Protokoll der Sitzung vom 08.06.2011

(Beifall bei der GAL)

Ab 2019 verpflichtet die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates 2010/31 vom 19. Mai 2010 die EU – ich zitiere aus Artikel 9 Absatz 1b Niedrigstenergiegebäude –:

"Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass […] nach dem 31. Dezember 2018 neue Gebäude, die von Behörden als Eigentümer genutzt werden, Niedrigstenergiegebäude sind."

Weiter heißt es dort:

"Des Weiteren legen die Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der Vorreiterrolle der öffentlichen Hand Strategien fest und ergreifen Maßnahmen wie beispielsweise die Festlegung von Zielen, um Anreize für den Umbau von Gebäuden, die saniert werden, zu Niedrigstenergiegebäuden zu vermitteln."

Deshalb fordern wir in unserem Antrag unter Punkt 1 den Senat zusammen mit dem Rechnungshof auf – hier geht es auch um Fragen der Abschreibungszeiten und der Kostenrechnung –, ein solches Konzept zu entwickeln. Hamburg sollte das vorantreiben, wofür es steht, eben für diese Umwelthauptstadt. Hamburg schont damit nicht nur seine knappen Kassen, sondern auch die Energiekosten, die immer weiter in die Höhe schießen. Energieeffizienz setzt auch voraus, dass sie auf die Lebensdauer der gesamten Zeit eines Gebäudes in der Vollkostenrechnung berechnet wird, nicht nur auf 15 bis 20 Jahre, wie das jetzt ist, sondern sie muss auf die gesamte Zeit von etwa 40 Jahren berechnet werden. Es geht also wohlgemerkt darum, öffentliche Gebäude im Sinne des Antrags zu kostenoptimalen Energieeffizienzgebäuden zu entwickeln. Es geht darum, mit Geldern sorgfältig umzugehen und der jungen Generation eine zukunftsfähige Stadt zu übergeben. Es geht darum, Hamburg zu einer wirklichen Umwelthauptstadt zu machen.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort bekommt nun die Abgeordnete Dr. Schaal.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir waren uns in diesem Haus in der Vergangenheit immer einig, dass die Stadt beim Klimaschutz ein Vorbild sein soll. Insofern, Herr Duge, ist man schon verwundert, wenn man jetzt in die letzte Fortschreibungsdrucksache des schwarz-grünen Senats hineinschaut, die die CDU mit der GAL erarbeitet hat. Sie ist im Januar erschienen, wir haben sie im Ausschuss nicht wieder hervorgeholt, aber das Thema gleichsam aufgegrif

fen. Dort findet man den Hinweis, dass der Bereich Stadt als Vorbild aufgelöst und in andere Bereiche einsortiert wird. Und wenn man genauer hinsieht, Herr Duge, ist es schon sehr verwunderlich, dass dort das Beispiel der Sanierung der Polizeiwachen hervorgehoben wird. In der Tat hatte die CDU schon im Jahr 2007 die Sanierung von 30 Polizeiwachen in Auftrag gegeben. Im Jahr 2009 haben der Kollege Buschhüter und ich auf Nachfrage eine Information zum Zwischenstand erhalten und jetzt konnten wir nachlesen, dass fünf Wachen saniert worden sind und statt der angekündigten 350 Tonnen CO2, die durch diese Maßnahme eingespart werden sollten, nur 250 Tonnen eingespart wurden.

Gerade wenn Sie von Kosteneffizienz reden, ist das doch eine sehr mickrige Bilanz. Und nebenbei gesagt, vom Passivhausstandard war bei dieser Maßnahme auch nicht die Rede, sondern vom Niedrigenergiestandard, und zwar noch nach den Werten von 2007. Also da ist doch wohl ein bisschen Nachdenken angesagt. Wenn man in den Jahren, in denen der Klimaschutz hier angeblich vorangebracht wurde, im öffentlichen Bereich gerade mit fünf Polizeiwachen aufwarten kann, dann ist das aus meiner Sicht nicht gerade vorbildlich.

