Protokoll der Sitzung vom 10.04.2014

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Eine vernünftige, sozial verantwortliche Stadtentwicklungspolitik ist dazu verpflichtet, beide Interessenseiten in den Fokus zu nehmen, um das Ziel einer sozial ausgewogenen Entwicklung unserer Stadt zu verwirklichen. Vermieter und Mieter, dieses grundsätzliche Ge

gensatzpaar der Wohnungspolitik, kann man nicht außer Kraft setzen. Es ist aber geradezu fatal, wenn man das Heil in der einseitigen Bevorzugung einer Seite sucht. Demgegenüber müssen wir dafür sorgen, dass sich die Beteiligten neben den Interessengegensätzen auch die gemeinsamen Interessen klarmachen. Dann ist es möglich, gemeinsam an konstruktiven Lösungen für die aktuellen Probleme zu arbeiten.

Wir haben uns dieser Aufgabe gestellt, und ich bin froh, dass sich parteiübergreifend die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass wir mit dem Bündnis für das Wohnen und mit dem Vertrag für Hamburg die richtigen Ansätze gewählt haben, um alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen, übrigens mittlerweile beispielhaft für andere Bundesländer und auch für den Bund.

(Beifall bei der SPD)

Auch in der Bürgerschaft werden von nahezu allen Parteien Anträge gestellt, die darum ersuchen, dass Themen im Bündnis angesprochen werden. Das zeigt die große Akzeptanz, die es von allen Seiten genießt.

Meine Damen und Herren! Kooperation statt Konfrontation ist unser Leitbild dabei, das schließt übrigens Kritik nicht aus. Zu aktuellen Themen wird im Bündnis häufig ziemlich heftig gestritten. Dazu gehört auch, dass Bündnispartner darauf hinweisen, wo aus ihrer Sicht die Grenzen der Kooperation liegen. Das Bündnis lebt von Vertrauen, und Vertrauen entsteht durch Ehrlichkeit und offene Worte. Insoweit bin ich dem Grundeigentümerverband dankbar, dass er mit seiner Meinung zum Gesetzentwurf für die Mietpreisbremse nicht hinter dem Berg hält. Das hat aber nicht dazu geführt, dass er aus dem Bündnis ausgetreten ist. Und auch der heutige Artikel des Grundeigentümerverbands war doch wieder ganz nett. Auch die Mietervereine äußern sich deutlich, wenn es um die Belange ihrer Mitglieder geht. Gerade in der Mieterstadt Hamburg ist ihre Rolle unverzichtbar.

Die Basis unserer kooperativen Politik im Bündnis ist die Überzeugung, dass wir in Hamburg mehr Wohnraum brauchen, dass attraktiver und vor allem bezahlbarer Wohnraum für alle Schichten und Bevölkerungsgruppen geschaffen werden muss, und dass wir eine soziale Stadtentwicklungspolitik machen, die die Quartiere aufwertet. Das heißt, die Lebensqualität für die Bewohnerinnen und Bewohner soll verbessert werden ohne Verdrängung bestehender Nachbarschaften und soziale Entmischung. An diesen Zielen richten wir unsere Politik aus.

Aber so erfolgreich das Bündnis für das Wohnen ist, für seinen Erfolg ist auch der politische Wille wichtig, der es trägt und der zu den notwendigen Entscheidungen in der Lage ist. Der sozialdemokratische Senat und die SPD-Bürgerschaftsfraktion

(Heike Sudmann)

haben diesen politischen Willen. Notwendige Entscheidungen werden getroffen mit Augenmaß, aber auch mit Konsequenz. Es reicht nämlich nicht aus, darauf zu warten, dass Investoren schon die richtigen Wohnungen bauen. Es reicht nicht aus, darauf zu hoffen, dass sich auch die kleine Gruppe von Vermietern, die aus Spekulation Wohnungen leer stehen lässt, freiwillig an die Spielregeln hält. Wir sorgen dafür, dass durch Konzeptausschreibungen und Drittelmix Sozialwohnungen überall in Hamburg entstehen, übrigens auch in Zentrumsnähe.

