Protokoll der Sitzung vom 12.06.2013

Das macht nichts, Herr Müller, Sie haben das Wort und nur Sie.

(Gerhard Lein SPD: Er muss uns entertai- nen! Das ist das Problem! – Glocke)

Herr Müller, bitte fahren Sie fort.

Ich versuche, durchzudringen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gab auch in NRW schon im Mai einen Antrag im Landtag, der eine Bundesratsinitiative forderte. Dieser Antrag wurde von Rot-Grün auch beschlossen. Ich weiß gar nicht, ob die CDU zugestimmt hat; das könnten Sie vielleicht noch einmal recherchieren. Wenn es eine von vielen getragene Bundesratsinitiative zu diesem Thema gibt, dann kann das helfen, aber machen wir uns an diesem Punkt nichts vor: Wenn wir wirklich einen Schritt weiterkommen wollen, geht das nur über zwei Dinge. Entweder werden andere Parteien diese Bundestagswahl gewinnen

(Finn-Ole Ritter FDP: Hoffentlich nicht!)

und dann dieses Gesetz auf den Weg bringen, oder die EU wird ein Gesetz vorlegen, das dieses

europaweit regelt. Solche Richtlinienentwürfe wurden schon angekündigt, und es wäre nicht verkehrt, wenn wir europaweit einen einheitlichen Standard hätten.

Wir stimmen dem SPD-Antrag zu. Mit Punkt 2 haben wir aber auch Probleme. Wir sehen keinen Sinn darin, das Internet auf Länderebene regeln zu wollen. Das ist mit uns auf keinen Fall zu machen. Über die Europadimension oder eine weltweite Regelung können wir reden, aber so weit sind wir noch nicht bei der Gesetzgebung. Wenn wir das europaweit hinbekommen, wäre das super. Mir würde aber auch schon reichen, das Telemediengesetz entsprechend anzupassen. Ich hoffe, dass sich alle Fraktionen in diesem Hause bei diesem Weg im Grundsatz einig sind; das würde helfen. – Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun bekommt Herr Ritter das Wort.

(Hansjörg Schmidt SPD: So, jetzt mach mal was!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Schmidt, das waren ja rührende Worte zur Netzneutralität.

"Netzneutralität im Internet und Diskriminierungsfreiheit gewährleisten"

Das hat die SPD und das hat Herr Schmidt echt schön formuliert.

(Hansjörg Schmidt SPD: So bin ich!)

Dahinter steckt aber leider wenig, vor allem Wahlkampf. Schauen wir uns den Antrag einmal an, in der Einleitung steht:

"Bestimmte Entwicklungen der letzten Monate fordern politischen Handlungswillen zur Einhaltung der Netzneutralität heraus."

(Hansjörg Schmidt SPD: Am Puls der Zeit!)

Richtig, die SPD stellt seit Monaten bundesweit auf Wahlkampfmodus um. Fraktion und Senat versuchen nach Kräften, am Bundesrat zu drehen, und da die Themen ausgehen, versucht man es nun eben mit Netzneutralität. Wichtiges läuft da plötzlich ganz nebenbei. Fast beiläufig – das wurde noch gar nicht erwähnt – stellt der Antrag dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk implizit eine Vorfahrtsgarantie für seine Mediatheken und Co. in Aussicht, also genau die Online-Angebote, die wir alle mittlerweile über die neue Rundfunkabgabe bezahlen. Womit, Herr Schmidt, erklärt sich sonst die Forderung nach Regelungen zur Netzneutralität im Rundfunkstaatsvertrag? Werte Kolleginnen und Kollegen der SPD, das Thema Netzneutralität ist viel zu wichtig, als es im Wahlkampf derart zu verbrennen, und es ist auch zu wichtig für wahl

(Farid Müller)

kampftaktische Anbiederungen beim öffentlichrechtlichen Rundfunk.

Die schwarz-gelbe Koalition, die Bundesregierung, ist beim Thema Netzneutralität hellwach, das zeigt die Gesetzesnovelle des Telekommunikationsgesetzes von 2011/2012. Die Bundesregierung ist mit dem neuen Paragrafen 45a ermächtigt, grundsätzliche Anforderungen an diskriminierungsfreie Datenübermittlung festzusetzen sowie Zugang zu Inhalten und Anwendungen im Internet per Verordnung zuzulassen

(Hansjörg Schmidt SPD: Tut sie ja nicht!)

und zudem die Bundesnetzagentur als zuständige Aufsichtsbehörde in die Lage zu versetzen, technische Richtlinien und Mindestanforderungen und technische Details festzulegen.

(Hansjörg Schmidt SPD: Die schieben sich doch die Schuld gegenseitig zu! Haben Sie die Debatte nicht verfolgt?)

Dadurch sind schnellere Anpassungen an einen sich dynamisch entwickelnden innovativen Markt besser möglich als mit einem starren Gesetz. Mögliche Rechtsunsicherheiten, die ein solches mit sich bringen würde, werden eingedämmt und der Innovationsspielraum dieser Zukunftsbranche bleibt gewahrt. Das ist der Unterschied zwischen gut gemacht durch die FDP und gut gemeint durch die SPD.

(Beifall bei der FDP – Hansjörg Schmidt SPD: Jetzt mal zur Sache!)

Ich habe gerade schon etwas gesagt, Herr Schmidt. Sie müssten nur einmal zuhören, und das nicht nur dann, wenn es Ihnen gerade passt.

Wie Sie sehen, hat Schwarz-Gelb im Bund also bereits einige sehr sinnvolle Schritte unternommen.

An dieser Stelle ein Wort zum Zusatzantrag der LINKEN. Sie fordern mit dem Einleitungssatz des Petitums eine starre gesetzliche Regelung, statt sich zunächst einmal auf die Arbeit der Bundesnetzagentur zu verlassen. Warten Sie doch erst einmal deren Prüfungs- und Regulierungsergebnisse ab. Wir Liberale lehnen Ihren Antrag einer starren gesetzlichen Regelung ab.

Zu weiteren wichtigen inhaltlichen Fragen rund um das Thema Netzneutralität. Die mögliche Einführung von Volumentarifen im Festnetzbereich ist per se erst einmal kein Problem, das gibt es im Mobilfunkbereich auch schon länger. Wer das nicht hören möchte, kann ja mit den Füßen abstimmen, das heißt, seinen Anbieter wechseln – eine wunderbare marktwirtschaftliche Lösung per Wettbewerb. Schneller und besser kann es nicht funktionieren.

Problematisch ist allerdings – und jetzt komme ich auf die Petita, denen wir zustimmen – die ange

dachte Bevorteilung eigener Kooperationspartner durch Internetanbieter. Das ist die eigentliche Gefahr für die Netzneutralität, und das dürfte auch die Kartellwächter sehr schnell auf den Plan rufen, da sonst der vorab beschriebene Anbieterwettbewerb in Gefahr ist. Langfristig droht sogar eine Monopolisierung des Marktes. Deshalb stehen wir Liberale solchen Entwicklungen auch sehr kritisch gegenüber. Derzeit prüft die Bundesnetzagentur als zuständige Aufsichtsbehörde allerdings noch entsprechende Vorhaben der Telekom. Warten wir also erst einmal ab, was die Bundesnetzagentur geregelt bekommt, Politik muss sich ja nicht immer sofort einmischen.

Abschließend noch ein paar Worte zum Routerzwang. Das Thema geistert seit mindestens einem Dreivierteljahr durch die Szene. Gemäß dem Gesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen muss jedes zulässige Endgerät, also auch jeder handelsübliche Router, ans Netz angeschlossen und genutzt werden können. Der Hauptstreitpunkt ist momentan, wo die Netzabschlussschnittstelle ist und was die sogenannte Telekommunikationsendeinrichtung ist. Einige Internetanbieter liefern ihre vorkonfigurierten Boxen gleich mit und sehen erst darin die Schnittstelle zu ihrem Netz und somit den Netzabschluss. – Ich merke, dass das ein bisschen technisch wird, aber Sie können mir bestimmt noch folgen, Herr Schmidt, oder?

(Hansjörg Schmidt SPD: So lange Sie sich selbst noch folgen können!)

Die derzeit viel gescholtene Telekom hält jedoch nach wie vor die erste Anschlussdose, die TAEDose, für den Netzabschluss. Diese Auffassung teilen wir aus liberaler Sicht, denn genau an dieser Stelle beginnt die Privatsphäre. Ab hier entscheidet der Bürger, welche Technik und welches Design er nutzt. Allerdings gilt auch die Vertragsfreiheit. Wenn die Nutzung eines spezifischen Geräts vereinbart wird, gilt das auch. Zur Not besteht ein Rücktrittsrecht oder Sonderkündigungsrecht bei Vertragsänderungen.

Das Fazit des Ganzen ist – Herr Schmidt, das wird Sie wahrscheinlich überraschen –, dass wir Punkt 1 und 3 Ihres Petitums zustimmen werden. Bei Punkt 2 konnten wir uns leider nicht wie die CDU dazu durchringen, zuzustimmen, weil das doch eine eindeutige Richtung hat. Aber das Ganze ist für uns so wichtig, modern wie komplex, sodass wir eine Überweisung an den Ausschuss befürworten. Wenn Sie es abstimmen, habe ich Ihnen mein Votum gerade genannt.

(Beifall bei der FDP)

Nun hat Frau Artus das Wort.

(Finn-Ole Ritter)

Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Die CDU im Bundestag ist der Auffassung, bei der Sicherung der Netzneutralität gehe es um ein Ansinnen aus SED-Zeiten, welches der LINKEN genetisch vererbt worden sei. Es sei neosozialistische Propaganda, das hat zumindest der Redner der Regierungsfraktion in Berlin vor Kurzem ausgeführt, als die Netzneutralität auf der Tagesordnung des Bundestags stand.

(Beifall bei Christoph de Vries CDU)

Insofern, Frau Wolff, habe ich mich heute über Ihre Äußerungen sehr gefreut.

Ein weiterer Redner der Regierungsfraktion behauptete dann, die Netzneutralität sei bereits gesetzlich festgeschrieben. Verehrte Abgeordnete, ich finde es schlimm, mit wie wenig Sachverstand und wie viel Polemik im Bundestag von CDU-Seite aus diskutiert wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Das zeigt einmal mehr, dass das Thema bei Ihrer Partei nicht gut aufgehoben ist. So ist es auch kein Wunder, dass eine überregionale Tageszeitung in der letzten Woche beklagte, dass der Netzneutralität viel zu wenig Aufmerksamkeit in den Parlamenten zukomme. Deswegen finden wir es gut, dass die SPD das hier auf die Tagesordnung gesetzt hat.

(Hansjörg Schmidt SPD: So sind wir!)

Herr Schmidt, insofern verstehe ich Ihren Wortbeitrag nicht, dass man darüber nicht mehr groß diskutieren müsse. Es ist richtig, heute zu diskutieren, und wir tun das auch gerade; Sie haben es selber zur Debatte angemeldet.

Alle Fraktionen der Opposition im Bundestag sahen es als erforderlich an, die Netzneutralität endlich gesetzlich festzuschreiben, im Grunde auch die FDP. Zumindest hat einer Ihrer Redner im Bundestag den Antrag der Links-Fraktion ausdrücklich unterstützt, Herr Ritter.