Protokoll der Sitzung vom 10.04.2013

Sie tun es schon deshalb – das haben Sie sogar schon erkannt, wie ich erfreulicherweise Ihrer Rede entnehmen konnte –, weil Sie dieses Register, das Sie schaffen wollen und das sicherlich kein Allheilmittel ist, Korruptionsregister nennen. Warum tun Sie das? Es geht doch um ein Vergaberecht. Es geht darum, Unternehmen bei vergaberechtlichen Entscheidungen zukünftig aufgrund von Kriterien, die Sie übrigens heute schon bei Vergabeentscheidungen anwenden können, nicht zu berücksichtigen. Sie tun so, als ob die neue eierlegende Wollmilchsau erfunden wurde. Das ist sachlich falsch, und insofern sollte man das auch sagen. Der Ausdruck Korruptionsregister ist irreführend und deshalb nicht angemessen, aber das werden wir im entsprechenden Ausschuss noch beraten können. Sie wissen genau wie wir, dass die Verwendung von Begriffen Bewusstsein schafft. Sie reden einer allgemeinen Korruptionshysterie, die wir in unserem Land momentan beobachten können, das Wort. Wir lehnen das ab und meinen, dass wir den Unternehmen in unserem Land, die zum größten Teil gesetzestreu sind, damit Unrecht tun und das lassen sollten.

(Urs Tabbert)

(Beifall bei der CDU)

Der Parlamentsdokumentation habe ich entnehmen können, dass das Korruptionsregister eines Ihrer Lieblingsbabys, besonders das von Herrn Dressel, in den vergangenen Legislaturperioden war. Das war die Sau, die regelmäßig durchs Dorf getrieben wurde. Ich finde es erstaunlich, dass Sie sich jetzt auf dieses 2004er-Korruptionsgesetz berufen, obwohl alle Experten sagen, dass es handwerklich wirklich miserabel gemacht wurde, und im Ergebnis hat es zu keiner einzigen Eintragung geführt. Das ist also vielleicht eine Referenz, auf die sich nicht berufen sollten.

(Beifall bei der CDU – Urs Tabbert SPD: Warum haben Sie denn kein besseres ge- macht?)

In der Sache sind wir tatsächlich der Auffassung, dass es sinnvoll wäre, und das vertreten wir als Hamburger CDU schon seit vielen Jahren, ein Bundeskorruptionsregister einzuführen. Wir alle wissen, dass Vergabeverfahren national oder sogar europaweit ausgeschrieben werden. Man braucht keinen Flickenteppich an Korruptionsregistern. Deshalb macht Ihr Gesetzesvorstoß auch dem Grunde nach keinen Sinn.

(Urs Tabbert SPD: Herr Mißfelder sieht das aber anders!)

Sinn hätte es vielleicht noch gemacht, das im norddeutschen Verbund zu lösen. Das ist Ihnen leider auch nicht gelungen. Aufgrund der Tatsache, dass im Deutschen Bundestag im Februar in den entsprechenden Ausschüssen überall die Einrichtung eines Bundeskorruptionsregisters verhandelt wurde, ist doch zu fragen, warum Sie das jetzt machen. Das ist doch Aktionismus, das ist keine solide Politik, Sie sollten davon ablassen.

(Beifall bei der CDU)

Sie wollen die Flickenteppichlösung, weil es Ihnen nicht gelungen ist, die anderen norddeutschen Länder und auch die übrigen Bundesländer mit ins Boot zu holen. Das macht es aber nicht besser. Insofern haben wir große Probleme mit der Einführung eines isolierten hamburgischen Korruptionsregisters. Darüber hinaus ist der Gesetzentwurf selbst – anders, als Sie, Herr Tabbert, uns eben haben glauben lassen wollen – bei den Ausgangsvoraussetzungen doch nicht richtig gelungen, denn Sie knüpfen nicht nur an ein rechtskräftiges Urteil oder einen Strafbefehl an. Darüber könnte man diskutieren. Sie knüpfen sehr wohl auch an Paragraf 153a StPO an. Wir alle wissen aus den Diskussionen der vergangenen Tage, dass auch hier die Unschuldsvermutung gilt und eben nicht ein hinreichender Tatverdacht bewiesen wäre. Die Anknüpfung an den Paragrafen 153a StPO halten wir für außerordentlich bedenklich.

(Urs Tabbert SPD: Das sieht die Rechtspre- chung anders, das wissen Sie, nicht!)