(Beifall bei der SPD)

Die Große Anfrage zeigt sehr deutlich, dass der Anteil geförderter Wohnungen auf den verkauften Flächen der Stadt sogar über 40 Prozent beträgt. Wir haben mit der Novellierung des Wohnraumschutzgesetzes und der Personalverstärkung in den Bezirken dafür gesorgt, dass leer stehende Wohnungen – Herr Duge, Sie sprechen von 2300 Leerständen bei über 900 000 Wohneinheiten in ganz Hamburg, ich glaube, da überziehen Sie manchmal auch ein wenig – zügig wieder dem Wohnungsmarkt zur Verfügung gestellt werden. Übrigens sind mit der Personalverstärkung in den Bezirken die zahlreichen Baugenehmigungen auch nur möglich gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden unseren Kurs fortsetzen, wir werden die Potenziale unserer Quartiere für den Wohnungsbau nutzen. Neben den Elbinseln und dem Hamburger Süden bietet sich eben, wie von Herrn Kienscherf schon erwähnt, der Hamburger Osten für weitere Entwicklungsmöglichkeiten an, und das ist anders als bei der früheren Stadtentwicklungspolitik.

Wir werden unsere soziale Mietenpolitik weiter vorantreiben mit sozialem Wohnungsbau, aber auch mit einer vernünftigen Entscheidung, wie wir in Hamburg mit der Mietpreisbremse umgehen werden, selbstverständlich wie gehabt nach sorgfältiger Erörterung mit unseren Partnern im Bündnis, denn Wohnungsbau und Mieterschutz schließen sich nicht aus. Sie gehören zusammen, das ist sozialdemokratische Stadtentwicklungspolitik. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Wenn es keine weiteren Wortmeldungen gibt, dann stelle ich fest, dass die Bürgerschaft von der Großen Anfrage aus Drucksache 20/10884 Kenntnis genommen hat.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 39, Drucksache 20/11010, Antrag der CDU-Fraktion: Hambur

ger Inklusionsmodell gescheitert – Neustart jetzt mit Augenmaß.

[Antrag der CDU-Fraktion: Hamburger Inklusionsmodell gescheitert – Neustart jetzt mit Augenmaß – Drs 20/11010 –]

Die CDU-Fraktion möchte diese Drucksache an den Schulausschuss überweisen. – Frau Prien hat das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Wir haben uns in diesem Parlament für unsere Stadt Hamburg 2010 mit überwältigender Mehrheit auf den Weg gemacht, die Inklusion nach der UN-Behindertenrechtskonvention in Angriff zu nehmen, sie zu verwirklichen und jedem Kind einen individuellen Rechtsanspruch auf Beschulung in einer allgemeinbildenden Schule zu ermöglichen. Die Entscheidung war richtig, aber sie war problematisch, und zwar unter zwei Gesichtspunkten.

Zum einen war sie deshalb problematisch, weil wir gleichzeitig mit der Inklusion das neue Zwei-Säulen-System mit der Stadtteilschule eingeführt haben und schon die Enquete-Kommission darauf hingewiesen hatte, dass dies eine Überforderung dieser neuen Schulform mit sich bringen könnte.

Es war aber auch deshalb problematisch – und da haben wir uns alle an die Nase zu fassen, die damals dieser Änderung des Schulgesetzes zugestimmt haben –, weil es zu dem Zeitpunkt, als das Schulgesetz geändert wurde, kein Konzept gab; ein fataler Fehler. Das müssen wir uns alle ans Revers heften, und es ist kein Grund, um stolz zu sein.

Die Wahrheit ist aber auch, dass das jetzige Inklusionskonzept von Ihnen, Herr Senator Rabe, so eingeführt wurde mit der SPD-Mehrheit und dass Sie die politische Verantwortung dafür tragen, und zwar vollständig und allein. Es ist nicht so, dass Sie nicht gewarnt worden wären. Sie sind gewarnt worden, und zwar von der Opposition – aber auf die hört man natürlich nicht, das ist klar, schon gar nicht, wenn man gerade erst an die Regierung gekommen ist –, aber Sie wurden auch von Ihren eigenen Leuten gewarnt. Sie sind beispielsweise auch von der GEW gewarnt worden. Sie hätten vielleicht einmal die "hlz" vom Oktober/November 2011 genauer lesen sollen. Dort hätten Sie nämlich genau das lesen können, was jetzt eingetreten ist – ich darf zitieren –:

"Wenn die Integration wegen fehlender Finanzierung scheitert, wird insbesondere die Stadtteilschule in den Augen der an Bildung interessierten Eltern als ungeeignet für ihr Kind angesehen werden. Der Ansturm auf das Gymnasium wird sich weiter verstärken

(Senatorin Jutta Blankau)

und viele Stadtteilschulen werden zu Restschulen für Bildungsverlierer."

