Protokoll der Sitzung vom 11.09.2013

"Auf abenteuerlichen Wegen hat die Schulsenatorin Christa Goetsch in ihrer Behörde zahlreiche neue Stellen geschaffen, ohne Ausschreibung mit Gefolgsleuten besetzt und diese dann anschließend noch befördert. […] Gleich mehrere Leitungsgremien der Behörde gestaltet Goetsch seit einem Jahr für ihre Gefolgsleute um."

Er nennt die Schulaufsicht mit ihren 24 Schulräten als erstes Beispiel, um dann darin zu münden – wohlgemerkt, das sind die Worte von Herrn Rabe im September 2009:

"Die Schulaufsicht wurde durch zusätzliche Schulaufsichtsbeamte aufgestockt und auf Linie gebracht."

Bei so viel Aufrichtigkeit des Abgeordneten Rabe hätten wir eigentlich erwarten können, dass er, wie er es in dieser Schulausschusssitzung eigentlich angedeutet hatte, irgendetwas tut. Er kennt die Probleme der Schulen, und wie Frau Prien völlig zu Recht gesagt und auch Frau von Treuenfels betont hat, sind die Probleme, mit denen sich die Schulleiter an die Schulaufsicht wenden, niemals regionale Probleme. Das sind immer Probleme, die in der Schule entstehen und schulformbezogen auf die speziellen Unterrichtsanforderungen und organisatorischen Anforderungen hin ausgerichtet sind. Deswegen brauchen wir ein Nebeneinander. Das Regionale ist wunderbar, aber es müssen schulformbezogene Schulaufsichtsbeamte zur Verfügung stehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Robert Bläsing FDP)

Jetzt bekommt Herr Lein das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen von der CDU, lesen Sie bitte Ihr eigenes Petitum. Da steht zum Schluss auf der einen Seite "Schulaufsichtsbeamte" – man achte auf die Formulierung – und auf der anderen Seite "regionale Ansprechpartner". Soweit zur Gleichwertigkeit von vertikal und horizontal.

Zu Herrn Scheuerl will ich nur sagen, dass es lässig ist, jetzt Kaffeesatz zu lesen, was ein früherer Abgeordneter und jetziger Senator wohl gemeint haben könnte. Kritik an der Personalzusammensetzung ist keine Antwort auf die Frage, ob die Struktur, in die dieses Personal hineinkommt, richtig oder falsch ist.

Ich habe eine schöne Postkarte gefunden mit einem Zitat Ihres früheren Ersten Bürgermeisters aus dem November 2012. Da sagt er:

"[…] die konkrete Wahrheit in der Großstadt ist oft anders als die Antworten der CDU."

Wo er recht hat.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Dann können wir zur Abstimmung kommen.

Zunächst kommen wir zum Antrag der FDP-Fraktion aus der Drucksache 20/9295.

Wer diesen Antrag annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit abgelehnt.

Wer dann dem CDU-Antrag aus der Drucksache 20/9071 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist auch mit Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zu Punkt 49, Drucksache 20/9134 in der Neufassung, dem Antrag der GRÜNEN Fraktion: Menschenrechte und zivilgesellschaftliches Engagement im Rahmen der Städtepartnerschaft mit St. Petersburg stärken.

[Antrag der GRÜNEN Fraktion: Menschenrechte und zivilgesellschaftliches Engagement im Rahmen der Städtepartnerschaft mit St. Petersburg stärken – Drs 20/9134 (Neufassung) –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Europaausschuss überweisen.

Das Wort wird gewünscht von Frau Fegebank.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Menschenrechte und zivilgesellschaftliches Engagement im Rahmen der Städtepartnerschaft stärken – wir haben dieses Thema heute angemeldet, weil wir glauben, dass es an der Zeit ist, dass sich auch dieses Haus wieder einmal mit dem Thema Verschlimmerung/Verschärfung der Menschenrechtssituation von Schwulen und Lesben in unserer Partnerstadt St. Petersburg beschäftigt. Ich denke auch, dass wir einen weitgehenden Konsens und große Einigkeit darüber haben, dass wir ein starkes Signal an die zivilgesellschaftlich Aktiven, an Menschenrechtsaktivisten nach St. Petersburg geben, aber auch an diejenigen, die sich hier vor Ort starkmachen für Grund- und für Menschenrechte.

