Protokoll der Sitzung vom 27.11.2013

(Beifall bei der CDU)

Mit unserem ersten Zusatzantrag zu dem Gesetzentwurf des Senats wollen wir erreichen, dass Sie als Senat Ihre Vergabepraxis ordentlich gestalten und dafür sorgen, dass die Vergabe dem jetzigen Schulgesetz entsprechend und ermessensfehlerfrei erfolgt. Und wenn Sie das mit Ihrer Mehrheit niederstimmen wollen, dann sorgen Sie wenigstens dafür, dass die Eltern, die ihre Kinder jetzt an der Vorschule haben, Vertrauensschutz bekommen. Das ist das Mindeste, was Sie den Eltern und den Schülerinnen und Schülern schulden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Holster.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion überrascht uns in letzter Zeit häufiger mit ihren Debattenanmeldungen zu schulpolitischen Themen. Heute nun einmal etwas ganz Neues: Wir debattieren eine Drucksache, deren Beratung die CDU-Fraktion vor knapp zwei Wochen im Schulausschuss noch abgelehnt hatte.

(Beifall bei der FDP – Dora Heyenn DIE LIN- KE: So ist es!)

Aber gut, es ist, wie es ist.

Ich will zur Sache kommen. 95 Prozent unserer Erstklässler, darunter sehr viele ehemalige Vorschulkinder, sind in diesem Jahr an ihrer Wunschschule eingeschult worden. Nirgends sonst kann man dem Elternwillen in diesem Maße nachkommen. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Die Schulbehörde hat jetzt auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 27. Juli 2013 reagiert und dem Schulausschuss in einer Vorwegüberweisung diese Schulgesetzänderung vorgelegt, die nichts anderes bewirkt als die gängige Praxis. Alles bleibt beim Alten, Frau Prien.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Frau Prien, Sie schreiben in Ihrer Pressemitteilung vom 24. November, dass sich Vorschüler und ihre Eltern darauf verlassen können müssten, dass die Kinder an der Grundschule eingeschult werden, deren Vorschule sie besuchen. Diese Zusage hat es nie gegeben, im Gegenteil. Ich möchte Sie auf die Sitzung des Sonderausschusses Umsetzung der Hamburger Schulreform vom 25. Mai 2010 hinweisen. Der damalige schwarz-grüne Senat hat hierzu eine eindeutige Protokollerklärung abgegeben, dass nämlich der Besuch einer Vorschulklasse in der Verfahrenskette zur Anmeldung ein nachrangiges Kriterium darstelle und letztes Argument der Kette sei. Ich habe den Eindruck, dass Sie die Einschulung durch das Kriterium "Besuch einer Vorschulklasse" vorverlagern wollen und so die Kita-Arbeit verdrängen. Das halten wir für einen falschen Weg.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen weiterhin die Kita und die Vorschule gleichrangig nebeneinander. Eltern, die sich für die Kita entscheiden, dürfen bei der Anmeldung ihrer Kinder an den Grundschulen nicht benachteiligt werden. Wir stehen für die Wahlfreiheit.

(Beifall bei der SPD – Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

Die CDU-Fraktion fordert in ihrem Antrag, dass für die Kita-Kinder entsprechende Grundschulplätze vorgehalten werden; so habe ich Sie verstanden. Doch wie soll das in der Praxis funktionieren? Soll ich mir das so vorstellen, dass die Behörde einen Pool von mobilen Klassenräumen hat und immer da, wo eine neue Klasse eingerichtet werden soll, einen zusätzlichen Container auf den Schulhof stellt, oder wie genau soll das funktionieren?

(Dr. Roland Heintze CDU: Ist jetzt auch schon so!)

Und dann fordern Sie weiter – man muss in diesen Antrag der CDU einmal genauer hineinschauen –, der Senat solle den Paragrafen 42 Absatz 7 beibehalten. Vielleicht können Sie mir den Petitumspunkt rechtlich erklären, Herr Dr. Scheuerl. Eigent

(Karin Prien)

lich beschließt und ändert die Bürgerschaft Gesetze, nicht der Senat.

Ich würde auch gern wissen, wie die geforderte Verwaltungsvorschrift genau aussehen soll. Wenn wir alle Kriterien beim Aufnahmeverfahren gleichrangig behandeln, dann könnte der Fall eintreten, dass Geschwisterkinder oder Schülerinnen und Schüler, die direkt neben einer Grundschule wohnen, abgelehnt werden. Herr Dr. Scheuerl, Sie können mir das sicher gleich genauer erklären, und wenn Sie das nicht können, dann vielleicht Sie, Frau Prien. Im Schulausschuss wollen wir uns dann genauer anschauen, wie die Verwaltungsvorschrift aussehen soll.

(Beifall bei der SPD)

Den Zusatzantrag der FDP hätten wir uns gern von Fachjuristen der Schulbehörde im letzten Schulausschuss erklären lassen.

