Protokoll der Sitzung vom 23.10.2013

spreche das an, obwohl es nicht ganz unkritisch ist –, die in einer Grauzone leben. Der Senat verzichtet gemeinschaftlich darauf, diese Grauzone in jedem Punkt zu erhellen, und zwar immer dann, wenn es um Kinder und Gesundheit geht. Wir haben eine Clearingstelle eingerichtet, die Menschen, von denen wir nicht wissen, welchen Aufenthaltsstatus sie haben, gesundheitlich weiterhilft. Das ist ganz vernünftig. Und wir haben dafür gesorgt, dass Kinder von Flüchtlingen sowohl zur Schule gehen können als auch eine Krippe oder eine Kita besuchen können, ohne dass der Träger in jedem Einzelfall klären muss, wo derjenige herkommt und welchen Aufenthaltsstatus er hat. Es ist schon ein bisschen prekär, so etwas zu machen, aber zu diesen Grauzonen, bei denen es um Kinder und Gesundheit geht, bekennt sich der Senat, und so haben wir es in großem Konsens hier gemacht.

Einen letzten Punkt möchte ich ansprechen: Als ich heute Morgen auf der Lokstedter Höhe war, standen die Männer und Frauen alle gelangweilt draußen herum. Wir müssen uns darum kümmern, dass Menschen, die im Asylverfahren zu uns kommen, schneller arbeiten können, damit in diesen Dörfern kein sozialer Unfrieden entsteht, denn dieser entsteht, wenn man nur Langeweile hat. Deshalb sollten wir uns gemeinschaftlich darum kümmern, dass wir in der Frage des Arbeitserlaubnisrechts und der Vorrangprüfung durch die Bundesagentur für Arbeit zu Erleichterungen kommen, denn die Menschen möchten für sich selbst sorgen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der FDP und bei Karin Prien CDU – Farid Müller GRÜNE: Wir wer- den Sie nicht daran hindern, das zu tun!)

Meine Damen und Herren! Jetzt hat jede Fraktion die Gelegenheit, darauf zu antworten. Das Wort hat Herr Hackbusch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es gab viele Möglichkeiten, sich hier noch einmal kräftig zu ärgern, allein deswegen, weil Herr Scheele die meiste Zeit nicht über das Thema, sondern über Sonstiges geredet hat.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN – Dr. Andreas Dressel SPD: Das war unsere Anmeldung!)

Aber ich will versuchen, die positiven Zeichen, die es in dieser Stadt gibt, und die positiven Momente auch in dieser Debatte aufzunehmen und einmal zu gucken, ob man dazu noch etwas machen kann. Ich bin etwas entsetzt, dass mit Herrn Warnholz die CDU ein bisschen aus der Debatte ausgestiegen ist, und über die Rechtswende der FDP an dieser Stelle – da gab es vor einiger Zeit noch schönere Berichte und Diskussionen – bin ich auch

(Senator Detlef Scheele)

entsetzt. Ich weiß nicht, ob das die neue politische Identität ist.

Mir ist wichtig zu sagen, dass Herr Scheele einen Punkt genannt hat, den wir einmal in die Debatte aufnehmen könnten. Es ist eine Selbstverständlichkeit und gute Verfahrensweise in dieser Stadt, nicht jeden, der sich illegal hier aufhält, unbedingt aufsuchen zu müssen. Das ist nicht unbedingt rechtsstaatlich, wir machen das an verschiedenen Stellen – Herr Scheele hat es gesagt – und gegenwärtig auch an diesem Punkt. Bei denjenigen, die in der Kirche sind, ist es nicht notwendig, sie dort aufzusuchen, die Polizei hinzuschicken und Kontrollen durchzuführen; hier würde ich als Erstes ansetzen.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

Zweitens möchte ich an Frau Kaesbach und Herrn Abaci anknüpfen. Wir kennen das Problem Lampedusa und die unerträgliche Situation in Italien und Griechenland in den Lagern, und jetzt haben wir diese Menschen hier lebendig vor Ort und müssen damit umgehen. Herr Abaci, es gibt Diskussionen über die europäischen Flüchtlingsprobleme, das ist gut, aber es gibt sie seit einem oder zwei Jahren. Das reicht nicht aus. Diese Stadt hat die Möglichkeit, einen mutigen Schritt zu machen und zu zeigen, dass Dublin II und die Art und Weise, das so zu verteilen, gescheitert ist. Wir wollen eine zusätzliche Aufgabe in dieser Stadt mit den Flüchtlingen übernehmen. Wir haben die Menschen dafür, wir haben die Kirche dafür, wir haben die Plätze dafür, und wir könnten ein Zeichen setzen, dass ein neues, anderes Europa an dieser Stelle möglich ist.

