Hier – das wird Sie nicht verwundern – sehen wir vor allen Dingen die Tarifpartner in der Pflicht. Tat
sächlich haben sie und nicht der Staat für die Branche schon seit längerem tarifliche Mindestlöhne festgesetzt, die in den westlichen Bundesländern ab Anfang des nächsten Jahres bei 8,50 Euro liegen werden. Und ausgerechnet die IG Metall – ich lese also auch andere Studien –, die noch vor zwei Jahren kräftig gegen die Zeitarbeit gewettert hat, war daran beteiligt, in der Elektro- und Chemiebranche erhebliche Branchenzuschläge auszuhandeln. Außerdem hat es in den letzten zwei Jahren eine Reihe von gesetzlichen Regulierungen der Zeitarbeit gegeben. Die sollte man erst einmal wirken lassen, ehe man nach weiteren Regulierungen ruft.
Auch der Senat selbst, Herr Dr. Kluth hat es schon gesagt, mag die Zeitarbeit nicht in Bausch und Bogen verdammen. Aufgerüttelt durch preisgekrönte Zeitungsartikel über die schlechten Arbeitsbedingungen in städtischen Unternehmen hat er durch eine Richtlinie die Zeitarbeit dort erheblich eingeschränkt. Aber umgekehrt weiß auch der Senat, dass Zeitarbeit helfen kann, Menschen vor Arbeitslosigkeit zu schützen. So wurde bei der städtischen "hamburger arbeit" eine Arbeitnehmerüberlassungseinheit gegründet, die bis 2017 laufen soll, bei der derzeit 22 Beschäftigte tätig sind.
Anders ist das Vorgehen des Senats bei den Alten- und Pflegeheimen. Hier wird in wenigen Wochen eine neue Regelung in Kraft treten, von der die betroffenen Träger überhaupt noch nicht wissen, wie sie sie umsetzen sollen. Dann ist in den Heimen Zeitarbeit nur noch in absoluten Ausnahmefällen gestattet.
Dabei haben wir gerade dort die Situation – Sie werden es hören, wenn Sie mit den Betroffenen sprechen –, dass für viele Pflegekräfte die Zeitarbeit wesentlich attraktiver ist als eine Festanstellung im Pflegeheim. Als Zeitarbeitskraft können sie nämlich ihre Arbeitsbedingungen zum Teil selber bestimmen, sie können sagen, ich mache keinen Wochenenddienst und keine Schichtarbeit, und das ist vor allen Dingen für Alleinerziehende attraktiv.
Vielleicht überlegt der Senat hier noch einmal, ob er bei seiner rigiden Ablehnung der Zeitarbeit bleiben will, denn in Zeiten zunehmenden Fachkräftemangels – und dafür entwickelt der Senat ja gerne seine Strategien – wird Zeitarbeit, wie eine Studie für Dänemark zeigt, auch immer mehr zur Erprobung von Arbeitskräften genutzt und damit tatsächlich zum Sprungbrett in reguläre Beschäftigung. Der Klebeeffekt wird also stärker, und das ist wirklich nicht prekär. – Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU und bei Dr. Thomas- Sönke Kluth FDP – Jens-Peter Schwieger SPD: Ausdehnung der Probezeit auf ein hal- bes Jahr, oder was?)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Derzeit sind bundesweit weit über 800 000 Zeitarbeiter im Einsatz. Hamburg gilt als Hochburg der Leiharbeit. Ende 2012 waren laut Drucksache rund 27 000 Leiharbeiter beschäftigt. Diese Rückentwicklung weg von den dauerhaften sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen hin zu unsicheren Beschäftigungsverhältnissen können und wollen wir GRÜNE nicht länger akzeptieren.
