Ich möchte heute wiederum mit Geburtstagsglückwünschen beginnen, die sich an unseren Kollegen Gert Kekstadt richten. Lieber Herr Kekstadt, im Namen des ganzen Hauses herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag und alles Gute für das neue Lebensjahr.
von gestern fort. Dazu rufe ich vereinbarungsgemäß gemeinsam die Themen zwei, vier und fünf auf. Das sind im Einzelnen folgende Themen, angemeldet von der Fraktion DIE LINKE
Verlierer der innenpolitischen Debatte sind die Lampedusa-Flüchtlinge – der Senat tut weiterhin nichts für eine politische Lösung
Für die heutige Aussprache wurde eine Beratungszeit von 75 Minuten vereinbart. – Das Wort bekommt Frau Schneider.
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Es gibt in Hamburg kein politisches Problem. Mit dieser ernst gemeinten Aussage brachte der Innensenator im Innenausschuss unfreiwillig auf den Punkt, was in dieser Stadt wirklich ein Problem ist: ein Senat, der kein Problem sieht,
ein Senat, der Konflikte nicht erkennt und schon gar nicht anerkennt, ein Senat, der alles großartig zu managen meint und Kritik nicht einmal versteht. Bezeichnend ist, wie der Bürgermeister am 20. Dezember in einem Interview mit der "Hamburger Morgenpost" auf die Frage, ob er den Konflikt um die Lampedusa-Flüchtlinge unterschätzt habe, im Stil eines absolutistischen Herrschers antwortete – Zitat –:
"Nein. Und es ist nicht in Ordnung, dass ein Senat kritisiert wird, der die deutschlandweit modernste Zuwanderungs- und Flüchtlingspolitik betreibt."
Doch, das ist in Ordnung, wir sind keine Untertanen. Und selbst wenn das mit der modernsten Zuwanderungs- und Flüchtlingspolitik zuträfe und Hamburg nicht die deutschlandweit härteste Ausländerbehörde betriebe, wäre es in Ordnung.
Diese Ignoranz gegenüber Interessen, die viele Menschen bewegen, und diese Unfähigkeit zu kommunizieren führen dazu, dass sich politische Konflikte aufladen. Das war doch in den letzten Monaten mit den Händen zu greifen. Es wird dem Konflikt um die Rote Flora nicht gerecht und kann die Betroffenen nicht beruhigen, wenn der Senat die Sorge vor der Räumung der Roten Flora mit Hinweis auf den neuen Bebauungsplan für unnötig erklärt.
Es stößt die Bewohnerinnen und Bewohner der Esso-Häuser vor den Kopf, wenn der Senat, statt das langjährige Versagen der Stadt einzugestehen und die Vorschläge und Vorstellungen der Bewohner frühzeitig aufzugreifen, sie damit abspeist, dass er schon dafür sorgen würde, dass am Ende alles gut werde. Es macht Zehntausende Menschen in dieser Stadt fassungslos,
wenn der Senat mit kaltem Hinweis auf die Rechtslage von Flüchtlingen, die gerade einmal ihr nacktes Leben haben retten können und die für ihr Recht auf Teilhabe am Leben für wenigstens ein wenig Gerechtigkeit kämpfen, jeden Anspruch bestreitet. Er zeigt nicht einmal einen Hauch von Empathie, sondern kriminalisiert.
Und mit den Kontrollen demonstrierte er nicht nur gegenüber den Flüchtlingen seine Macht, sondern er zeigte diese seine Macht auch gegenüber der ganzen Stadt.
(Beifall bei der LINKEN – Dirk Kienscherf SPD: In welcher Stadt leben Sie eigentlich, Frau Schneider?)
Aber der Senat trägt einen großen Anteil an der Eskalation der Konflikte in den letzten Wochen und Monaten. Und wenn er gegenüber den verschiedenen Bewegungen nach dem Motto handelt, was wollt ihr eigentlich, es gibt kein politisches Problem, dann bleibt ihm zur Lösung der geleugneten, aber eben sehr realen Konflikte nur die Polizei. Bei all diesen Konflikten geht es um die Frage, wie wir in dieser Stadt zusammenleben wollen. Das entscheidet nicht die Polizei.
Wie die verschiedenen sozialen und kulturellen Interessen, wie unterschiedliche Lebensstile und Lebensentwürfe zur Geltung kommen, wie Vielfalt solidarisch gestaltet wird, kurz, wie das soziale Zusammenleben in der Großstadt sich entwickeln kann, das unterliegt permanenten Aushandlungsprozessen. Es geht um die Teilhabe und die Teilhabemöglichkeiten der Stadtbewohnerinnen. Hier liegt trotz eines fortschrittlichen Volksgesetzgebungsverfahrens und trotz des Transparenzgesetzes, das die Kontrolle der Verwaltung durch die Öffentlichkeit erleichtert, vieles im Argen.
Mit der Ankündigung, die Rote Flora zurückkaufen zu wollen, hat er die allererste Voraussetzung für eine Lösung des Konflikts geschaffen. Der seinerzeitige SPD-Senat hatte 2001 geglaubt, diesen Konflikt durch Verscherbelung der Roten Flora an einen Immobilienhändler privatisieren zu können. Aber dieser Konflikt lässt sich nicht privatisieren. Der Anspruch von Jugend, einen Raum zu haben, der als kultureller Freiraum
man merkt, dass Sie sich noch nie um das Problem gekümmert haben –, auch als Ort politischer Auseinandersetzung selbstbestimmt genutzt werden kann, ist ein Anspruch gegenüber der Öffentlichkeit. Es ist ein Anspruch gegenüber der Stadt, der durch die Stadt als legitimer Anspruch anerkannt und gewährleistet werden muss. Auch bei anderen Konflikten muss sich der Senat endlich bewegen.
Es mag dem Landesvorsitzenden der SPD eine Zeitlang gelingen, Debatten und Kontroversen innerhalb der SPD kleinzuhalten. Das wird dem Bür
germeister mit der Stadtgesellschaft nicht gelingen. Kritik, Debatten, Teilhabe und die politische Austragung politischer Konflikte sind Voraussetzung für eine solidarische Stadtgesellschaft. Auch der Senat muss sich dieser Herausforderung stellen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau Schneider, Ihre Rede war leider kein Beitrag zur Deeskalation.
Dabei war Ihre Anmeldung, politische Konflikte politisch zu lösen, richtig, nur leider haben einige in der Stadt in den letzten Wochen und Monaten versucht, mit Gewalt Politik zu betreiben, und das hat den inneren Frieden in unserer Stadt gefährdet. Dabei muss für uns klar sein, dass bei allem Streit über politische Themen oder auch polizeiliche Maßnahmen Gewalt niemals ein Mittel der Politik sein darf.