Protokoll der Sitzung vom 27.02.2014

Unser zweiter Vorschlag, die Drucksache 20/10885, zielt darauf ab, die zukünftige Versorgung der Beamten nachhaltig zu sichern. Leider muss man sagen, dass die bisherige Rücklagenbildung in Hamburg nur der Tropfen auf dem heißen Stein ist, sie reicht bei Weitem nicht aus. Klar ist aber auch, dass eine Rücklagenbildung über neue Schulden dem Prinzip der Kapitaldeckung widerspricht und unsinnig ist. Das Gleiche gilt für den Erwerb eigener Landesschuldverschreibungen oder für den Kauf von Anleihen des Bundes oder der Länder; eine Rendite ist daraus kaum zu erwirtschaften. Wir schlagen daher eine echte Rücklagenbildung vor, und zwar sobald die Stadt keine neuen Schulden mehr macht, und das ist laut Schuldenbremse in der Verfassung spätestens 2019 der Fall. Wir brauchen einen unabhängigen Versorgungsfonds, auf den die Stadt kein Zugriffsrecht hat, mit Ausnahme natürlich für die Entnahme von Pensionen und Beihilfezahlungen. Für jeden neu eingestellten Beamten zahlt die Stadt

künftig jedes Jahr in diesen Fonds die Summe ein, die für seine oder ihre zu erwartende Pensionsund Beihilfeleistung benötigt wird.

Ein gutes Beispiel für einen solchen Generationenfonds ist Norwegen. Dort existiert ein solcher Fonds bereits seit 1996.

(Jan Quast SPD: Ja, die haben auch Ölvor- kommen! Wenn wir auch ein paar Ölquellen entdecken! Selbst in Bergedorf haben die nicht so viel Öl!)

Er ist sehr breit in Aktien angelegt, fast ausschließlich im Ausland. Die Unternehmen und die Anleihen sind nach ganz strengen Grundsätzen ausgewählt. Die Anlagestrategie unterliegt dabei hohen ethischen, sozialen und ökologischen Standards.

Meine Damen und Herren! Mein dringender Appell ist, dass wir uns abgewöhnen, immer nur den nächsten Doppelhaushalt in den Blick zu nehmen. Wir wissen doch genau, was bei den Pensionszahlungen in den nächsten Jahrzehnten auf uns zukommt. Aus der Gegenwart können wir sehr gut auf die Zukunft schließen, und deshalb müssen wir hier sehr langfristig denken.

(Beifall bei der FDP)

Mit unseren Anträgen liegen Ihnen nun ganz konkrete Vorschläge für eine nachhaltige und zukunftssichere Beamtenversorgung vor, und ich bin froh, dass die SPD sich entschlossen hat, wenigstens unseren Antrag zum Versorgungsfonds an den Ausschuss zu überweisen, auch wenn es natürlich viel besser gewesen wäre, auch unseren Antrag auf Einführung eines Nachhaltigkeitsfaktors zu überweisen. Ich bedauere ein bisschen, dass Sie da nicht mehr Mut gehabt haben, meine Damen und Herren von der SPD.

(Beifall bei der FDP)

Dennoch ist es gut, dass wir über dieses Thema weiter beraten können. Wir sind uns einig, Herr Quast, dass eine Expertenanhörung im Ausschuss der richtige Weg ist. Dort können wir dann mit allen Beteiligten, den Beamten und auch mit Wissenschaftlern sprechen. Und wenn die anderen Fraktionen unseren Vorschlägen nicht oder noch nicht ganz folgen wollen, dann sollten Sie in den Beratungen eigene Vorschläge machen. Den Kopf in den Sand zu stecken nach dem Motto "Nach mir die Sintflut" ist keine Option, das wäre verantwortungslos.

(Beifall bei der FDP)

Nur wenn wir die Versorgungsausgaben bremsen und sie auch nachhaltig finanzieren, können wir sicherstellen, dass die Stadt auch morgen noch handlungsfähig ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herr Quast hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde es gut, dass Sie schon darauf hingewiesen haben, dass wir dieses Thema ohnehin mithilfe einer Expertenanhörung vertiefen und beraten wollen. Das haben wir bereits im vergangenen Jahr beschlossen. Insofern war es nicht unbedingt nötig, dass die FDP uns noch einmal auf diese auf uns zukommende Problematik hinweist. Sie haben das Problem relativ zutreffend beschrieben, auch wenn wir nicht jede Schlussfolgerung, die Sie ziehen, so teilen wollen.