(Zuruf aus dem Plenum: Ging ja nicht! – Finn-Ole Ritter FDP: Die CDU wollte nicht!)

Es ging nicht; die Gründe sind bekannt.

Wir werden selbstverständlich alle Anträge an den Schulausschuss überweisen, und dort werden wir die Argumente und rechtlichen Aspekte genau prüfen lassen.

Lassen Sie mich abschließend hervorheben, dass der Senat rechtzeitig vor der Anmelderunde eine vom Oberverwaltungsgericht geforderte Gesetzesänderung vorgelegt hat. Das ist eine wichtige Planungsgrundlage für die Grundschulen in unserer Stadt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Frau Dr. von Berg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir debattieren über ein in dieser Legislaturperiode hausgemachtes Dilemma, das wir leider vorfinden. Es begann damit – Frau Prien hat es bereits ausgeführt –, dass jedem Kind in Hamburg ein Vorschulplatz gewährt wurde. Das ist vielleicht ein richtiges politisches Ansinnen, aber ich will Ihnen die Folgen mit Zahlen verdeutlichen. Es bedeutet, dass sich die Kinder um die Plätze in den ersten Klassen geradezu streiten müssen, auch wenn 95 Prozent der Kinder einen Platz bekommen. Ich habe in der Schriftlichen Kleinen Anfrage der CDU nachgeschaut. Zum Beispiel ist die Schule Iserbrook laut Schulentwicklungsplan zweizügig, und dort stehen zweimal 23, also 46 Plätze zur Verfügung. In der Vorschule sind 42 Kinder angemeldet, also gibt es vier freie Plätze.

(Olaf Ohlsen CDU: Mehr nicht!)

Wie soll es bei der Einschulung in die erste Klasse funktionieren, dass die vier freien Plätze sozialverträglich vergeben werden? Hinzu kommt, dass Kinder aus der Umgebung keinen Platz bekommen. Das Gleiche ist es bei der Schule Lutterothstraße. Dort sind 69 Plätze für die erste Klasse zu vergeben, und in der Vorschule sind bereits 54 Kinder angemeldet; das ergibt 15 freie Plätze. Dazu muss man wissen, dass Eimsbüttel ein sehr dicht besiedeltes Gebiet ist. Wahrscheinlich müssen alle Kinder außer denjenigen, die im Umkreis von maximal 100 Metern um die Schule wohnen, auf eine andere Schule gehen.

Das meine ich mit "hausgemachtem Dilemma". Wir müssen aus diesem Dilemma herauskommen, denn es darf nicht sein, dass Kinder, die in der unmittelbaren Umgebung einer Grundschule wohnen oder Geschwisterkinder in der Schule haben, keinen Platz mehr an der Schule finden. Wir wissen alle, dass die Klassengrößen und -frequenzen einklagbar sind. Wir können eigentlich keine Ausnahmen machen und zulassen.

Genauso wenig geht es, dass Vorschulkinder ihre Schule verlassen müssen, denn das ist traumatisierend, darüber sind wir uns alle einig. Wir haben einen klassischen Zielkonflikt zwischen Kindern, die an die Schule wollen, und Kindern, die die Schule nicht verlassen wollen. Ich sage es noch einmal: Wir müssen eine Lösung dafür finden.

Wir als GRÜNE sind auf jeden Fall für einen Vertrauensschutz für die Kinder, die jetzt in diesen Vorschulklassen sind, denn die Eltern haben sie in dem Glauben angemeldet, dass sie dort bleiben dürfen. Dieses Vertrauen müssen wir bewahren.

Nachhaltig kann die Lösung nur heißen, dass Kita und Vorschule gleichberechtigt sind. Wir als GRÜNE sind ausdrücklich dagegen, den Schulbesuch verpflichtend vorzuziehen. Das würde bedeuten, dass alle Eltern ihre Kinder an den hochangewählten Schulen in der Vorschule anmelden, obwohl sie es wider besseres Wissen und gegen ihren Willen tun, wenn sie für ihr Kind eigentlich die Kita bevorzugen, und das darf nicht sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Dilemma, von dem ich sprach und aus dem wir herauskommen müssen, ist durch die beiden konkurrierenden und gleichwertigen Systeme Kita und Vorschule auch eine Hamburgensie.

Ich freue mich sehr auf die Beratung im Schulausschuss. Vieles, was man bedenken muss, wurde schon gesagt. So muss es eine verlässliche Schulentwicklungsplanung geben, und es kann nicht sein, dass es einmal eine vierzügige Grundschule gibt und im nächsten Jahr nur eine zweizügige. Wir sollten darüber gemeinsam beraten, und ich freue mich, dass all diese Anträge an den Schulausschuss überwiesen werden. – Vielen Dank.

