Protokoll der Sitzung vom 09.04.2014

Nun zum Tagesordnungspunkt 60, Drucksache 20/11295, Antrag der GRÜNEN Fraktion: Handlungsfähigkeit der Bezirke bewahren.

[Antrag der GRÜNEN Fraktion: Handlungsfähigkeit der Bezirke bewahren – Drs 20/11295 –]

Hierzu liegen Ihnen als Drucksachen 20/11450 und 20/11457 Anträge der Fraktionen der FDP und der SPD vor.

[Antrag der FDP-Fraktion: Personalbedarfe der Bezirke gründlich ermitteln – Aufgabenkritik und Effizienzsteigerung einbeziehen – Drs 20/11450 –]

[Antrag der SPD-Fraktion: Verlässliche Rahmenbedingungen für die Bezirke – gerade in finanzpolitisch schwierigen Zeiten – Drs 20/11457 –]

Die GRÜNE Fraktion möchte alle drei Drucksachen an den Verfassungs- und Bezirksausschuss überweisen. Diese Debatte findet jetzt auch statt. – Herr Dr. Steffen hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bezirksämter sind die Ansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort, Auge und Ohr der Verwaltung und Demokratie im lokalen Bereich. Im Rahmen dieser allgemeinen Beschreibung wird man sicherlich wenige Unterschiede feststellen können, wenn alle Rednerinnen und Redner nach vorn treten würden, um sich allgemein zur Situation der Bezirksämter zu äußern.

Das Problem ist, dass die Realität anders aussieht und dieser Anspruch und die Wirklichkeit sehr stark auseinanderklaffen. Dabei ist die wichtigste Stellschraube, über die man sich ganz konkret unterhalten muss, die Frage, wie und mit welchem

(Klaus-Peter Hesse)

Personal die Bezirksämter ausgestattet sind für die Erfüllung der vielen, vielen konkreten Aufgaben, die ihnen obliegen. Und hier regiert ein sehr massiver Spardruck. 600 Stellen sollen bis 2018 abgeliefert werden, das ist die klare Ansage. Das ist also das, was im Wesentlichen vor uns liegt. Schon jetzt kann man merken, dass ein erheblicher Personalmangel bei den Bezirken herrscht und sie ihre Aufgaben schlicht nicht erfüllen können. Dafür habe ich in den letzten Monaten eine ganze Reihe von Beispielen sammeln können, ich will nur zwei nennen. Es sind zwei Bereiche, bei denen man das schon sehr klar sehen kann.

Der eine Bereich ist der naheliegendste, das sind die Kundenzentren in den Bezirksämtern. Es gibt eine Schließung eines Kundenzentrums in Stellingen, es gibt die Zusammenlegung von Außenstellen der Verwaltung in Harburg und in Wandsbek. Hier werden die Wege schon zwangsläufig länger. Zum Teil passiert es etwas verdeckter. In Wandsbek zum Beispiel sind sechs Stellen weggefallen, und das führt dann dazu, dass in einer Reihe von Dienststellen ein Tag pro Woche weniger geöffnet ist. Das sieht man zwar nicht sofort, aber es ist ausgesprochen misslich, wenn die Bürgerinnen und Bürger dann am entsprechenden Tag vor verschlossener Tür stehen. Es stellt sich auch die Frage, ob eine solche Struktur sinnvoll ist.

Der zweite Bereich betrifft die Grünpflege, die Auflagen bei Bauvorhaben, die der Erhaltung des Grüns und dem Naturschutz dienen. Es gab beispielsweise eine Anfrage in der Bezirksversammlung Hamburg-Nord zur Frage der Ausstattung der Grünabteilung. Da heißt es – ich zitiere –:

"Aus Sicht des Bezirksamtes besteht derzeit ein deutliches, strukturelles Defizit bei der Ausstattung mit Personal- und Sachmitteln für die Unterhaltung von Park- und Grünanlagen."

Zitatende.

So also die offizielle Bewertung des Bezirksamtes im Hinblick auf die entsprechende Ausstattung dieses wichtigen Bereichs der Unterhaltung von Parkund Grünanlagen.

Genauer gesagt, und das ergibt sich dann aus der entsprechenden Anfrage, besteht hier ein Defizit von 50 Prozent. Es ist also nicht nur ein bisschen zu wenig, sondern es fehlt ein ganz erheblicher Teil. Deswegen führt das auch dazu, dass in vielen Grünanlagen gar keine fachgemäße Pflege mehr erfolgt, sondern nur noch eine Verkehrssicherung. Es wird also dafür gesorgt, dass niemandem ein Baum oder ein Ast auf den Kopf fällt, aber ob das dann ökologisch wertvoll und auch nachhaltig ist, wird nicht mehr berücksichtigt.