Auf den Hamburger Haushalt kommen in den nächsten Jahren erhebliche Zahlungen für Pensionen und Zusatzversorgung zu. Die Zahl der Versorgungsempfänger wächst, insbesondere aufgrund der hohen Einstellungszahlen in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts. Voraussichtlich 2019 wird ein Höchststand mit gut 64 000 Personen in Pension und Zusatzversorgung erreicht, der uns fast das ganze nächste Jahrzehnt auf diesem hohen Niveau erhalten bleibt. Diese Situation, an der wir heute nichts mehr ändern können, wird uns vor erhebliche finanzielle Herausforderungen stellen, die wir zu bewältigen haben werden. Es stellt sich die Frage, wie wir uns für die Zukunft vorbereiten; darauf werde ich gleich eingehen.

Zuvor, Frau Suding, möchte ich aber erst einmal trennen zwischen der bilanziellen Darstellung, für die dramatische Änderungen geschildert werden, und der für uns zuvorderst relevanten Frage, wie wir tatsächlich die Versorgungsleistungen werden zahlen können, also welche Liquidität wir dafür brauchen. Die Bilanz des Konzerns Hamburg hat Bewertungsmaßstäbe angelegt und Informationen genutzt, wie sie uns bisher zur Verfügung standen beziehungsweise wie sie bislang rechtlich vorgegeben sind. Das wird sich ändern, weil es zum Beispiel hinsichtlich des heranzuziehenden Zinssatzes aufgrund der Zinsentwicklung in den letzten Jahren einen niedrigeren Bewertungszinssatz geben wird, der dazu führt, dass insgesamt die Pensionsrückstellungen mit höheren Ansätzen gebildet werden müssen. Sie haben die Zahl genannt, die auch der Finanzsenator im Geschäftsbericht für 2012 schon genannt hat, nämlich rund 5 Milliarden Euro zusätzlich. Außerdem müssen und werden wir ein versicherungsmathematisches Gutachten durchführen, weil wir dank des neu eingeführten Strategischen Haushaltswesens eine Bilanz haben werden – ab 2015 verbindlich –, die dann immer auch die Pensionsrückstellungsbedarfe und die Höhe der Zuführungen aufzeigen muss. Damit werden wir ein neues Instrument bekommen, das uns sehr viel genauer als bisher sagen wird, wie hoch eigentlich die tatsächlichen Pensionsrückstellungen sind, die wir bilden müssen. Insofern ist das eine

neue Qualität, die wir aufgrund des SNH erreichen werden.

Von dieser bilanziellen Darstellung, die zunächst keine Auszahlungen mit sich bringt, müssen wir die in den kommenden Jahren tatsächlich anstehenden Versorgungszahlungen unterscheiden, und zwar unterscheiden im Hinblick auf den Liquiditätsbedarf. Deren Entwicklung ist schon geeignet, uns Sorgen zu machen. Wir haben das übrigens auch in der Vergangenheit schon getan. In der 16. Wahlperiode haben Bürgerschaft und Senat sich Gedanken gemacht. Frau Dr. Stapelfeldt, damals noch Abgeordnete, hat sich sehr dafür eingesetzt, dass wir verschiedene Versorgungsrücklagen schaffen. 1999 wurde erstmals eine Versorgungsprognose erstellt, 1998 eine Versorgungsrücklage gebildet, in die seitdem die lineare Anpassung der Beamtenbezüge eingezahlt wird. Im Jahr 2000 wurde ein zusätzlicher Versorgungsfonds eingerichtet, in dem seitdem die Einsparbeträge aufgrund der Verbeamtung von Lehrern und Lehrerinnen in den Jahren 1997 bis 1999 einfließen. Anders als ursprünglich zulässig und vorgesehen, sind aus diesen beiden Sondervermögen bislang keine Entnahmen erfolgt; die Versorgungszahlungen wurden aus den laufenden Einnahmen finanziert. Daneben haben wir noch das Sondervermögen für die Zusatzversorgung, in das die Angestellten der Stadt monatlich einzahlen. Und gerade einmal vor zwei Monaten – das müsste Ihnen noch in Erinnerung sein – haben wir 370 Millionen Euro aus dem Grundstock für Grunderwerb in den zusätzlichen Versorgungsfonds übertragen. Wir machen unsere Hausaufgaben also und wir haben Vorsorge getroffen. Insgesamt stehen in diesen Sondervermögen fast 1 Milliarde Euro an Liquidität zur Verfügung.

