Protokoll der Sitzung vom 11.12.2013

Frau Präsidentin! Erst einmal an Herrn Tjarks: Es ist gut, dass auch Sie bemerkt haben, dass wir in Hamburg keine Große Koalition haben – herzlichen Glückwunsch zu der Erkenntnis. Wenn man die Debatten heute verfolgt, dann sieht man allerdings auch, dass die Nä

(Katja Suding)

he zwischen GRÜNEN und SPD nicht allzu ausgeprägt sein dürfte.

Herr Tjarks, Sie haben behauptet, dieser Koalitionsvertrag enthalte eine Absage an steigende Steuereinnahmen. Genau das Gegenteil ist der Fall. Wir haben seit Jahren wachsende Steuereinnahmen, weil wir auf Wirtschaft, Innovation und den Wohlstand der Menschen setzen. Die Menschen sollen mehr Geld verdienen, und wer mehr Geld verdient, der zahlt dann auch mehr Steuern. Das ist unser Kurs.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen ist es auch ein Programm für mehr Steuereinnahmen. Ich bin sicher – und das ist einer der Kernpunkte, die wir durchgesetzt haben –, dass die Einführung höherer Steuersätze oder neuer Substanzsteuern wie die Erbschaftsteuer genau den gegenteiligen Effekt gehabt hätten. Wir würden in Deutschland wieder zurückfallen in die Zeiten, in denen Sie in Berlin mitregiert haben, als unter Rot-Grün die Steuereinnahmen sanken und die Massenarbeitslosigkeit anstieg. Diese Zeit haben wir mit der Union überwunden.

(Beifall bei der CDU)

Das Zweite, weshalb ich mich noch einmal gemeldet habe, ist die Hoffnung, Herr Kollege Hackbusch, dass Sie mit Ihrem Beitrag die Debattenanmeldung für morgen erledigt haben; deswegen möchte ich dazu auch noch etwas sagen. Dieser Koalitionsvertrag trägt die Handschrift der sozialen Marktwirtschaft. Es gibt weiter Werkverträge, aber wir machen Schluss mit dem Missbrauch, dass über Werkverträge Scheinselbstständigkeiten mit Absenkung sozialer Maßstäbe ermöglicht werden. Es gibt weiter Leiharbeit, aber wir machen Schluss mit dem Missbrauch, dass Leiharbeit reguläre Arbeit billiger auf Dauer ersetzt. Leiharbeit ist ein Instrument, um Spitzenbelastung in den Unternehmen abzudecken. Es gibt einen Mindestlohn, aber er wird zukünftig von den Tarifparteien ausgehandelt, und es gibt Übergangsregelungen, in denen die Tarifparteien davon abweichen können. Das ist soziale Marktwirtschaft, und das ist auch die Handschrift der Union in diesen wichtigen Fragen. Es ist mir wichtig, das hier heute noch einmal festzustellen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Bürgermeister, Sie haben mit Ihrer langen Rede die Chance genutzt, viel vorzustellen. Ich würde für die Zukunft vorschlagen, dass Sie, wenn Sie ein so großes Mitteilungsbedürfnis haben, durchaus auch eine Regierungserklärung abgeben, denn dann könnten wir alle hier auf Augenhöhe miteinander diskutieren. Das wäre einer solchen Sache dann auch angemessen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Bei all dem, was Sie vorgestellt haben und was uns deutlich gemacht hat, wie sehr Ihnen die Berliner Bühne gefallen hat – das war spürbar –, waren wir umso enttäuschter, dass Sie so gut wie nichts zu den Auswirkungen für Hamburg gesagt haben.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Stimmt doch gar nicht!)

Sie haben bis heute keinen Auftrag aus diesem Koalitionsvertrag und keine Chance für uns in Hamburg abgeleitet. Diese Chancen aus dem Koalitionsvertrag wird man in Hamburg nicht herbeiverwalten, sondern es wird sie nur geben, wenn sie politisch kraftvoll gestaltet werden.

(Jan Quast SPD: Dann ist ja alles gut! Dann müssen wir uns ja keine Sorgen machen!)

