Protokoll der Sitzung vom 27.11.2013

Das Wort bekommt Frau Heyenn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! An der Grundschule Strenge gab es Probleme, und daraufhin hat DIE LINKE am 29. Mai 2013 den Antrag "Transparenz bei den Aufnahmeverfahren bei Schulanmeldungen schaffen" eingebracht. Dieser wurde an den Schulausschuss überwiesen, und am 14. November stand er auf der Tagesordnung. Am 8. November ist die Gesetzesänderung zum Hamburgischen Schulgesetz bereits im Vorwege auf den Weg gebracht worden. Wir von der LINKEN wollten das mit den anderen Fraktionen gemeinsam diskutieren, aber dagegen hat sich die CDU gewehrt. Heute liegen weitere Zusatzanträge auf dem Tisch, die auch an den Schulausschuss überwiesen werden. Wir werden das alles dort noch einmal diskutieren, und

(Dr. Stefanie von Berg)

deshalb werde ich heute nichts dazu sagen und freue mich auf den Schulausschuss.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich möchte darauf hinweisen, dass es hier im Saal eindeutig zu laut ist. – Herr Dr. Scheuerl, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht erübrigt sich die Wortmeldung von Senator Rabe.

(Beifall bei der CDU)

Bisher ist noch nicht herausgearbeitet worden, dass wir – auf den Punkt gebracht – darüber sprechen, dass in der Senatsdrucksache dem Parlament die Unwahrheit über das Gesetzesvorhaben gesagt wird. Außerdem sprechen wir über einen offenen Widerspruch, und ich will auf beides kurz eingehen.

Wir sprechen nicht über akademische kleine Möglichkeiten. Die letzten bekannten Zahlen betrafen 185 Vorschulkinder, die zum Schuljahr 2012/13 nicht in ihrer Grundschule bleiben konnten, weil unter Senator Rabe deren Anmeldung abgelehnt wurde. Sie wurden der Schule verwiesen und an andere Schulen geschickt.

(Lars Holster SPD: So wie immer!)

Die wissentliche Unwahrheit in der Senatsdrucksache liegt in Folgendem. Wenn Sie sich die Begründung des Gesetzesvorhabens durchlesen, dann begründet Senator Rabe – er wird das vielleicht gleich noch einmal wiederholen – beziehungsweise der Senat, wenn er von Gerechtigkeit spricht, das Vorhaben, den Vorschulbesuch als Kriterium für das Anmeldeverfahren zu streichen, ausdrücklich damit, dass nach der Rechtsprechung des OVG – Zitat –:

"Kinder, die eine Kita besuchen, […] auch bei einem vergleichsweise kurzen Schulweg das Nachsehen haben [würden]."

Sehr geehrter Herr Senator Rabe, das ist grob falsch. Ich weiß nicht, wer bei Ihnen nach dem Beschluss des OVG und der Schlappe vom 17. Juli das Urteil oder den Beschluss noch einmal gelesen hat. Das OVG sagt ausdrücklich, dass es natürlich zulässig ist, die vier Kriterien in Paragraf 42 Absatz 7 Schulgesetz zu gewichten. Sie können ein Punkte- oder Quotensystem einrichten, Sie können auch eine Reihenfolge der Auswahl festlegen und zum Beispiel Geschwisterkinder vorrangig berücksichtigen. Die einzige klare Vorgabe, die das OVG gemacht hat, ist, dass es erstens auf die geäußerten Wünsche, das heißt das Wahlrecht der Eltern ankommt, und dann auf die drei weiteren in Paragraf 42 Absatz 7 genannten Kriterien Schul

wege, Geschwisterkinder und Vorschulbesuch. Innerhalb dieser drei Kriterien können Sie ein Punkte-, Quoten- oder Gewichtungssystem vornehmen. Wenn Sie es richtig machen, so wie es Ihnen das OVG ins Schulbuch geschrieben hat, dann können Sie ohne Weiteres vermeiden, dass Kinder mit kürzeren Schulwegen abgelehnt werden.

Das Problem im Rahmen Ihrer Schulplanung – und das wissen Sie auch – ist doch, dass Sie die stark angewählten Plätze an den Grundschulen in den guten Wohnvierteln, wo viele Menschen leben, nicht mögen. Wir haben das abgefragt. Zum Schuljahr 2013/14 sind von den 663 Kindern, die im Anmeldeverfahren für die erste Klasse abgelehnt worden sind, 460 Kinder, also 70 Prozent der abgelehnten Anmeldungen, fast in Klassenstärke an ihren Grundschulen abgewiesen worden. 185 Vorschulkinder, die Sie an ihrer Schule abgelehnt haben, sprechen eine beredte Sprache.

