Dennoch kann ich es uns nicht ersparen, den Blick einmal auf einen vermeintlich profaneren Aspekt dieser Krise zu lenken. Es gibt einen wirtschaftli
chen Sektor in Hamburg, dessen Bedeutung für unsere Stadt und unsere Region oftmals unterschätzt wird. Das ist die Hamburger Landwirtschaft, und in diesem Fall sind es speziell die Gemüsebauern. Es sind immerhin 3500 Arbeitsplätze, die hier betroffen sind, und das ist keine geringe Zahl. Die größten Produzenten in den Vier- und Marschlanden betreiben ihre Höfe oft in der vierten und fünften Generation und sind nun durch die EHEC-Krise in ihrer Existenz bedroht. Die Bauern befinden sich in akuter und unverschuldeter Not und verdienen unsere Solidarität und Unterstützung.
Sie produzieren zum Teil Ladenhüter, die vernichtet werden müssen. Es gibt Betriebe, die auf Gurken, Tomaten oder Salate spezialisiert sind und die aufgrund der zu Recht ausgesprochenen Produktwarnungen schlicht und ergreifend nichts mehr verkaufen.
Meine Damen und Herren! In den Betrieben hängen oft mehrere Familien wirtschaftlich von der Produktion ab. Es gehört auch schon ein bisschen Idealismus dazu, einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen und sich dem jährlichen Risiko eines Ernteertrags auszusetzen. Man muss wissen, dass die Ausgangslage der Freilandbetriebe in diesem Frühjahr ohnehin schwierig war. Das letzte Gemüseanbaujahr war nicht gut. Von November bis Februar schloss sich eine produktionslose Zeit an und die Betriebe haben die jetzige Ernte vorfinanzieren müssen. Die finanziellen Mittel für die Fortsetzung der Produktion fehlen, und zwar ganz akut.
Selbstverständlich begrüßen auch wir die Beratungen in Brüssel und sind auch der Meinung, dass die Auflegung eines Entschädigungsfonds wichtig und notwendig ist. Auch wir bezweifeln, dass die 150 Millionen Euro, die hier ins Auge gefasst wurden, ausreichend sein könnten. Was wir aber brauchen, und zwar ganz dringend, ist Soforthilfe. Die Betriebe können nicht acht oder zehn oder zwölf Wochen warten, bis möglicherweise Entscheidungen auf EU-Ebene getroffen und die Anträge dort bearbeitet worden sind.
Wenn es uns ernst damit ist – nicht zuletzt aus klimapolitischen Gründen –, dass "Aus der Region – für die Region" der richtige Weg ist, dann müssen wir für die Hamburger Landwirte jetzt auch auf Landesebene ein Programm auflegen, das es ihnen ermöglicht, die akute Liquiditätskrise zu überwinden. Da ist die Idee mit den Krediten der Rentenbank zwar schön, aber leider nicht zielführend. Hier geht es nicht darum, dass Betriebe, die ohnehin schon zum Teil bis an den Rand verschuldet sind, noch einmal Kredite aufnehmen, sondern es geht letztlich darum, Hilfen zu geben, die das Überleben in dieser Situation ermöglichen. Die Landwirtschaftskammer und der Bauernverband
sagen, die Betriebe brauchen Geld, und zwar spätestens innerhalb der nächsten zwei bis drei Wochen. Das ist jetzt die Aufgabe des Senats und hier muss er umgehend handeln. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Prien, Sie haben selbstverständlich recht, dass den Gemüsebauern sofort geholfen werden muss.
In den letzten Tagen habe ich mich mit fast niemand anderem mehr unterhalten als mit der Landwirtschaftskammer, dem Bauernverband, den betroffenen Betrieben, unserer Bundestagsfraktion oder der EU. Und ich muss Ihnen sagen, dass es nicht so einfach ist, unseren Betrieben finanziell zu helfen. Auch in dieser Situation haben EU-Gesetze für uns Priorität und wir können nicht einfach gnadenlos Gelder ausgeben, um die Betriebe für ihre Verluste zu entschädigen. Deswegen haben wir uns sehr viele Gedanken darüber gemacht, wie wir den Betrieben finanziell über die nächsten zwei, drei Wochen helfen können, sodass sie mit ihrer Liquidität nicht an den Rand des Existenzminimums kommen. Und da helfen nicht nur Gespräche, Frau Prien, wie Sie in Ihrem Antrag gefordert haben. Über diese Gesprächsrunden sind wir schon längst hinaus; wir helfen sofort. Wir haben in unserem Antrag, den wir heute noch abstimmen werden, sehr genau gesagt, wie wir helfen werden. Die landwirtschaftliche Rentenbank hat einen Liquiditätsfonds, ein Förderprogramm, das bereits existiert, sofort für die Betriebe geöffnet, die von EHEC betroffen sind. Und wir werden mit Hamburger Landesmitteln die Zinslast, die dort auf die Betriebe zukommt, senken können.