Aus einer Schriftlichen Kleinen Anfrage in der Bürgerschaft konnten wir lernen, dass doppelt so viele Straßenbäume gefällt wie nachgepflanzt werden,

was auch mit der Personalausstattung zu tun hat, denn es ist kein Personal für die Nachpflanzung vorhanden. Das führt dazu, dass das, was Hamburg zu etwas Besonderem macht, nämlich dass es im Straßenbereich sehr viele Bäume gibt, immer weniger wird.

Wir konnten auch feststellen, dass beispielsweise Umweltauflagen, die im Rahmen der Erarbeitung von Bebauungsplänen gemacht wurden, nicht mehr überprüft werden. Früher wurde beispielsweise gesagt, in diesem ökologisch wertvollen Bereich am Rand dürfe durchaus gebaut werden, aber nach Durchführung der Baumaßnahmen müssten auch wieder entsprechende Maßnahmen erfolgen, also etwa die Anlage von Knicks. Aber es wird heute überhaupt nicht überprüft, ob das passiert. Nur, wenn Bürgerinnen und Bürger sich ausdrücklich beschweren, wird auch nachgeschaut.

Nun heißt es immer, die Bezirksämter sollten doch Aufgabenkritik üben, dann ginge das schon alles. Sicher kann man das eine oder andere auch effizienter erledigen, und wir können es den Bezirksämtern an der einen oder anderen Stelle leichter machen. Mein Vorschlag bezieht sich auf eine Drucksache, die wir demnächst auf der Tagesordnung haben werden. Das ist die Große Anfrage der SPD "Hamburg investiert in seine Bezirke und Stadtteile". Bemerkenswert fand ich, dass ich gleich aus mehreren Behörden Hilferufe erhielt, was das denn für ein Unsinn sei und dass es tatsächlich ganze Abteilungen wochenweise lahmlegen würde. Als Regierungsfraktion das zu toppen, was uns immer vorgeworfen wird, finde ich schon eine stramme Leistung. Es soll nach Wahlkreisen dargestellt werden – es wird gar nicht gesagt, ob das jetzt die Wahlkreise der Bürgerschaft oder der Bezirksversammlungen sind –, und das stellt die Verwaltung vor unlösbare Aufgaben. Die SPD macht also hier Wahlkampf auf Kosten der Steuerzahler, die die Beamtengehälter bezahlen müssen. Ich finde, da könnte man durchaus mit der Aufgabenkritik anfangen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber Aufgabenkritik allein wird das nicht richten, auch nicht in den Bereichen, bei denen man darüber hinaus sicherlich etwas tun kann. Wir müssen die Bezirke beim Sparen ganz konkret entlasten, und das sollten wir auch sehr klar sagen. Es ist auch richtig, dass wir das vor der Bezirksversammlungswahl sagen, weil nämlich die Frage dahinter steht, ob all das, was in den vielen Programmen verkündet wird, was die Bezirke tun sollten, eigentlich nur auf dem Papier stattfinden wird, ob es irgendeine reale Möglichkeit gibt, dass die Bezirksämter sich darum kümmern können oder ob die Bezirksversammlungen dann in der nächsten Wahlperiode immer die Antwort bekommen, leider habe man für diese Maßnahme kein Personal, es sei schön, dass man mit den Bürgerinnen und Bür

gern gesprochen habe, aber man könne leider nichts machen.

Wir sagen deswegen in unserem Antrag, dass wir jetzt 16,3 Millionen Euro für die Bezirke brauchen. Wir haben darüber hinaus auch eine Entlastung für die Jugendämter vorgeschlagen; die Debatte haben wir an anderer Stelle schon geführt. Aber was den übrigen Personalkörper betrifft, meinen wir, dass diese Summe eine relevante Entlastung bringen würde, es würde den schlimmsten Druck wegnehmen. Wir haben hierfür auch eine seriöse Finanzierung für 2014 vorgelegt. Die besteht nicht aus Resten, wie die SPD behauptet hat, sondern wir haben aufgezeigt, wo die SPD sich Polster im Haushalt für Wahlgeschenke aufgebaut hat. Wir meinen, die richtigen Wahlgeschenke befinden sich da, wo die Bürgerinnen und Bürger direkt davon profitieren.

