Drittens: Homosexuelle werden diskriminiert, an den Rand der Gesellschaft gedrängt und sind vermehrt Opfer von Gewalt.
Ganz klar formuliert: Diese Entwicklungen sehen wir mit großer Sorge. Diese Entwicklungen entsprechen nicht unseren Vorstellungen von Demokratie und Menschenrechten. Diese Entwicklungen können daher auch nicht kommentarlos von einer Partnerstadt hingenommen werden.
Die Besorgnis darüber wurde bereits in einem gemeinsamen Beschluss aller Fraktionen dieses Hauses im Februar letzten Jahres und in Protestschreiben der Senatorin für Justiz und Gleichstellung an die russischen Akteure zum Ausdruck gebracht.
Meine Damen und Herren! Ein Aussetzen der Städtepartnerschaft, wie Venedig es vorgemacht hat, wäre der falsche Weg. Es ist wichtig, dass wir im Gespräch bleiben, dass wir offizielle Besuche und Konsultationen nutzen, um uns auszutauschen und um auf die Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen. Wandel durch Annäherung ist ein politisches Konzept, das den Kern der sozial-liberalen Ost- und Entspannungspolitik in der Ära Brandt/Scheel bildete. Es wurde schon einmal sehr erfolgreich praktiziert, und wir sollten es im Hinterkopf behalten, auch im Interesse der Menschen in unserer Partnerstadt.
Eine Chance der Annäherung und des Gesprächs bietet sich außerdem im Kontext der Zusammenarbeit im Ostseeraum. Russland ist in zunehmendem Maße in Projekte des Nordens eingebunden. Die sich intensivierende Integration im Ostseeraum bietet da gute Chancen für Kommunikation.
Daher unterstützt die SPD-Fraktion den in diesem Antrag beschriebenen Weg, das heißt, sich im Rahmen der Städtepartnerschaft weiter für die Menschenrechte vor Ort einzusetzen und weiterhin die zivilgesellschaftlichen Projekte im Rahmen der Städtepartnerschaft zu unterstützen. Eine Überweisung des Antrags an den Europaausschuss begrüßt meine Fraktion, um dort eingehend über das Gedeihen der uns sehr am Herzen liegenden Partnerschaft weiter zu beraten. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach den Äußerungen von Frau Fegebank erscheint es mir sinnvoll, ganz vorn anzufangen, nämlich bei der Frage, warum unsere Stadt eigentlich Städtepartnerschaften unterhält. Dazu habe ich in unserer Verfassung einen klaren Auftrag gesehen. Hamburg will – ich zitiere –:
Das ist ein klarer Auftrag. Und aus diesem Grund ist auch die erste und älteste unserer Partnerschaften mit St. Petersburg entstanden. Sie hat auch in schwierigen Zeiten zur besseren Verständigung Deutschlands mit Russland beigetragen; Frau Steppat hat das völlig richtig und im Detail dargestellt. Klar ist, dass die Unions-geführte Bundesregierung die von den Vorrednern erwähnte Gesetzgebung bereits mehrfach und in deutlicher Form kritisiert hat und sie in die Reisehinweise für deutsche Bürger aufgenommen hat. Wir Christdemokraten unterstützen die klare Haltung der Bundesregierung, weil wir uns für Menschenrechte in allen Ländern dieser Welt mit Deutlichkeit einsetzen.
Unsere Haltung zu Menschenrechten darf aber nicht relativierbar und auch nicht beliebig sein. Deshalb dürfen wir nicht willkürlich St. Petersburg an den Pranger stellen und woanders die Augen verschließen. Sie wissen selbst, dass auch in unserer Partnerstadt Daressalam die Gesetze von Tansania gelten. Dort wird Homosexualität mit bis zu 14 Jahren Gefängnis hart bestraft.
Was können wir in einer solchen Lage tun? Wer es wirklich ernst meint, der kämpft für Menschenrechte in dieser Welt nicht nur durch unverbindliche Äußerungen, sondern durch verbindliche, zwischenstaatliche Vereinbarungen. Deshalb begrüßen wir, dass Russland als Mitglied des Europarats die Europäische Menschenrechtskonvention verbindlich akzeptiert und das Zusatzprotokoll zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten unter
zeichnet hat. Dort heißt es ganz unmissverständlich, dass niemand von einer Behörde diskriminiert werden dürfe. Und das darf keine leere Floskel bleiben.
Russland hat sich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte unterworfen. Mit über 20 000 anhängigen Verfahren nutzen russische Staatsbürger häufiger als alle anderen die Möglichkeit einer Beschwerde beim Gerichtshof. Mit rund 1200 Verurteilungen steht die Russische Föderation auf dem dritten Platz der Verurteilungsstatistik des Gerichtshofs. Übrigens wird die Türkei, die auf dem zweiten Platz der Verurteilungsstatistik steht, auch in diesem Hause bei vielen als zukünftiges Mitglied der EU gesehen.