(Beifall bei der LINKEN und bei Antje Möller GRÜNE)

Ich möchte Sie einladen, das mit uns zusammen zu machen.

In der Debatte wurde doch auch deutlich, dass dieser Schritt möglich ist. Es geht nicht darum, dass die Flüchtlinge nicht sagen, welche Identität sie haben,

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Doch, darum geht es, Herr Hackbusch!)

aber gegenwärtig ist das Problem, wenn sie diesen Schritt machen, wie Polizei und Senat es ihnen vorschlagen, dann ist es ein normales Verfahren Richtung Italien.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Es kommt darauf an, welchen Antrag sie stellen!)

Herr Abaci, ich und viele andere kritisieren das, und wir verlangen vom Senat eine wichtige Äußerung: dass wir uns gemeinsam für diese Menschen anstrengen, die nicht wieder nach Lampedusa zurück sollen, und eine Kontingentlösung in dieser Stadt suchen. Dafür gibt es die Möglichkeit in der Geschichte; Frau Möller hat darauf hingewiesen.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das zu machen, Herr Scheele hat eben auch noch eine Möglichkeit angeboten. Aber der Senat darf sich bitte hier nicht hinstellen und sagen, er überlege das und vielleicht sei das eine Chance. Wie kann man sich darauf verlassen? Kommen Sie mit dem Vorschlag, dass Sie einen solchen Weg anbieten und überlegen. Dann wird es eine Möglichkeit geben, diese Situation hier zu lösen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Morgen gibt es in Altona eine Diskussion darüber, wie die Situation weitergeht. Es gibt einen gemeinsamen Antrag – man höre und staune – von CDU und LINKEN, dass in drei neuen Kirchengemeinden zusätzliche Plätze geschaffen werden. Es ist selbstverständlich, dass so etwas von der Baubehörde oder der Bauaufsicht im Bezirk akzeptiert worden ist, die gesagt haben, das gehe und sei völlig in Ordnung. Dementsprechend ist wichtig, ob die SPD diesem zustimmen wird. Wird sie sagen, es sei für die nächste Zeit sowieso gut, dem Antrag der Kirchengemeinden zuzustimmen, damit wir dort zusätzliche Containerplätze haben? Das ist doch die Chance, die es dort morgen gibt. Und ich möchte den Senat fragen, ob er diese Chance wahrnimmt oder ob er sagt, er wolle – was noch nie in der Geschichte der Unterbringung in Containern geschehen ist – vorher unbedingt alle kontrollieren, die dort unterkommen. Herr Scheele, Sie haben noch nie jemanden ständig kontrolliert, der im Winternotprogramm ist; das ist eine unübliche Art und Weise. Der Senat hätte die Möglichkeit zu sagen, wir wollen diesen Weg ernsthaft gemeinsam einschlagen. Ein Weg, den CDU und LINKE gemeinsam gehen, kann doch nicht falsch sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Frau Bekeris hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte dem Ganzen vorwegstellen, dass niemanden das Schicksal von Flüchtlingen kaltlässt.

Vor der Sommerpause haben wir eine Debatte über ein sechsmonatiges Moratorium geführt. Ich erinnere, dass GRÜNE und LINKE das gefordert haben. Es hat faktisch stattgefunden, und das müssten Sie eigentlich auch anerkennen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben alle Verantwortung, alle Fraktionen hier im Hause, der Senat, die Kirche, die Institutionen, die Medien, die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die Unterstützerinnen und Unterstützer, und

(Norbert Hackbusch)

hier möchte ich für meine Fraktion und den Senat sprechen – wir nehmen diese seit Anfang der Diskussion auch wahr.

(Beifall bei der SPD)

Dazu gehört, dass wir Gespräche in allen erdenklichen Konstellationen und in den unterschiedlichsten Besetzungen nicht immer laut, aber immer stetig mit BASFI, BIS, Diakonie, der Kirche, den Flüchtlingen und auch zwischen den Fraktionen hier im Haus geführt haben und auch weiterhin führen werden. Aber selbstverständlich bilden die bestehenden Gesetze bei all diesen Gesprächen den Rahmen. Hier gilt es, humanitär und konsequent rechtsstaatlich zu handeln und nach Lösungen für die Flüchtlinge zu suchen, zu deeskalieren und um Vertrauen in den Rechtsstaat und in die behördlichen und auch die politischen Institutionen zu werben.

