Auf jeden Fall haben alle Bundesländer mittlerweile reagiert, nur Hamburg noch nicht.

Vor genau einem Jahr haben wir Liberale in unserem Antrag gefordert, dass die Hamburger sich den Vereinbarungen mit den Nachbarländern anschließen sollen. Warum die SPD bisher noch nicht reagiert hat, Herr Schäfer, bleibt auch nach Ihrer Rede ein Rätsel.

(Beifall bei Antje Möller GRÜNE)

Danke schön, Frau Möller.

(Antje Möller GRÜNE: Das war nur für den einen Satz, Herr Ritter!)

Das Argument des befürchteten Flüchtlingsstroms aus der Provinz in die Metropole ist durch das Beispiel Berlin/Brandenburg jedenfalls widerlegt.

Der vorliegende Antrag der GRÜNEN fordert unter anderem eine Bundesratsinitiative zur generellen Abschaffung der Residenzpflicht. Bemerkenswert ist für mich, dass das Thema vor einem Jahr nicht einmal auf die Agenda der gemeinsamen Kabinettssitzung des Hamburger SPD-Senats und der rot-grünen Landesregierung Schleswig-Holsteins kommen durfte. Es drängt sich ein bisschen der Eindruck auf, dass einigen Roten und Grünen der Erhalt von Wahlkampfthemen wichtiger ist, als erst einmal vor der eigenen Haustür zu kehren. Ein zügiges parteiübergreifendes Vorgehen, um eine Lösung für die Menschen zu finden, sieht für uns Liberale jedenfalls anders aus.

Wir Hamburger Liberale sind an einer konstruktiven und hoffentlich positiven Lösung interessiert. Umso mehr freuen wir uns auch, Herr Schäfer, dass Sie als SPD sich doch noch einen Ruck gegeben haben und den Antrag an den Ausschuss überweisen, wo wir mit Ihnen darüber diskutieren können. Dort können wir das weitere Vorgehen sicherlich ziel- und lösungsorientiert erörtern. Das Überweisungsbegehren werden wir als FDP-Fraktion auf jeden Fall unterstützen.

(Beifall bei der FDP)

Frau Özdemir, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im Mai 2011 hat die SPD im Bundestag einen Antrag eingereicht, mit dem sie die Abschaffung der Residenzpflicht gefordert hat. Leider wurde dieser Antrag abgelehnt. In ihm beschreiben Sie die Situation der Residenzpflichtigen als kaum erträgliche örtliche und soziale Isolation; da haben Sie recht.

(Beifall bei der LINKEN – Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg übernimmt den Vorsitz.)

Aber das gilt auch für Hamburg. Auch in Hamburg können sich diese Menschen nicht frei bewegen. Das heißt, sie können zum Beispiel keine Freunde oder Verwandte in Pinneberg besuchen. Auch die Teilnahme an Klassenreisen ist sehr schwierig für die betroffenen Kinder und Jugendlichen. Selbst wenn Ausnahmen gemacht werden, ist die Bürokratie kompliziert und eine hohe Hürde.

(Dirk Kienscherf SPD: Was ist denn bei Klassenreisen schwierig?)

Herr Kienscherf, halten Sie doch kurz den Mund und hören Sie erst einmal zu.

(Beifall bei der LINKEN und der CDU)

Ich finde es wirklich dreist, dass Sie zu jeder Sache etwas zu melden haben.

(Beifall und Heiterkeit bei der LINKEN und der CDU – Sören Schumacher SPD: Freie Rede, freies Parlament!)

Sie wissen, dass diese Menschen bestraft werden, wenn sie die Residenzzone verlassen und dabei erwischt werden. Das Recht auf Freizügigkeit, das eigentlich für alle Menschen in Deutschland gelten sollte, wird hier ziemlich heftig eingeschränkt, und das ist meiner Auffassung nach ein Demokratiedefizit.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Herr Schäfer hat gefragt, ob das denn wirklich so schlimm sei. Sprechen Sie doch einmal mit den Betroffenen. Sie wissen nicht, wie schlimm die Auswirkungen auf die Menschen sind und was das für die Psyche bedeuten kann. Deswegen muss die Residenzpflicht abgeschafft werden.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Mich wundert ein bisschen, dass Sie im Bundestag als Opposition die Abschaffung der Residenzpflicht fordern, sich aber hier in der Regierung davor drücken zu handeln.

(Olaf Ohlsen CDU: Das ist ja unglaublich!)

Finde ich auch, Herr Ohlsen.

Da kommt dann wieder die Ausrede, es könne eine Sogwirkung geben. Das erinnert mich ein bisschen an Ihren Umgang mit den Osteuropäern in Bezug auf das Winternotprogramm, wo Herr Scheele auch sagte, es gäbe eine Sogwirkung und deswegen würde die Adresse des Winternotprogramms erst einmal nicht bekannt gegeben. Das ist doch Quatsch.

(Beifall bei der LINKEN)