Ich werde nicht noch einmal auf die Ursachen und die negativen Auswirkungen der Leiharbeit eingehen. Die sind allgemein bekannt, wir brauchen Lösungen. Die Leiharbeitsbranche muss so reguliert werden, dass sie zur Erledigung von Auftragsspitzen und zur Überbrückung von personellen Engpässen dient, aber nicht zum Abbau von regulären Arbeitsplätzen. Leiharbeitskräften steht gleiches Recht für gleiche Arbeit zu und gleiche Arbeitnehmerrechte und gleiches Geld. Hier darf kein Schleichweg geduldet werden.
Auch Werkverträge sind zum Killer regulärer Arbeitsplätze geworden. Viele Unternehmen lassen Arbeit, die zuvor von der Stammbelegschaft getan wurde, von Werkvertragsbeschäftigten erledigen. Ein solcher Missbrauch wurde zuletzt reihenweise in den deutschen Schlachthöfen nachgewiesen, aber auch in der Metall- und Elektroindustrie, auch bei Daimler. Durch sogenannte Scheinwerkverträge werden Menschen zu deutlich schlechteren Arbeitsbedingungen beschäftigt. Diesen Missbrauch können wir nicht akzeptieren.
Die SPD und die GRÜNEN wollten schon vor der Wahl über eine Bundesratsinitiative durchsetzen, dass Betriebsräte ein Vetorecht erhalten, wenn sie den Eindruck haben, dass Werkverträge nur eingesetzt werden, um reguläre Beschäftigung zu ersetzen. Daher begrüßen wir es, dass die SPD auf Bundesebene dem Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen den Kampf erklärt hat und diese Position auch in den Koalitionsgesprächen vertritt. Hamburg ist in den Koalitionsrunden gut vertreten durch den Bürgermeister; wir werden sehen, was dabei herauskommt.
(Jens-Peter Schwieger SPD: Den Sozialse- nator haben Sie vergessen! – Dr. Roland Heintze CDU: Und die Bausenatorin!)
Wir begrüßen auch, dass Hamburg durch die Richtlinie über die Beschäftigung von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern bei der FHH
die Leiharbeit im öffentlichen Dienst deutlich reduziert hat. Das wird auch in dieser Drucksache deutlich. Somit wird die Stadt Hamburg ihrer Verantwortung als öffentliche Arbeitgeberin gerecht.
Die FDP versucht in dieser Großen Anfrage, die Zeitarbeit so darzustellen, als sei sie ein Wunderrezept für Beschäftigung beziehungsweise eine Brücke in dauerhafte Beschäftigung. In der Praxis stellen wir aber immer wieder fest, dass das so nicht gelingt. Die Integrationsquote von der Zeitarbeit in die reguläre Beschäftigung ist sehr gering. Sie versuchen, mit gezielten Fragen den Einsatz von Zeitarbeitskräften auch in anderen Bereichen, der Pflege beispielsweise, zu rechtfertigen, aber Zeitarbeit passt dort überhaupt nicht hin. Ich habe den Eindruck, dass Sie die Leiharbeit nur durch Ihre eigene Brille betrachten. Für Sie gilt: Was für die Wirtschaft gut ist, ist auch gut für die Menschen. Dabei vergessen Sie, dass hier von Menschen die Rede ist, die meist unter schlechten Arbeitsbedingungen und für viel geringere Löhne und Gehälter beschäftigt und zum Teil auch ausgebeutet werden. Wir wollen, dass Menschen Sicherheit bei der Arbeit haben und sie langfristig planen können.
Daher ist unsere Aufgabe nicht, in den Parlamenten die Interessen der Großunternehmen zu vertreten, sondern die Grundlagen für reguläre Arbeitsplätze zu schaffen, damit Menschen in Würde und ohne ergänzende Sozialleistungen von ihrer Arbeit leben können. – Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Diese Große Anfrage der FDP-Fraktion ist schon reichlich kurios.
(Finn-Ole Ritter FDP: Die Antworten! – Jens- Peter Schwieger SPD: Die haben Sie doch gerade gelobt!)
Ich finde in den Antworten relativ wenig Anknüpfungspunkte, um den Senat von hier vorne offen zu kritisieren.