Wir haben uns angeschaut – und so haben wir die Summe ermittelt –, wie sich die konkreten Maßnahmen auf den Personalhaushalt ausgewirkt haben, die nicht ausgeglichen werden durch die Zuweisungen von der Landesebene. Das sind natürlich insbesondere die globalen Minderausgaben und die nicht vollständige Abbildung der Tarifsteigerungen der Bezirke. Der Senat hat großzügigerweise erklärt, dass er die Beamtinnen und Beamten auch nach dem Tarifabschluss vergüten will. Ich halte es auch in der Sache für richtig, aber diese Großzügigkeit dürfen sich dann die Bezirke aus ihrem Fleisch schneiden, und es gibt keinen hinreichenden Ausgleich.

Das wird sich auch noch verschärfen, weil wir für die kommenden Jahre mit Tarifsteigerungen von 1,5 Prozent rechnen. Wir haben jetzt gesehen, wie der Tarifabschluss für Bund und Kommunen ausgefallen ist. Es betrifft noch nicht direkt die Bezirksämter, aber man muss kein Prophet sein, um zu sagen, dass sich wahrscheinlich der Tarifabschluss für die Länder in einem ähnlichen Bereich bewegen wird und dass wahrscheinlich auch die entsprechenden Entgeltsteigerungen für die Beamtinnen und Beamten wiederum in dem Bereich liegen werden. Es gibt hier also eine erhebliche Differenz zwischen den erzielten 2,4 Prozent und den den Bezirken zugestandenen 1,5 Prozent. Das macht locker 3,3 Millionen Euro in 2015 aus. Und es ist tatsächlich eine große Sorge, dass die Bezirke auch weiter in diese Schere hineinlaufen werden und die Tarifsteigerungen immer deutlich höher sind als das, was der Senat ihnen zuweist.

Nun zu Ihrem SPD-Antrag. Sie haben also erkannt, dass es da ein Problem gibt.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Aber nicht erst heute, das ist schon länger!)

Deswegen haben wir auch schon sehr lange einen SPD-Antrag vorliegen.

Sie haben es vielleicht erkannt, aber jetzt hat es jemand gemerkt, und deswegen müssen Sie doch auch einmal etwas sagen. Sie reden ziemlich viel, sagen aber letztlich nichts. Es steht dort immer, es soll, soll, soll. Sie hätten die Möglichkeit, ganz konkret im Hinblick auf den laufenden Haushalt zu sagen, wo die Bezirke mehr Geld bekommen sollen, aber das tun Sie nicht. Es bleibt unkonkret, es gibt unklare Ansagen und keinerlei finanzielle Festlegungen. Zu glauben, das würde niemand merken, weder im Parlament noch bei den Bezirken und am Ende auch nicht die Bürgerinnen und Bürger, ist nicht besonders höflich.

Ich denke, wir müssen dazu kommen, dass die Bezirke wieder deutlichen Spielraum erhalten, um selbst entscheiden zu können, was gemacht wird. Sie müssen wirksam die Ansprechpartnerinnen für die Bürgerinnen und Bürger sein. Die Bürgerinnen und Bürger sollten die Erfahrung machen können, dass, wenn sie ein Anliegen zur Bezirksversammlung tragen, auch etwas passiert und nicht die Garantie darin besteht, dass nichts passiert. Alles, was vor Ort wichtig ist, das Grün, freie Flächen, Straßenwege oder Mitbestimmung, bleibt gegenwärtig auf der Strecke. Ich denke, wir sollten heute ein klares Signal zugunsten dieser wichtigen Belange setzen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Dennis Gladiator CDU)

Das Wort bekommt Herr Schmitt.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich beginne mit meinen letzten Worten als Bezirksabgeordneter in der Bezirksversammlung Altona. Da habe ich gesagt: Wir, die Stadtteilpartei SPD, halten es für einen demokratischen Vorzug, dass die Stadt nicht allein von Bürgerschaft und Senat regiert wird. Deswegen werden wir die Bezirke in Hamburg stärken. Und genau das haben wir 2011 getan, wir haben die Bezirke gestärkt, das tun wir weiterhin und das werden wir auch in Zukunft machen. Dies bekräftigen wir auch mit unserem Antrag heute.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie uns doch einmal schauen, woher wir kommen. Es gibt die Sparprogramme von CDU, FDP und Schill, Jesteburg I und Jesteburg II, 2002 waren es 220 Millionen Euro, 2003 noch einmal weitere Einsparungen von 215 Millionen Euro. Die Bezirksämter haben diese Einsparungen und ihren Konsolidierungsbeitrag durch den Abbau von 3,4 Prozent ihres Personalbestands erbracht. Es gab das Konsolidierungsprogramm des schwarzgrünen Senats im November 2009, das größte Sparpaket, das ein Senat jemals den sieben Bezirken auferlegt hat. 18 Millionen Euro sollten die Bezirke bis zum Jahr 2014 sparen.