Herr Heinemann, wir stellen tatsächlich Geld zur Verfügung, das die Zinslast der Betriebe reduzieren wird. Die Betriebe werden Mittel aus dem Liquiditätsfonds bekommen, die Zinsen liegen zwischen 3 und 5 Prozent. Wir können diese Zinsen aus Landesmitteln herun
terdrücken, sodass die Betriebe letztlich nur noch zum Beispiel 1,5 Prozent zahlen müssen für einen begrenzten Zeitraum. Es geht darum, dass die Betriebe nicht in der Übergangszeit kaputt gehen, Herr Heinemann.
Wir sind als Stadt Hamburg nicht stark genug, um sämtliche Verluste, die unsere Gemüsebauern haben, aufzufangen, aber wir können ihnen für die Zeit, bis die Zuwendungen aus Brüssel kommen, helfen. Und wenn man sich dieses Geschachere jetzt ansieht – welches Land bekommt wie viel, welcher Bauer bekommt wie viel, geht es um 30 Prozent des Verkaufserlöses oder vielleicht um 35 Prozent – , bis das alles auf EU-Ebene geklärt ist, brauchen die Betriebe Liquidität. Diese Liquidität können sie von einer öffentlich geförderten Bank, nämlich einer Rentenbank, erhalten. Und wir werden aus Hamburger Landesmitteln Mittel zuschießen, damit sie nicht so eine hohe Zinsbelastung haben. Diese Mittel können, sofern sie EUZuwendungen erhalten haben, auch sofort wieder zurückgegeben werden. Das sind also keine langfristigen Kredite. Und ich glaube, das können unsere Gemüsebauern; sie werden sicherlich darauf eingehen.
Meine Damen und Herren! Selbstverständlich – die Senatorin hat es bereits angesprochen – werden auch die Agrarminister unserer Bundesländer einen gewaltigen Druck auf die EU ausüben. Auch dazu fordern wir in unserem Antrag noch einmal auf, weil das ganz wichtig ist. Vielleicht werden sich einige von Ihnen daran erinnern, dass es auch 1986 im Rahmen der Tschernobyl-Katastrophe Hilfen gab, um den Landwirten das zu ersetzen, was nicht mehr verkäuflich war und was sie schlichtweg nur für den Container produziert hatten.
Um das zum Antrag gleich einmal vorwegzunehmen, wir zeigen uns aufgeschlossen, liebe CDU und auch die anderen Fraktionen, gegenüber weiteren konkreten und machbaren Schritten beziehungsweise entsprechenden Vorschlägen von Ihnen. Wir werden deshalb auch beide Anträge an den Ausschuss überweisen, damit wir dort über weitere Hilfsmaßnahmen sprechen können. Für heute bleibt für mich festzustellen, dass die SPD handelt und hilft. – Danke.
Wir kommen zu den Punkten 2 und 4 a unserer heutigen Tagesordnung, den Drucksachen 20/90 und 20/703, der Wahl von acht ehrenamtlichen Mitgliedern und deren Vertreterinnen oder Vertretern der Kommission für Bodenordnung und der Wahl
[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl von acht ehrenamtlichen Mitgliedern und deren Vertreterinnen oder Vertretern der Kommission für Bodenordnung – Drs 20/90 (2. Neufassung) –]
[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation – Drs 20/703 –]
Die Fraktionen haben vereinbart, dass die beiden Wahlen in einem Wahlgang durchgeführt werden können. Die beiden Stimmzettel liegen Ihnen vor. Sie enthalten bei den Namen jeweils Felder für Zustimmung, Ablehnung und Enthaltung. Sie dürfen auf jedem Stimmzettel bei jedem Namen ein Kreuz machen, aber bitte nur eines. Mehrere Kreuze beziehungsweise kein Kreuz bei einem der Namen machen die Wahl dieses Kandidaten ungültig. Auch weitere Eintragungen oder Bemerkungen würden zur Ungültigkeit des gesamten Stimmzettels führen. Bitte nehmen Sie nun Ihre Wahlentscheidungen vor.
Sind alle Stimmzettel abgegeben worden? – Das ist der Fall. Dann schließe ich die Wahlhandlung. Die Wahlergebnisse werden nun ermittelt und ich denke, Sie sind damit einverstanden, dass diese zu Protokoll gegeben werden.
Wir kommen zum Punkt 13 der Tagesordnung, Drucksache 20/594, Senatsmitteilung: Unterrichtung der Bürgerschaft über die Ergebnisse der Maisteuerschätzung 2011.
[Senatsmitteilung: Unterrichtung der Bürgerschaft über die Ergebnisse der Mai-Steuerschätzung 2011 – Drs 20/594 –]
Bevor die Debatte beginnt, will ich noch einmal daran erinnern, dass wir schon zu Anfang fünf Minuten hatten, in denen alle durcheinander geredet haben. Das sollte sich jetzt nicht fortsetzen.