Das liegt an den Fragen, denn die ermöglichen es dem Senat, sich beinahe wie eine linksradikale gewerkschaftliche Gruppe zu offerieren. Das ist nicht nur überzogen von der Position her, das muss einem auch erst einmal gelingen. Dafür: Hut ab vor Ihnen.
Herr Kluth, Sie haben relativ viel über die Zahlen in der Schriftlichen Kleinen Anfrage geredet. Mir kamen die gut 18 000, die hier drinstehen, doch etwas niedrig vor. Deswegen habe ich mir eben noch einmal die aktuelle Statistik der Bundesagentur aufgerufen, und die weist für Hamburg 33 000 in Leiharbeit beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus. Da war der Senat offensichtlich von der Regionaldirektion schlecht beraten oder die Fragen waren schlecht.
Die Große Anfrage kritisiert zu Recht, dass Leiharbeit immer wieder als Kostenreduzierungsargument missbraucht wird und Betriebe so Personalkosten sparen wollen. Das geht so gar nicht.
Zu Ihren Schlussfolgerungen aus den Antworten des Senats zur Arbeitsmarktintegration und zum Ersatz von Stammbelegschaften: Das ist überhaupt nichts Neues und in diesem Haus schon diskutiert worden. Wir haben im Zuge des Mindestlohngesetzes häufig diskutiert, dass da keine richtig guten Studien vorliegen, die es uns sicher sagen könnten. Laut IAB ist es aber wirklich nur ein schmaler Grat, auf dem wir uns bewegen. Und dass Leiharbeit zu 50 Prozent eben auch sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse verdrängt hat, ist ein Fakt, den Sie nicht einfach umgehen können.
Aber hätte das Jobcenter an dieser Stelle seine Arbeit so gemacht, wie es sich gehört und diese Menschen zielgerichtet auf sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze vermittelt, dann hätten diese Menschen den Umweg über die Leiharbeit gar nicht gebraucht.
Dann gehe ich noch einmal ein bisschen auf die Fragen ein, zunächst auf Frage 8. Da fragen Sie nach den wesentlichen Merkmalen einer Leihe nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch und dass es sich dabei um eine Sache handelt, die unentgeltlich überlassen wird. Und dann fragen Sie, ob der Senat die Wortschöpfung Leiharbeit, die sich auch in Gesetzestexten wiederfindet, zur Umschreibung des Vorgangs Arbeitnehmerüberlassung zutreffend findet. Die Antwort, oh Wunder: Damit hat sich der Senat nicht befasst. Das kann ich verstehen, diese Frage geht auch völlig fehl.
Schauen wir uns das einmal etwas näher an mit der Leihe. Was regelt die Leihe? Der Verleiher verleiht eine Sache an einen Entleiher und dies unentgeltlich, so das BGB. Ob Zeitarbeitsunternehmen ihre Beschäftigten unentgeltlich an andere Unternehmen verleihen wollen, ist mir, ehrlich gesagt, egal. Ihre Frage geht deshalb fehl, weil das Innenverhältnis zwischen Leiharbeitsunternehmen und Leiharbeiter davon gar nicht betroffen ist. Auch das BGB, das dies Verwendungen nennt, sagt: Wenn ich eine Sache als Leihgut in Besitz nehme, dann muss ich dafür sorgen, dass sie a) erhalten bleibt und b) für Verwendungen, die diese Sache verbrauchen – das BGB spricht da auch von Tierfütterung –, entsprechend bezahlen. Ihre Frage ist also schlicht untauglich.
Sie ist aber sehr tauglich, um zu begründen, warum der Begriff Leiharbeit sehr wohl zutreffend ist. Das Merkmal unentgeltlich drückt ganz genau aus, was häufig in diesem Staat mit Leiharbeit praktiziert wird, nämlich die Verbilligung und Verschrottung von Arbeitsverhältnissen. Da passt unentgeltlich dann wieder recht gut hin, aber eben zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Ich werde keine Menschen als Sache bezeichnen.