(Beifall bei der SPD)

Es sind Gespräche, die konstruktiv geführt wurden und die gerade in den letzten Tagen vertrauensbildend waren und uns auch hoffentlich einer Lösung näherbringen. Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam weitergehen – aufeinander zu und nicht wieder voneinander weg, wie man heute teilweise das Gefühl hatte.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie uns gemeinsam Gewalt verhindern, die spaltet, eskaliert und am wenigsten denjenigen hilft, die auf ihr Flüchtlingsschicksal aufmerksam machen wollen, insbesondere, da Gewalt in den seltensten Fällen zu dem gewünschten Ergebnis führt.

Hamburg bewältigt, und das seit Langem, vieles für die Flüchtlinge. Wir stellen uns der Verantwortung, zum Beispiel Unterbringungen zu schaffen, wir sind in Diskussionen vor Ort präsent und erleben dabei oft eine beeindruckende Solidarität. Aber wir müssen für diese immer wieder werben.

(Beifall bei der SPD)

Und die SPD gestaltet die Flüchtlingspolitik fortschrittlich, da muss ich nicht wiederholen, was Herr Senator Scheele eben bereits gesagt und in vielen Beispielen auch aufgezählt hat. Ich möchte nur noch einmal die unbürokratische Lösung zur Residenzpflicht nennen. Die Klammer um alles ist, menschlich und rechtsstaatlich zu agieren. Politik gestaltet sich immer im rechtlichen Rahmen, der allerdings stetig hinterfragt werden muss; das möchte ich in diesem Zusammenhang ausdrücklich betonen. Wir müssen uns der Diskussion um die europäische Asylpolitik und unsere Standards stellen – das ist hier schon oft genannt worden –, denn wir wollen uns auch eine Sozialunion nennen.

(Beifall bei der SPD)

Daran ist Hamburg beteiligt, aber auch der Bund ist in der Pflicht.

Den Flüchtlingen der Lampedusa-Gruppe haben wir eine Verfahrensgarantie zugesichert – innenbehördlich, gerichtlich und parlamentarisch – und es bleibt dabei: Alle Einzelfälle werden geprüft. Die Einzelfälle und ihre Verfahren dauern so lange, wie sie dauern. Es gibt keine eiligen Beschlüsse und auch ein Bleiberecht aus humanitären Gründen ist Teil der Prüfung im Einzelfall.

(Beifall bei der SPD)

Zu den Einzelfallprüfungen möchte ich noch eines loswerden: Derzeit werden über 300 Flüchtlinge monatlich von Hamburg aufgenommen. Alle nennen ihren Namen und ihr Fluchtschicksal. Es gibt keine Flüchtlinge erster und zweiter Klasse, wie es immer wieder in der Presse genannt wurde. Das ist ganz wichtig für uns im Rechtsstaat, daher will ich es hier noch einmal benennen.

(Beifall bei der SPD und bei Katharina Wolff CDU und Carl-Edgar Jarchow FDP)

Das ist gerecht, dafür stehen wir stellvertretend für alle, die in Hamburg Zuflucht suchen, und dazu zählt selbstverständlich auch die Gruppe Lampedusa in Hamburg. Die parlamentarische Beratung ist heute nicht beendet, sondern wir haben das Thema auch im Innenausschuss angemeldet. Lassen Sie uns fachlich beraten und alle Aspekte betrachten, aber bitte sachlich und mit dem gebotenen Respekt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr van Vormizeele hat das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal den Aspekt aufgreifen, den Herr Hackbusch eben genannt hat. Ich fand es eine überdeutliche Darstellung dessen, was wir hier eigentlich als Grundkonflikt erleben. Herr Hackbusch hat vehement für eine veränderte Flüchtlings- und Asylpolitik in Europa gestritten und argumentiert; das ist in der Tat das Recht jeder Partei. Wenn man eine Veränderung von Politik will, dann wirbt man dafür, und dann wirbt man bei demjenigen, der in diesem Lande der Souverän ist, dem Wähler. Diesen versuchen wir zu überzeugen, und dann werben wir als Parteien für unsere Auffassung. Ich habe überraschenderweise nicht wahrgenommen, dass das bei den LINKEN das Hauptthema im letzten Wahlkampf war. Und Sie haben bei den Wahlen, die wir gerade erst vor wenigen Wochen gehabt haben, auch kein Mandat für eine solche Politik bekommen. Was ich aber bei allem Verständnis für ein solches Werben für Ihre Politik nicht in Ordnung finde, ist, dass Sie jetzt diese Gruppe benutzen, um hier eine veränderte Asylpo

(Ksenija Bekeris)

litik zu erreichen. So läuft das in unserer Demokratie nicht. Wir werben in Parlamenten und bei Wählern dafür, dass sich Politik ändert, aber wir benutzen keine Menschen, um öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen. Wer das tut, versündigt sich an diesen Menschen.