Protokoll der Sitzung vom 22.01.2014

Der Vattenfall-Deal ist voreilig gewesen, er ist mit der heißen Nadel gestrickt, nicht durchdacht und zum jetzigen Zeitpunkt völlig unnötig.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Thomas- Sönke Kluth FDP)

Sehen Sie sich die Vorlage zum Volksentscheid an. Sie sagt überhaupt nichts darüber aus, dass das Stromnetz im Jahre 2014 gekauft werden muss, und ebenso wenig sagt das Energiewirtschaftsgesetz etwas darüber aus. Herr Dressel, Sie haben gesagt, das sei oberste Priorität gewesen. Sie erinnern sich sicherlich auch an den Antrag der CDU. Wir hätten uns durchaus einen anderen Weg vorstellen können,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Der ins Nirgend- wo führt!)

als die Prioritäten nacheinander abzuarbeiten. Die Konzession für das Stromnetz wird erst Anfang 2015 vergeben.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Nee, Ende 2014!)

Erst danach ist es relevant, an wen das Eigentum an den Kabeln und Rohren des Stromnetzes übertragen werden muss, denn die Übertragungspflicht ergibt sich aus dem Energiewirtschaftsgesetz und ist in Paragraph 46 Absatz 2 Satz 2 genau beschrieben – ich zitiere –:

"Werden solche Verträge nach ihrem Ablauf nicht verlängert, so ist der bisher Nutzungsberechtigte verpflichtet, seine für den Betrieb der Netze der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen Verteilungsanlagen dem neuen Energieversorgungsunternehmen gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung zu übereignen."

Das ist Gesetzestext, und das heißt für den Fall, dass im Konzessionsverfahren oder nach einer gerichtlichen Auseinandersetzung ein anderer Bieter den Zuschlag erhält, dass die Stadt nach diesem oben genannten Paragraphen die Netze wieder übereignen muss und dafür lediglich die angemessene Vergütung nach dem Energiewirtschaftsgesetz erhält, und die dürfte entgegen Ihren Aussagen deutlich unter dem verhandelten jetzigen Preis liegen.

(Wolfgang Rose SPD: Wie kommen Sie denn darauf?)

Fazit ist, dass der Kauf der Stromnetze jetzt unnötig, voreilig und vor allen Dingen teuer für den Steuerzahler ist.

(Beifall bei der CDU – Dr. Andreas Dressel SPD: Und danach wird es billig, oder was?)

Was hier immer noch herumgeistert, auch wenn Sie es heute ein bisschen relativiert haben: Der Kauf des Stromnetzes ist mitnichten die Umsetzung des Volksentscheids; auch mit dieser Behauptung ist der Bürgermeister auf dem Holzweg. Das Stromnetz ist nur ein Teil der Hamburger Energienetze, einer von dreien, um genau zu sein, und hinsichtlich des Wertes ist es finanziell sogar weniger wert als ein Drittel. Die Fernwärme ist das zweite Drittel.

(Zuruf aus dem Plenum: Das ist nun einmal das, was als Erstes ansteht!)

Das Stromnetz steht als Erstes an, aber es ist Ihre Entscheidung gewesen, das zeitlich so zu entkoppeln.

Sie hätten jetzt die Endschaftsklausel mit einbeziehen und eine Paketlösung für 2014 schaffen können. So ist es zeitlich entkoppelt, die Entscheidung fällt nicht vor 2019, und es besteht lediglich eine Kaufoption, das heißt, es ist unklar und hängt von mehreren Faktoren ab, ob wir 2019 zu einer Einigung beim Kauf des Fernwärmenetzes kommen. Unsicherheiten können dann dadurch entstehen, wie die Versorgung im Hamburger Westen gewährleistet werden soll. Kommt das GuD nun oder kommt es nicht? Wenn nein, was dann? Soll das alte Heizkraftwerk in Wedel aus den Sechzigerjahren ertüchtigt werden? Das ist eine Technik der Zwanzigerjahre. Oder kommt dann die Moorburgtrasse oder die Zerschlagung des jetzigen Fernwärmenetzes vor dem Hintergrund der spinnerten Idee einer Dezentralisierung? Es bleibt völlig unklar, was dort passiert. Das Sonderkündigungsrecht haben Sie auch nicht genutzt, und es wird ebenfalls zeitlich entkoppelt, sodass wir auch hier erst 2019 darüber sprechen.