Diese Gestaltung vermissen wir, Herr Bürgermeister, und deswegen hätte ich mir mehr von dem Engagement auf der Berliner Bühne endlich auch hier in Hamburg beim Regieren unserer Stadt gewünscht. Das erwarten auch die Hamburgerinnen und Hamburger von Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt nun erst Frau Dr. Schaal und dann Frau Heyenn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte auch noch einmal auf das Thema erneuerbare Energien eingehen. Herr Kerstan, das kann ich nicht so stehen lassen. Es ist nicht richtig, dass die erneuerbaren Energien und insbesondere die Windenergie an Land abgewürgt werden. Sie müssen auch berücksichtigen, dass wir einen wachsenden Anteil von erneuerbaren Energien im Netz haben. Wir sind froh darum, und bei der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes soll auch überlegt werden, wie man dieses Gesetz verändern muss, um wachsende Mengen an grünem Strom ins Netz zu integrieren. Den Vorrang wird das Erneuerbare-Energien-Gesetz in den Grundstrukturen erhalten, und das ist bei der Diskussion, die vorher geführt wurde, durchaus nicht selbstverständlich. Es bleibt beim Vorrang für erneuerbare Energien im Netz – das war bisher und wird auch weiterhin der Motor für den Ausbau der erneuerbaren Energien sein.

(Beifall bei der SPD)

Es war auch bisher so, dass die Einspeisevergütung ständig degressiv gestaltet wurde, das heißt, sie sinkt und wird jetzt möglicherweise noch stärker sinken. Aber auf der anderen Seite müssen die erneuerbaren Energien auch mehr eigene Verantwortung übernehmen, um eben Stabilität im Netz zu erzeugen. Das ist eine sehr technische Diskussion, und dazu wird die Reform des EEG sicher einiges beitragen. Das sind ganz neue Fragen, die

(Dietrich Wersich)

im Koalitionsvertrag gestellt wurden und die mit der Novelle auch eine Antwort bekommen müssen.

(Finn-Ole Ritter FDP: Haben Sie auch mit- verhandelt?)

Ich halte es für sehr wichtig, dass endlich das Thema Effizienz weiter hervorgehoben wird. Das ist bisher vernachlässigt worden, und das ist auch ein weiterer Pluspunkt dieses Koalitionsvertrags.

Wichtig finde ich außerdem, dass beim Thema Netzausbau – und das ist behandelt worden – endlich dafür gesorgt wird, dass Bedingungen geschaffen werden, die es den Städten und Gemeinden erleichtern, die Netze zu rekommunalisieren, das heißt in eigene Hand zu übernehmen, wie wir es im Moment machen. Bisher haben wir eine rechtliche Lage, die solche Vorhaben eher erschwert, und das soll jetzt in Angriff genommen werden. Der Koalitionsvertrag enthält also viele Dinge, die die Energiewende voranbringen statt sie zu behindern, und hier muss man sehen, wie dies weiterentwickelt wird. Wir werden da noch viel diskutieren, aber es ist ein positiver Weg, der eingeschlagen wurde.

(Beifall bei der SPD)

Frau Heyenn, jetzt haben Sie das Wort.

Jetzt einmal zum Erfolgsmodell Schwarz-Gelb, Herr Wersich.

(Finn-Ole Ritter FDP: Wer hat das denn ge- sagt?)

Das haben Sie eben vorgestellt.

Viele in diesem Land verdienen viel zu wenig. Wenn Sie davon sprechen, Ihre Regierung habe dazu beigetragen, die Arbeitslosenstatistik so aufzubessern, dass es weniger Arbeitslose gebe, dann verschweigen Sie natürlich wieder einmal, dass der Anteil prekärer Beschäftigung dramatisch gestiegen ist. Das war das Erfolgsrezept von Schwarz-Gelb, und darauf können wir gut verzichten.

(Beifall bei der LINKEN – Dietrich Wersich CDU: Frau Heyenn, damit hat Rot-Grün an- gefangen!)

Auch sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze haben so wenig Gehalt, dass man davon nicht leben kann und Aufstockung braucht. Das ist nicht erstrebenswert, und das muss aufhören.