(Beifall bei der SPD)

Nun, wo die GAL nicht mehr regiert, entdeckt sie plötzlich ihre klimapolitischen Ambitionen und will beim Sanieren und beim Neubau von öffentlichen Gebäuden den Passivhausstandard einführen. Das überrascht uns in der Tat sehr, Herr Kerstan, und das darf man in diesem Zusammenhang auch einmal sagen, das gehört mit zum politischen Geschäft. Aber ich sehe es Herrn Duge nach, er war in den Jahren zuvor nicht dabei und ist neu bei uns. Er hat hier ein Thema aufgegriffen, das in der Tat wichtig ist, und wir haben auch im Umweltausschuss schon dafür gesorgt, dass das Thema Klimaschutz im Gebäudebereich als Nächstes auf unserer Agenda steht.

Wir wollen uns diese Sache also gerne anschauen, aber vielleicht nicht – wie Sie vorschlagen, Herr Duge – nur nach Frankfurt blicken, sondern wir wollen auch prüfen, was Hamburg an Regelwerken erarbeitet hat und was vielleicht in anderen Städten auf diesem Gebiet erreicht wurde, denn man kann letztlich nur daraus lernen. Aber uns kommt es vor allem auf gute Ergebnisse bei der CO2-Minderung an; die sind uns wichtiger als hochgesteckte Ziele.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD – Dirk Kien- scherf SPD: Recht so!)

Trotzdem wollen wir den Antrag der GAL gern an den Umweltausschuss überweisen, denn wir hatten uns schon einmütig entschlossen, uns dem Gebäudebereich zuzuwenden, auch weil wir künftig höhere Standards zu erwarten haben. Auch aus

(Olaf Duge)

Berlin hört man, dass der Gebäudebereich in der Tat für den Klimaschutz der zentrale Bereich ist – das haben wir auch seit Jahren gepredigt – und dass dieser Bereich noch einmal besonders geprüft wird und die EnEV 2012 möglicherweise schon ein Jahr vorgezogen wird. Da werden also Anforderungen an uns gestellt und wir müssen uns damit beschäftigen.

Allerdings haben wir auch gesagt, dass die Federführung – vielleicht auch ganz in Ihrem Sinne – für die Beratungen beim Haushaltsausschuss liegen soll, denn im Antrag wird sehr stark auf die Rolle des Rechnungshofs abgestellt. Wir können dann im Haushaltsausschuss abschließend auch mit dem Rechnungshof diskutieren und das ist offensichtlich auch Ihre Intention, Herr Duge.

(Olaf Ohlsen CDU: Immer gerne!)

Die GAL lässt in ihrem Antrag anklingen, dass sich der Hamburger Rechnungshof einer Orientierung am Passivhausstandard verschlossen hat. Ich kann das so nicht nachvollziehen. Es hat eine Reihe von Prüfungen und Berichten des Rechnungshofs gegeben, die sich mit energetischen Standards beschäftigen; das ist richtig. Ich gehe davon aus, dass Sie sich in Ihrem Antrag auf die letzte Erörterung im vergangenen Jahr zum "Bildungszentrum Tor zur Welt" in Wilhelmsburg bezogen haben. Das zentrale Thema bei dieser Prüfung des Schulneubaus war allerdings nicht der Passivhausstandard, es ging – wie so oft beim schwarz-grünen Senat – darum, dass Baukosten in exorbitanter Weise aus dem Ruder gelaufen waren. Der Schulneubau hat sagenhafte 40 Millionen Euro verschlungen, obwohl er nur mit 28 Millionen veranschlagt war. Und Kostensteigerungen in Höhe von 40 Prozent, Herr Duge, sind auch bei einem noch so exzellenten Projekt nicht tolerierbar. Aber bei der Prüfung und Erörterung des Rechnungsprüfungsausschusses standen nicht der Passivhausstandard in der Kritik, sondern das Ausschreibungsverfahren und die fehlenden Vorgaben für die Kostenobergrenzen und die Standards. Am Ende stand dann die Forderung des Rechnungshofs, dass bei allen Vorhaben, auch den besonders wichtigen – ich erspare Ihnen die Zitate des Oberbaudirektors, die zu dieser Thematik gefallen sind –, die Umsetzung ökologischer Standards auch auf Wirtschaftlichkeit hin überprüft werden muss. Es ist also kein Totschlagargument, wenn Maßnahmen wirtschaftlich sein sollen, sondern es ist schlicht und ergreifend aufgrund der Landeshaushaltsordnung eine Notwendigkeit.