(Lars Holster)

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Bevor ich Frau von Treuenfels das Wort erteile, möchte ich darauf hinweisen, dass es viele Zwiegespräche rechts, links und in der Mitte gibt. Ich würde mir wünschen, dass Sie der nachfolgenden Rednerin Ihr Ohr schenken. – Frau von Treuenfels, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Vorschule ist eine Hamburger Errungenschaft, auf die wir stolz sein können. 8400 Kinder besuchen sie pro Jahr und viele Eltern vertrauen auf ihr pädagogisch erprobtes Konzept. Der Vorschulbesuch war neben Wohnortnähe und Geschwisterregelung eines der drei Kriterien, die einen Grundschulplatz sichern sollten. Zumindest war es so in der Theorie vorgesehen, und zwar nach den Regeln des damaligen Primarschulgesetzes 2009. Die Praxis sah, wie wir wissen, etwas anders aus. Bei der Ermessensentscheidung, welche Kinder einen Platz in der ersten Klasse erhalten, wurde der Vorschulbesuch nur unzureichend berücksichtigt. Zu diesem Schluss kam das Hamburger Oberverwaltungsgericht, das heute bereits zitiert wurde. Das hat den Schulsenator nun bewogen, uns eine Gesetzesänderung vorzulegen. Diese Gesetzesänderung schreibt merkwürdigerweise – das haben wir bereits festgestellt – eigentlich das Gegenteil von dem fest, was das OVG entschieden hat; so wurde das Kriterium Vorschulbesuch gestrichen. Weder der Vorschulnoch der Kitabesuch sollen für den Zugang zur Wunschgrundschule eine Rolle spielen.

Meine Damen und Herren! Ich will ausdrücklich sagen, dass man die grundsätzliche Erwägung, die hinter dieser Veränderung steht, durchaus vertreten kann. Ich habe mir die Entscheidung in der Beziehung nicht leicht gemacht. Kita und Vorschule sollen gleichberechtigt sein. Auch Kitas sind mittlerweile echte Bildungseinrichtungen, die eine gute Vorschularbeit leisten, und das muss man auch sehen. Eltern sollen frei entscheiden können. Ich bin froh, wenn ich von der SPD höre, dass sie hier für Wahlfreiheit ist – das sollten Sie immer sein, das finden wir auch richtig –, denn Kita und Vorschule sollen nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern gleichberechtigt sein, und zwar ohne eine Bevorteilung der Vorschulkinder, was den anschließenden Grundschulbesuch angeht.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Wir nehmen allerdings einen entscheidenden Zusatz vor, der heute schon erwähnt worden ist. Wenn diese Veränderung greifen soll, dann muss ein Vertrauensschutz gelten, und zwar für die Eltern, die ihre Kinder zu diesem Schuljahr in der Vorschule angemeldet haben. Sie haben das im Vertrauen darauf getan, dass das

bei der Grundschulanmeldung besonders berücksichtigt wird. Deshalb wollen wir, dass die derzeitigen Kriterien bis zur nächsten Anmelderunde im kommenden Frühjahr fortbestehen. Nur dann gelten klare Verhältnisse für Eltern und Kinder. Wie schön, dass sich nun auch die CDU unserer Initiative zum Vertrauensschutz anschließt. Den Zusatzantrag hat die FDP bereits zur letzten Schulausschusssitzung vor zwei Wochen eingebracht, als die CDU noch keine Debatte zum Vertrauensschutz führen wollte. Umso mehr verwundert es daher, dass die Kollegen der CDU heute einen Antrag gleichen Inhalts vorlegen. Konsequent ist das nicht, Frau Prien, aber doppelt gemoppelt hält bekanntlich besser.

(Beifall bei der FDP)

Herr Senator Rabe, was die weitere Entwicklung der Grundschulanmeldungen angeht, möchten wir Sie daran erinnern, dass es vor nicht wenigen Jahren für gut 98 Prozent aller Kinder einen Platz an der Grundschule gab – jetzt sind wir bei 95 Prozent, die Tendenz ist also sinkend. Einige besonders krasse Fälle der Wunschverweigerung werden in der Öffentlichkeit zu Recht kritisiert. Das ist keine gute Entwicklung, die in der Tat auf Mängel in der Schulentwicklungsplanung und Umsetzung der Regeln schließen lässt. Hier liegt das eigentliche Problem – nicht bei den Zugangskriterien, sondern bei der Schulentwicklungsplanung, die die Realitäten vielerorts ignoriert. Es muss dringend nachgebessert werden, damit mehr Kinder auf die Schulen gehen können, die sich ihre Eltern für sie wünschen.

(Olaf Ohlsen CDU: Richtig!)

Wenn Sie hierbei besser werden, brauchen wir Diskussionen um Zugangskriterien deutlich seltener zu führen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Frau Heyenn.