Protokoll der Sitzung vom 22.01.2014

(Beifall bei der FDP)

Und wenn es so sein sollte, dass der Senat oder die Mehrheitsfraktion diesen eigentlich glasklaren Worten der EU-Kommission nicht trauen, dann sollten sie das in dieser Debatte bitte auch offen so ansprechen.

Ich glaube aber, dass die künstliche Aufregung um die EU-Dienstleistungskonzession zum Bereich Trinkwasser einen ganz anderen Grund hat. Die Mehrheitsfraktion und der Senat fürchten sich nämlich vor mehr Transparenz bei der Trinkwasserversorgung und möchten sich bei den Geschäften von HAMBURG WASSER nicht in die Karten blicken lassen. Wenn ich mir die enge Verflechtung zwischen HAMBURG WASSER und HAMBURG ENERGIE anschaue oder die Entgeltpolitik von HAMBURG WASSER für Trink- und Abwasser, dann kann ich das sogar ein stückweit verstehen. So spült die jüngste Preiserhöhung von 2,5 Prozent den Hamburger Wasserwerken jährlich Mehreinnahmen von 4,3 Millionen Euro in die Kasse, ohne dass der Senat bisher erklärt hat, warum die Erhöhung erforderlich ist. Tatsache ist aber auch, dass schon heute die Hamburger Wasserwerke über den Verlustausgleich der HGV defizitäre Staatsunternehmen mit jährlich 30 Millionen Euro quersubventionieren, und das ist dann nichts anderes als eine Zweckentfremdung der Wasserpreise.

(Beifall bei der FDP)

Was hinter verschlossenen Türen zwischen Senat und städtischen Unternehmen gemauschelt wird, soll nicht durch mehr Transparenz gestört werden. So wundert es dann unter dem Strich auch nicht, wie engagiert die SPD gegen die EU-Richtlinie zur

Dienstleistungsfreiheit arbeitet. Um die vermeintliche Privatisierung der Wasserversorgung geht es doch dabei in Wahrheit nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Frau Heyenn.

Herr Kluth, Sie haben als Letztes das Wort Dienstleistungsfreiheit genannt. Ich möchte gern auf diese Freiheit zurückkommen. Im Entwurf der EU-Konzessionsrichtlinie von 2012, in dem die Wasserversorgung noch enthalten war, gab es Ausschreiberichtlinien, und diese Ausschreiberichtlinien waren stark dem Wettbewerb unterworfen. Nun kann man natürlich sagen, das hätte nicht direkt dazu geführt, dass die Wasserversorgung privatisiert worden wäre, aber indirekt und faktisch schon, denn letztendlich hätten die kommunalen Stadtwerke, die Eigengesellschaften, die Zweckverbände und alle anderen Formen von interkommunaler Zusammenarbeit dann in starker Konkurrenz zu großen Firmen und finanzstarken Großkonzernen gestanden. Und Sie können sich überlegen, wie die Freiheit ausgesehen und wer dann wohl die Zuschläge bekommen hätte; einige Beispiele haben das schon gezeigt.

Diese Pläne haben dann aber Gott sei Dank zu massiven Protesten und – das ist schon gesagt worden – zur Gründung der ersten europäischen Bürgerinitiative in acht europäischen Ländern geführt. Die Initiative "Wasser ist ein Menschenrecht" startete eine Kampagne für den freien Zugang zu Wasser und sanitärer Grundversorgung. Noch vor Ablauf der Petitionsfrist waren 1,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger bereit, ihre Unterschrift zu leisten. Was dann passiert ist, haben wir gehört.

Es geht kein Weg daran vorbei: Der Zugang zu Wasser ist ein Menschenrecht. Wasser ist ein lebensnotwendiges öffentliches Gut, von dessen Nutzung niemand ausgeschlossen werden darf, schon gar nicht wegen fehlender finanzieller Mittel.