Die Stadt, das wissen wir alle, verfügt trotz umfangreicher Immobilienverkäufe durch die CDU in den letzten Jahren immer noch über fast 4000 Gebäude unterschiedlicher Altersklassen. Der größte Teil davon sind sicher Schulgebäude, die überwiegend in den Sechziger- und Siebzigerjahren errichtet wurden. Aufgrund der großen Anzahl von Ge

bäuden mit gleicher oder ähnlicher Nutzung ergibt sich hier grundsätzlich die Chance, Technologien für neue Standards auszuprobieren und ihre Verbreitung zu fördern. Das ist sicher eine große Chance, aber daran muss man auch noch arbeiten.

Leider hat der schwarz-grüne Senat den Schulbau allerdings in einem Sondervermögen versenkt, was uns den Austausch zwischen Sondervermögen und Parlament nicht gerade erleichtert, um es vornehm auszudrücken. Das war nämlich nicht erwünscht, wenn ich mich richtig erinnere. Darauf sind die Antragsteller in ihrem Antrag aber überhaupt nicht eingegangen, wir werden uns trotzdem damit auseinandersetzen und ich freue mich schon auf die Debatten im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Nun bekommt Herr Niedmers das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der GAL-Fraktion, am 28. November 2010 – ausgerechnet an meinem Geburtstag – telefonisch mit uns vorübergehend Schluss gemacht haben,

(Zurufe von der SPD: Oh, oh!)

hätten Sie wissen müssen, dass es mit dem Passivhausstandard auf absehbare Zeit vorbei ist. Jetzt versuchen Sie, in Antragsform Krokodilstränen zu vergießen, die hier eigentlich gar nicht hergehören.

(Beifall bei der CDU)

Nun fordern Sie ein Konzept unter Beteiligung des Rechnungshofs, wie man Nichtwohngebäude energieeffizient bauen soll. Das weckt bei mir die Assoziation: Wenn ich nicht mehr weiter weiß – das kennen wir alle aus der Politik –, dann gründe ich eben einen energieeffizienten Arbeitskreis. Das führt uns aber in der Sache nicht weiter, denn wir haben mit der EnEV 2009 einen gesetzlich normierten Baustandard auch für Nichtwohngebäude und Sie versuchen nun, diesen Standard, auf den sich im Wesentlichen alle Marktteilnehmer geeinigt haben, wieder zu toppen. Entweder wollen Sie, dass der EnEV-2009-Standard um 30 Prozent überboten wird, oder Sie holen alternativ schnell wieder den Passivhausstandard aus der Kiste. Das funktioniert so nicht, denn wir müssen uns fragen, wer baut und wer Investor ist.

Da haben wir in Hamburg zum einen die städtischen Investoren, sprich die städtischen Gesellschaften. Dort wird sich natürlich vermehrt die Frage stellen: Wie teuer kann ich bauen? Wie viele Schulräume kann ich zum Beispiel bauen, wenn ich in einem angemessenen energetischen Stan

(Dr. Monika Schaal)

dard baue, im Vergleich zu einem weit überhöhten Standard, der baukostenverzehrend ist? Wir müssen uns fragen, was unterm Strich dabei herauskommt. Will ich mehr gut ausgestattete Schulgebäude oder will ich wenige High-End-Gebäude haben? Da müssen Sie dann auch Farbe bekennen; ich denke, das wird eine spannende Diskussion.