Insofern würden wir auch über diese Frage selbstverständlich noch im Ausschuss diskutieren wollen. Alles in allem halten wir es für sinnvoll, dieses noch nicht wirklich ausgefeilte Gesetz im Ausschuss zu beraten. Wir werden uns an der Beratung kritisch und konstruktiv beteiligen. Wir wollen einmal sehen, ob dann etwas Ordentliches dabei herauskommt.

(Beifall bei der CDU)

Herr Tjarks hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Hamburg braucht ein Korruptionsregister. Wir haben mit großer Sympathie diesen Antrag zur Kenntnis genommen. Ich glaube, es war fast der erste Antrag, den die SPD-Fraktion in dieser Legislaturperiode in die Bürgerschaft eingebracht hat. Insofern ist die Aussage von Frau Prien nicht ganz ungerechtfertigt, dass Herr Dressel dort hinterher ist. Wir freuen uns erst einmal, dass Sie es nach zwei Jahren, das war zugegebenermaßen lange, geschafft haben, vielleicht auch gegen Teile des eigenen Senats ein bisschen etwas auf den Weg zu bringen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Für uns ist klar, dass kriminelle Handlungen wie Korruption und Schwarzarbeit – wie man das Gesetz am Ende nennt, ist uns gleichgültig, vielleicht haben Sie einen besseren Vorschlag – nicht nur strafrechtliche Folgen für die handelnden Personen haben dürfen. Wir glauben auch, dass sich Unternehmen ihrer Verantwortung stellen müssen. Wir sagen hier sehr klar: Deutschland und Europa müssen alte Rechtstraditionen überdenken, nach denen Straftaten nur Einzelpersonen zugeordnet werden. Dafür sprechen Fälle, wie es sie zuletzt mehrfach in der großen deutschen Industrie gab. Ich verweise auf Siemens, die im Ausland massiv geschmiert haben, oder ThyssenKrupp, die mehrere Kartellverfahren an der Backe haben, von denen im Übrigen auch die Stadt Hamburg betroffen ist. Wir hatten mehrere Bankenskandale, die wirklich viel Geld gekostet haben. Wir glauben, dass es an der Zeit ist, ein Unternehmensstrafrecht in Deutschland einzuführen, und ein Korruptionsregister ist ein richtiger Schritt dahin.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der vorliegende Gesetzentwurf ist nicht nur auf Korruption beschränkt, sondern berücksichtigt viele andere Straftatbestände wie Abgeordnetenbestechung, Betrug, Urkundenfälschung, Schwarzarbeit. Wir finden diesen Ansatz richtig, haben uns aber gefragt, wieso beispielsweise Verstöße gegen das Kartellrecht nicht aufgenommen sind. Das gilt ins

(Karin Prien)

besondere, wenn man den Fall ThyssenKrupp bedenkt, die deutschlandweit in Bezug auf Eisenbahnschienen, auf Aufzüge, auf Rolltreppen, wovon sie auch viele in Hamburg gebaut haben, ein Kartell aufgebaut haben. Warum dieses Unternehmen dann am Ende nicht von diesem neuen Gesetz betroffen sein soll, können Sie uns gern im Ausschuss erklären.

Wir finden es auch richtig, dass gemeinsam mit Schleswig-Holstein und vielleicht auch mit Niedersachsen ein Korruptionsregister angegangen werden soll. Wenn ein Unternehmen aus Norderstedt auf der Schwarzen Liste landet, dann sollten Hamburger Behörden davon erfahren. So weit sind wir einverstanden. Unsere Kritik ist – Herr Tabbert, Sie sprachen das schon an –, dass man das Gefühl hat, Ihnen hätte das Hinterhaus massiv dazwischengefunkt. Sie haben einen Wirtschaftssenator, der sich vor seiner Zeit als Wirtschaftssenator massiv dagegen geäußert hat. Als Wirtschaftssenator hat er sich gar nicht mehr dazu geäußert. Man bekommt auch das Gefühl, dass er es ein bisschen verzögert und verschleppt hat. Wir finden, Sie haben einen grundlegenden Bug in Ihr Gesetz eingebaut.

(Finn-Ole Ritter FDP: Bug?)

Für Sie, Herr Ritter: Der Fehler, Millenium-Bug.