Aber kommen wir zu dem offenen Widerspruch. Die Fraktion der SPD hat mit diesem Antrag fast zeitgleich einen weiteren – interfraktionellen – Antrag eingebracht, und zwar dazu, die Kinder in den Langformschulen von Klasse 4 nach Klasse 5 glatt übergehen zu lassen und ihnen zu ermöglichen, in ihrer Schule zu bleiben. Gleichzeitig wollen Sie aber die Schüler, die schon ein Jahr in der Vorschule sind – die Vorschule bildet nach Paragraf 14 Schulgesetz ein einheitliches didaktisches Konzept mit der Grundschule Klasse 1 bis 4 – ausbooten und aus dem Verfahren nehmen.

Für die Erwägung, die wir im Schulausschuss bei der Berücksichtigung der Vorschulkinder anstellen müssen, möchte ich aus der Begründung zu Ihrem interfraktionellen Antrag für die Langformschulen vorlesen. Damit erübrigt sich vielleicht Ihr Wortbeitrag. Ich will Sie bei jedem dieser Sätze, die ich zitiere, fragen, warum das nicht 1:1 wörtlich auch für die Kinder gelten soll, die schon ein Jahr in der Vorschule gewesen sind – ich zitiere –:

"[Die Schulen] zeichnen sich dadurch aus, dass sie den Schülerinnen und Schülern die gesamte Schulzeit […] innerhalb eines durchgehenden pädagogischen Konzepts anbieten."

Das ist bei guten Vorschulen auch der Fall.

"Der pädagogische Zusammenhalt dieser Schulen wird durch ein gemeinsames Lehrerkollegium, gemeinsame Gremien und eine gemeinsame Leitung gesichert."

Das ist bei Vorschulen auch so, Herr Rabe. Sie wissen das vielleicht nicht mehr, aber die Eltern der Vorschulkinder sind zum Beispiel auch im Elternrat. Die meisten Eltern wählen diese Schulform ganz bewusst, weil sie das Konzept schätzen und es als Vorteil betrachten, ihre Kinder über die Schulzeit hinweg an einer Schule zu belassen.

(Dora Heyenn)

Das gilt für die Eltern der Vorschulkinder, die sehr klein sind, in besonderem Maße. Dennoch müssen auch diese Familien gemäß dem Hamburger Schulgesetz das reguläre Anmeldeverfahren durchlaufen. Es gab Fälle, bei denen Kinder aufgrund hoher Anmeldezahlen nicht an ihrer Schule bleiben konnten. Dies bedeutet einen unerwünschten Einstieg in die Schullaufbahn des Kindes und widerspricht dem pädagogischen Konzept der Schulen. Es ist daher nur folgerichtig – so die SPD und der interfraktionelle Antrag –, den Übergang zu sichern, um ungewählte Schulwechsel sicher ausschließen zu können. Dies gilt aber nicht nur für die Ihnen pädagogisch liebgewonnenen Langformkinder, die in Klasse 4 der Langformschulen angekommen sind, sondern auch für die Vorschulkinder. Ich freue mich auf die Debatte im Schulausschuss.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Senator Rabe.

(Dietrich Wersich CDU: Nun doch!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Debatte habe ich Vorschläge Ihrerseits vermisst.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Sie haben zu Recht gesagt, dass ich allen Eltern versprochen hätte, dass jeder einen Vorschulplatz bekommt, der einen möchte. Das stimmt, das habe ich getan. Dass Sie das als Vorwurf erheben, finde ich noch erträglich, aber das heißt doch, Frau Prien, dass Ihr Vorschlag ist, den Eltern zu sagen, dass ihr Kind keinen Platz an der Vorschule bekommt und dass das jetzt gedeckelt werden muss. Das ist der Unterschied: Wir nehmen das Elternwahlrecht ernst, Sie offensichtlich nicht.

(Beifall bei der SPD – Glocke)

(unterbrechend) : Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Wersich?

Aber gern.

Herr Rabe, bisher waren die Vorschulplätze auch deswegen begrenzt, weil damit das Versprechen verbunden war, dass es nicht zu einer erneuten Schnittstelle zwischen Vorund Grundschule kommt. Als Sie das Versprechen gemacht haben, dass alle in die Vorschule dürfen, haben Sie da an die Folgen gedacht, dass dann auch alle in derselben Grundschule weiter beschult werden müssten?

Wenn Sie sich den Schulentwicklungsplan anschauen, dann sehen Sie, dass potenziell bei jeder Schule gleich viele Vorschulklassen wie erste Klassen vorgesehen sind. Sie sind auch in den Raumkonzepten eingeplant. Das wurde von Ihrer Fraktion übrigens einmal kritisiert; Sie sagten, wir sollten weniger Räume für die Vorschulklassen vorsehen. Insofern haben wir das in der Tat berücksichtigt.

Ich will Sie umgekehrt daran erinnern, Herr Wersich, dass zu Ihrer Zeit auch keine Vorschüler weggeschickt worden sind. Und ich wundere mich über die Kehrtwende der CDU, die jetzt von mir verlangt, Vorschüler nicht an ihrer Schule zu lassen, denn Sie haben selbst die Türen geöffnet. Eigentlich sind wir uns einig, und ich wundere mich über diesen künstlichen Konflikt.

