Protokoll der Sitzung vom 27.03.2013

schen mit geistiger oder körperlicher Behinderung verwendet werde. Wörtlich heißt es in Ihrer Pressemitteilung, diese Wortwahl – damit meinen Sie Inklusion – mache deutlich, dass die SPD nicht daran glaube, dass Zuwanderer Chancen auf Aufstieg und Karriere hätten. Was bedeutet das? Ich finde es skandalös, dass Sie den Menschen mit Behinderung auf diese Weise die Chance auf Karriere absprechen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und bei Chri- stiane Schneider DIE LINKE)

Gerade in Hamburg haben wir doch genug Beispiele, dass Menschen mit Handicap große Karrieren, beispielsweise im Sport, gemacht haben. Über die Begrifflichkeiten lässt sich streiten, nicht aber über das Diskreditieren von bestimmten Gruppierungen wie der Gruppe der Menschen mit Behinderungen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP, der SPD und bei Chris- tiane Schneider DIE LINKE)

Frau Özdemmir, Sie haben nun das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Integrationskonzept liegt nun vor. Und wenn man es sich durchliest, dann kann man feststellen, dass der jetzt gewählte Ansatz richtig ist. Das Schaffen einer Wir-Kultur, vor allem auch das Beginnen der Sätze mit dem Wort wir, das Abbauen von Diskriminierung oder die Zielsetzung der interkulturellen Öffnung sind natürlich richtig. Man merkt auch, dass Menschen mit Migrationshintergrund am Werk waren, und man merkt ebenso, dass Erfahrungen aus dem Alltag mit eingeflossen sind.

Aber es ist schade, dass trotz der 50 Jahre Einwanderung die Politik erst heute anfängt, neu umzudenken. Es ist auch schade, dass wir erst heute anfangen, über das Thema Diskriminierung zu sprechen, obwohl es in den letzten 50 Jahren eigentlich täglich zu spüren war.

(Beifall bei der LINKEN)

Trotz Integrationskonzept stellt sich für uns die Frage, wie ernst es die SPD mit ihrer Integrationspolitik meint. In den letzten Debatten und auch in den Anträgen ging es eigentlich eher darum, dass der Senat dieses und jenes prüfen solle, es fehlte an konkreten Maßnahmen. Und auch im Integrationskonzept fehlen Maßnahmen, mit denen angestrebte Ziele erreicht werden sollen. Da gab es auch noch die Haushaltsdebatten, in denen es darum ging, dass im Integrationsbereich Kürzungen vorgenommen wurden. Es gab dann die Unterfinanzierung der Integrationszentren und die Unterfinanzierung der Antidiskriminierungsarbeit, darüber haben wir im letzten Monat gesprochen. Der Senat prüft zurzeit, ob in den Integrationszentren im Rah

(Martina Kaesbach)

men ihrer vorhandenen Sach- und Personalmittel qualifizierte Antidiskriminierungsberatung geleistet werden kann.

Wir haben im letzten Monat mit einem Zusatzantrag erklärt, warum wir das nicht glauben und warum es nicht möglich ist, so eine qualifizierte Antidiskriminierungsberatung zu machen. Wir haben ebenso erklärt, dass es auch für die Integrationszentren eine sehr große Belastung ist, wenn sie nicht mit weiteren Mitteln ausgestattet werden.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Sie legen im Konzept Wert auf die bezirkliche Integrationsarbeit. Auf meine letzte Anfrage zur Integrationsarbeit in den Bezirken hat der Senat geantwortet, dass die Sicherung der Stelle der Integrationsbeauftragten in den Bezirken immer noch nicht absehbar sei, und das ist natürlich ziemlich schwach.

Sie haben sich nun die Antidiskriminierung als Schwerpunkt gesetzt und möchten eigentlich keine Maßnahmen ergreifen. Sie möchten kein weiteres Geld in diese Arbeit investieren, obwohl Sie wissen, wie wichtig das ist. Sie müssen natürlich wissen, dass ein Konzept erst seinen Sinn erfüllt, wenn es auch umgesetzt wird. Wenn wir uns das Konzept anschauen und uns fragen, wo die Maßnahmen sind, dann frage ich mich, wie Sie das eigentlich umsetzen wollen? Wie wollen Sie denn die Diskriminierung in der Stadt bekämpfen?