Was aber unsere Beziehung zu St. Petersburg angeht, so hat dieses Haus bereits einen Versuch unternommen, auf die Gesetzgebung in Russland Einfluss zu nehmen. Unsere erste Resolution zu diesem Thema ist in St. Petersburg deutlich wahrgenommen worden. Die lange geplante Unterzeichnung des Manifests über die Zusammenarbeit unserer Städte kommt nun aber trotzdem – manche sagen auch deshalb – nicht wirklich voran. Wie können wir mit Hilfe einer zweiten Resolution einen echten Beitrag zur Stärkung der Menschenrechte in Russland leisten? Falls das gelingen kann, sind wir Christdemokraten jederzeit bereit, eine solche Resolution zu verabschieden, wenn sie konstruktiv und hilfreich ist. Für uns ist klar, dass eine echte Partnerschaft auch schwierige Diskussionen aushalten muss.
Frau Fegebank, Sie haben in diesem Zusammenhang eine Petition erwähnt, aber nicht klar gesagt, wie Sie eigentlich zu dieser Petition stehen. Wir wissen aber, wie wir dazu stehen. Wir wollen auf keinen Fall einer Lösung zustimmen, die unsere Partnerschaft mit St. Petersburg aus politischem Kalkül rücksichtslos beschädigt oder infrage stellt. Ein sogenanntes Ruhenlassen oder gar eine Kündigung der Partnerschaft ist weder im Interesse Hamburgs noch im Interesse Russlands und seiner Bürger und mit uns nicht zu machen.
Frau Fegebank, Sie haben eine Petition erwähnt, aber nicht gesagt, wie Sie dazu stehen. Kommen Sie hierher und sagen Sie, wie Sie dazu stehen.
Wir Christdemokraten stehen für eine solide, eine verlässliche und eine wertegebundene Außenpolitik im Interesse Hamburgs. Schnellschüsse helfen nicht weiter. Eine Ausschussberatung dieses Antrags ist aus unserer Sicht deshalb unumgänglich, und wir stimmen der Überweisung zu. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Haufler, ich bin jetzt fast geneigt zu fragen, wie Sie denn zu dem Antrag stehen, denn das haben Sie an der Stelle auch nicht ausgeführt.
Sie sind auf Daressalam eingegangen, das ist richtig. Das Thema sollte man sich tatsächlich bei Gelegenheit gesondert anschauen. Nur beim Thema Memorandum hatte der Senat ganz klar ausgeführt – das können Sie auch in den entsprechenden Ausschussberichten nachlesen –, dass die Neuauflage deshalb nicht zustande gekommen ist, weil auf der Partnerseite bestimmte Projekte, die dort angedacht wurden, nicht durchgeführt werden und gestrichen werden sollten. Unter anderem sollten eben auch solche Projekte, die mit Homosexualität zu tun haben, dem zum Opfer fallen. Das hat der Senat nicht akzeptiert, und da hat er meines Erachtens – ich glaube, das teilen die meisten in diesem Hause – an der Stelle auch richtig gehandelt.
Das Gesetz gegen homosexuelle Propaganda drängt die Menschen in Russland an den Rand der Gesellschaft und begünstigt ein Klima der Diskriminierung, der Ausgrenzung und auch der Gewalt. Es gibt sehr viele traurige Beispiele dafür, die uns zwischenzeitlich schon erreicht haben. Menschenrechte sind ein universelles Gut, die nicht an Landesgrenzen gebunden und auch nicht relativierbar sind. Insofern – Herr Haufler, da gebe ich Ihnen an dieser Stelle ausdrücklich recht – ruhen meine Hoffnungen auf dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, dass er sich nämlich früher oder später dem annehmen muss und auch entsprechend Recht sprechen wird. Das ist noch meine größte Hoffnung bei dem Ganzen.
Diskriminierung, so wie sie in Russland praktiziert wird, ist eben auch ein Zeichen von Schwäche. Da kann Herr Putin noch so sehr mit freiem Oberkörper den Grizzlybären jagen, das wird aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass solche Ausgrenzungen von Minderheiten immer auch ein Zeichen sind, dass sich eine Machtelite im Endeffekt auch sehr unsicher fühlt.
Ich möchte drei Erlebnisse der letzten Monate schildern, die mich persönlich berührt haben. Das erste war ein Abendessen mit Vertretern der St. Petersburger Duma. Frau Präsidentin war da
bei und auch einige andere Kollegen aus allen Fraktionen. Ich habe versucht, mit den Menschen dort wirklich zu diskutieren. Ein verdrießlicheres Tischgespräch als das mit den Vertretern der St. Petersburger Duma über dieses Thema habe ich bisher noch nie gehabt. Wenn nicht wieder eine Ansprache dazwischen gekommen wäre, die diese Konversation beendet hat, dann weiß ich nicht, wie dieses Gespräch geendet hätte. Es war wirklich nicht sehr schön. Ich habe mich selbst dabei ertappt, dass ich mich an irgendeinem Punkt gefragt habe, was es überhaupt bringt, so ein Gespräch ist doch für die Katz, und warum soll man es nicht aussetzen. Das Thema hat mich auch bewegt.