(Beifall bei der SPD)

26 000 Anmeldungen gehen bei der Schulbehörde jedes Mal zu Schuljahresbeginn ein, und in Hamburg können sich die Kinder mit ihren Eltern ihre Schulen aussuchen. Zu 95 Prozent klappt das, was schwierig ist, denn bei uns besteht das Wahlrecht nicht nur auf dem Papier, bei uns ist es aufgrund der großen Schuldichte tatsächlich jedem Kind möglich, sich seine Schule in annehmbarer Entfernung auszusuchen. Es ist schwierig, jedes Mal versuchen zu müssen, die Kinder passgenau an die Schulen zu bringen, denn nicht jede Schule kann grenzenlos aufnehmen. 95 Prozent der Wünsche gehen in Erfüllung, bei 5 Prozent sind die Schulen zu klein. Die Frage ist, was man dann tut.

Ich sage Ihnen, was bisher getan wurde. Es gibt ein bewährtes Verfahren, das nicht ich erfunden habe, sondern die CDU, und CDU und GAL haben es jahrelang so gehandhabt. Wenn es zu viele Anmeldungen gibt, dann kommen zunächst die zum Zuge, die es aufgrund eines besonderen Härtefalls dringend nötig haben. Das ist sehr selten, zum Beispiel wenn Kinder oder Eltern aufgrund einer ärztlichen Behandlung an einen bestimmten Schulstandort gebunden sind. Wenn das gewährleistet ist, dann kommt als Nächstes das Kind, das schon ein Geschwisterkind an der Schule hat, und das folgende Kriterium ist die Entfernung. Das habe ich übernommen, es funktioniert gut in Hamburg und läuft seit Jahren so.

Der Besuch einer Vorschulklasse, Frau Prien – leider habe ich mir sagen lassen, dass Sie das wissen und absichtlich etwas Falsches behaupten –, ist in der Vergangenheit noch nie der Türöffner für den Besuch der ersten Klasse gewesen. Davon zeugen die zahlreichen Prozessakten – ich zeige sie Ihnen gern –, die die Vorgängerregierung, der ich nicht angehört habe, geführt hat, weil sich Eltern beschwert haben, da ihre Kinder, die in der Vorschule waren, in derselben Schule in die erste Klasse wollten. Die alte Schulbehörde hat gesagt, dass das nicht gehe, und so sind sie vor Gericht

(Dr. Walter Scheuerl)

gezogen. Das war schon zu Ihrer Zeit so, und ich bin wirklich verwundert darüber, dass Sie hemmungslos das Gegenteil behaupten.

Das meinte ich vorhin, als ich sagte, es sei schön bei den beruflichen Schulen, dass dort ein gewisses Maß an Vernunft herrsche. Ich habe mich bei den allgemeinbildenden Schulen mühsam an die vielen Verzerrungen und sprachlichen Tricksereien anwaltlicher Rundschreiben gewöhnt. Dass Sie als Fraktion wider besseres Wissen in Ihren Pressemitteilungen beharrlich etwas absolut Falsches behaupten, sollten Sie nicht nötig haben. Die Ablehnung von Vorschulkindern ist seit Jahren, wenn es eng wird, möglich und ist von Ihrer Regierung ständig praktiziert worden. Zahlreiche Prozessakten gebe ich Ihnen gern mit. Sie sollten einmal sagen, dass nicht ich das eingeführt habe, sondern dass es schon da war.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen uns nun fragen, was wir jetzt tun. Das Oberverwaltungsgericht hat gesagt, dass das Gesetz vorschreibe, Vorschüler zu bevorzugen. Umgekehrt haben wir diese Bevorzugung bisher nie Wirklichkeit werden lassen, weder ich selbst noch die GRÜNEN und die CDU.

Jetzt haben wir zwei Möglichkeiten: Wir können das Gesetz ändern und die Praxis so lassen, oder wir ändern die Praxis und passen sie dem Gesetz an. Ich habe eine klare Meinung. Was sich in Jahren bewährt hat und funktioniert, muss man nicht aus purer Reformlust ändern, erst recht nicht, wenn die Alternative in Wahrheit keinen Deut besser ist. Wenn zukünftig Vorschüler bevorzugt aufgenommen werden, was passiert denn dann? Dann werden wir doch in kurzer Zeit Vorschulen haben, die überlaufen, und wir haben das Problem nur ein Jahr früher. Es würde sich nichts ändern, ganz im Gegenteil.

Spielt ihr eigentlich Ticken, oder was macht ihr hier?

(Glocke)

(unterbrechend) : Entschuldigen Sie, Herr Senator. Ich möchte Sie unterstützen und bitte um etwas mehr Ruhe im Plenarsaal. – Bitte fahren Sie fort.

Es wäre nicht nur nichts gewonnen, es ginge auch einiges verloren.

(Glocke)