Protokoll der Sitzung vom 26.03.2014

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Entwurf geht auf die Drucksache 20/89 vom 24. März 2011 zurück. Ich möchte einmal zitieren, was Sie als SPD seinerzeit beantragt haben:

"Der Senat wird gebeten, der Bürgerschaft zügig einen Gesetzentwurf zur Novellierung des Hamburgischen Personalvertretungsrechts vorzulegen."

Was Sie und der Senat unter zügig verstehen, kann man nun sehen. Ich kann nur darüber spekulieren, warum es so lange gedauert hat. Mein Eindruck ist fast, dass Herr Krupp noch versucht hat, als Chef der Senatskanzlei das Schlimmste zu verhindern.

(Glocke)

(unterbrechend) : Entschuldigen Sie, Herr Bläsing. – Meine Damen und Herren im Publikum! Ich möchte Sie auf die Hausordnung hinweisen. Ihnen sind Beifallsäußerungen zustimmender oder ablehnender Art nicht gestattet und Fotos ebenfalls nicht. – Herr Bläsing, fahren Sie fort.

Ich habe den Eindruck, nachdem die SPD an der Regierung war, hat man in der Senatskanzlei und im Personalamt gemerkt, dass das, was seinerzeit der Drucksache zugrunde gelegt wurde und woran es sich orientieren sollte, vielleicht doch nicht so praktikabel ist. Und so hat sich ein ziemliches Gezerre und Gewürge hinter den Kulissen zwischen den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und der Senatskanzlei beziehungsweise dem Personalamt ergeben.

(Wolfgang Rose SPD: Was reden Sie für ein dummes Zeug!)

Man könnte es auch so interpretieren, dass der Senat es nicht besonders eilig hatte, die Mitbestimmungsrechte der Angehörigen des öffentlichen

(Martin Bill)

Dienstes nach der Novellierung des Gesetzes durch die CDU im Jahr 2005 wieder auszudehnen. Jedenfalls hat nach diesen drei Jahren die Pressestelle des Senats am 13. Februar gejubelt: Stärkung der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst. Diese Großtat war offensichtlich so euphorisierend in der Pressestelle und in der Senatskanzlei, dass man am 17. Februar die gleiche Pressemitteilung mit dem gleichen Inhalt erneut versandt hat. Ich weiß nicht, was Sie in Ihrem Haus so reitet, Herr Krupp.

(Wolfgang Rose SPD: Und jetzt zum The- ma!)

Die Drucksache wurde auch bereits vorweg überwiesen. Deshalb verwundert mich, ehrlich gesagt, diese Debattenanmeldung ein wenig, auch mit diesem Vorlauf, Herr Rose. Dass Sie eine vorgezogene 1.-Mai-Rede halten, sei Ihnen vergönnt, aber in der Sache bringt uns das in keiner Weise weiter.

(Beifall bei der FDP – Wolfgang Rose SPD: Nichts kapiert!)

Die Novellierung im Jahr 2005 war ein Schritt in die richtige Richtung hin zu einem Personalvertretungsrecht, das mit einem schlanken und effektiven Staatsapparat kompatibel ist. Der vorliegende Entwurf zur neuerlichen Novellierung und des faktischen Rückgängigmachens zahlreicher Elemente aus dem Jahr 2005 begegnet jedoch verfassungsrechtlichen Bedenken und entfaltet negative Konsequenzen in der Praxis.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Welche denn?)

Hauptanliegen des Entwurfs, aber auch Hauptansatzpunkt für unsere Bedenken ist die Einführung der Allzuständigkeit der Personalvertretungen. Durch die damit verbundene unüberschaubare Erhöhung der Anzahl der mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen besteht die Gefahr, dass es zu einer virulenten Inanspruchnahme von Schlichtungen und Einigungen in den Verfahren kommt und dort auch zu größeren Verzögerungen, die die Handlungsfähigkeit in einigen Dienststellen gefährden könnte.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Könnte!)

Darüber hinaus ist auch auf zahlreiche handwerkliche Mängel hinzuweisen, die die aufgeworfene Problematik nur verschärfen. So ist der Begriff der Maßnahme durch unbestimmte Tatbestandsmerkmale definiert: Es sind Maßnahmen, die Angehörige des öffentlichen Dienstes nicht nur geringfügig berühren oder innerdienstliche Verhältnisse nicht nur unwesentlich verändern. Sie schaffen damit tatsächlich eine Grauzone, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPD, die letztendlich die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Dienststellen und Personalräten in den Behörden eher belasten als befrieden wird. Darüber sollten Sie sich wirklich im Klaren sein.