(Beifall bei der SPD – Finn-Ole Ritter FDP: Wie ist denn die Aussicht, wie viel man braucht?)

Diese Mittel – Herr Ritter, dazu komme ich noch, einfach weiter zuhören –,

(Finn-Ole Ritter FDP: Schneller, schneller!)

diese fast 1 Milliarde Euro an Liquidität wollen wir dafür einsetzen, um – ich zitiere die Drucksache 20/9661, weil es so schön klingt – "den Versorgungsberg zu untertunneln", der sich am Ende dieses Jahrzehnts auftürmt. Das heißt, es ist kein Tropfen auf den heißen Stein, sondern es ist richtig Geld da, um überdurchschnittliche Versorgungsbelastungen auszugleichen. Dieser 1 Milliarde Euro stehen bis etwa 2036 rund 850 Millionen Euro an struktureller Mehrbelastung des Haushalts für Versorgung und Beihilfe gegenüber, davon gehen wir heute jedenfalls aus.

(Katja Suding FDP: Ohne Tarifsteigerun- gen!)

Inwieweit die Prognose dann tatsächlich stimmt, werden wir wissen, wenn wir das versicherungsmathematische Gutachten vorliegen haben.

Sie sehen also, wir handeln für die Zukunft. Und das tun wir nicht nur bei der Frage der Liquidität, sondern wir haben mit der Umstellung auf das Strategische Neue Haushaltswesen auch die grundsätzliche Entscheidung getroffen, uns zukünftig schon bei der Haushaltsaufstellung und -bewirtschaftung Gedanken darüber zu machen, welcher Aufwand eigentlich künftig durch Pensionen und Zusatzversorgung entsteht. Das muss Jahr für Jahr verbucht werden, und erst, wenn dieser Aufwand einem entsprechenden Ertrag gegenübersteht, wird der Haushalt doppisch ausgeglichen sein. Wir machen also auch dort unsere Hausaufgaben und versuchen, in der Zukunft die Fehler zu vermeiden, die in der Vergangenheit gemacht worden sind.

(Beifall bei der SPD)

Wir stehen den Anträgen der FDP doch eher ablehnend gegenüber, das muss ich sagen.

(Robert Bläsing FDP: Das ist überraschend! – Dirk Kienscherf SPD: Er hat gerungen!)

Es wäre unsinnig, einen weiteren Versorgungsfonds einzurichten, wie es im Antrag steht, weil es natürlich Quatsch ist, über Schulden Rückstellungen zu finanzieren, für die wir teure Zinsen zahlen und kaum etwas bekommen. Das macht keinen Sinn, haushaltstechnisch nicht und auch fiskalisch nicht.

(Katja Suding FDP: Das habe ich ganz an- ders dargestellt!)

Sie haben es jetzt noch einmal etwas anders dargestellt als im Antrag.

Ich frage mich auch, ob es betriebswirtschaftlich oder volkswirtschaftlich Sinn macht, wenn wir tatsächlich ein neues Sondervermögen in voller Höhe der Pensionsbedarfe bilden würden. Es geht doch immer nur darum, was man pro Jahr auszahlen muss. Insofern ist es aus meiner Sicht auch nicht nachvollziehbar, Rückstellungen in dieser vollen Summe zu bilden, wie Sie es dargestellt haben. Das hilft uns in Wirklichkeit nicht weiter.

(Beifall bei der SPD)

Gleichwohl überweisen wir den Antrag, weil wir die Anhörung durchführen wollen, und da sollen Sie gerne die Gelegenheit bekommen, die dann gültige Variante Ihres Antrags noch einmal vorzustellen. Dann können wir weiter darüber beraten.