Das könnte eine Analyse aus dem Frühjahr 2014 sein, war es aber nicht, es war die Warnung der GEW an Sie im Oktober 2011.

Meine Damen und Herren! Wir sind jetzt mitten in einer neuen Schulstrukturdebatte in dieser Stadt, und leider ist es so, dass das Thema Inklusion in diesem Zusammenhang auch eine Rolle spielt. Natürlich ist die G8/G9-Debatte keine Frage der Inklusion allein. Das zu behaupten wäre falsch und würde den Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf natürlich überhaupt nicht gerecht werden.

Tatsache ist aber auch, dass Sie als SPD in Ihrem Regierungsprogramm und auch in Ihrem Wahlprogramm noch etwas ganz anderes vorgesehen hatten. Sie hatten vorgesehen, die Anzahl der integrativen Regelklassen und der Integrationsklassen weiter auszubauen und den Sachverstand und die Kompetenz der Lehrerinnen und Lehrer und Schulleiter in Sachen inklusiver Beschulung zu nutzen. Was Sie gemacht haben mit Ihrem Inklusionskonzept, ist natürlich etwas völlig anderes: Gießkannenprinzip, Quantität statt Qualität, Masse statt Klasse, wie immer.

(Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

Herr Senator Rabe, Sie haben die Gutachten, die für die Länder Nordrhein-Westfalen und Bremen in Sachen Inklusion angefertigt wurden, vielleicht zwar gelesen, aber Sie haben sie leider nicht beherzigt. Sie haben sie deshalb nicht beherzigt, weil Sie dort hätten lesen können, dass Inklusion nur dann gelingen kann, wenn man die Klassengröße begrenzt – das ist an der Stadtteilschule nicht der Fall – und wenn man ein Zwei-Pädagogen-System hat, also eine Doppelbesetzung. Auch diesen Rat haben Sie nicht angenommen.

Wohlmeinend könnte man sagen, das Gegenteil von gut gemeint ist schlecht gemacht, aber böswillig könnte man natürlich auch sagen, dass Sie billigend in Kauf genommen haben, dass die Inklusion in Hamburg scheitert, weil Sie genau wussten, dass mit dieser Ressourcenausstattung und so, wie Sie es angefangen haben, das Ganze nicht zum Erfolg geführt werden konnte. Ich weiß, gleich in der Debatte werden Sie uns wieder unterstellen, wir seien rückschrittlich und wollten keine Inklusion. Das können Sie alles machen, Klappern gehört zum Handwerk.

(Gerhard Lein SPD: Wie man sieht!)

Aber Tatsache ist, dass das, was Sie machen, dazu führt, dass Inklusion an den Hamburger Schulen nicht klappt und vom Scheitern bedroht ist. Und noch viel schlimmer ist, dass Sie das ge

samte Zwei-Säulen-System aufs Spiel setzen, und das ist tatsächlich verantwortungslos.

(Beifall bei der CDU)

Ich freue mich schon auf die moralinsaure Empörungsrhetorik, die Sie an dieser Stelle immer an den Tag legen, auch Sie, Frau von Berg, heute schon wieder in Ihrer Presseerklärung. Aber es geht hier nicht darum, ob man vorwärts oder rückwärts gewandt ist, es geht einfach darum, dass man nicht in Schönheit sterben kann und dass Sozialromantik uns hier einfach nicht voranbringt.

Meine Damen und Herren! Sie können unsere Kritik gern vom Tisch wischen, die der Stadtteilschulleiter aber nicht. Ihre eigenen Stadtteilschulleiter haben Ihnen doch ins Stammbuch geschrieben, dass es so nicht weitergehen kann, dass Inklusion in Hamburg nur gelingen kann, wenn Sie 40 bis 50 Millionen Euro mehr jährlich in die Hand nehmen. Die Kritik derjenigen, die es vor Ort dann auszubaden haben und die es tragen müssen, sollten Sie ernst nehmen. Und wenn Ihnen unsere Kritik schon nicht gefällt, dann sollten sie einmal mit Frau Bensinger-Stolze sprechen, die Ihnen auch attestiert, dass Sie dabei sind, die Inklusion an die Wand zu fahren.

Wenn man einen Fehler macht, dann ist es richtig, ihn zu korrigieren, auch wenn es spät ist und natürlich teurer wird. Und es wird jetzt richtig teuer. Aber es macht trotzdem Sinn, und wir schulden es den Kindern mit oder ohne sonderpädagogischen Förderbedarf und, das sage ich auch deutlich, den Lehrerinnen und Lehrern, die das durchführen müssen, jetzt noch einmal innezuhalten und zu überlegen, wie wir es denn besser machen können.

Dazu haben wir Ihnen einen Vorschlag unterbreitet, der auf dem Tisch liegt, und wir erwarten von Ihnen, dass Sie sich damit ernsthaft auseinandersetzen. Wir werden keinen Schritt damit weiterkommen, Herr Senator Rabe, wenn Sie in Ihrer Kommission nun versuchen, die Statistik und Ihre Ressourcenzuweisungen passend zu machen, indem Sie neue Definitionen erfinden, wer sonderpädagogisch zu fördern sei und wer nicht. Das jedenfalls wird nicht weiterhelfen. Weiterhelfen würde es, wenn man den ohne Zweifel in Hamburg vorhandenen Sachverstand, und zwar bundesweit anerkannt, in Sachen inklusive Bildung an Schwerpunktschulen – wie wir sagen, an Leuchtturmschulen – nutzen würde und dort ein Netzwerk an Schulen aufbaut, die wirklich Inklusion wollen und können. Dann kann man mit entsprechender, höherer Ressourcenausstattung und einer vernünftigen Doppelbesetzung die Inklusion zum Erfolg führen.

Wir laden Sie ein, diese Debatte mit uns gemeinsam zu führen. Und wir halten es für dringend erforderlich, die Debatte auch in Anbetracht unserer

Hamburger Schulstrukturdebatte jetzt aufzunehmen und einen ernsthaften neuen Anlauf zu nehmen. So, wie Sie Inklusion betreiben, ist sie in Hamburg gescheitert, und Sie sind in der Verantwortung, es jetzt wirklich besser zu machen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt nun Herr Holster.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Prien, wir haben diese Debatte eigentlich schon einmal im Rahmen der Aktuellen Stunde geführt. Ich hatte gedacht, dass Sie auf einige Bedenken, die wir dort – nicht nur ich, auch meine Kollegin Frau von Berg – geäußert hatten, eingehen. Aber ich will gern noch einmal wiederholen, was ich schon vor den beiden letzten Bürgerschaftssitzungen gesagt habe: Dieses Schiff Inklusion, wie es auf den Weg gebracht wurde, fährt, und mit Ihrem Antrag ist es wie eine Vollbremsung. Ich wiederhole noch einmal, was Herr Wersich gesagt hat, die Inklusion müsse gestoppt werden. Und genauso steht es auch in diesem Antrag.

Was würde das jetzt für die Hamburger Schulen bedeuten, wenn wir die Inklusion von heute auf morgen stoppen? Wir müssten – da haben Sie eine ganz wichtige Zahl in Ihren Antrag geschrieben – 12 857 Schülerinnen und Schüler umverlagern, auf Ihre Leuchtturmschulen. Allein dieser Kraftakt, allein, dieses gegen das Elternwahlrecht, gegen den Elternwillen, gegen den Willen wahrscheinlich auch der Schülerinnen und Schüler durchzusetzen, ist doch politischer Selbstmord, Frau Prien, und nicht realistisch.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es geht auch nicht nur um die Schülerinnen und Schüler. Wir haben mit einem großen Kraftakt sehr viele Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen und sehr viele Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen flächendeckend an allen Stadtteilschulen. Allein eine Versetzung dieser Kolleginnen und Kollegen an Ihre sogenannten Leuchtturmoder Inklusionsschulen ist vollkommen unrealistisch; das habe ich ebenfalls schon in der Aktuellen Stunde gesagt. Auch das ist realitätsfern und wird auch so von heute auf morgen nicht möglich sein.