(Beifall bei der LINKEN)

Zudem ist es ein Lebensmittel, und zwar das Lebensmittel Nummer eins, an das höchste Qualitätsstandards gestellt werden müssen. Hier sind wir in Hamburg ein gutes Vorbild. Nicht umsonst ist die Wasserversorgung Kernbereich der öffentlichen Daseinsvorsorge, und darum haben Kommunen die Netzverantwortung für eine einwandfreie, funktionierende Trinkwasserversorgung. Aus diesen Gründen darf Wasser nie zur privaten Handelsware werden und nie einer Profitlogik unterworfen werden. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen zu bezahlbaren Preisen Zugang zur qualitativ einwandfreien Wasserversorgung haben.

In diesem Sinne haben wir als Bürgerschaft insgesamt – mit Ausnahme der FDP, wie Frau

(Dr. Thomas-Sönke Kluth)

Dr. Schaal schon richtig vermerkt hat – vor circa einem Jahr beschlossen, die Wasserversorgung und die Wasserentsorgung aus der Konzessionsrichtlinie herauszunehmen. Sie haben aber auch recht, Frau Dr. Schaal, dass damit nicht alle Probleme gelöst sind. Schließlich ist die Herausnahme dieses Bereichs der Daseinsvorsorge von einer großen Bürgerinitiative und vielen Menschen in Gewerkschaften, Politik und Initiativen erkämpft worden. Man muss dieses Recht natürlich verteidigen. Am 14. Januar 2014 hat das Europäische Parlament eine EU-Richtlinie beschlossen, aus der zwar das Wasser herausgenommen wurde, aber andere Bereiche der Daseinsvorsorge wie Bildung oder das Gesundheitswesen unterliegen nun dieser Richtlinie. Dort werden in Zukunft unter Wettbewerbsgesichtspunkten Vergaberichtlinien vergeben. Das ist ein Problem und eine sehr große politische Herausforderung für die Zukunft. Das ist ein Thema für die Europawahlen, und ich denke, für uns alle. Wir müssen dafür sorgen, dass auch diese Bereiche der Daseinsvorsorge nicht dem Wettbewerb anheimgegeben werden und Kommunen ein Vorrecht haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Wenn es keine weiteren Wortmeldungen gibt, stelle ich fest, dass die Bürgerschaft die Senatsmitteilung aus Drucksache 20/ 10409 zur Kenntnis genommen hat.

Bevor wir zu Tagesordnungspunkt 88 kommen, darf ich Ihnen noch das Ergebnis der Wahl einer Deputierten der Behörde für Justiz und Gleichstellung bekanntgeben.

Es wurden 104 Stimmzettel abgegeben. Es waren zwei Stimmzettel ungültig, somit 102 Stimmen gültig. Frau Dr. Sabine Kramer erhielt 71 Ja-Stimmen, 20 Nein-Stimmen und 11 Enthaltungen. Damit ist Frau Dr. Kramer gewählt.

Meine Damen und Herren! Jetzt kommen wir zu Punkt 88, Drucksache 20/10443 in der Neufassung, Antrag der SPD-Fraktion: Überwachung ehemaliger Sicherungsverwahrter weiter ermöglichen.

[Antrag der SPD-Fraktion: Überwachung ehemaliger Sicherungsverwahrter weiter ermöglichen – Drs 20/10443 (Neufassung) –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 20/10581 ein Antrag der FDP-Fraktion vor.

[Antrag der FDP-Fraktion:

Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung stärken, Überfrachtung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes vermeiden – Drs 20/10581 –]

Beide Drucksachen möchten die Fraktionen der GRÜNEN und der FDP an den Innenausschuss überweisen.