Den zweiten Antrag, der auf eine Kürzung der Beamtenpensionen hinausläuft, werden wir allerdings, das will ich ganz deutlich sagen, hier und heute ablehnen. Ihr Ansinnen ist nicht nur verfassungsrechtlich im Hinblick auf die Pflichten des Dienstherrn gegenüber den Beamten und im Hin

blick auf das Alimentationsprinzip bedenklich, sondern auch im Wettbewerb um die besten Köpfe nicht förderlich. Wir wollen den Verwaltungsnachwuchs auch weiterhin gewinnen können. Das wird sicherlich mit einem Vorgehen, wie Sie es hier vorschlagen, nämlich einer Kürzung der Beamtenpension, nicht gehen. Wir glauben auch, dass die Beamten sich durch ihre Arbeit ihre Pension verdient haben. Das ist ja kein Almosen, sondern das ist der Lohn für eine lebenslange Leistung,

(Finn-Ole Ritter FDP: Bei der gesetzlichen Rente geht das!)

und wir, die wir Verantwortung tragen, Herr Ritter, haben sicherzustellen, dass dort eine verlässliche Altersversorgung funktioniert. Deswegen lehnen wir das ab.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kleibauer hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch wir möchten noch einmal betonen, dass es sich um ein wichtiges Thema handelt; viele Zahlen sind schon genannt worden zum Thema Pensionsbelastung. Wir unterstützen ausdrücklich die Überweisung an den Haushaltsausschuss und eine intensive Befassung mit diesem Thema.

Eine solche Befassung machen wir nicht zum ersten Mal. Herr Quast hat auf die regelmäßige Berichterstattung seit 1999 hingewiesen, die dann natürlich ab 2001 von der Qualität und der Prognoseaussagekraft deutlich besser wurde.

(Beifall bei Hans-Detlef Roock CDU – Jan Quast SPD: Natürlich!)

Diese Berichterstattung führt eindrucksvoll vor Augen, welche Entwicklung wir vor uns haben, und zwar einen überproportionalen Anstieg bei den Versorgungsausgaben, der anderen Politikfeldern Handlungsspielräume nehmen kann; Frau Suding hat zu Recht darauf hingewiesen. Und wenn man sich den Gesamthaushalt ansieht, dann haben wir in den letzten Jahren natürlich enorm davon profitiert, dass ein anderer Belastungsfaktor nicht ganz so groß ausgefallen ist, nämlich die Zinsen.

(Finn-Ole Ritter FDP: Die Kreditzinsen!)

Wir haben seit vielen Jahren rückläufige Zinsen und sind jetzt auf einem niedrigen Niveau. Keiner erwartet, dass sich das ganz schnell dreht, aber so ist natürlich ohne unser Zutun eine große Manövriermasse im Haushalt entstanden. Gerade deshalb kann, wenn wir bei den Zinsen keinen weiteren Rückgang haben, ein überproportionaler Anstieg bei den Pensionen zu einer starken Belastung führen. Die Berichte sagen, dass der vor uns

(Jan Quast)

liegende Berg bis in die Jahre 2020 bis 2023 deutlich wachsen wird.

Es ist richtig – und das war auch die Politik der letzten zehn Jahre –, dass wir in Hamburg auf das Thema Bilanzierung und Doppik setzen und so die Belastungen, die in den Siebziger- und Achtzigerjahren entstanden und in die Zukunft geschoben worden sind, transparent werden.

Es ist in den letzten zwölf, dreizehn Jahren auch einiges passiert im Bereich Versorgungsrücklagen und Sondervermögen. Es ist in der Tat richtig, dass das sicherlich nicht ausreichend ist. Vorsorge kann man immer treffen und das kann man auch noch stärker tun, Herr Quast. In dem Punkt würde ich den Antrag nicht als Quatsch bezeichnen, auch nicht mit den Präzisierungen, die Frau Suding vorgetragen hat. Aber da ist der Weg in die richtige Richtung schon eingeschlagen worden, und den kann man sicherlich noch konkretisieren und erweitern.