Protokoll der Sitzung vom 10.04.2014

(Heike Sudmann DIE LINKE: Wer bezahlt das denn?)

Es gibt eine Menge Leute, die in Mietwohnungen wohnen.

(Dirk Kienscherf SPD: Das ist nicht unser Schwerpunkt, das stimmt!)

Das ist nicht Ihr Schwerpunkt. Das Dumme ist doch nur, dass Sie auf 6000 neue Wohnungen kommen müssen. Da müssen Sie sich einmal überlegen, ob Sie die privaten Investitionen auch fördern.

Wenn Sie zum Beispiel die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung ablehnen, dann müssen Sie sich darüber im Klaren sein, dass Sie weniger Geld für Investitionen in den Wohnungsbau bekommen. Und wenn Sie das so haben wollen, dann ist das Ihr Problem.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Es ist gut gemeint, genau wie die Kappungsgrenzenverordnung, die wir in der schwarz-gelben Koalition vereinbart haben. Dort steht auch, dass das nicht überall flächendeckend eingeführt wird, sondern selektiv dort, wo es wirkt. Aber die schlichten Gemüter der SPD in Hamburg machen natürlich immer alles gleich. Ochsenwerder ist für sie dasselbe wie Ottensen, das ist völlig wurscht. Sie kennen doch das Problem mit einer flächendeckenden Einführung, da wird man niemandem gerecht. Statistisch gesehen können Sie zwar sagen, alle seien gesund, aber die Hälfte ist tot und die andere Hälfte kann in 10 Sekunden über 100 Meter laufen. Das ist nämlich die Statistik, die Sie anführen.

Herr Roock hat auch schon erwähnt, dass es diese Bundesratsinitiative zu Paragraf 5 Wirtschaftsstrafgesetz gab. Aber jetzt haben wir eine Große Koalition, und da verstehe ich es so, dass der SPD-Minister schon wieder daran schraubt, das zu verschlimmbessern, sprich, es wird dazu führen, dass die privaten Investitionen zurückgehen werden, es

sei denn, Sie sind darauf fixiert, dass nur staatliche Subventionen gute Subventionen sind. Das finde ich nicht. Wir haben auch schon die Reaktionen nicht nur der üblichen Verdächtigen vom Grundeigentümerverband gehört, sondern auch aus Bereichen der Mieter und vor allen Dingen der Baugenossenschaften, dass es so nicht ginge, dass es zwar gut gemeint sei, aber kontraproduktiv für diese Stadt. Und wenn wir wirklich mehr als 6000 Wohnungen erstellt haben möchten in Hamburg, dann müssen wir an allen Rädern drehen und nicht diverse Räder einfach festschrauben. Das ist das Gegenteil von gutem Regieren.

(Beifall bei der FDP)

Abschließend muss ich leider feststellen, dass in der neuen Bundesregierung die Schwarzen sich vielleicht noch ein bisschen stärker einbringen sollten. Gerade beim Wohnungsbau erscheint es mir so, dass man jetzt Gesetzespakete schnürt, auf denen dann schön geschrieben steht "Ostergeschenk für die Bevölkerung". Da empfehle ich, doch einmal nachzuschauen, ob in dem Gesetzespaket nicht irgendwelche Kuckuckseier versteckt sind. Das erwarte ich leider bei Ihren neuen Bestrebungen in der Bundesregierung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Frau Sudmann hat das Wort.

(Hans-Detlef Roock CDU: Jetzt müssen Sie Herrn Kienscherf sekundieren!)

Es gibt so 'ne und solche Anfragen. Wir stellen Große Anfragen an den Senat, weil wir Handlungsbedarf aufzeigen wollen. Die SPD stellt Große Anfragen, um Klatschbedarf zu befriedigen. Das ist auch eine Variante, aber sie findet nicht unseren Zuspruch.

(Beifall bei der LINKEN)

Man muss aber dazu sagen, dass Sie es relativ einfach haben. Bei den Rahmenbedingungen, die Sie vorgefunden haben, bei dem Versagen des schwarzen und auch des schwarz-grünen Senats war es nicht so schwer, etwas besser zu machen. Aber im Gegensatz zu meinen Vorrednern will ich ganz klar sagen, dass die SPD etwas gemacht hat, Herr Roock. Da können Sie tausendmal versuchen, dagegen zu sprechen, Sie hat etwas gemacht.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ob sie es gut gemacht hat, Herr Münster, darüber rede ich jetzt.

