Nun hat Frau von Berg das Thema Leuchtturmschulen schon aufgegriffen und recherchiert, was es im ganzen Bundesgebiet gibt. Ich komme vom platten Land und weiß, wo Leuchttürme stehen. Sie leuchten nicht nur, sie stehen immer sehr weit weg. Ich glaube, das ist auch symptomatisch, dass
Die CDU will jetzt wieder die Gutachten einführen. Sonderschullehrkräfte sollen wieder die Schülerinnen und Schüler testen, ob sie einen sonderpädagogischen Förderbedarf brauchen oder nicht. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass diese Gutachten den Kindern und Jugendlichen in keiner Weise helfen. Waren sie einmal in der Sonderschule, kamen sie nie wieder herunter. Das wollen wir auf keinen Fall wieder haben, es hat ihnen auch überhaupt nichts gebracht. Und wenn Sie darüber hinaus noch die Gespräche dokumentieren wollen und die Unterstützungsmaßnahmen und das alles auch noch unter Hinzuziehung anderer Pädagogen, dann ist das eine Bürokratisierung, die im Grunde dem pädagogischen Konzept total kontraproduktiv gegenübersteht. Die Zeit kann man wirklich besser in die Schüler und Schülerinnen investieren.
Es gibt noch einen zweiten Grund, warum Ihr Vorschlag eigentlich unseriös ist. Sie sagen, in Integrationsklassen sollten nicht mehr als vier Kinder oder Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf sein. Da sind Sie sich einig mit Herrn Rabe. Wir haben aber für die kommenden fünften Klassen in den Stadtteilschulen über 1000 Anmeldungen von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Wir brauchen also 200 fünfte Klassen, wenn wir es bei vier Kindern pro Klasse belassen wollen. Das sind aber fast so viele Klassen, wie wir jetzt an den Stadtteilschulen in der Jahrgangsstufe 5 überhaupt haben. Wenn also die CDU einige wenige Sonderstadtteilschulen einführen will, dann müssen Sie sich von dieser Regel mit den vier Kindern pro Klasse völlig verabschieden. Sie nennen es Stadtteilsonderschulen, aber das ist nichts anderes als die Rückkehr zu Sonderschulen, und das ist genau gegen die Inklusion. Das geht überhaupt nicht.
Bekanntlich kann man nicht alles haben im Leben. Und wenn man dafür ist, dass man die UN-Behindertenrechtskonvention umsetzen will, dann kann man nicht auf der einen Seite sagen, die Eltern sollten das Wahlrecht haben, ihre Kinder auf ein allgemeinbildendes Schulsystem oder an eine Sonderschule zu schicken,
und gleichzeitig fordern, dass alle Sonderschulen im gleichen Umfang wohnortnah erhalten bleiben. Das geht überhaupt nicht. Wir wären dafür, dass Eltern, die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf haben, die freie Wahl haben, das Kind nach der vierten Klasse entweder zur Stadtteil
schule oder zum Gymnasium zu schicken. Für dieses Wahlrecht wären wir, und es wird allerhöchste Zeit, dass da etwas passiert.
Die SPD hat im Wahlkampf versprochen, die seit Jahren erfolgreichen Integrationsklassen und die integrativen Regelklassen weiter auszubauen. Stattdessen hat sie dieses Modell zerschlagen. Die Gymnasien werden nicht für die Inklusion herangezogen, sie bleiben exklusiv. Insofern kann man allenfalls von einer halben Inklusion reden.
Und was das allergrößte Problem ist, die Inklusion ist völlig unterfinanziert. DIE LINKE hat in der letzten Haushaltsdebatte einen Antrag eingebracht zur Finanzierung der Inklusion. Wir haben vorgeschlagen, die Privatschulförderung, die jetzt bei 85 Prozent liegt, auf ein bundesdurchschnittliches Maß zurückzufahren, nämlich auf 70 Prozent. Das wären 20 Millionen Euro, die wir für die Inklusion frei hätten. Außerdem wären wir dafür, die Schulinspektion, die den Unterricht in keiner Weise verbessert, abzuschaffen.
Das wären noch einmal 7 Millionen Euro. Also hätten wir 27 Millionen Euro, und dann könnten wir die Klassen – ich gehe davon aus, die von Stadtteilschulen und von Gymnasien –, in denen vier Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind, durchgehend mit Doppelbesetzung ausstatten. Das wäre ein guter Anfang, das wäre ein Umsteuern, kein Neustart. Den Antrag der CDU lehnen wir ab.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben von mehreren meiner Vorrednerinnen und Vorrednern etwas über Menschenrechte gehört. Ich möchte auch an dieser Stelle noch einmal richtigstellen – wir haben das Thema in den letzten drei Jahren mehrfach diskutiert –, weil ich das für wichtig halte, dass die UN-Behindertenrechtskonvention ein völkerrechtlicher Vertrag ist, eine Konvention, die dem Ziel dient, allen Menschen, insbesondere den Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Behinderungen, gleich welcher Art, in Bezug auf das Bildungssystem in ihrem jeweiligen Zeichnerstaat eine ungehinderte Teilhabe am staatlichen Bildungssystem zu ermöglichen.
Dieses Recht, liebe Kolleginnen der LINKEN, der GRÜNEN und der SPD, ist im Bildungssystem in der Bundesrepublik Deutschland seit Jahrzehnten
so umgesetzt. Verwechseln wir also bitte nicht die UN-Behindertenrechtskonvention mit dem Wahlrecht in Paragraf 12 des Schulgesetzes, das im Oktober 2009 im Zusammenhang mit dem Primarschulpaketgesetz von Schwarz-Grün eingeführt worden ist und bei dem damals alle in der Behörde im Rahmen der Primarschuldiskussion Verantwortlichen offenbar völlig vergessen oder vernachlässigt haben, dieses vernünftig vorzubereiten. Das war der eigentliche Sündenfall des Hamburger Schulsystems, dessen Scherben Herr Senator Rabe hätte leicht aufräumen können, es aber, aus welchen Gründen auch immer, wissentlich und willentlich in den letzten drei Jahren in keiner Weise getan hat. Die Konsequenzen tragen zurzeit alle Schülerinnen und Schüler in den Klassen, in denen es nicht funktioniert, alle Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die in Klassen sitzen, in denen sie selbst individuell keine ausreichende Förderung erhalten, und alle Familien, die sich für ihre Kinder oder ihre Jugendlichen eine gute, individuelle Förderung, zum Beispiel in einer Sonderund Förderschule, gewünscht hätten oder wünschen, eine solche aber nicht vorfinden beziehungsweise über solche Angebote nicht ausreichend im Anmeldeverfahren informiert worden sind.
Eines zum Gymnasium, liebe Frau Kollegin von Berg, und Frau Heyenn, Sie haben es auch angesprochen: Die Gymnasien leisten seit Jahrzehnten einen guten Beitrag im Rahmen der Inklusionsdebatte. Es gibt zahlreiche Schülerinnen und Schüler, die voll integriert sind und gemeinsam mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern in den Klassen ihren Schulweg gehen und bis zum Abitur dort eine glückliche und produktive Schulzeit verleben. Es ist eine falsche Behauptung, so zu tun, als würden die Gymnasien sich der Inklusion verwehren. Aber sie haben einen gesetzlichen Bildungsauftrag und der lautet, die Schülerinnen und Schüler, die das Gymnasium besuchen, auf die allgemeine Hochschulreife, auf das Abitur, vorzubereiten. Deswegen sind die Gymnasien für diejenigen Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf gut geeignet, die auch den Weg bis zur allgemeinen Hochschulreife gehen können. Das sind beispielsweise Kinder mit körperlichen Behinderungen, Sehbehinderungen, Hörbehinderungen und weitere verschiedene Arten. Für andere Behinderungsformen sind die Gymnasien aber nicht geeignet.
Und jetzt komme ich zur Frage des Kindeswohls und der Sozialromantik, die bei vielen, die das Wort Inklusion als Zauberwort vor sich hertragen, mitschwingt. Was immer wir zur Inklusion und zur Integration von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf sagen, müssen wir doch vom individuellen Kindeswohl ausgehen. Und alle Kinder und Jugendlichen sind durchaus verschieden, auch die mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Es ist also eine Unzumutbarkeit für
die betroffenen Familien und Kinder und Jugendlichen, wenn man sagt, sie müssten alle in die Regelschule gehen. Ich bin mit vielen Elternräten und mit vielen Familien in Kontakt gewesen, die sich den Erhalt ihrer Sonder- und Förderschule gewünscht haben. Sie sagten, dass ihr Kind an der Regelschule falsch aufgehoben war und sie eine gute Sonder- und Förderschule brauchen. Deswegen ist das Wahlrecht so wichtig und darf nicht zynisch von der Behörde verdreht werden.
Es darf nicht verdreht werden, indem die Sonderund Förderschulen geschlossen werden, sondern wir brauchen gute Sonder- und Förderschulen und gute I- und IR-Klassen in den Regelschulen. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren! Wie immer, wenn wir uns über dieses Thema unterhalten, gibt es eine Menge moralische Empörung. Das sind wir so gewohnt und das haben Sie nun auch abgeleistet, es ist auch in Ordnung. Aber was mich wirklich empört, lieber Herr Holster, ist, dass wir von Ihnen überhaupt nichts zur Problemlösung gehört haben. Es mag sein, dass unser Vorschlag nicht der richtige ist, Irren ist doch menschlich oder man kann unterschiedlicher Meinung darüber sein. Aber dass Sie so tun, als gäbe es überhaupt nichts, über das wir zu sprechen hätten, finde ich, ehrlich gesagt, peinlich.
In unserem Antrag steht doch mit keiner Silbe, dass wir irgendwelche Kinder umverlagern wollen. Selbstverständlich müssen die Kinder, die im System sind, jetzt auch im System bleiben. Darüber hätten Sie ein bisschen früher nachdenken müssen, als Sie Ihr Konzept auf den Weg gebracht haben. Ich habe deutlich gesagt, dass das jetzt natürlich richtig teuer wird. Sie haben es nun einmal versaubeutelt, und jetzt müssen wir sehen, wie wir da gemeinsam wieder herauskommen.
Sie entwickeln jetzt das große Mitleid mit den Sonderpädagogen und den Sozialpädagogen. Herr Holster, wissen Sie eigentlich nicht, dass die ohnehin von Schule zu Schule wechseln. Mit diesem idiotischen… – Entschuldigung, das nehme ich zurück, Sie brauchen mich nicht zu rügen.
Herr Holster, wollen Sie denn wirklich der Hamburger Öffentlichkeit weismachen, dass das Elternwahlrecht nach dem Schulgesetz einen individuellen Anspruch auf jede Regelschule bedeutet? Das ist einfach falsch. Das ist der Versuch, den Menschen Sand in die Augen zu streuen. Ich zitiere vielleicht einmal Herrn Katzer, der nun wahrlich nicht jemand ist, der meiner Partei nahesteht. Auch er sagte schon 2011, es gäbe nach dem Hamburger Schulgesetz kein Recht auf eine bestimmte Regelschule. Darum geht es doch gar nicht.
Wir wollen auch nicht zurück zur exklusiven Beschulung, sondern wir schlagen eine inklusive Beschulung vor an besonders dafür geeigneten Schulen mit Schulleitern, die das beherrschen, und Lehrerinnen und Lehrern, die dafür ausgebildet sind. Diese Unterstellung, dass es sich hierbei nur um ein Zurück und ein Heraus aus der Inklusion handelt, ist politisch einfach billig und bringt niemanden weiter.
(unterbrechend) : Frau Prien, entschuldigen Sie bitte. Meine Damen und Herren! Ich bitte doch, der Rednerin Aufmerksamkeit zu schenken.
Das Zitat mit der Restschule stammt übrigens auch nicht von mir, Herr Holster, sondern es stammt aus der "hlz", dem Organ der GEW. Also beschweren Sie sich dort, wenn Ihnen das nicht gefällt.
Frau von Berg, eine Bemerkung noch zum Thema Leuchtturmschulen. Ihnen mag das Wort nicht gefallen, das ist dann aber eine sehr semantische Debatte und wird dem Ernst der Lage nicht gerecht.
Schließlich noch zum Thema Gymnasium. Ich glaube, die Fronten sind da klar geworden. Wir werden, das ist die Auffassung meiner Fraktion, die Probleme dieser schlecht umgesetzten Inklusion nicht dadurch lösen, dass wir am Gymnasium genau das gleiche schlechte Konzept umsetzen. Das kann doch wohl nicht sein. Frau Heyenn, was Sie wollen, ist Sozialismus, es soll allen gleich schlecht gehen. Das ist für uns als Union jedenfalls keine Alternative.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau Prien, es gründet sich auf ganz einfache Mathematik, warum wir Ihnen vorwerfen, Exklusion betreiben zu wollen. Jetzt sind es 850 Kinder in den fünften Klassen, die auf 59 Stadtteilschulen verteilt werden. Ihrer Planung nach sollen es dann vielleicht noch 15 Schulen sein. Wie wollen Sie das denn machen? Das sind 15 Prozent aller Schülerinnen und Schüler, wenn man den Zahlen glauben kann, und ich glaube den Zahlen. Wie soll das denn rein mathematisch gehen? Dann bestehen diese Schulen nur noch aus Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Das hat mit Inklusion überhaupt nichts mehr zu tun, es hat mit anregender Lernumgebung nichts mehr zu tun, und es wird dazu führen, dass diese Schülerinnen und Schüler nicht mehr das Recht haben, auf eine Regelschule zu gehen, sondern die Sonderschulen besuchen müssen. Dagegen wehren wir GRÜNE uns, und ich weiß, die SPD auch. – Vielen Dank.