(Beifall bei den GRÜNEN, der FDP und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Wir haben im vergangenen Jahr – ich glaube, es war Januar oder Februar – eine gemeinsame Resolution aller Fraktionen verabschiedet, sehen aber, dass sich seitdem eine ganze Menge entwickelt hat, und zwar nicht zum Positiven, sondern zum Negativen.

Ich will nur drei Punkte nennen, die uns deutlich machen, dass wir mehr hinschauen müssen und dass mehr Engagement nicht nur vonseiten des Parlaments, sondern auch durch eine Stärkung der zivilgesellschaftlich Aktiven erforderlich ist. Vor gut einem Jahr haben alle fünf Fraktionen gemeinsam ihre Sorge darüber geäußert, dass eine Verschlechterung der Situation von Schwulen und Lesben in St. Petersburg droht. Inzwischen ist das bittere Realität. Seit Februar dieses Jahres gilt ein Gesetz, das den schönen Namen "Propaganda für Homosexualität" trägt. Diese ist verboten, erst in St. Petersburg und seit Juni dieses Jahres in ganz Russland. Von einer lupenreinen Demokratie, wie ein ehemaliger Kanzler die Beziehung zu Russland beschrieben hat, sind wir weit, weit entfernt.

(Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und bei Robert Bläsing FDP)

Das ist das eine Gesetz. Das zweite Gesetz ist das sogenannte NGO-Gesetz, das die Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen unterbindet, die von Deutschland – also auch von Hamburg aus – gefördert werden, und kleinen, ehrenamtlich organisierten Organisationen teilweise große Strafzahlungen auferlegt, weshalb diese ihre Arbeit de facto einstellen müssen.

Was mich besonders erschüttert, ist ein neuer Gesetzentwurf, der wohl demnächst die Parlamente sowohl in St. Petersburg wie auch auf Landesebe

(Dr. Walter Scheuerl)

ne passieren wird, nämlich ein Gesetzentwurf, der vorsieht, Lesben und Schwulen ihre eigenen Kinder zu entziehen. Das ist ein völliger Verstoß gegen die Menschenrechte. Die Situation für Lesben und Schwule in Russland verschärft sich in einem Klima der Intoleranz zunehmend. Das ist ein Verstoß gegen die Menschenrechte, der von uns entschieden geächtet werden muss.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD und der FDP)

Uns verbindet eine lange Partnerschaft, eine lebendige, sehr wechselhafte Partnerschaft seit 1957. Das stabile Fundament waren immer die circa 150 zivilgesellschaftlichen Initiativen, die diese Partnerschaft verbinden. Wir haben aber nicht nur aufgrund der Verschlimmerung der Situation in St. Petersburg und in Russland die Initiative ergriffen – und wir wissen, dass es in diesem Haus eine große Unterstützung dafür gibt –,

(Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel übernimmt den Vorsitz.)

sondern auch, weil sich hier in Hamburg durch die Gesetze in St. Petersburg und Russland in Teilen der Bevölkerung eine Stimmung entwickelt hat, von der wir glauben, dass wir ihr nur über Öffentlichkeit, Dialog und durch Starkmachen der Städtepartnerschaft etwas entgegensetzen können. Es gibt eine Petition, die auf den Weg gebracht und inzwischen von 1712 Menschen, davon knapp 1000 aus Hamburg, unterzeichnet wurde, die uns als Parlament auffordert, die Städtepartnerschaft auszusetzen oder ruhen zu lassen. Es gab am letzten Wochenende eine von mehreren hundert Menschen besuchte Demonstration vor dem Generalkonsulat, ein sogenanntes "Kiss-In", wo viele Menschen dieses Hauses dabei waren;

(Robert Bläsing FDP: Ich war der Einzige!)

die Senatorin, soweit ich weiß, auch. Es gab zahlreiche Proteste von Hamburger, aber auch von St. Petersburger Einrichtungen und zivilgesellschaftlichen Initiativen im Rahmen des CSD. Das heißt, da ist viel Bewegung drin, und ich habe die Sorge, dass wir, wenn wir einfach weiter machen – das Memorandum ist zwar nicht unterzeichnet, aber irgendwann wird da schon noch einmal etwas passieren –, die Unterstützer und die starken Kräfte hier vor Ort für eine Städtepartnerschaft verlieren.