Ich komme zu Herrn Haufler. Der Unterschied, Herr Haufler – Sie haben noch einmal die Links-Fraktion angesprochen –, zwischen meiner Fraktion und Ihrer Fraktion ist einfach,

(Nikolaus Haufler CDU: Da liegen Welten dazwischen!)

dass wir unsere Augen nicht vor der Realität verschließen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Phyliss De- mirel GRÜNE)

Diskriminierung und Alltagsrassismus sind Faktoren, die die Integration in dieser Stadt behindern. Sie hindern die Menschen auch an einer gleichberechtigten Teilhabe auf dem Wohnungsmarkt, auf dem Arbeitsmarkt und im Bildungsbereich. Sie haben vielleicht nicht die Erfahrung gemacht, aber viele andere Kinder mit Migrationshintergrund haben diese Erfahrung gemacht und machen sie täglich.

(Nikolaus Haufler CDU: Was sagen Sie denn jetzt zu der Umfrage?)

Nein, Herr Haufler, Sie haben in Ihrer Pressemitteilung gesagt, wenn man von Diskriminierung spreche, heiße es gleich, die Migranten würden in die Opferrolle gesteckt. Wenn es so wäre, dann wären am Samstag nicht so viele Menschen mit

Migrationshintergrund auf der Gegenkundgebung in Horn gewesen. Da haben Sie gefehlt, Sie waren nicht dabei.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Diskriminierung und Rassismus müssen abgebaut werden, und zwar mit konkreten Maßnahmen, die die Menschen auch erreichen. Wir hoffen natürlich, dass Sie das Konzept in die Praxis umsetzen und dass die Menschen etwas davon haben. Aber wenn Sie so weitermachen und nicht investieren, dann wird daraus leider nichts.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Senator Scheele hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In Hamburg leben Menschen, die aus über 180 unterschiedlichen Nationen zugewandert sind. Fast jedes zweite Kind in Hamburg hat einen sogenannten Migrationshintergrund.

(Nikolaus Haufler CDU: Das werden wir bald nicht mehr wissen! – Gegenruf von Ksenija Bekeris SPD: Herr Haufler, nun ist mal gut!)

Wir diskutieren sehr einvernehmlich darüber, dass wir Migrantinnen und Migranten hinsichtlich ihrer Ausbildungsförderung besser fördern wollen, weil wir uns freuen, wenn Menschen zuwandern, die am Arbeitsmarkt gewinnbringend tätig sind, etwas für sich und ihre Familien tun und zur Wertschöpfung und zur Vielfalt Hamburgs beitragen. Wir haben auf der Integrationsministerkonferenz in der letzten Woche in Dresden sehr einvernehmlich, von Bayern bis Hamburg, von CSU über GRÜNE, SPD und FDP einen Antrag zur Willkommenskultur beschlossen, den wir vor einem Jahr in Saarbrücken nicht zustande gebracht haben. Es bewegt sich nämlich etwas, und zwar mehr, als manch einer wahrhaben will.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben einen Antrag beschlossen, dass Flüchtlinge, die zunächst keine Integrationsperspektive haben, aber einen Aufenthaltsstatus, an den Integrationskursen des BAMF teilnehmen können, weil sich auch dort etwas bewegt hat hinsichtlich der Frage, dass einige doch hierbleiben und wir uns frühzeitig darum kümmern sollten. auch das ist ein Antrag gewesen, dem CSU, CDU, SPD, FDP und GRÜNE gemeinschaftlich zugestimmt haben. Das ist ein großer Schritt, denn vor einem Jahr waren wir weit entfernt, auf diesem Gebiet weiterzukommen.

Schlussendlich, da waren wir uns nicht einig, hat sich eine sehr große Mehrheit der Länder darauf verständigt, die doppelte Staatsbürgerschaft, die

(Cansu Özdemir)

Hinnahme von Mehrstaatlichkeit, zu ermöglichen und die Optionspflicht abzuschaffen, denn dann würde die Willkommenskultur mit den Einbürgerungskampagnen wirklich funktionieren, weil junge Menschen nicht mehr vor der Frage ständen, ob sie eine Staatsbürgerschaft aufgeben müssen oder nicht.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Und wenn es so ist, dass sich die Welt insgesamt weiterentwickelt, weil alle Parteien zu dem Ergebnis kommen, dass wir unser Verhalten in Deutschland gegenüber zugewanderten Menschen verändern müssen, dann muss der Senat auch ein anderes Integrationskonzept vorlegen als das, was er vorgefunden hat. Hierzu will ich einige Punkte nennen.

Wir gehen weg von dem paternalistischen Fördern und Fordern. Wir wenden uns stattdessen an alle Hamburgerinnen und Hamburger, egal, wo sie geboren sind und wann sie zugewandert sind, denn Integration oder auch Inklusion – es geht nicht um Behinderte, sondern es ist der weitergehende Begriff, was die Gleichstellung angeht – ist ein Auftrag an zugewanderte Menschen und an die Mehrheitsgesellschaft. Und für eine Übergangszeit richtet sich die Aufforderung, für Integration tätig zu sein, eher an die Menschen, die schon länger in Hamburg leben, und nicht an die, die heute zuwandern. Die Mehrheitsgesellschaft trägt ein hohes Maß an Verantwortung für gute Bedingungen, für Integration und Zuwanderung.