Unser Fazit: Diese Salamitaktik dient der Verschleierung von Tatsachen, und das machen wir so nicht mit.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Thomas- Sönke Kluth FDP)

Ich habe noch einen dritten Aspekt. Der Senat lässt das Parlament und die Bürger im Unklaren über die Schulden, die die Stadt aufnimmt. Der Preis für das Stromnetz in Höhe von 550 Millionen Euro ist ein vorläufiger Preis, und es kommen noch Dinge hinzu. Im Detail ausverhandelt und besprochen wird es letztendlich erst durch einen unabhängigen Gutachter, der nachher den Preis festlegt. Wir wissen also gar nicht, woran wir sind. Beim Fernwärmenetz kommt ohne konkrete Ausverhandlung plus/minus eine Milliarde hinzu. Auch

hier wissen wir nicht, was kostentechnisch auf uns zukommt. Letztendlich wird das erst durch einen unabhängigen Gutachter festgelegt. Die Gesamtsumme ist unklar, aber die prognostizierten 2 Milliarden Euro und mehr waren mitnichten überzogen oder gar ein Hirngespinst, sondern bittere Realität. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Thomas- Sönke Kluth FDP)

Nun bekommt Herr Kerstan das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Kauf des Hamburger Stromnetzes und die Kaufoption für das Fernwärmeunternehmen im Jahr 2019 ist ein erster wichtiger Schritt zur Umsetzung des Volksentscheids. Damit ist das heute ein großer Erfolg für die Volksinitiative und für die Tausenden von Bürgerinnen und Bürger, die in den letzten drei Jahren für dieses Ziel gestritten haben. Daher geht an dieser Stelle erst einmal mein Dank an die Volksinitiative und an die engagierten Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Wenn man sich jetzt anschaut, was der Bürgermeister auf seiner Pressekonferenz verkündet hat, dann kann man nur eines sagen: Na also, es geht doch. Als Alteigentümer des Stromnetzes hat der Senat nach wenigen Wochen das umgesetzt, was er drei Jahre lang vehement bestritten hat, nämlich dass dies überhaupt möglich oder sinnvoll ist,

(Wolfgang Rose SPD: Nun mal nicht so selbstgerecht!)

aber letztendlich ist die Stadt jetzt in einer besseren Situation. Beim Stromnetz als Altkonzessionär in ein neues Konzessionsverfahren zu gehen, erhöht die Chancen, in diesem Verfahren auch die Konzession zu bekommen, und bei der Fernwärme ohne Rechtsstreit und jahrelange Auseinandersetzung vor Gericht eine Kaufoption zu bekommen, das ist ein guter Schritt. Natürlich freut uns jetzt auch zu hören, dass von diesem Senat im Gegensatz zu Frau Suding all die Märchen und Schreckgespenster aus der Debatte um den Volksentscheid nicht mehr wiederholt werden. Es wurde behauptet, hier würden Steuergelder verschwendet, und in Zukunft könnten wir keine Schulen oder Kindergärten mehr bauen.

(Finn-Ole Ritter FDP: Können wir locker be- zahlen, kein Problem! Und noch ein Darle- hen übernehmen von Vattenfall!)

Heute nehmen wir mit Erstaunen zur Kenntnis, dass dieser Senat die Netze kauft, ohne Steuergelder in Anspruch zu nehmen, denn sonst könnte er das, was Frau Suding hier beklagt hat, gar nicht machen, nämlich die Bürgerschaft nicht zu beteili

gen. In diesen Deal gehen keine Steuergelder, und insofern freut es uns, dass dieser Senat jetzt bestätigt, was wir schon jahrelang gesagt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN – Finn-Ole Ritter FDP: Das ist eure Vorstellung!)