Wir glauben, dass der Fehler dieses Registers das Compliance-Verfahren ist. Unternehmen haben die Möglichkeit, sich durch einen Compliance-Kodex der Überprüfung zu entziehen. Niemand weiß, wie dieser Compliance-Kodex aussieht. Er wird auch nicht vom Senat erarbeitet, schon gar nicht von der Bürgerschaft, sondern von der Handelskammer, die das Korruptionsregister ablehnt. Sie haben gesagt, dass dieser Compliance-Kodex dazu führen kann, dass solche Unternehmen nicht überprüft werden. Die Betonung liegt auf "kann", richtig, aber genau deswegen macht man diese Regelung doch, damit es am Ende auch dazu führt. Es stellt sich natürlich schon die Frage, welche Unternehmen sich an die Handelskammer wenden, damit diese Regelung kommt. Das könnten natürlich genau solche Unternehmen sein, die am Ende im Zwielicht stehen. Es muss nicht, aber es kann dazu führen, dass dieses Korruptionsregister deshalb wieder dort landet, wo das vorige schon war, nämlich in der Unwirksamkeit. Das würden wir gern verhindern. Wir glauben, dass an dieser Stelle nachgearbeitet werden muss, und dazu haben wir die Ausschussberatung.

Ein weiterer Punkt, der uns sehr umtreibt, ist die Frage der Ausschreibungen. Wenn man, wie im Bereich Reinigungsgewerbe, Ausschreibungen gar nicht vornimmt, dann bringt natürlich ein Korruptionsregister auch nichts, weil nie überprüft wird, ob etwas rechtmäßig abgelaufen ist. Auch hier müssen Sie unseres Erachtens nacharbeiten. Unterm Strich: Wir wollen ein wirksames Korruptionsregis

ter. Wir würden uns freuen, wenn man dieses Compliance-Verfahren noch einmal überdenkt und vielleicht auch ausbuchstabiert, bevor man es verabschiedet, und wir würden uns wünschen, wenn möglichst viele Fraktionen in diesem Haus daran mitarbeiten würden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Dr. Kluth hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es kann eigentlich zum Thema Korruptionsbekämpfung keine zwei Meinungen geben. Der Bund, die Länder und die Kommunen geben jedes Jahr etwa 400 Milliarden Euro im Rahmen von öffentlichen Aufträgen aus. Dass dabei die Vergabe sauber und rechtlich einwandfrei läuft, liegt nicht nur im Interesse der Steuerzahler, das liegt vor allen Dingen auch im Interesse derjenigen Unternehmen, die sich dabei rechtstreu und anständig verhalten. Die FDP hat daher schon im Jahr 1997 unter Federführung des liberalen Justizministers Schmidt-Jortzig das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Bundestag durchgesetzt.

(Beifall bei der FDP)

Nun kann man sich die berechtigte Frage stellen, ob dieses Gesetz heute, also 16 Jahre später, noch ausreichend ist. Der Bundestag hat dazu gerade im Februar eine Expertenanhörung durchgeführt. Die Zahlen, die dort unter anderem vom Bundeskriminalamt vorgetragen wurden, sind in der Tat alles andere als erfreulich. Der Schaden durch Wirtschaftskriminalität liegt danach bei 4,6 Milliarden Euro pro Jahr, allein der Schaden durch Korruption bei 276 Millionen Euro. Alles spricht also dafür, mehr gegen Korruption zu unternehmen. Ich und die FDP-Fraktion unterstützen daher ausdrücklich die von Transparancy International mitangestoßene Diskussion.

(Beifall bei der FDP)

Auf einem ganz anderen Blatt steht aber die Frage, ob dieser vom Senat vorgelegte Gesetzentwurf dabei ein Schritt in die richtige Richtung ist. Wer sich den Gesetzentwurf sorgfältig durchliest, der kann eigentlich nur zu einem Ergebnis kommen: Er ist es nicht. Wie auch schon beim Spielhallengesetz oder beim Passivraucherschutzgesetz zeigt sich, dass gut gemeint häufig der größte Feind von gut gemacht ist. Das ist auch hier so. Der vorliegende Entwurf ist jedenfalls aus unserer Sicht politischer und auch handwerklicher Murks. Das werde ich Ihnen an mehreren Punkten erläutern.

(Beifall bei der FDP)

Erstens: Es fehlt für den Gesetzentwurf bislang an jeder Faktengrundlage. Korruption, Steuerhinter

(Dr. Anjes Tjarks)

ziehung und auch Sozialversicherungsbetrug sind auch schon jetzt strafbar. Daher stellt sich die Frage, welchen Nutzwert darüber hinaus ein Register hat. Denn wer eine neue Einrichtung oder ein neues Gesetz schaffen will, der muss erst einmal den öffentlichen Nutzen unter Beweis stellen, also konkret die Frage stellen, welche wissenschaftlichen Evaluationen eigentlich aus Nordrhein-Westfalen oder aus Berlin über die dort bestehenden Register vorliegen. Solche Evaluationen gibt es nicht. Sie finden auch in der Gesetzesbegründung des vorliegenden Gesetzentwurfs hierzu kein Wort. Ohne solch eine Grundlage ist Ihre Initiative zunächst einmal nichts anderes als reiner Aktionismus.