(Beifall bei der SPD)

Der zweite Punkt, auf den ich eingehen will, ist genannt worden. Ja, wir nehmen in unser Integrationskonzept Flüchtlinge mit legalem Aufenthaltsstatus auf. Ich habe Ende des vergangenen Jahres eine Wohnung für Jugendliche und für minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge besucht. Die Eltern schicken sie aus Afghanistan im Regelfall in den Westen, nach Europa, nach Deutschland. Nach teilweise irren Episoden kommen sie hier an, gehen sofort zur Schule und machen einen Schulabschluss. Eigentlich müssten sie irgendwann zurück. Aber wir wissen, auch aus den Diskussionen im Parlament, dass es manchmal nicht geht. Die Situation im Herkunftsland ist so, dass wir sie nicht zurückschicken können. Sie finden eine deutsche Frau und heiraten und bleiben hier, wie das dann so ist.

Und wenn das so ist und wenn wir diese Biografien alle kennen, kann man auch in die Ausbildung dieser Menschen investieren und ihnen von vornherein, anstatt vier Jahre warten zu müssen, bis sie eine Ausbildung machen dürfen, die Möglichkeit geben, etwas für sich zu tun, und wenn sie hierbleiben, auch einen guten Start ins Berufsleben ermöglichen.

Wenn der eine oder andere nun nach Afghanistan zurückgeht, dann ist der Tausch eines ausgebildeten Elektrikers ein guter Tausch gegen den Abzug der Bundeswehr, das muss ich wirklich sagen.

(Beifall bei der SPD)

Interkulturelle Öffnung ist das Schlüsselwort zu einer wirklichen Integration. Wir müssen nämlich die staatlichen und öffentlichen Einrichtungen befähigen, mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zu arbeiten. Wir können nicht immer einen Beauftragten daneben stellen. Stattdessen müssen es team.arbeit.hamburg, die Behörden und die unterschiedlichen öffentlichen Einrichtungen tun. Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, diese interkulturelle Öffnung in dieser Legislaturperiode und in den nächsten Jahren voranzutreiben. Das ist ein Hauptaspekt, denn er trägt zur wirklichen Gleichstellung bei.

Ich will Antidiskriminierung ansprechen. Wir glauben nicht, dass man mit einer Antidiskriminierungsstelle die Antidiskriminierung in Hamburg bekämpfen kann.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Diskriminierung!)

Es gehört zur interkulturellen Öffnung, Institutionen zu befähigen, der Diskriminierung auf die Spur zu kommen und sie abzubauen. Wenn es im Bereich der Wohnungsvermittlung Antidiskriminierung gibt, wie wir hören, dann muss man mit den Genossenschaften und den Wohnungsbaugesellschaften reden. Wenn Menschen nicht in Discos hineinkommen, dann muss man mit DEHOGA reden. Es wird darum gehen, diese Strategie zu verankern und zur Wirkung zu bringen.

Wir haben das partizipativ erarbeitet. Auch das ist neu. Wir haben mit allen Behörden Workshops gemacht, weil wir es verankern wollen. Wir haben die Zivilgesellschaft ins Körber-Forum eingeladen und lange darüber diskutiert, was wir von den Initiativen lernen können, die in diesem Bereich tätig sind. Wir haben einen Jugendgipfel in Billstedt veranstaltet. Da haben sich die jungen Leute insbesondere für Flüchtlinge eingesetzt und gesagt, man müsse etwas für die jungen Menschen tun, die mit ihnen zusammen zur Schule gehen. Vor allen Dingen hat auch der Integrationsbeirat beraten; darauf hat Herr Abaci hingewiesen. Wir haben den Rohentwurf vorgelegt, wir haben die Anregungen aufgenommen und wir haben die Schlussfassung beraten. Es ist schön, dass Sie gesagt haben, man merke, dass Menschen mit Migrationshintergrund an diesem Konzept mitgearbeitet haben. Es ist besser geworden, als wenn die Herkunftsgesellschaft in Deutschland es allein geschrieben hätte.

(Beifall bei der SPD)

Mein letzter Punkt. Wir bekennen uns dazu, die aufgeschriebenen Maßnahmen in gewisser Weise messbar zu machen. Das stellt an die Opposition

(Senator Detlef Scheele)