Das Wort wird gewünscht von Herrn Tabbert.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir als SPD-Fraktion legen zur heutigen Bürgerschaftssitzung eine Gesetzesinitiative vor, mit der auch künftig die polizeiliche Begleitung ehemaliger Sicherungsverwahrter sichergestellt werden soll. Dies ist erforderlich geworden, nachdem das Verwaltungsgericht Hamburg Ende des Jahres 2013 die Überwachung nach der bisherigen Rechtslage für unzulässig erklärt hatte. Das Verwaltungsgericht hat jedoch in seiner Entscheidung ausdrücklich auf die Möglichkeit einer weiteren Überwachung hingewiesen unter der Voraussetzung, dass der Gesetzgeber hierfür eine speziellere und detailliertere Rechtsgrundlage schafft.

(Finn-Ole Ritter FDP: Das war unvorherseh- bar!)

Uns ist wichtig, dass die Bevölkerung auch künftig vor als gefährlich eingestuften ehemaligen Sicherungsverwahrten geschützt wird, die nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur nachträglichen Sicherungsverwahrung entlassen werden müssen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben mit unserem Gesetzentwurf schnellstmöglich auf die jüngste Entscheidung des Verwaltungsgerichts reagiert. Mit der Schaffung einer neuen Rechtsgrundlage, die auch den Hinweisen des Gerichts angemessen Rechnung trägt, wird es der Polizei damit auch weiter möglich sein, die betroffenen Personen wie bisher engmaschig zu begleiten. Natürlich werden wir die Thematik auch noch im Innenausschuss weiter beraten. Um mögliche Gefahren für die Bevölkerung zu minimieren, ist uns aber zunächst einmal schnelles Handeln der Bürgerschaft wichtig.

Vielleicht noch ein paar Worte zu Ihrem Antrag, Herr Trepoll, der zeigt, dass wir uns in Bezug auf das Ziel einig sind. Wir hatten das Thema schon einmal in der Bürgerschaft und auch im Innenausschuss aufgegriffen, und ich hatte Ihnen angesichts des kurzfristigen Handlungsbedarfs – wir kennen die Urteilsbegründung erst seit Dezember 2013 – angeboten, den Gesetzentwurf zusammen mit Ihnen auf den Weg zu bringen, wobei wir ursprünglich noch eine weitere Ausschussberatung angestrebt hatten. Da aber aus unserer Sicht das Risiko besteht, dass die derzeit noch bestehende Überwachung im Wege des Eilrechtsschutzes ge

(Dora Heyenn)

richtlich gestoppt werden könnte, wollen wir zunächst sicherstellen, dass die Polizei überhaupt über eine Rechtsgrundlage verfügt, mit der eine Überwachung ehemaliger Sicherungsverwahrter weiterhin gewährleistet ist. Sollte dennoch weiterer Beratungsbedarf bestehen, so besteht hierfür im Innenausschuss die Möglichkeit. Aus diesem Grund möchte meine Fraktion sowohl unseren Antrag nachträglich als auch den entsprechenden Zusatzantrag der FDP-Fraktion an den dafür zuständigen Innenausschuss überweisen. Besonders freut mich am Antrag der FDP-Fraktion, dass dieser unseren Gesetzentwurf als gelungen bezeichnet. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Trepoll.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen! Schon Konfuzius hat gesagt, dass der Mensch dreierlei Wege hat, klug zu handeln: erstens durch Nachdenken, das ist der edelste, zweitens durch Nachahmen, das ist der leichteste, und drittens durch Erfahrung, das ist der bitterste. Das Verwaltungsgericht Hamburg hat am 27. November vergangenen Jahres entschieden, dass die bereits seit fast zwei Jahren andauernde Dauerobservation eines entlassenen ehemaligen gefährlichen Sicherungsverwahrten auf Basis der geltenden Rechtsgrundlage rechtswidrig ist. Das Verwaltungsgericht gab damit der Klage des entlassenen Sicherungsverwahrten nach.

Bürgermeister Olaf Scholz und die Hamburger SPD betonen seit der letzten Wahl immer wieder, dass Hamburg nun endlich gut regiert werde, jedoch muss man daran von Tag zu Tag mehr Zweifel haben. Bezogen auf das Zitat von Konfuzius zu Anfang muss man feststellen, dass sich der SPDSenat auch in diesem Fall wiederum für die dritte und bitterste Variante des Handelns entschieden hat. Offensichtlich werden Sie nur aus Erfahrung einigermaßen klug. Hätte die SPD nachgedacht, dann wäre es erst gar nicht zu dieser völlig falschen Entscheidung für den Standort Moorburg für die entlassenen Sicherungsverwahrten gekommen. Mit dieser teuren Fehlentscheidung verbunden war auch die Zusage des Innensenators Neumann, die polizeiliche Dauerobservation aller entlassenen und im Moorburger Wohngebiet untergebrachten ehemaligen gefährlichen Sicherungsverwahrten dauerhaft sicherzustellen. Diese Zusage, Herr Neumann, wurde vermutlich bereits in dem Bewusstsein gegeben, dass eine Dauerobservation auf der derzeitigen Rechtsgrundlage keinen Bestand haben wird. Aber um beim guten Regieren zu bleiben: Der SPD-Senat hätte spätestens nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2012 erkennen müssen, dass die Zusage einer Dauerobservation ohne entsprechen

de Rechtsgrundlage nicht zulässig ist. Geschehen ist jedoch nichts. Man blieb bei der Haltung, dass die geltenden Regelungen ausreichend seien. Bereits Anfang des vergangenen Jahres hat die CDUFraktion einen entsprechenden Antrag in die Bürgerschaft eingebracht, um auf diese offensichtliche Gesetzeslücke hinzuweisen, und der SPD-Senat sollte eine entsprechende detaillierte Ermächtigungsgrundlage ausarbeiten, um diese dann in Ruhe parlamentarisch bewerten und beschließen zu können. Der Bürgerschaft sollte darüber innerhalb einer angemessenen Frist berichtet werden.

Meine Damen und Herren! Die SPD in diesem Hause hätte also im Sinne des Zitats klug, zumindest aber nachahmend handeln können, wenn sie unseren Antrag zum Anlass genommen hätte, parlamentarisch umfangreich und mit ausreichender Zeit zu einem Ergebnis zu kommen, das die polizeiliche Dauerobservation weiterhin rechtlich ermöglicht hätte. In meiner Rede hier an dieser Stelle am 13. Februar vergangenen Jahres habe ich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Handeln in der Sache dringend geboten ist. Passiert ist vonseiten der SPD-Mehrheit in diesem Hause jedoch nichts. Das hat sogar dazu geführt – Herr Tabbert, Sie haben die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch gelesen –, dass das Verwaltungsgericht in seiner Begründung auf unsere Bürgerschaftsdebatte Bezug genommen hat. Ich will einmal aus der Urteilsbegründung zitieren:

also der Umstand, den ich gerade beschrieben habe –

"war der Bürgerschaft auch bekannt, wie daraus deutlich wird, dass bereits in der Bürgerschaftssitzung am 13. Februar 2013 (Plenarprotokoll 20/52) ein Abgeordneter"

das war ich –

"auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes hinwies und die Fraktionen die Angelegenheit anschließend in den Innenausschuss verwiesen haben."

(Urs Tabbert SPD: Das war doch die Diskus- sion, wo Sie den Ordnungsruf bekommen haben!)

Dort haben Sie, Herr Neumann, mithilfe Ihrer SPDKameraden die Entscheidung unnötig verzögert und damit den Beschluss des Gerichts geradezu provoziert. Ich sage das, weil Herr Neumann diese Sprache, glaube ich, am besten versteht. Womit wir dann wieder bei der bittersten Variante des Handelns angekommen wären, der Erfahrung. Der SPD-Senat muss nun vom Verwaltungsgericht Hamburg erfahren, dass sein Handeln, also die Dauerobservation des entlassenen Sicherungsverwahrten, rechtswidrig ist – festgestellt durch eine

(Urs Tabbert)

Klage des Betroffenen. Peinlicher geht es wirklich kaum.