Protokoll der Sitzung vom 28.02.2013

(Beifall bei der LINKEN)

In einigen Bundesländern wurde jetzt eine Erweiterung der Bewegungsfreiheit vorgenommen. Niedersachsen und Bremen haben angefragt, ob Hamburg sich ihnen anschließen wolle, aber der Senat hat abgeblockt. Wir haben in unserem Antrag aus dem letzten Jahr gefordert, die Gespräche aufzunehmen und Anfragen – eine weitere kam aus Brandenburg – aufgeschlossen gegenüberzutreten. Sie wollten im letzten Jahr nicht im Ausschuss darüber reden, jetzt stimmen Sie einer Überweisung zu.

(Dr. Martin Schäfer SPD: Wir beantragen sie!)

Das kommt mir komisch vor. Wir stimmen dem Antrag der GRÜNEN Fraktion natürlich zu, aber wir haben das Gefühl, dass Sie den Antrag im Innenausschuss versenken wollen und so versuchen, das Thema loszuwerden. Sie werden das Thema so aber nicht los.

Vor Kurzem haben Sie Ihr Integrationskonzept mit großem Trara und viel Tamtam vorgestellt. In ihm steht aber nichts über die Residenzpflicht. Die Flüchtlinge wurden zwar aufgegriffen, aber dieses Thema nicht. Deshalb glaube ich auch, dass kein Interesse daran besteht, etwas zu verändern. Da fragt man sich dann auch, ob Sie es wirklich ernst meinen mit Ihrer Integrationspolitik. Meiner Auffassung nach beginnt Integration von Anfang an.

Herr Haufler hat vorhin gefordert, dass alle Migrantinnen und Migranten das Land lieben und sich hier zu Hause fühlen sollten und dass ihr Herz für dieses Land schlagen sollte. Integration beginnt aber von Anfang an, und dazu gehört auch, dass die Menschen die Möglichkeit haben, ihre Persönlichkeit zu entfalten, dass sie dazugehören und Kontakte pflegen können und es ihnen möglich ist, an politischen oder kulturellen Ereignissen teilzunehmen und an gesellschaftlichen Prozessen zu partizipieren.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

Wir möchten, dass die Menschen sich wohlfühlen und dazugehören, egal, welchen Status sie haben. Deshalb fordern wir: Setzen Sie sich dafür ein, die Residenzpflicht abzuschaffen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Özdemir. – Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/6931 an den Innenausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig beschlossen worden.

(Cansu Özdemir)

Ich rufe dann auf den Tagesordnungspunkt 13, Drucksache 20/6792, Vorlage des Rechnungshofs: Jahresbericht 2013 des Rechnungshofs über die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Freien und Hansestadt Hamburg mit Bemerkungen zur Haushaltsrechnung 2011.

[Vorlage des Präsidenten des Rechnungshofs: Jahresbericht 2013 des Rechnungshofs über die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Freien und Hansestadt Hamburg mit Bemerkungen zur Haushaltsrechnung 2011 – Drs 20/6792 –]

Diese Drucksache möchten die Fraktionen der SPD und FDP an den Haushaltsausschuss überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Herr Bläsing, bitte.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vonseiten der FDP-Fraktion zunächst einmal ein großer Dank an den Rechnungshof, dass Sie wieder so viel Arbeit und Herzblut investiert haben.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte an dieser Stelle und solange der Innensenator noch da ist, betonen, dass wir uns Bemerkungen wie "im Rechnungshof seien alles Erbsenzähler" – so wurden Sie, Herr Senator Neumann, zumindest in den Medien zitiert – ausdrücklich nicht zu Eigen machen. Die Mitarbeiter machen da wirklich wertvolle Arbeit und schauen ganz genau hin, und das ist gut und richtig so.

(Beifall bei der FDP)

Der Bericht ist einmal mehr eine fundierte und akribische Auflistung von unnötigen Mehrausgaben und ineffizienter Verwendung von Steuermitteln, Einsparpotenzialen sowie Haushaltsrisiken. Der Rechnungshof hat viel Arbeit investiert, Arbeit, die eigentlich der Senat hätte machen müssen. In der Beratung im Unterausschuss "Prüfung der Haushaltsrechnung" werden wir das alles noch einmal im Detail durchgehen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle nur einige allgemeine Anmerkungen machen.

Die Erstellung der Haushaltsrechnung, so hat der Rechnungshof festgestellt, dauert immer länger. Wir sind mittlerweile im Dezember angekommen. Wenn das so weitergeht, dann ist zu befürchten, dass das irgendwann als Weihnachtsgeschenk unterm Tannenbaum landet. Das finden wir nicht gut.

Darüber hinaus hat der Rechnungshof festgestellt, dass es ein Tohuwabohu in den Haushaltsbüchern und bei der Kasse.Hamburg gibt. In beiden Fällen,

das will ich durchaus konzedieren, ist die Umstellung auf die strategische Neuausrichtung des Haushaltswesens nicht ganz unschuldig daran; besorgniserregend ist es allerdings allemal.

Darüber hinaus hat der Rechnungshof zahlreiche Fälle unzureichender Informationen der Bürgerschaft über Mittelverwendungen aufgezeigt, so beispielsweise eine Schriftliche Kleine Anfrage der Kollegin Suding über Beraterverträge und Gutachten, die nur unzureichend beantwortet wurde. Die unklare Kostenentwicklung und vergaberechtliche Ungereimtheiten bei Baumaßnahmen am UKE oder auch die Folgekosten von Schulbau Hamburg sind darüber hinaus Dinge, die wirklich zu bemängeln sind. Auch das Immobilienmanagement ist noch nicht so gut aufgestellt.

Ich muss allerdings, bevor Herr Quast gleich aufspringt, konzedieren, dass das alles Erbhöfe des alten Senats sind. Der jetzige Senat hat dort durchaus Maßnahmen ergriffen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Sehr gut!)

Wir hoffen, dass Sie dann entsprechend die Mängel abstellen; Sie sind auch schon zwei Jahre dabei.

Ein Schlaglicht aus dem Fachbehördenbereich möchte ich doch noch aufzeigen. Bei der Behörde für Schule und Berufsbildung hat der Rechnungshof ein Einsparpotenzial in Millionenhöhe im Bereich der GBS festgestellt. Und bei über 100 Stellen in der Schulsozialarbeit hat er kritisiert, dass diese nicht nachhaltig finanziert seien.

Zu allem Überfluss schreibt der Rechnungshof – ich zitiere –:

"Die BSB verfügt vielfach nicht über die notwendigen Berichte und Informationen, um bei den Schulen die erforderlichen Steuerungsimpulse zu setzen. Ihrer Gesamtverantwortung kommt sie damit nicht ausreichend nach."

Das ist wirklich ein Armutszeugnis in Richtung des Bildungssenators. Ich weiß, das sind große Herausforderungen, aber wenn die Steuerung nicht klappt, dann muss man sich fragen, wie das insgesamt funktionieren soll.

(Beifall bei der FDP)

Des Weiteren ist eine zentrale Erkenntnis nach Durchsicht des Rechnungshofberichts, dass in einigen öffentlichen Unternehmen der Stadt das gesetzlich geforderte Risikomanagement nicht oder nur mangelhaft ausgeprägt ist.

Zudem gibt es häufig Stellungnahmen von Wirtschaftsprüfern, die keine bestandsgefährdenden Risiken attestieren, weil sie ein öffentliches Unternehmen sind. Die Begründung ist, dass die FHH doch hafte. Diese Begründung darf man auf keinen Fall akzeptieren. Wir haben diesen "Bale-out" bei

(Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg)

Steuerzahlermentalität am Beispiel der Landesbanken wie der HSH Nordbank gesehen. Die ist gegen die Wand gefahren, und es sollte uns wirklich eine Warnung sein, dass wir solche Begründungen nicht akzeptieren.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb ist es angezeigt, dass wir in Zukunft ganz genau hinschauen und der Senat ebenfalls. Der Rechnungshof macht auch den Vorschlag, einen Verantwortlichen für Risikomanagement für die öffentlichen Unternehmen zu benennen. Ich finde das zumindest eine überlegenswerte Variante, die man diskutieren sollte.

Im Zusammenhang mit den öffentlichen Unternehmen ist uns Liberalen Folgendes wichtig: erstens die Forderungen des Rechnungshofs nach regelmäßiger Überprüfung des wichtigen staatlichen Interesses an Unternehmensbeteiligungen, eine Forderung, die wir bereits mehrmals erhoben haben, zweitens die rechtzeitige Umschichtung beispielsweise bei Gründungen, Veränderungen oder Aufgaben von Beteiligungen und drittens die ebenfalls von uns bereits mehrmals geforderte Darstellung aller Risiken der Freien und Hansestadt Hamburg, insbesondere der der öffentlichen Unternehmen.

Liebe SPD, schlimm genug, dass Sie uns und dem Kollegen Herrn Dr. Kluth, der das in der Vergangenheit schon des Öfteren vorgebracht hat, nicht glauben. Sie sollten wenigstens einmal die Einschläge hören, wenn der Rechnungshof Ihnen das ins Stammbuch schreibt.

(Beifall bei der FDP)

Die Finanzbehörde hat zumindest im Bericht zugesagt, dass sie eine behördliche Überprüfung der weiteren Sinnhaftigkeit ihrer Beteiligung durchführen möchte und dem Rechnungshof Bericht erstatten möchte. Wir fordern, dass auch die Bürgerschaft dann darüber informiert wird.

Ein letztes Thema, fast am Schluss des Berichts, das mir besonders wichtig ist, ist die Langzeitarchivierung und Vorgangsbearbeitung. Wir haben das Thema im Unterausschuss IuK-Technik und Verwaltungsmodernisierung bereits thematisiert. Aber der Rechnungshof schreibt unter der Textziffer 575:

"[…] da[ss] es […] in der Regel nicht darum gehe, eine funktionierende Papieraktenführung und -verwaltung abzulösen, sondern eher darum, eine ordnungsgemäße Aktenhaltung wiederherzustellen bzw. erstmalig einzuführen."

Das sollte uns wirklich beunruhigen. Wenn der Rechnungshof feststellt, dass in einigen Behörden gar keine ordentliche Aktenführung mehr durchgeführt wird, dann nützt uns auch ein Aktenvorlageersuchen nichts mehr. Das sollten wir als Bürgerschaft ernst nehmen.

(Beifall bei der FDP)

Ich weiß, dass das ein dickes Brett ist, das man da zu bohren hat, aber es ist nach zwei Jahren SPD-Regierung einmal an der Zeit zu reagieren. Der Rechnungshof hat festgestellt, dass seit zehn Jahren nur mit lauen Appellen gearbeitet wird, ohne dass eine zentrale Festlegung kommt. Gutes Regieren beinhaltet eben auch, so ein dickes Brett zu bohren.

(Beifall bei der FDP)

Der Bericht wird, wie gesagt, im Ausschuss noch eingehend beraten. Deshalb möchte ich es an dieser Stelle dabei belassen und wünsche uns dort eine gute Beratung.