(Hans-Detlef Roock CDU: Sie hat wenigs- tens was gemacht!)

(Dr. Kurt Duwe)

Sie haben nämlich in der Großen Anfrage die entscheidenden Fragen nicht gestellt, Sie haben es kaschiert. Sie haben nicht die Frage gestellt, ob sich die Wohnungsnot in den letzten Jahren entspannt oder verschärft habe. Sie hat sich verschärft, aber darauf sind Sie noch nicht einmal eingegangen. Sie haben auch nicht die Frage gestellt, Herr Münster, oder sich dafür eingesetzt, ob sich der Mietenwahnsinn in den vergangenen Jahren wenigstens abgemildert habe. Nein, er hat sich beschleunigt. Ich bin Herrn Kienscherf sehr dankbar – er hat auch sehr oft meinen Namen erwähnt –, dass er darauf hingewiesen hat, dass wir als LINKE immer wieder die soziale Frage stellen. Das werden wir auch weiterhin gerade bei der Wohnungspolitik tun.

(Dirk Kienscherf SPD: Die soziale Frage stellen wir auch!)

Wir haben schon 2011 einen Antrag gestellt, der hieß: "Schutzschirm für die Mieter-/innen, Mietenspirale stoppen!". Wie es so üblich ist, hat die SPD diesen Antrag natürlich nicht übernommen, sie hat ihn verwässert. Aber jetzt werden auf Bundesebene sogar Punkte aus unserem Antrag umgesetzt. Darüber freuen wir uns, das können Sie gern öfter machen, vielleicht ein bisschen schneller, aber immerhin.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber die SPD-Fraktion muss bei dem Thema Wohnungspolitik – auch wenn ich gesagt habe, Sie hätten mehr getan als die Vorgänger und Vorgängerinnen – erkennen, dass es nicht reicht, jetzt der Not gehorchend ein paar Schritte zu unternehmen. Wir haben immer gesagt, Sie müssen in der Wohnungs- und Mietenfrage nicht kleckern, sondern klotzen.

(Dirk Kienscherf SPD: Ja, das sagen wir auch!)

Aber Sie ignorieren, dass wir in Hamburg keine Wohnungsnot für die Gutbetuchten und die Reichen haben, sondern wir haben ein unverändert wachsendes Problem für die Haushalte mit wenig oder sogar mit durchschnittlichen Einkommen.

(Dirk Kienscherf SPD: Das haben wir immer gesagt!)

Wir haben schon oft genug darauf hingewiesen, dass sich der Anteil von Wohnungen, die unter 6 Euro pro Quadratmeter netto kalt kosten – und das wäre günstig – innerhalb von vier Jahren halbiert hat. Wohnungen, die unter 6 Euro kalt kosten, sind kaum noch da, aber darauf sind viele Menschen in Hamburg angewiesen. Das ignorieren Sie.

(Beifall bei der LINKEN)

Genauso haben Sie in Ihrer Großen Anfrage kein Wort dazu gefunden, weder der Senat noch die

Fragesteller und -stellerinnen, wie es eigentlich mit den Haushalten aussieht, denen es ganz schlecht geht, die, aus welchen Gründen auch immer, einen Dringlichkeitsschein oder eine Dringlichkeitsbestätigung haben. 7500 Haushalte sind nicht versorgt. Wir reden da von Menschen, die beim dritten Kind mehr Platz brauchen, oder die real mehr Platz brauchen, weil sie in kleinen Wohnungen wohnen. Wir reden von Menschen, die völlig unverschuldet in Not geraten sind. Es wird oft gerade von dieser Seite des Hauses versucht darzustellen, dass das alles schwer verträgliche Mieter und Mieterinnen seien. Das sind sie nicht, es sind normale Menschen, und die haben Probleme, aber die werden mit Ihrer Politik leider nicht befriedigt.

(Arno Münster SPD: Das ist nicht wahr!)

