Hafeninvestitionen, Hapag-Lloyd, Elbphilharmonie, Tarifsteigerungen – Hamburg braucht einen Nachtragshaushalt
Wir beginnen mit dem ersten Thema, angemeldet von der Fraktion DIE LINKE. Frau Sudmann wünscht das Wort und sie hat es.
Schönen guten Tag allerseits! Heute haben wir ein sehr spannendes und eigentlich auch ein tolles Thema: Eine Internationale Bauausstellung ist die Gelegenheit zu experimentieren und auszuprobieren, wie die Stadt der Zukunft aussehen kann. Die IBA hat sich auch genau das auf die Fahnen geschrieben: Wir wollen gucken, wie Vielfalt oder auch Neue-Energien-Lösungen aussehen können, und der Erste Bürgermeister, Herr Scholz, hat sogar die Losung ausgegeben, man wolle hier eine Aufwertung ohne Verdrängung erreichen.
Ich freue mich sehr, dass Sie diesen Punkt unterstützen, denn dann bin ich mir sicher, dass Sie auch unsere Forderung unterstützen werden, weil wir es leider bisher nicht mit einer Aufwertung ohne Verdrängung zu tun haben.
Aber erst einmal zum Positiven: Ohne Frage ist wirklich viel geschehen in Wilhelmsburg. Wer in Wilhelmsburg war – nicht nur am letzten Samstag bei der Demo, sondern wer wie ich auch sonst öfter da ist –,
der wird gesehen haben, dass es spektakuläre und interessante Bauten gibt, neue Ideen, teilweise visionäre Ideen zum Klimaschutz und neue Formen der Beteiligungen im Weltquartier. Doch – und da werden Sie mir auch zustimmen müssen – auf eines der größten Probleme der Stadtentwicklung, die soziale Spaltung, hat die IBA bisher keine ausreichenden Antworten geliefert.
Die Frage, die wir als Bürgerschaft haben und die der Senat beantworten muss, heißt doch ganz eindeutig, wie man einen Stadtteil so entwickeln kann, dass niemand verdrängt wird und dass er attraktiv ist für Menschen mit wenig Einkommen, mit mittleren Einkommen und auch mit höheren Einkommen. Diese Lösungen haben wir in Wilhelmsburg bisher nicht gefunden.
(Beifall bei der LINKEN – Dirk Kienscherf SPD: Gucken Sie doch mal hin, Sie müssen nicht nur demonstrieren!)
Ich bin wesentlich öfter da, nicht nur zum Demonstrieren, ich habe an vielen Gesprächsrunden teilgenommen.
Schauen Sie einmal im Internet unter einem bestimmten Portal, wo man Wohnungsangebote findet, nach. Mit dem Stand von heute habe ich zum Beispiel 40 Wohnungsangebote gefunden. Von diesen 40 Wohnungsangeboten war nicht einmal die Hälfte unter 7 oder 8 Euro netto kalt, aber von 11,50 Euro bis hin zu 18 Euro konnte ich dort 20 Wohnungsangebote für Einkommensgruppen finden, die bisher nicht in Wilhelmsburg gelebt haben.
Wohnungsneubau erfolgt ist. Das heißt, dass die Menschen, die bisher dort wohnen, keine Chance haben, vielleicht einmal umzuziehen.
Ich finde auch, man sollte Frau Sudmann ein bisschen mehr Aufmerksamkeit schenken. Es ist die erste Debatte in der Aktuellen Stunde.
Und selbst im Weltquartier, wo nach Aussagen des Senats die Warmmietpreise nach der energetischen Sanierung nur um 13 Cent gestiegen sind, ist nicht sicher, ob all die Bewohnerinnen und Bewohner, die ausquartiert wurden, zurückkommen können, weil die Wohnungen vergrößert wurden. Teilweise ist die Mietbelastung so hoch, dass die Menschen sich das nicht mehr leisten können.
Ich weiß, dass Sie uns ungerne glauben, wenn die LINKE immer sagt, die soziale Spaltung schreite voran, aber der IBA-Strukturmonitoring-Bericht, vom Senat im Jahre 2010 in Auftrag gegeben, hat festgestellt, dass schon in den Jahren 2006 bis 2010 die Mieten in Wilhelmsburg um 21 Prozent gestiegen sind. Heute konnten wir alle lesen, dass die Untersuchung des Gymnasiums Ohmoor für das letzte Jahr eine Mietpreissteigerung um 19 Prozent ergab. Die LBS-Studie, auch heute veröffentlicht, vermeldet im Eigentumswohnungsbestand eine Preissteigerung von 35 Prozent. Da kann sich der Erste Bürgermeister noch so oft hinstellen und sagen, er wolle eine Aufwertung ohne Verdrängung, das funktioniert einfach nicht. Das können sich die Menschen in Wilhelmsburg nicht mehr leisten, und die haben Sie aus dem Fokus verloren.
Ich hätte mir von einer IBA innovative Ideen gewünscht, wie man es denn angeht, wenn man zum Beispiel Sozialwohnungen bauen will und keine reinen Sozialwohnungsquartiere, sondern etwa Mischungen in einem Haus haben möchte. Die IBA hat so etwas nicht vorgelegt. Wenn Sie sagen, Sie wollten keine Spaltung, dann müssen Sie die Menschen zusammenbringen. Auch diese Angebote fehlen.
Die Stadt schafft es, 300 Millionen Euro in die IBA zu investieren, hat aber kein Geld, um das Amt für Grundsicherung in Wilhelmsburg zu halten. 1500 Menschen sind auf dieses Amt angewiesen, davon ist die Hälfte mobilitätseingeschränkt, weil
es auch sehr viele alte Menschen sind. Diese müssen jetzt zur Kurt-Schumacher-Allee in die Innenstadt fahren. Das heißt, sie haben Fahrtkosten und Wege, die sie nicht bewältigen können. Das ist keine soziale Stadtentwicklung.
8,50 Euro, ich habe es korrigiert, Sie sind noch nicht bei 10 Euro –, haben es geschafft, dass die "internationale gartenschau" einen Catering-Service für 6,66 Euro beauftragt. Das geht nicht.
Ich komme zum Schluss, ich wurde so oft unterbrochen. Das Märchen vom schönen Stadtteil Wilhelmsburg bleibt ein Märchen für die Menschen mit wenig Einkommen und wenig Beschwerdemacht. Wenn die IBA zukunftsweisend sein soll, dann muss der Senat dafür sorgen, dass wir günstige Wohnungen und eine gute Infrastruktur bekommen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Ganz kurz, Frau Sudmann: Es reicht nicht, am Samstag auf die Demo zu gehen, es reicht auch nicht, öfter – um Sie zu zitieren – nach Wilhelmsburg zu gehen, sondern man muss sich vielleicht einmal die historische Entwicklung anschauen.
Da gab es mit der Flut 1962 ein furchtbares Ereignis, die größte Katastrophe in der Geschichte der Stadt seit dem Krieg mit massiven Auswirkungen auf den Stadtteil. Dann gab es das, was wir heute Strukturwandel nennen, was den einen Stadtteil mehr getroffen hat als den anderen und Wilhelmsburg sicher mehr als andere Stadtteile. Dann gab es verschiedene konjunkturelle Entwicklungen und Entwicklungen in der Bildungsfrage bei Einwanderung und Migration. Und das Ergebnis, wie so eine
Metropolregion wächst, können wir jetzt an vielen Stellen in der Stadt sehen, und das ist eine davon.