Protokoll der Sitzung vom 11.09.2013

Das Wort hat nun erneut Herr Kerstan.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will Herrn Tschentscher danken, dass er eben einen sachlichen und argumentativen Vortrag gehalten hat

(Zurufe von der SPD)

und auf ein oder zwei meiner Argumente, die ich vor wenigen Minuten vorgetragen habe, eingegangen ist. Das unterscheidet ihn von allen anderen Rednerinnen des Bündnisses gegen den Rückkauf, die nur allgemeine Diffamierungen geäußert haben,

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von der SPD)

aber zu keinem einzigen Argument, das ich vorgetragen habe, auch nur ein Wort verloren haben.

(Dirk Kienscherf SPD: Das waren doch auch nur Diffamierungen, die du vorgetragen hast!)

Was sagen Sie den Mieterinnen in Hummelsbüttel, denen der Senat verwehrt, 60 Prozent weniger Strom zu bezahlen, weil die zuständige Behörde gesagt hat, dass das energiepolitisch nicht geboten sei, weil dann der Netzbetreiber weniger Netzentgelt erhält?

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das gilt für jeden Netzbetreiber, auch für den städtischen!)

Ich würde gern von Ihnen ein Argument hören, warum Sie das richtig finden. Und von den Kollegen der CDU und der FDP hätte ich auch gern ein Wort dazu gehört, ob sie es richtig finden und kein Problem damit haben, dass der ehemalige Referatsleiter der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation mitten in den Verhandlungen zu Vattenfall gegangen ist und dort einen Beratervertrag erhalten hat. Dazu hätte ich von Ihnen gern eine Antwort gehört.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Dr. Andreas Dressel SPD: Welche Verknüp- fungen bestehen eigentlich bei den GRÜ- NEN? Das würde mich auch mal interessie- ren!)

Sie können bei all den Reden, die Sie halten, nicht leugnen, dass das 25,1-Prozent-Modell, das dieser Senat favorisiert, von CDU und FDP abgelehnt wird.

Man muss sich das Argument des Hauptgeschäftsführers der Handelskammer, warum er den Senat bei diesem Volksentscheid unterstützen will, auf der Zunge zergehen lassen. Er hat gesagt, dass

(Senator Dr. Peter Tschentscher)

der 25,1-Prozent-Anteilskauf der Stadt ein polittaktisches Manöver war, das den Befürwortern einer Rekommunalisierung einen Einfluss auf die Geschäftspolitik vorgaukeln sollte, den diese 25,1 Prozent gar nicht bieten – so der O-Ton der Handelskammer Hamburg und gleichzeitig das beste Argument, warum der 25,1-Prozent-Anteilskauf für 540 Millionen Euro für Hamburg ein denkbar schlechtes Geschäft ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Dr. Andreas Dressel SPD: Jetzt ist plötzlich die Handelskammer Ihr Kronzeuge!)

Herr Tschentscher, auch wenn Sie versucht haben, einen argumentativen und sachlichen Beitrag zu leisten, würde ich Sie als Finanzsenator, der immer von 2 Milliarden Euro neuen Schulden spricht, bitten, bei den Zahlen zu bleiben. Die Stadt ist mit 25 Prozent an den Netzen beteiligt. Laut den Gutachten, die Sie haben erstellen lassen, sind die Netze 2 Milliarden wert, und Sie haben bereits 540 Millionen Euro ausgegeben. Es geht jetzt um 1,5 Milliarden weitere Schulden. Wenn Sie als Finanzsenator aber immer nur über 2 Milliarden Euro neue Schulden sprechen, dann mag vielleicht Ihr Ton den Eindruck erwecken, dass Sie sachlich sind, aber das Argument ist in der Sache falsch.

(Gabi Dobusch SPD: Sie müssen die Bürge- rinnen und Bürger nicht für dumm halten!)

Ich würde Sie bitten, weniger auf die große Zahl zu setzen und den Bürgerinnen und Bürgern Angst zu machen und mehr über das Geschäft zu sprechen, wie es wirklich ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Wir kommen jetzt zu den Netzbetreibern, die angeblich Verluste machen und damit die Haushalte der betroffenen Kommunen belasten. Herr Scheuerl hat eine wunderbare Liste gebracht, für die ich sehr dankbar bin. Man kann sich anschauen, wie es in einem regulierten Markt gelingt, Gewinne herauszusteuern und die Verluste im regulierten Bereich zu belassen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ach, jetzt sind die Bilanzen alle gefälscht, oder was?)