(Beifall bei der LINKEN – Finn-Ole Ritter FDP: Was ist die Alternative? – Glocke)

(unterbrechend) : Meine Damen und Herren und Herr Ritter, folgen

Sie bitte auch der letzten Rednerin in dieser Aktuellen Stunde.

(Zuruf: Was heißt die letzte?)

– Das war nur zeitlich gemeint.

(Glocke)

(unterbrechend) : Selbstverständlich war das nur zeitlich gemeint.

Wenn wir vom Arbeitsmarkt sprechen, dann sprechen wir von einem deregulierten Arbeitsmarkt. Die Deregulierung hatte ihre Hochzeit bei Rot-Grün und wurde von der Großen Koalition fortgesetzt. Wenn wir uns jetzt anschauen, was im Koalitionsvertrag steht, dann stellen wir fest, dass die prekäre Beschäftigung auch weiterhin in großem Umfang Bestand hat. Der gesetzliche Mindestlohn wird auf die Wartebank geschoben, und die geplanten Maßnahmen für Leiharbeit sind eher kosmetischer Natur und nutzen einem großen Teil der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter nichts. Ob Missbrauch mit dieser Regelung ausgeschlossen wird, was Leiharbeit betrifft, das soll sich erst herausstellen und ist mehr als fraglich. Weiterhin gibt es die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen, und bei der dringend notwendigen Regulierung von Werkvertragsarbeit, was eben auch schon angesprochen wurde, haben sich CDU, SPD und CSU gerade einmal auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verständigt.

Nun zum flächendeckenden Mindestlohn, für den unsere Partei bekanntlich seit 2005 eintritt. Irgendwann hat die SPD ihn auch entdeckt, aber bevor jetzt alle Beschäftigten in den Genuss eines flächendeckenden Mindestlohns kommen, werden wir das Jahr 2017 haben. Da ist die SPD mit ihrem großen Vorzeigeprojekt in den Verhandlungen grandios gescheitert.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Sie haben über- haupt keinen Mindestlohn durchgesetzt! Was haben Sie denn durchgesetzt? Gar nichts!)

Das ist ein Rohrkrepierer geworden, weil sich die Millionen von Beschäftigten mit niedrigen Löhnen weitere drei Jahre mit ihrem Niedriglohn begnügen sollen. Der Mindestlohn soll erst 2015 eingeführt werden, und für weitere zwei Jahre darf per Tarifvertrag auch noch davon abgewichen werden. Mit dieser Einigung werden die Niedriglohnbeschäftigten weiter im Regen stehen gelassen. Wenn der Mindestlohn für alle erst 2017 greift, dann kann er 2018 erstmals erhöht werden. Das stellt natürlich, was die Steigerung der Lebenshaltungskosten und die Tarifverträge betrifft, eine dramatische Entwertung dar. Am 1. Mai hat der damalige DGB-Vorsit

(Dr. Monika Schaal)

zende Uwe Grund auf dem Fischmarkt klar und deutlich gesagt, ein Mindestlohn von 8,50 Euro sei auch jetzt unterhalb dessen, womit der Lebensunterhalt gesichert sei.

(Finn-Ole Ritter FDP: 12 Euro!)

Wir brauchen mindestens 10 Euro, und wenn die 8,50 Euro nun auch noch ohne weitere Erhöhung bis 2018 festgeschrieben werden, dann reicht der Mindestlohn nicht einmal zur Sicherung der Existenz. Damit erfüllt der Mindestlohn seine zentrale Aufgabe nicht, die darin besteht, dass jemand, der Vollzeit arbeitet, von seinem Lohn auch leben können muss, und das kann er nicht. Wer Vollzeit arbeitet, muss dann auch eine Rente haben, die oberhalb der Aufstockungsgrenze liegt, und das ist auch nicht der Fall. Sie haben mit dieser Regelung dazu beigetragen, dass die prekäre Beschäftigung festgeschrieben ist, und das ist alles andere als ein Erfolg.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit ist die Aktuelle Stunde für heute beendet. Wir werden diese morgen mit dem dritten Thema fortsetzen.