Zum anderen haben wir private Investoren, die dann auch als Vermieter auftreten; die Stadt mietet von privaten Investoren errichtete Gebäude. Die haben ein unmittelbar eigenes elementares Interesse daran, die Nebenkosten solcher Gebäude, insbesondere wenn es sich um große Mietungen handelt, so gering wie möglich zu halten. Das betrifft beispielsweise die Kosten für Heizenergie, denn unterm Strich lassen sich langfristig viel höhere Renditen aus dem Objekt erzielen, wenn der Mieter dauerhaft möglichst geringe Heizkosten in diesem Gebäude hat.

Das heißt im Klartext, auch die freie Wirtschaft, die als Investor auftritt, hat ein elementares Interesse daran, energetisch optimiert zu bauen. Es ist eigentlich schon Standard in Deutschland und Sie versuchen, dieses Thema künstlich zu überhöhen. Mit dem Ausstieg aus der Atomenergie kommt Ihnen jetzt ein wichtiges Thema abhanden. Möglicherweise werden Sie die Gebäudeenergieeffizienz als neues federführendes Thema entdecken und es dann richtig beackern.

(Beifall bei der CDU – Klaus-Peter Hesse CDU: Ob Sie das richtig bearbeiten, weiß ich nicht!)

Sie werden es zumindest versuchen.

Abschließend noch ein wichtiger Hinweis. Gestern war ich in Berlin. Es ist auch immer toll, sich dort politisch weiterzubilden. Ich habe die Information mitgebracht – und das ist endlich wieder einmal eine wichtige Landmarke –, dass die CDU-geführte Bundesregierung das CO2-Gebäudesanierungsprogramm für die Bundesrepublik Deutschland über die KfW-Förderbank auf 1,5 Milliarden Euro aufstocken möchte. Das ist schon ein sehr guter Ansatz, das ist effektive Marktgestaltung und fördert das energieeffiziente Bauen und Sanieren ganz gewaltig.

(Dr. Monika Schaal SPD: Das war schon mal mehr, Herr Niedmers!)

Darüber hinaus, und auch das ist ein wichtiges Tool, will die Bundesregierung das energieeffiziente Bauen steuerlich wieder stärker fördern. Das sind nach Meinung der CDU die richtigen Alternativen. Anstatt wieder von oben über Konzepte etwas zu verordnen, wollen wir die Marktteilnehmer animieren, ihren Beitrag zum energieeffizienten Bauen zu leisten.

Gleichwohl stimmt die CDU-Fraktion einer Überweisung dieses Antrags an den Haushalts- und den Umweltausschuss zu. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Dr. Duwe, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Titel "Kosteneffizienz durch Energieeffizienz" lässt natürlich vieles erwarten, ich war aber über das, was im Antrag dann stand, ein bisschen enttäuscht. Jeder Bauherr wird sich fragen, wie er sein Gebäude auf lange Sicht möglichst effizient bauen kann, sodass er in der Zukunft nur geringe Kosten hat. Wenn man suggerieren will, dass man möglichst viel Klimaschutz zum selben Preis wie weniger Klimaschutz bekommen kann, dann lügt man sich in die Tasche. Dieser Antrag suggeriert das aber und sagt im Grunde genommen, man müsse nur die Abschreibungszeit verlängern, irgendwann werde sich dann die Rechnung rentieren. Damit kann man natürlich alles schönrechnen.

Wenn wir den Passivhausstandard wirklich haben wollten, dann müssten wir prüfen, wie wir die zusätzlichen Kosten an anderer Stelle einsparen können. Wenn man Klimaschutz will, dann muss man sich überlegen, ob man für das Geld, das man zusätzlich in ein Passivhaus investiert, nicht an anderer Stelle höhere CO2-Einsparungen erzielen könnte. Also ich finde diesen Antrag von vorne bis hinten nicht zielführend, das ist ein Show-Antrag und den werden wir ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Frau Heyenn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Antrag der GAL-Fraktion "Kosteneffizienz durch Energieeffizienz" erfordert eine umfangreiche Stellungnahme – aber ich werde es ganz kurz machen.

(Beifall bei Finn-Ole Ritter FDP – Jörg Ha- mann CDU: Sagen Sie doch einfach gar nichts! – Klaus-Peter Hesse CDU: Sehr schön!)

Finde ich auch.