Tätigkeit der Senatorinnen und Senatoren in Aufsichtsgremien hamburgischer Beteiligungen – Drs 20/220 – 471,
Mandat von Herrn Senator Frank Horch im Verwaltungsrat der Kreditanstalt für Wiederaufbau – Drs 20/221 – 471,
Stimmrecht für alle Mitglieder des Preisgerichtes beim städtebaulichen Wettbewerb Campus Bundesstraße – Drs 20/407 – 476,
Ich rufe das dritte Thema auf, das in der gestrigen Sitzung wegen Zeitablaufs nicht mehr behandelt werden konnte, angemeldet von der Fraktion DIE LINKE:
Hamburgs Verantwortung: Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherungsverwahrung ohne Wenn und Aber umsetzen!
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Leider können wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und die daraus zu ziehenden Konsequenzen hier nicht umfassend würdigen. Wir begrüßen, dass das Gericht der europäischen Rechtsprechung im Wesentlichen folgt und darüber hinaus die Vorschriften über die Anordnung und Dauer der Sicherungsverwahrung als unvereinbar mit dem Freiheitsgrundrecht der Sicherungsverwahrten erklärt hat. Damit scheint die ständige Ausweitung der Sicherungsverwahrung seit 1998 gestoppt, der Anstoß wenigstens zur Umkehr ist gegeben, wenngleich nicht zum Verzicht auf dieses fragwürdige Institut. Das Urteil zwingt nicht nur den Bundesgesetzgeber zu einer gründlichen Korrektur. Auch der Hamburger Gesetzgeber ist gefordert und die Justizverwaltung muss sich nun endlich von der Verwahrmentalität verabschieden, die bis heute vorherrscht. Das wird kurzfristig Kosten verursachen, aber diese Kosten dürfen wir nicht scheuen, denn der beste Schutz der Bevölkerung ist nicht durch präventives Wegsperren, sondern durch gelingende Resozialisierung gefährlicher Straftäter gewährleistet.
Gelingende Resozialisierung ist die beste Rückfallprävention, aber darauf wurde bisher auch in Hamburg viel zu wenig Gewicht gelegt.
Ich möchte vor dem Hintergrund des Urteils an drei Punkten den verfassungswidrigen Zustand der Sicherungsverwahrung in Hamburg beleuchten.
Erstens: Um das Ziel, die Entlassung in ein Leben ohne Straftaten, zu erreichen, verlangt das Karlsruher Gericht gezielte Maßnahmen nicht nur und nicht erst mit Beginn der Sicherungsverwahrung, sondern von Beginn der Strafhaft an. Das gilt vor
allem für die therapeutische Betreuung. Die Praxis sieht in Hamburg aber ganz anders aus. Nur ein Teil der Sicherungsverwahrten, nämlich weniger als 30 Prozent, haben während der Strafhaft an Therapien beziehungsweise Maßnahmen der Delinquenzaufarbeitung teilgenommen. Das gilt für Hamburg, entspricht aber auch dem Bundesdurchschnitt.
Mit Stichtag 1. Mai 2011 sind sieben Sicherungsverwahrte in der sozialtherapeutischen Anstalt untergebracht, wo sie an therapeutischen Maßnahmen teilnehmen. Von den zwölf Sicherungsverwahrten in der JVA Fuhlsbüttel nahm am Stichtag 1. Mai keiner an einer therapeutischen Maßnahme teil. Um gleich dem Einwurf der Nichttherapiefähigkeit entgegenzutreten: Das Gericht verlangt, dass ein individuell zugeschnittenes Therapieangebot entwickelt werden muss, wenn standardisierte Therapiemethoden sich als nicht erfolgversprechend erweisen. Stattdessen werden hier aber Menschen, die ihre Strafe abgesessen und ihre Schuld längst verbüßt haben, einfach nur verwahrt.
Zweitens: Das Gericht verlangt, dass ausreichende Personalkapazitäten und multidisziplinäre Teams zur Verfügung stehen, um die Anforderungen eines freiheitsorientierten und therapiegerichteten Gesamtkonzepts der Sicherungsverwahrung praktisch zu erfüllen. Gefragt, wie es sich mit dem Personalschlüssel qualitativ und quantitativ verhält, antwortete der Senat vorgestern, einen Unterschied zur Strafhaft gebe es nicht.
Drittens: Vollzugslockerungen, sagt das Gericht, sind für die Gefährlichkeitsprognose von besonderer Bedeutung. Und die Praxis? Zum Stichtag 1. Mai befand sich von 19 Sicherungsverwahrten einer im Überleitungsvollzug, vier erhielten Ausgänge beziehungsweise Ausführungen zur Vorbereitung der Entlassung und 14 waren ohne Vollzugslockerungen. Keiner der Sicherungsverwahrten war im offenen Vollzug. Aber die meisten dieser Sicherungsverwahrten werden über kurz oder lang entlassen werden müssen, ohne ausreichende Vorbereitung auf ein Leben in Freiheit und ohne Straftaten. Das ist ein Skandal.
Der Senat muss nun schnell ein Gesamtkonzept zur Neuausrichtung nicht nur des Vollzugs der Sicherungsverwahrung, sondern auch und gerade des vorhergehenden Strafvollzugs ausarbeiten, ein Konzept, das sich an der Entlassung in ein Leben ohne Straftaten orientiert und die Schaffung und den Ausbau von Nachsorge- und Übergangseinrichtungen beinhaltet. Auch hier sieht es nicht gut aus.