Es geht um die Frage, wie man es macht. Das strukturelle Defizit von 1 Milliarde Euro, das Sie in Ihren acht Jahren Regierungszeit durch Einsparungen nicht haben lösen können, ist doch ein einfaches Argument dafür, dass es auch Einnahmeverbesserungen geben muss. Oder wollen Sie sagen, dass wir das vielleicht besser schaffen, wenn die LINKE endlich einmal regiert?
Was wir gestern bei der Diskussion über die Netze mitbekommen haben fand ich unvorstellbar. Der Bürgermeister sagte, jetzt seien die Zinssätze so gering, aber 7, 8 oder 9 Prozent würden vielleicht auf die Dauer nicht reichen, es könne doch alles Mögliche passieren. Sie arbeiten nur mit Angst nach dem Motto, die Vorschläge, die unter Kohl existiert haben, würden die Wirtschaft kaputt machen. Was ist denn das für eine politische Debatte? Das ist doch Unsinn, das kann doch gar nicht sein.
Herr Heintze tritt auf und sagt, jeder Hamburger wäre exorbitant betroffen von den rot-grünen Steuerplänen. Das ist doch auch Unsinn, das ist eine übersteigerte Wahrnehmung. Sie argumentieren nicht, sondern bauen Angstbilder auf und sagen, wenn wir das nicht machen, dann wird alles katastrophal. Es gibt überhaupt keine Substanz in Ihren Argumenten. Davor habe ich politisch große Angst, wenn wir nämlich nicht mehr debattieren über verschiedene Konzepte, sondern nur noch die Angst alles beherrscht. Herr Wersich sagt, wenn Rot-Grün an die Regierung käme, dann würde die Wirtschaft kaputt gemacht. Was ist das für ein Unsinn; das ist kein Argument, das ist Angst. Mit dieser Einstellung können wir in dieser Gesellschaft nicht vorankommen.
(Dietrich Wersich CDU: Das haben wir doch schon erlebt 2002! Wir haben doch als Er- stes die Maastricht-Kriterien zu spüren be- kommen!)
Da kann er so viel schreien wie er will, das nützt nichts, bei dieser Art und Weise überzeugt das nicht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als ich den Antrag las, hatte ich gleich die Befürchtung, dass wir ein bisschen Bundestagswahlkampf erleben. Ich weiß allerdings nicht, Herr Heintze, welche große Rhetorik meinerseits Sie damit meinen. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich bisher diese großen Wahlkampfthemen kommentiert hätte. Das würde sich dann anders anhören. Ich werde auch heute keine politischen Wahlprogramme kommentieren. Aber wenn Sie die Mitwirkung der Hamburger Finanzbehörde an der Datenerhebung zur Wirkung einer Vermögensteuer ansprechen, dann haben wir das in der Tat ohne große Rhetorik gemacht, aber durchaus im Auftrag der Bürgerschaft, denn hierzu wurde der Senat ersucht. Deswegen ist dies eine sehr sinnvolle Datenerhebung, die wir brauchen, um die Wirkung der Vermögensteuer beurteilen zu können.
Ich würde gern eine grundsätzliche Bemerkung machen. Ein Staat braucht ein bestimmtes Mindesteinnahmevolumen. Wenn er das nicht hat, wird dies sichtbar im Zustand der öffentlichen Infrastruktur, in den sozialen Verhältnissen oder bei der Entwicklung des Schuldenstandes. Das ist ein Grundsatz, der weltweit gilt, den können Sie überall beobachten. In Deutschland gibt es, im internationalen Vergleich, drei auffällige Befunde.
Erstens: Die Steuerquote ist mit 22,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts relativ niedrig. Gebühren und Abgaben muss man dazu nehmen, das will ich nicht unterschlagen, aber nur wenige Länder liegen hinter uns, Spanien und Griechenland zum Beispiel.
Zweitens: Bei den vermögensbezogenen Steuern liegen wir im OECD-Vergleich auf dem drittletzten Platz.
Drittens: Herr Hackbusch sprach es an, 10 Prozent der reichsten Haushalte besitzen über die Hälfte des gesamten Nettovermögens, und dieser Anteil nimmt immer weiter zu. Das ist keine rot-grüne Rhetorik, sondern das ist ein annähernd wörtliches Zitat aus dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung vom März 2013, also aus Ihrem Ministerium, Herr Heintze. Und deswegen sollten wir diese drei Eckpunkte, die die Situation in Deutschland kennzeichnen, bei der steuerpolitischen Diskussion beachten.
Der erste Irrtum, den Sie heute vortragen, ist wieder der Punkt, dass wir doch genug Steuern hätten. Das ist genau der Fehler, der in den vergangenen Jahren gemacht wurde, nämlich dass Sie aus einer Momentaufnahme heraus auf die strukturelle Lage schließen. Herr Heintze, Sie und Ihre Fraktionskollegen laufen seit zwei Jahren durch Hamburg und erklären der Bevölkerung, wofür dieser Senat zu wenig ausgibt. Sie haben – ich kann mich nicht erinnern, vielleicht müssen Sie das noch nachtragen – bisher keinen konkreten Sparvorschlag gemacht.
Was die Einnahmenlage angeht, wissen alle Finanzminister, von Herrn Schäuble bis hin zu Herrn Söder, dem man es mittlerweile erläutern konnte,
dass wir uns vor dem Hintergrund der Schuldenbremse, der sozialen Aufgaben und des Investitionsbedarfs für die öffentliche Infrastruktur, von den Verkehrswegen bis zu den Hochschulen, keine Steuermindereinnahmen erlauben können, wenn wir unsere Zukunftsund Wettbewerbsposition nicht gefährden wollen. Das steht jeden Tag in den Zeitungen.
Der zweite Irrtum ist der mit dem Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer. Ich weiß nicht, was Sie da in Ihrem Antrag berechnen. Ich kenne ein Modell mit einer weiteren Progressionszone zwischen 64 000 Euro und 100 000 Euro, bei Verheirateten also bis 200 000 Euro Jahreseinkommen. Das führt zu nennenswerten Mehrbelastungen bei weniger als 10 Prozent der Haushalte, also genau die 10 Prozent, von denen wir eben gesprochen haben.
Etwas komplizierter ist es bei der Vermögensteuer, die man aus Gründen, die Sie auch benennen – vor allem die Investitionskraft der Unternehmen –, auf hohe Privatvermögen richten sollte. Dabei gibt es das Problem, dass wir Privat- und Betriebsvermögen nur in Grenzen ungleich behandeln dürfen. Deshalb ist es auch klug, das bevorstehende Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftsteuer abzuwarten, bei der wir auch Betriebsvermögen weitestgehend schonen. Manchmal sind es allerdings die Vermögenden selbst, die es uns schwermachen, wenn sie Begünstigungen nutzen, um dann auch Privatvermögen über Cash GmbHs oder andere Tricks einer Besteuerung zu entziehen. Ich glaube aber, das alles ist lösbar, wenn eine Bundesregierung mitzieht.
Liebe CDU und FDP, wenn Sie die Familien und Haushalte mit geringem und mittlerem Einkommen gegen die Vermögensteuer und den Spitzensteuersatz ins Feld führen, dann instrumentalisieren Sie die Interessen dieser Familien und Haushalte mit geringeren Einkommen zugunsten einer ganz anderen Gruppe, die Sie eigentlich bedienen wollen. Familien und Haushalte mit geringem Einkommen werden dadurch eben nicht belastet, aber sie profitieren von guten Schulen, beitragsfreien Kitas und der Abschaffung der Studiengebühren. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch ein oder zwei Anmerkungen zu diesem Thema, das zu einer lebhaften Debatte geführt hat und für viele Menschen in dieser Stadt auch von großer Wichtigkeit ist. Ich fand die Reaktion von Ihnen, Frau Hajduk, und von Ihnen, Herr Quast, sehr interessant. Sie sind nicht konkret auf den Antrag eingegangen, Sie haben empfindlich reagiert, Sie waren ausweichend und Sie haben mit Überschriften reagiert. Das zeigt doch, dass Sie die Details, die wir im Zusammenhang mit Ihren Vorschlägen aufgezeigt haben, ausblenden wollen. Darüber wollen Sie gar nicht reden, das wollen Sie verschweigen.
Der Senator war da schon etwas sachlicher und auch konkreter. Herr Quast sagt, das betreffe doch nur die Einkommen ab 200 000 Euro. Herr Senator Tschentscher hat dagegen noch einmal gesagt, bei 64 000 Euro wirke Ihre deutliche Erhöhung der Spitzensteuersätze, und das betrifft viele Menschen.
Wenn man sagt, das betreffe immer nur 5 oder 10 Prozent, dann reden wir aber nur über einen Teilausschnitt. Was ist denn mit der Mehrwertsteuer, Frau Hajduk? Da wollen Sie doch in vielen Bereichen eine höhere Mehrwertsteuer einrichten.
Was ist denn mit der Beitragsbemessungsgrenze bei den Krankenversicherungen? Auch da treffen Sie viele, viele Menschen. Das zeigt doch, dass es eine große Giftliste von Rot und Grün im Bereich der Steuern gibt, die Sie komplett ausblenden wollen.
Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Herr Kleibauer, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Hajduk?
Nur noch einmal zur Mehrwertsteuer. Herr Kleibauer, erinnere ich es richtig, dass die letzte saftige Mehrwertsteuererhöhung von der CDU, gemeinsam mit der SPD, beschlossen wurde?
Frau Hajduk, wir reden über die reduzierten Mehrwertsteuersätze, die es in vielen Bereichen gibt und die Sie in vielen Bereichen erhöhen wollen. Das ist Ihr Programm, das ist das Programm der GRÜNEN.
Dann sagen Sie, das würden Sie alles für die Bildung tun und für die Kinder. Da muss man sich doch auch einmal anschauen, was denn die CDU/ FDP-geführte Bundesregierung in dieser Legislaturperiode getan hat: Mittel für den Kita-Ausbau und Mittel für die Hochschulen wurden durch Prioritätensetzung im Haushalt ohne Steuererhöhungen finanziert. Das ist möglich, wenn man das will.
Dann sagen Sie, man müsse sich die Empirie anschauen. Wo ist denn das empirische Resultat von Rot-Grün? Wo waren wir Anfang dieses Jahrtausends auf der wirtschaftlichen Seite? Das ist das Resultat, das Sie damals abgeliefert haben. Da standen wir am Ende in Europa, Frau Hajduk.