Frau Blankau hat sich schon zur Debatte gemeldet. Es gibt einen Ausspruch von Frau Blankau, der wirklich das Zeug hat, das nachträgliche Zitat des Jahres 2013 zu werden. Das war ihre Aussage, dass sie eine Stagnation der Mietpreissteigerungen festgestellt habe, und zwar deswegen, weil 2011 die Mieten "nur" um 5,8 Prozent gestiegen waren und 2013 der Mietanstieg 5,7 Prozent betrug. Das klingt zwar relativ ähnlich, es macht aber zusammen mehr als 11 Prozent. Das ist keine Stagnation, das ist ein Mietenirrsinn, und dagegen wird DIE LINKE weiter ankämpfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kienscherf hat irgendwann in seiner längeren Rede, die sehr häufig von Beifallsstürmen unterbrochen wurde, darauf hingewiesen, dass sich die Mietenspirale angeblich etwas verlangsame.

(Glocke)

Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Frau Sudmann hat jetzt das Wort und kein anderer.

– Vielen Dank.

Sie haben glücklicherweise noch die Kurve gekriegt und gesagt, dass das nicht für alle Segmente gelte. Und wenn Sie Anfang April die OhmoorStudie der Schüler und Schülerinnen des Gymnasiums Ohmoor gelesen haben, die jährlich über 5000 Anzeigen auswerten, so haben die festgestellt, dass die durchschnittliche Neuvermietungsmiete der Wohnungen, die per Anzeigen angeboten werden, mittlerweile bei 11,83 Euro liegt. Es waren im letzten Jahr noch 11,34 Euro und, als Vergleich, im Jahre 2005 waren es – in Anführungsstrichen – erst 8,69 Euro. Sie hören bestimmt nicht gern, dass die Schüler und Schülerinnen festgestellt haben, dass in Wilhelmsburg die Mietentwicklung besonders drastisch ist. Im Jahre 2010 betrug dort die Neuvermietungsmiete noch 7,50 Euro, heute dagegen sind es 10 Euro. Da

werden wir ein echtes Verdrängungsproblem haben, auch wenn Sie immer wieder sagen, das würden Sie nicht glauben, aber es ist real vorhanden.

Nun könnte man abschließend die rhetorische Frage stellen, ob Ihre Politik eigentlich bei den Hamburgern und Hamburgerinnen ankommt, was Sie immer glauben.

(Dr. Roland Heintze CDU: Nein!)

Wer war das eben? Da hat jemand allem Anschein nach die Ausgabe des "Hamburger Abendblatts" vom 15. und 16. Februar gelesen.

Hier wurde der Senat auf zwei Zeitungsseiten auf den Prüfstand gestellt. Es gab elf Bereiche, die abgefragt wurden. Ein Bereich stach besonders hervor, und zwar der Bereich Wohnungspolitik. 55 Prozent der Bürgerinnen und Bürger sind damit unzufrieden, und nur noch die Finanzpolitik hatte dieselbe Zahl. Das heißt also, Ihre unzureichende Wohnungs- und Mietenpolitik wird auch absehbar auf der Unzufriedenheitsskala der Bürger und Bürgerinnen an oberster Stelle stehen. Darüber kann auch nicht so eine Jubelanfrage, wie Sie sie heute dargestellt haben, hinwegtäuschen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Senatorin Blankau.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wohnungsneubau, sozialer Wohnungsbau, soziale Erhaltungsverordnung, Wohnraumschutzgesetz und eine soziale Mietenpolitik, das sind die Elemente unserer sozialdemokratischen Wohnungspolitik in Hamburg. Die Zahlen liegen Ihnen vor; Herr Kienscherf ist in aller Breite darauf eingegangen. Die Instrumente sind Ihnen bekannt, und die Große Anfrage der SPD-Fraktion gibt einen guten Überblick.

Seit 2011 haben wir wichtige Fortschritte erzielt, um den Herausforderungen einer wachsenden Metropole gerecht zu werden. Dabei haben wir – und das ist mir sehr wichtig – immer beides im Blick behalten, nämlich gute Bedingungen für die Investoren, von denen Sie auch viel reden, Herr Roock, und eine Politik für Mieterinnen und Mieter durch die Begrenzung von Mieterhöhungen, den Schutz von gewachsenen Nachbarschaften durch soziale Erhaltungsverordnungen und andere Maßnahmen mehr.

(Beifall bei der SPD)