(Beifall bei der FDP)

Zweitens: Sie wollen ein Register schaffen, in dem insgesamt, ich habe es nachgezählt, 53 verschiedene Straftatbestände eingetragen werden sollen, angefangen bei Vermögensdelikten über Steuerhinterziehung bis hin zur Bildung terroristischer Vereinigungen oder Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Das bedeutet einen unglaublichen Aufwand für die Hamburger Justiz, die dieses Register mit Verfahren und Angaben füttern soll. Datenschutzrechtlich ist das problematisch und außerdem völlig überflüssig, denn es gibt doch schon das Bundeszentralregister, in dem genau diese Straftaten, die jetzt noch einmal erfasst werden, bereits registriert sind. Es reicht also eigentlich die Genehmigung aus, bei Ausschreibungsverfahren ein polizeiliches Führungszeugnis einzuholen, Paragraf 30 Bundeszentralregistergesetz. Ein Korruptionsregister braucht es jedenfalls dazu nicht.

(Beifall bei der FDP)

Drittens: Wir haben nicht nur ein Bundeszentralregister, sondern es gibt auch das Bundesgewerbezentralregister. Auch hier hätte dem Senat ein Blick in das Gesetz nicht geschadet, denn auch dort werden bereits heute Gewerbeuntersagungen und eine Vielzahl anderer Straftaten und Ordnungswidrigkeiten mit Gewerbebezug gespeichert, ausdrücklich auch Verstöße gegen das Schwarzarbeitsgesetz, ausdrücklich auch Verstöße gegen Paragraf 266a StGB, also Sozialversicherungsbetrug, oder Verstöße gegen die Paragrafen 15 und 15a Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, also genau die Straftatbestände, die Sie jetzt im hamburgischen Register noch einmal, also doppelt, speichern lassen wollen. Auch hier gilt: Eine Auskunft aus dem Gewerbezentralregister reicht aus; eines neuen Registers bedarf es dazu nicht.

(Beifall bei der FDP)

Viertens: Das ist schon gar nicht mehr witzig. In das Register sollen nicht nur – Herr Tabbert, hier haben Sie dem Parlament eben etwas Falsches vorgetragen – rechtskräftige Urteile oder Bußgeldbescheide eingetragen werden, sondern es sollen

nach Paragraf 4 Absatz 1 Satz 1 bei Straftatbeständen nach Paragraf 2 schon die Einleitung des Ermittlungsverfahrens ausreichen. Das ist nichts anderes als die Aufgabe des Grundsatzes der Unschuldsvermutung. Das ist außerdem geradezu eine Einladung, seinen Wettbewerber durch falsche Beschuldigungen oder anonyme Denunziation aus dem Rennen zu schießen. Das ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht in Übereinstimmung zu bringen und wird daher mit der FDP nicht zu machen sein.

(Beifall bei der FDP)

Fünftens: Das Gleiche gilt – Frau Prien hat es schon angesprochen – für Eintragungen von nach Paragraf 153a StPO eingestellten Verfahren. Für alle Nichtjuristen, das sind solche Verfahren, die gegen eine Auflage oder eine Geldbuße eingestellt werden, weil entweder kein öffentliches Strafverfolgungsinteresse besteht oder die Schuld gering ist. Was wird die Folge sein, wenn ernsthaft auch solche Einstellungen nach 153a StPO zukünftig in das Register eingetragen werden? Logisch, niemand wird sich mit solchen Verfahrenseinstellungen zukünftig noch einverstanden erklären können. Das aber wäre ein rechtspolitischer Irrweg und bedeutet erhebliche zusätzliche Belastungen für unsere Gerichte, bei denen – darüber sind wir uns, glaube ich, alle einig – die Verfahrensdauern ohnehin schon viel zu lang sind.

(Beifall bei der FDP)

Sechstens: Was nutzt ein Flickenteppich von 16 isolierten landesweiten und zwei bundesweiten Registern? Ich glaube, gar nichts, denn Korruption macht bekanntlich nicht an Ländergrenzen halt.

Siebtens: Auch in diesem Fall ist "pay as you go" für diesen Senat Schnee von gestern. In der gesamten Drucksache findet sich daher kein Wort über den Personalaufwand und die Kosten der Registerführung oder auch Kosten bei der Justiz und der Verwaltung, die dieses massiv füttern sollen.