(Dr. Till Steffen)

Unser Senat stärkt und unterstützt die Bezirke bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Das haben Sie daran gemerkt, dass wir bei der Aufstellung des Haushalts im Gegensatz zum Haushaltsplan-Entwurf des Vorgängersenats für 2011/2012 die Bezirke von ihren Konsolidierungslasten um zwei Drittel entlastet haben. Wir haben auch den Haushaltsplan 2012 fortgeschrieben und die Bezirksämter besser ausgestattet, als das vom schwarz-grünen Senat vorgesehen war. Dieser Anstieg bildet auch die Grundlage der Entscheidung des Senats und meiner Fraktion, die Bezirke angemessen auszustatten.

(Beifall bei der SPD)

Schauen wir uns einmal die Stellen an. An Vollzeitstellen gab es im Dezember 2011 6026 Stellen in den sieben Bezirksämtern. Sie stiegen bis zum Dezember 2013 auf 6140 Vollzeitstellen, wie sich das auch aus der Drucksache 20/10829 ergibt.

Die Ausgaben der Bezirksämter in den Jahren 2013 bis 2017 steigen höher, als dies im gesamtstädtischen Durchschnitt der Steigerungsrate von 0,88 Prozent der Fall ist; sie sind überdurchschnittlich. Herr Steffen, ich kann hier schon mit Zahlen dienen. Wir stärken die Bezirke und stehen dazu, und das werden wir auch weiterhin tun. Dafür bringen wir auch diesen Antrag ein. Nicht etwa, weil wir unserem Senat in dieser Frage nicht trauen würden, sondern um noch einmal zu bekräftigen, dass die Bezirke für uns eine ganz wichtige Funktion haben.

(Beifall bei der SPD – Glocke)

(unterbrechend) : Herr Schmitt, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Steffen?

Ich möchte erst einmal fortfahren, und dann kann sich Herr Steffen noch einmal zu Wort melden.

Neben den Steigerungsraten der Bezirksbudgets haben wir erstmals auch Schonbereiche erklärt. So sind die Allgemeinen Sozialen Dienste – hierüber haben wir an dieser Stelle schon häufiger gesprochen – ausgesprochene Schonbereiche. Hier wird sofort nachbesetzt, und die Stellen im Allgemeinen Sozialen Dienst unterliegen nicht der Bewirtschaftung. Auch das ist ein sehr wichtiger Schritt zur Stärkung der Allgemeinen Sozialen Dienste und der Bezirke.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben den Quartiersfonds eingeführt, weil die Bezirke wissen, wo genau in ihren Stadtteilen die Bedarfe sind. Sie wissen, in welchem Stadtteil kulturelle Einrichtungen, wo Nachbarschaftstreffs, Stadtteilbeiräte oder Jugendeinrichtungen gefördert werden müssen. Die Bezirke haben dann in

den Bezirksverwaltungen in Abstimmung mit den Bezirksversammlungen die Möglichkeit, die Gelder dorthin zu geben, wo es erforderlich ist. Auch das ist eine Stärkung der Bezirke.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben mit dem Vertrag für Hamburg auf Augenhöhe Vereinbarungen mit den Bezirken getroffen. Das ist ein Punkt, warum es so wichtig ist für die Menschen in Hamburg, zur Wahl zu gehen, die Bezirke sind unmittelbar ein sehr wichtiger Kooperationspartner, dass in dieser Stadt auch Wohnungsbau stattfinden kann. Die Bezirke erhalten darüber hinaus auch Finanzierungsmittel, mit denen sie beispielsweise Beteiligungsveranstaltungen und andere Dinge realisieren können. Auch dies wollen wir zukünftig noch weiter ausbauen, genauso, wie wir auch den Quartiersfonds zukünftig weiter ausbauen wollen. Wir haben zugesagt, diesen dauerhaft einzurichten, und wir werden ihn auch im kommenden Haushalt erhöhen.

(Beifall bei der SPD)