Dann möchte ich darauf hinweisen, dass die CDUFraktion diese Drucksache an den Haushaltsausschuss überweisen möchte. Wird das Wort gewünscht? – Herr Heintze, bitte.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch wenn sie als Bericht daherkommt und auch wenn es um eine Steuerschätzung geht, von denen wir durchaus mehrere im
Jahr haben, geht es bei der Drucksache 20/594 in der Tat um eine für Hamburg historische Chance. Das hat sich schon am Jubel gezeigt, als sie veröffentlicht wurde und sich zeigte, dass jetzt die Mehreinnahmen sprießen und die Stadt wieder Geld hat. Es wurde zwar vorsichtig gesagt, man schwimme nach wie vor nicht im Geld, sondern immer noch in Schulden. Es gab aber allerorts Applaus – und dann setzte die politische Wertung ein. Da sagte der Finanzsenator, jetzt können wir endlich die Steuermehreinnahmen einsetzen, um Kredite abzulösen und Ähnliches, und er mahnte, das jetzt nicht gleich auszugeben. Dann sagten die Ersten, jetzt könne man doch aber Dinge, die man eigentlich nicht machen wollte, doch noch machen.
Herr Heintze, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche, aber ich möchte Ihnen damit nur helfen. Es ist ganz erstaunlich, dass so wenige anwesende Abgeordnete einen so hohen Lärmpegel erzeugen können; das ist eigentlich eine große Leistung. Aber diejenigen, die sich unbedingt unterhalten möchten, sollten das vor der Tür machen, und diejenigen, die zuhören wollen, hier bleiben. Und Herr Heintze hat das Wort und wird von allen verstanden.
– Vielen Dank für die Hilfe, die ich natürlich gerne annehme. Ich merke, es wird auch schlagartig ruhiger.
Im Prinzip stehen der Stadt mit diesen Steuermehreinnahmen allein 673 Millionen Euro im Jahr 2011 und bis 2014 insgesamt 2,8 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung. Das ist eine Situation, die sich jeder Senat am Anfang seiner Regierungszeit nur wünschen kann. Eine Krise scheint überwunden. Die Vorgängersenate hatten mit den Auswirkungen zu kämpfen, mussten konjunkturelle Sparprogramme auflegen und haben in der Stadt viel Unbill damit ausgelöst, denn wenn man irgendwo Geld wegnimmt, gibt es natürlich Menschen, die das nicht gut finden. Und jetzt kommt die Steuerschätzung und wir erleben einen Senat, der sagt, das, was wir bei Steuermehreinnahmen eigentlich immer von der CDU erwartet haben – zum Beispiel im Jahr 2008, was an dieser Stelle immer gern zitiert wird –, machen wir jetzt nicht, sondern wir prüfen, wie wir dieses Geld für unsere Wahlgeschenke und für die eine oder andere strukturelle Maßnahme einsetzen können. Aber grundsätzlich sind wir nicht dazu bereit, die Steuermehreinnahmen, mit denen wir so nicht gerechnet haben, für Sanierungsmaßnahmen im Kernhaushalt einzusetzen. Das ist aus Sicht der CDU der falsche Weg und deswegen gehört dieses Thema heute noch einmal in die Debatte.
Man kann jetzt sagen, darauf sei man nicht vorbereitet gewesen. Wenn ich die letzte Rede von Herrn Dr. Tschentscher von Anfang Februar dieses Jahres noch einmal Revue passieren lasse, dann war die Stadt zu diesem Zeitpunkt angeblich am Abrutschen. In seiner Wahrnehmung war die Kaufmannstadt Hamburg kurz davor, zum Empfänger beim Länderfinanzausgleich zu werden. Mit Haushaltsprognostik ist das so eine Sache, da sollte man sich lieber zurückhalten, insbesondere dann, wenn wir vier Monate später eine Steuerschätzung auf den Tisch bekommen, die Hamburg mitnichten zum Empfänger des Länderfinanzausgleichs macht. Wir werden weiterhin Einzahler im Länderfinanzausgleich sein und einen ordentlichen Beitrag leisten.
Wenn Sie jetzt selber sehen, dass Ihre prognostischen Fähigkeiten nicht so richtig funktionieren – das kann in der Politik passieren, davon sind wir auch nicht frei –, dann tun Sie mir aber doch bitte einen Gefallen. Nutzen Sie die Chance, damit wir uns künftig nicht mehr unbedingt auf Prognostik verlassen müssen, sondern feste Regeln haben, die bestimmte Prognosen schlicht ausschließen, weil das Handeln vorgezeichnet ist, und das verweigern Sie mit den Steuermehreinnahmen.
Eine schmerzhafte Erfahrung haben wir nicht erst in der CDU-Regierung gemacht, sondern auch schon davor. Bei ernsthafter Haushaltskonsolidierung helfen rhetorische Bekenntnisse in der Regel nicht wirklich. Wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat, dass Mehreinnahmen vorhanden sind – und hier im Haus sind sich alle bis auf die LINKE einig, dass wir aus den Schulden heraus müssen –,