Dieser Senat hat drei Jahre lang behauptet, es ginge nicht und sei nicht möglich,

(Finn-Ole Ritter FDP: Es ist noch viel mehr Geld da!)

und nach wenigen Wochen wird gekauft ohne jahrelangen Stillstand und ohne die Bürgerschaft um Steuergelder bitten zu müssen. Da stellt sich doch die Frage, Herr Bürgermeister, warum Sie eigentlich diese Stadt drei Jahre lang in einen harten Konflikt getrieben haben, der diese Stadt gespalten hat?

(Wolfgang Rose SPD: Das ist doch eine miese Nummer, die du hier abziehst!)

Was sagt das eigentlich über Ihre Glaubwürdigkeit und die Glaubwürdigkeit der Argumente der Gegner des Volksentscheids aus?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber wir sind jetzt bei dem Schritt, dass Sie den Volksentscheid umsetzen. Es ist gut, dass Sie das schnell und entschlossen machen, aber das ist natürlich jetzt erst der erste Schritt,

(Gabi Dobusch SPD: Er sucht das Haar in der Suppe!)

denn das Eigentum an den Netzen, so wie der Volksentscheid es formuliert hat, ist kein Selbstzweck. Der zweite Satz des Volksentscheids, die Zielsetzung einer klimaverträglichen und sozial gerechten Energieversorgung, muss, auch wenn man das Eigentum hat, jetzt erst umgesetzt werden. Das ist der Auftrag des Volksentscheids, und am 8. Januar, als wir im Haushaltsausschuss über die Konzepte des Senats geredet haben, mussten wir mit Erstaunen und auch mit Besorgnis zur Kenntnis nehmen, dass dieser Senat diesbezüglich vollkommen blank ist und keine Ahnung hat, was er jetzt eigentlich mit den gekauften Netzen anfangen soll. Frau Blankau, ich bin da für Ihre Offenheit dankbar, denn Sie haben sich noch nicht einmal Mühe gegeben, so zu tun, als ob Sie ein Konzept hätten, sondern Sie sagten sinngemäß, jetzt kauften Sie erst einmal die Netze und hinterher überlegten Sie sich, was man damit mache. Das ist eindeutig zu wenig. Sie haben heute den ersten Schritt gemacht,

(Dietrich Wersich CDU: Das können Sie nun wirklich nicht kritisieren, Herr Kerstan!)

jetzt geht die Arbeit los. Und da erwarten wir von Ihnen, dass Sie den Rest des Volksentscheids genauso umsetzen, wie Sie den ersten Schritt umge

(Birgit Stöver)

setzt haben – genauso schnell und mit genauso viel Engagement.

(Beifall bei den GRÜNEN – Gabi Dobusch SPD: Und genauso teuer!)

Jetzt muss es doch darum gehen, "klimafreundlich" und "sozial gerecht" mit Leben zu füllen. Wir GRÜNE haben einen Antrag vorgelegt, der Ihnen auferlegt, welches jetzt die nächsten Schritte sind: eine CO2-Reduktion bei der Fernwärmeerzeugung, die Öffnung dieses abgeschotteten Markts für Wettbewerber und auch die Öffnung dieses Markts für erneuerbare Energien. Das sind die Aufgaben, die Sie in den nächsten Monaten bewältigen müssen. Wir werden dieses Thema kritisch begleiten, damit der Volksentscheid letztendlich so umgesetzt wird, wie die Bürgerinnen und Bürger es beschlossen haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Heyenn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe wieder einige Minuten darüber grübeln müssen, was denn der Titel bedeutet, den die FDP da angemeldet hat: "Netzerückkauf: Milliarden machen noch keine Hamburger Energiewende". Wenn man sich diesen Titel anhört, dann kommt die Vermutung auf, dass Sie noch nicht so richtig wissen, ob Sie nun den Volksentscheid akzeptieren wollen oder nicht,

(Katja Suding FDP: Haben Sie nicht zuge- hört?)

und Sie, Frau Suding, haben genau diesen Zweifel hier noch einmal genährt. Sie haben sich hingestellt und gesagt, Sie akzeptierten den Volksentscheid grundsätzlich. Grundsätzlich heißt immer, dass Ausnahmen zugelassen sind. Die Ausnahme haben Sie gleich genannt: kein Rückkauf um jeden Preis.