(Beifall bei der FDP)

Dann lieber klare Verhältnisse schaffen und einen klar definierten Katalog, so wie es bisher gemacht worden ist. Das schafft tatsächlich Frieden und dann weiß jeder, woran er ist, und es führt nicht im Endeffekt vielleicht noch zu langen Verwaltungsgerichtsverfahren.

Ferner ist auch das Verhältnis der Allzuständigkeiten nach Paragraf 80 zu den besonderen Mitbestimmungskatalogen der Paragrafen 87 und 88 des Entwurfs alles andere als eindeutig und handwerklich nicht sauber. Zwar soll die Allzuständigkeit nach Paragraf 80 Absatz 3 subsidiär sein. Die Kataloge der Paragrafen 87 und 88 sind jedoch nach ihrem Wortlaut eigentlich nur als "insbesondere" dargestellt und somit nicht abschließend.

Wir sollten zudem bei der Ausgestaltung eines Personalvertretungsrechts für einen schlanken und effektiven Staatsapparat auch ordnungspolitische Erwägungen in Betracht ziehen.

(Wolfhard Ploog CDU: Welche?)

Ich mache keinen Hehl daraus, dass es aus Sicht der FDP-Fraktion besser wäre, sich an den Ausgestaltungen in der Privatwirtschaft zu orientieren, so, wie die Betriebsräte dort arbeiten. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass wir beispielsweise mit dem Universitätsklinikum Eppendorf einen Player haben, der tatsächlich im Wettbewerb steht. Und da ist das, was Sie jetzt planen, eine verheerende Maßnahme.

(Wolfhard Ploog CDU: Begründen Sie das mal!)

Wir sind gleichwohl natürlich eine konstruktive Opposition. Auch wenn wir grundsätzlich dem Ganzen ablehnend gegenüberstehen, habe ich doch anzumerken, dass der Entwurf die Minderheitenrechte nicht ausreichend berücksichtigt. So sollte etwa die Sollvorschrift des Paragrafen 50 Absatz 1 Satz 3 des Entwurfs dahingehend modifiziert werden, dass dem Personalrat bei der Berücksichtigung der Vertreter der Gruppen im Rahmen der Freistellung kein Ermessen eingeräumt wird. Das finden wir sehr schwierig.

Wenn hier so viel von Innovation die Rede ist, dann hätte ich einmal einen wirklich innovativen Vorschlag. Lassen Sie uns vielleicht darüber diskutieren – wir machen es doch jetzt selbst wieder bei der Bezirksversammlungswahl –, ob wir nicht Kumulieren und Panaschieren in das Wahlsystem der Personalratswahlen einführen. Ich glaube, das wäre einmal eine echte Anregung, um vielleicht die Mitwirkung und die Wahlbeteiligung in den Dienststellen zu erhöhen und auch die Akzeptanz der Gewerkschaften in den Dienststellen zu erhöhen. Wir sind doch durchaus an starken Gewerkschaften interessiert, mit denen wir auf Augenhöhe diskutieren können.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Echt?)

Insofern wollten wir an der Stelle einmal mehr Demokratie wagen. Ich fürchte nur, das wird Herr Rose als alter Gewerkschaftsfunktionär natürlich wieder dezidiert ablehnen.

Wir haben jetzt die Drucksache an den Unterausschuss Personalwirtschaft und Öffentlicher Dienst überwiesen. Wir haben auch bereits eine Expertenanhörung vereinbart. Insofern bin ich nicht ganz sicher, ob die Debatte uns heute mit Ihrer 1.-MaiRede – Sie sind doch quasi das Benjamin Blümchen der Gewerkschaften in Hamburg, Herr Rose, so, wie Sie wieder trompetet haben – wirklich weiterbringt.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt nun Frau Artus.

(Wolfgang Rose SPD: Jetzt wieder mehr Ni- veau!)

Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Wir haben als Bürgerschaft in diesem Jahr die Möglichkeit, die demokratiefeindlichen Einschränkungen des Personalvertretungsrechts, die der CDU-geführte Senat 2006 einführte, zurückzunehmen. Wir haben als Bürgerschaft die Möglichkeit, für die Personalräte eine vernünftige Arbeitsgrundlage zu schaffen, sodass die Beschäftigten ihre Ressourcen viel besser einbringen können.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Andreas Dressel, Wolfgang Rose und Dr. Monika Schaal, alle SPD)

Und der vorliegende Entwurf der SPD trägt dem zum Teil auch Rechnung. Aber die SPD will die Chance offensichtlich verstreichen lassen, ein wirklich demokratisches Mitbestimmungsrecht im öffentlichen Dienst zu etablieren. Noch 2005 hatte sie sich konsequenter für die Interessen der Beamtinnen und Beamten und Tarifbeschäftigten eingesetzt. Aber heute will der SPD-Senat ein Personalvertretungsrecht etablieren, das hinter den Möglichkeiten, die wir hätten, zurückbleibt.

Warum? Warum machen Sie das als sozialdemokratische Bürgerschaftsfraktion mit? DIE LINKE äußert ihr Unverständnis darüber, dass Sie die Personalräte nicht noch umfassender stärken wollen.

(Beifall bei der LINKEN – Jan Quast SPD: Sie sind ja auch nie zufrieden, Frau Artus!)

Verehrte Abgeordnete, ich zitiere:

"Wenn die SPD jetzt ihr Wahlversprechen einlöst, kann aus dem Obrigkeitsdenken wieder eine Mitbestimmung auf Augenhöhe werden."

Wer hat das wann gesagt? Es wurde 2011 gesagt, und zwar von Wolfgang Rose. Und ich frage Sie nun: Warum wurde das Beteiligungsverfahren mit den Gewerkschaften von einem Sozialdemokraten geleitet, dem Chef der Senatskanzlei, Herrn Staatsrat Dr. Krupp, der die Gespräche mit massivem Misstrauen und Bedenken führte, wie wir in einem Infoblatt von ver.di lesen mussten? Warum wurden Beauftragte des Senats zu diesen Gesprächen hinzugezogen? Offensichtlich nur, um darzustellen, wie Mitbestimmungsrechte die betriebswirtschaftliche Entwicklung ihrer Landesbetriebe gefährden würden. Was ist das für eine Augenhöhe, sehr geehrte SPD-Fraktion, Herr Rose, lieber Wolfgang?

(Beifall bei der LINKEN – Olaf Ohlsen CDU: Skandal!)

Der Senat schreckt doch selbst vor dem Vorschlag des Deutschen Gewerkschaftsbundes zurück, auszuformulieren, dass Dienststelle und Personalrat vertrauensvoll und gleichberechtigt zusammenarbeiten sollen. Und wie soll Augenhöhe eigentlich funktionieren, wenn die Geschlechter auch künftig nicht anteilig in den Personalräten vertreten sein müssen? Und wer wagt es, noch von Augenhöhe zu reden, wenn der Senat den Personalräten einen Maulkorb über die Schweigepflicht verpassen will, der selbst gegenüber Ersatzmitgliedern des Personalrats gelten soll und gegenüber Personalräten, die mit genau den gleichen Maßnahmen befasst sind?

(Jörg Hamann CDU: Das erklären Sie mal, Herr Rose!)

Der öffentliche Dienst hat ein demokratisches Personalvertretungsrecht bitter nötig.

(Beifall bei der LINKEN)

Es sind einfach zu viele Fehler passiert,

(Jan Quast SPD: Danke hätte gereicht!)

es gibt zu viel Frustration, es gibt zu viele innere Kündigungen und es gibt immer noch ein zu angepasstes, an patriarchalen Hierarchien und Ansagen orientiertes Arbeitsverhalten.

Ich lese aus der Novellierung weitere verpasste Chancen heraus. Wirtschaftsausschüsse: Sie müssen bereits durch Beschluss des Personalrats entstehen können und nicht erst im Einvernehmen mit der Dienststelle. Das haben sogar die CDU und die FDP gefordert, wenn sie auf eine Gleichberechtigung der Marktteilnehmer pochen. Bei Betriebsräten ist das nämlich so, Herr Niedmers und Herr Bläsing. Was ist das denn für eine Augenhöhe, wenn man erst betteln muss, um einen Wirtschaftsausschuss einzurichten?

DIE LINKE wird sich außerdem dafür einsetzen, dass auch die Hochschulen Wirtschaftsausschüsse bekommen. Warum sollen denn Personalräte