Das zweite Erlebnis hatte ich vor einigen Wochen im Rahmen der "PRIDE WEEK". Da hatte der LSVD Hamburg dankenswerterweise eine Diskussion mit Jugendlichen aus St. Petersburg, auch teilweise aus Moskau, die hier zu Gast waren und die dann auch ihr eigenes Erleben geschildert haben, wie sie tagtäglich in Russland diskriminiert werden. Auf die Frage an einen Jugendlichen, welche Erwartungen er an Hamburg an der Stelle hätte, lautete die Antwort nur, er hätte gar keine großen Erwartungen, aber er schätze diese Anteilnahme, die ihm hier entgegengebracht werde. Das war für mich ein Punkt, bei dem ich mir sagte, es ist richtig, diese Partnerschaft aufrechtzuerhalten, um im Gespräch zu bleiben, den Dialog aufrechtzuerhalten und überhaupt einen Hebel zu haben, mit den Verantwortlichen immer wieder dieses Thema zu penetrieren. Das ist wirklich sehr, sehr wichtig. Wer hinausgeht, muss auch schauen, wie er wieder hineinkommt. Da positioniere ich mich ganz klar zu dieser Petition, denn nur das beständige Thematisieren wird uns an der Stelle weiterbringen.
Ansonsten hätte ich ein wenig das Gefühl, dass wir diese Jugendlichen oder die Verfolgten in Russland irgendwie im Stich lassen.
Das dritte Erlebnis war an diesem Sonntag. Ich war vor dem Russischen Generalkonsulat am Feenteich, und auch da fand ich die Anteilnahme aus Hamburg sehr groß. Es waren nicht die üblichen Verdächtigen – in Anführungszeichen. Es waren schon viele politisch Motivierte aus der Community da, aber es waren auch viele anwesend, die ich noch nie bei so einer Veranstaltung gesehen habe. An einem Sonntagnachmittag um 15 Uhr ist es nicht ganz selbstverständlich, dass so viele anwesend sind.
Ich denke, dass wir insofern als Bürgerschaft, aber auch als Stadt Hamburg insgesamt auf einem richtigen Weg sind mit solchen Debatten wie heute oder mit diesem Antrag. Der Überweisung des Antrags stimmen wir natürlich sehr gern zu. Ich bin auch sehr zuversichtlich, dass wir im Europaaus
schuss eine gemeinsame Haltung dazu finden werden und auf diesem Weg immer wieder das Thema ansprechen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Viel bleibt mir eigentlich gar nicht mehr zu sagen, ich sage es aber trotzdem. Am 8. Februar letzten Jahres haben wir zuletzt über das homophobe Gesetz in St. Petersburg debattiert. Wir haben einen interfraktionellen Antrag beraten, der einstimmig angenommen wurde. Die Bürgerschaft bringt ihre tiefe Besorgnis über das Gesetz, dass die – ich zitiere –:
"Propaganda von männlicher und weiblicher Homosexualität, Bisexualität und Transgenderismus unter Minderjährigen"
Zitatende – unter Strafe stellt, zum Ausdruck und ersucht St. Petersburg darum, es zu überdenken. Aber weder dieser Beschluss noch weitere internationale Proteste haben etwas genützt. Das Gesetz ist in Kraft getreten und die ersten Strafen wurden bereits verhängt, es wurden deswegen sogar Ausländer ausgewiesen. Daher ist es kein Wunder, das wurde schon mehrfach angesprochen, dass eine Petition nun fordert, die Städtepartnerschaft ruhen zu lassen. Sie hat zwar bisher noch keine 20 Prozent der erforderlichen 10 000 Unterschriften bekommen, aber sie ist ein deutliches Zeichen dafür, wie empört viele Menschen darüber sind, dass Schwule, Lesben und Transgender in St. Petersburg ihre sexuelle Orientierung verstecken müssen und für ein öffentliches Bekenntnis bestraft werden.
Es ist nur folgerichtig, dass sich die Bürgerschaft erneut mit diesem Homophobie-Gesetz befasst und nicht lockerlässt. Deshalb schönen Dank an die GRÜNEN, dass sie diesen Antrag gemacht haben.
Anfang April hatte sich der Europaausschuss bereits ausführlich mit der Thematik befasst. Alle Fraktionen waren sich einig darüber, dass man die Partnerschaft eher nutzen muss, um den Hamburger Einfluss sicherzustellen, statt sie ruhen zu lassen oder zu beenden. Das hat auch Herr Bläsing gerade wirklich sehr gut und sehr eindrucksvoll ausgeführt. Wenn man nämlich bedenkt, dass die Städtepartnerschaft bereits seit 1957 besteht, also zu Hochzeiten des Kalten Krieges abgeschlossen wurde, dann wird deutlich, dass sie schon mehr als einmal infrage gestellt gewesen ist. Es soll damals sogar Anfragen aus dem Bundeskanzleramt gegeben haben, wie man denn auf die Idee käme, eine Städtepartnerschaft mit Leningrad abzuschließen.