Deshalb wollen wir ein gemeinsames, starkes Signal mit diesem Antrag setzen in der Hoffnung, dass das eine große Unterstützung in diesem Haus findet. Wir hätten das gerne heute schon interfraktionell gemacht; jetzt gehen wir die Schleife über den Ausschuss. Ich hoffe, wir werden da so diskutieren, dass es uns gelingt, dann auch eine gemeinsame Verabredung zu finden, weil wir eine Verantwortung haben, St. Petersburg und der Städtepartnerschaft gegenüber deutlich zu ma

chen, dass wir jede Form der Diskriminierung, der Diffamierung und der Menschenrechtsverletzung ablehnen. Deshalb heute Ja zur Städtepartnerschaft, Nein zur Ächtung der Rechte von Schwulen und Lesben. Das können wir nur gemeinsam bewegen, und dafür werbe ich um Ihre Unterstützung. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Frau Steppat, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Stadt steht für Offenheit und Toleranz und tritt für diese Werte weltweit ein, auch gegenüber Städten, mit denen wir Partnerschaften pflegen und unterhalten. Dies gilt natürlich auch für die Städtepartnerschaft mit St. Petersburg, die seit 1957 besteht, wie Frau Fegebank schon ausführte. Es ist die Stadt, zu der Hamburg die längste Städtepartnerschaft unterhält, und es war die erste Partnerschaft, die zwischen einer deutschen und einer sowjetischen Stadt entstand. Man sollte sich noch einmal vergegenwärtigen, was es für ein Signal war, dass diese Beziehung entstand, mitten im Kalten Krieg und im angespannten Verhältnis zwischen Deutschland und der Sowjetunion.

Die Partnerschaft hat geholfen, neues Vertrauen aufzubauen, ein gegenseitiges Verständnis in den verschiedensten Bereichen zu entwickeln und natürlich auch kontroverse Sichtweisen auszutauschen. Mittlerweile bestehen vielschichtige Beziehungen und Kooperationen zwischen den Städten wie zum Beispiel die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Schulen. Es gibt Austauschprogramme für Jugendliche und eine enge Zusammenarbeit im Kulturwesen. Und es gibt Engagements im Gesundheits-, Umwelt- und Sozialbereich. Die Beziehung zwischen St. Petersburg und Hamburg umfasst eine Fülle an zivilgesellschaftlichen, partnerschaftlichen Projekten, die unsere Beziehung lebendig machen und von denen beide Seiten profitieren. In der Summe handelt es sich also um eine sehr fruchtbare Partnerschaft. Natürlich gibt es auch rege Wirtschaftsbeziehungen der beiden Hafenstädte mit wichtigen Anlaufstellen der Zusammenarbeit vor Ort. Ich nenne zwei Beispiele.

Erstens: Seit 2005 existiert das Hanse-Office in St. Petersburg. Diese gemeinsame Vertretung Hamburgs und Schleswig-Holsteins trägt dazu bei, die wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit zwischen Norddeutschland und dem Raum St. Petersburg zu realisieren.

Zweitens: Seit 2006 gibt es das Petersburger Außenwirtschaftsbüro in Hamburg, die Repräsentanz der Stadt St. Petersburg. Die vertrauensvollen und langjährigen Beziehungen zwischen Hamburg und St. Petersburg haben dazu beigetragen, dass sich

(Katharina Fegebank)

Hamburg zur Drehscheibe der russisch-deutschen Beziehungen entwickelt hat.

Die Geschichte unserer Städtepartnerschaften zeigt, dass es immer wieder schwierige Phasen gibt und Entwicklungen in unseren Partnerstädten, die wir hier vor Ort mit Sorge gesehen haben. In diesen Phasen nutzen wir die engen Beziehungen, um für Toleranz zu werben und uns für die Einhaltung der Menschenrechte einzusetzen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Zurzeit beunruhigen uns einige Entwicklungen in Russland und insbesondere in unserer Partnerstadt. Diese Fehlentwicklungen sind:

Erstens: Politische Rechte werden eingeschränkt, die Arbeit von Oppositionellen und NGOs, die mit ausländischen Partnern kooperieren, behindert.

Zweitens: Gesetze, die sich gegen Schwule und Lesben richten und verbieten, dass in Gegenwart von Minderjährigen positiv über gleichgeschlechtliche Lebensweisen gesprochen wird.

Drittens: Homosexuelle werden diskriminiert, an den Rand der Gesellschaft gedrängt und sind vermehrt Opfer von Gewalt.