Die Gesellschaft "enercity" in Hannover, sie wurde eben erwähnt, ist das dortige städtische Unternehmen, das die Netze betreiben soll. Das ist eine Gesellschaft mit drei Mitarbeitern, und zwar drei Geschäftsführern, also eine Briefkastenfirma. Diese hat hochdotierte Dienstleistungsverträge an ihre Mutter vergeben. Allein der Pachtvertrag mit 52 Millionen Euro ist deutlich mehr als der Verlust, den diese Gesellschaft auf dem Papier ausweist. Die Mutter hat in diesem Jahr das beste Geschäftsergebnis überhaupt erzielt, und die Stadt ist mit keinem einzigen Cent belastet worden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Genau das Gleiche ist es in Leipzig und auch bei anderen. Wir können Ihnen das genauso vorrechnen. Herr Scheuerl, wir sind Ihnen also sehr dankbar. Sie haben bewiesen, dass Ihr Argument, alles sei reguliert und darum könne nichts passieren, falsch ist. Insofern haben Sie den Argumenten der Netzrückkaufbefürworter einen Gefallen getan. Vielen Dank, besser hätte ich es nicht begründen können.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Herr Dr. Dressel hat jetzt noch einmal das Wort.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Sag mal was zu Hannover!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Fangen wir doch gleich mit dem Stichwort an. Die Diskussion von Herrn Scheuerl und anderen zeigt, dass es keine Garantie für Gewinne gibt, aber genau das haben Sie in der Öffentlichkeit über Monate hinweg behauptet.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und der LIN- KEN – Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP)

Man kann Gewinne und auch Verluste machen. Sie haben sich über viele Monate mit diesen Fragen beschäftigt, aber es scheint in Wahrheit wenig hängengeblieben zu sein.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Das ist aber ein Argument!)

Die Bundesnetzagentur, das habe ich Frau Heyenn letztes Mal bereits erklärt, hat Erlösobergrenzen festgelegt. Wenn es Erlösobergrenzen gibt, heißt das aber nicht, dass es auch Erlösuntergrenzen gibt. Es gibt keine Garantierendite durch die Bundesnetzagentur.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Das hat auch kei- ner behauptet!)

Wenn es schiefläuft, kommt es zu Verlusten, und dann ist der Steuerzahler am Ende der Dumme.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP)

Noch einmal zu den Gewerkschaften, und da schaue ich weniger die GRÜNEN an – mit den Gewerkschaften haben Sie es vielleicht nicht so – als vielmehr die Links-Fraktion, die immer sagt, dass sie der erste Anwalt für gewerkschaftliche Interessen sei.

(Zuruf von Jens Kerstan GRÜNE)

Das finde ich doch interessant, jetzt sind Sie plötzlich ganz aufgeregt.

140 Betriebsräte und Vertrauensleute aus dem Energiebereich, die Experten in eigener Sache sind, und zwar aus den Unternehmen selbst und

(Jens Kerstan)

aus energieintensiven Betrieben dieser Stadt, haben einstimmig die Wilhelmsburger Erklärung verabschiedet, weil sie sich Sorgen machen. Was ist Ihre Botschaft an die Kolleginnen und Kollegen bei 100 Prozent?

(Zuruf von Tim Golke DIE LINKE)

Dass es sicher wird? Das ist es nicht. Sie haben den Kollegen nichts gesagt, worauf sie bauen können, und es bleibt dabei, dass die Gewerkschaften in diesem Bereich dagegen sind. Und wir erklären uns mit den Beschäftigten solidarisch.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP)

Frau Heyenn, vielleicht können wir gemeinsam einmal einen Volkshochschulkurs in Regulierung machen und dazu, dass es ein Unbundling zwischen Versorger und Netzbetreiber gibt.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Auch für E.ON und Vattenfall!)

Dass es rechtliche Vorschriften gibt, die man beachten muss, blenden Sie immer völlig aus. Alles wird in einen großen Topf geschmissen, dann wird umgerührt und das ist die Propaganda, die von Ihnen verbreitet wird. So darf man die Öffentlichkeit nicht in die Irre führen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP)

Ich habe vorhin den parlamentarischen Sprachgebrauch nicht ganz gewahrt, aber ich möchte noch einmal darstellen, wo Sie die Rechte der Stadt in der Vereinbarung, die geschlossen worden ist, finden. In der Drucksache 20/2949 steht genau, welche Rechte die Stadt bei den Beteiligungsverträgen hat, die sie geschlossen hat. Schauen Sie noch einmal hinein, Frau Heyenn, denn Lesen hilft.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP)