Protokoll der Sitzung vom 07.05.2014

Es ist ein Dokument der Finanzbehörde vom 20. März 2012. Sie haben in der Tat den Bezirken 6,7 Millionen Euro Einsparverpflichtungen erlassen. Dann haben Sie eine ganze Liste aufgestellt,

(Dr. Andreas Dressel)

wofür die Bezirke mehr Geld brauchen, weil sie mehr Aufgaben bekommen haben. Dann kommen Sie auf 12 Millionen Euro mehr Geld für Aufgaben, die Sie dort verlagert haben, die nicht finanziert sind, und dann folgt die Zeile: Umlagefinanzierung der besonderen Sachverhalte aller Einzelpläne. Dort ziehen Sie den Bezirken 10 Millionen Euro im Jahr 2013, aufwachsend auf 24 Millionen Euro im Jahr 2017, ab. Und nun wagen Sie zu sagen, 6,7 Millionen Euro Konsolidierungsverpflichtungen des alten Senats hätten Sie abgeschafft und das sei ein Verdienst. Auch das ist Wählertäuschung pur. 100 Millionen Euro fehlen den Bezirken, weil Sie damit Ihre Wahlgeschenke in der Stadt finanziert haben.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Diese Liste ist Ihre Liste. Sie weist für die Bezirke im Jahr 2013 unterm Strich, im Verhältnis der Ressourcen zu den Aufgaben, einen Minusbetrag, eine Unterfinanzierung allein im vergangenen Jahr von 23 Millionen Euro aus. Das ist keine böse Oppositionsrhetorik, sondern das ist die Berechnung Ihrer Behörde, wie viel Geld die Bezirke zu wenig haben, um ihre Aufgaben wahrnehmen zu können. Deshalb sage ich ganz klar: Mehr Kompetenzen für die Bezirke laufen ins Leere, wenn die Bezirke nicht die notwendigen Ressourcen dafür haben. Und deswegen brauchen wir andere Mehrheiten in den Bezirken, damit endlich wieder eine starke Stimme der Bürger vor Ort, auch im Rathaus, gehört wird und nicht nur willige Vollstrecker an der Spitze der Behörden stehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, den GRÜNEN und der FDP)

Nun hat für die GRÜNE Fraktion das Wort Herr Dr. Steffen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der trocken anmutenden Rede von Herrn Tschentscher wurden nun doch noch einmal der Debatte zumindest ein paar Argumente zugeführt; das ist auch richtig. Andreas Dressel hat die ganz große Rede gehalten und alle Wahlkampfklassiker herausgeholt, die bei der SPD im Köcher waren, also sind wir mittendrin. Es wurde das Plakat zitiert, dass die SPD für die Sanierung der Straßen gesorgt habe. Ich habe das Kleingedruckte gesucht, denn mir fehlte der Hinweis, dass man dabei leider den Radverkehr vergessen hat.

(Ole Thorben Buschhüter SPD: Das stimmt doch nicht!)

Wir haben immer wieder die Situation, dass die Straßen munter saniert werden und in Eile – man hatte für 2013 noch schön viele Straßen saniert –, aber dringend überfällige Verbesserungen für den

Radverkehr außen vor bleiben. Das ist die Realität in der Stadt.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Andreas Dressel SPD: Ihr habt gar nicht saniert!)

Ich habe es zu meiner persönlichen Leidenschaft gemacht, im Einzelfall nachzufragen, warum das jeweils nicht erfolgt ist. Und die Antwort lautet immer, dass eben nicht hinreichend Personal zur Verfügung gestanden habe, um dann noch notwendige Umplanungen vorzunehmen. Da sind wir nämlich genau bei der Diskussion, dass die Bezirke die Handlungsfähigkeit nicht haben, die sie bräuchten, um zum Beispiel ihre Straßen den aktuellen Anforderungen anzupassen. Das ist genau die Situation, die wir an vielen Stellen nachzeichnen können.

Herr Tschentscher, man fragt sich natürlich, wenn Sie so tolle Zahlen präsentieren können, wie das eigentlich zusammenpasst. Die gewählten Abgeordneten in den Bezirken sind übrigens auch diejenigen, die sich in einer Mehrheit sehen mit der SPD zusammen in der Bezirksversammlung. Aber sie können nicht einmal sagen, ihre Vorschläge würden abgelehnt, weil die anderen sie blöd fänden, sondern die eigenen Koalitionspartner sagen, es tue ihnen auch leid, sie könnten nichts machen, die Bezirksamtsleiter streckten tatsächlich die Waffen an der Stelle.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das stimmt doch gar nicht! Das ist falsch und das weißt du auch!)

Das sind natürlich die Informationen, die ich in vielen Einzelgesprächen bekomme. Die Frage ist, wie es denn sein kann, dass Herr Tschentscher so tolle Zahlen präsentiert. Es sind dann ganz einfache Methoden, die dabei eine Rolle spielen. Der Haushalt ist schön gewachsen, nicht nur der der Bezirke, sondern auch der der anderen Einzelpläne, weil der Ausgleich für Personalkostensteigerungen, der bis dahin an zentral veranschlagter Stelle vorgehalten wurde, auf die Einzelbehörden verteilt wurde. Er ist nicht auskömmlich für die dann kommenden und auch absehbaren Personalkostensteigerungen – deswegen haben wir jetzt das große Problem –, aber diese vorgehaltene Reserve wurde verteilt. Es hat sich zwar in der Sache nichts verändert, weil ein zentraler Titel, der ausgekehrt worden wäre, verteilt worden ist. Aber natürlich ist das nominelle Budget der Einzelpläne gestiegen, und Sie können jetzt sagen, das sei ein großer Erfolg für die Bezirke. Das ist aber erst einmal ein totales Nullsummenspiel.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein Minusgeschäft wird dann die Entflechtung, weil einige Aufgaben verlagert wurden, auch einiges an Personal verlagert wurde, aber die Bezirksamtsleiter selbst vorgerechnet haben, dass das überhaupt nicht auskömmlich ist für die Aufgabenwahrneh

(Dietrich Wersich)

mung, dass sie also tatsächlich auf einem erheblichen Teil der Aufgaben sitzen bleiben und diese Aufgaben, die sie jetzt zusätzlich haben, aus ihrem vorhandenen Personalbestand bezahlen müssen. Das ist natürlich ein Minusgeschäft und das wiederum eine massive Verschlechterung für die Bezirke. Diese zwei Faktoren zeigen schon, woher es kommt, dass die Bezirke kaum mehr handlungsfähig sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist auch interessant, wenn von den Kompetenzen gesprochen und der Vertrag für Hamburg angesprochen wird, denn das war eher ein Angebot, das die Bezirke nicht ablehnen konnten. Im Ergebnis wurden die Bezirke wesentlich stärker an das Gängelband des Senats genommen im Hinblick auf die Entscheidungen, die Sie beim Wohnungsbau treffen. Das war doch das Ziel der Übung und Sinn und Zweck der ganzen Veranstaltung. Deswegen ist dabei herausgekommen, dass es weniger Autonomie für die Bezirke gibt. Also auch hier wieder ein Scheinargument, das dann der Realität nicht standhalten kann.

Das sehen wir auch in sehr vielen Bereichen, in denen die Bürgerinnen und Bürger auf die Leistungen der Bezirksämter angewiesen sind. Das erleben wir, wenn es um die Frage der Jugendhilfe geht, bei der es gerade um die benachteiligten Jugendlichen geht, die deutlich eingedampft wurde. Es wurde zwar meistens die Zahl der Einrichtungen gehalten, aber es wurde deutlich eingedampft in den Angeboten.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das stimmt doch gar nicht!)

Das ist wirklich ein schwerer Nachteil gerade für die Jugendlichen, die darauf angewiesen sind.

Wir sehen das auch bei der Frage Verbraucherschutz, wo es um die Frage geht, ob überhaupt gesunde Verbraucherbedingungen in den Gaststätten, in den Betrieben, die Lebensmittel verkaufen, garantiert werden können. Auch da steht weniger Personal zur Verfügung. Die Wahrheit heißt dann konkret, deutlich weniger Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger. Das ist die Bilanz der SPD-Regierungspolitik seit 2011 durch diese falschen Weichenstellungen, die ich zitiert habe.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Dies gilt selbst bei dem Projekt, bei dem ich mit Interesse gelauscht habe, als wir es letztens im Ausschuss besprochen haben. Es hieß dort, es mag auch Aufgaben geben, bei denen durch mehr Effizienz etwas erreicht werden kann. Und dieses schön vorgestellte Projekt für die Einwohnerämter stellt sich mittlerweile auch als massive Verschlechterung heraus. Anfangs hieß es, man könne mit Termin schneller zum Zuge kommen, aber

auch immer ohne einen Termin kommen. Jetzt heißt es, ohne Termin müsse man sehr, sehr lange warten, man kommt überhaupt nicht mehr direkt dran. Das ist eine massive Verschlechterung des Services für die Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Wenn es keine weiteren Wortmeldungen mehr zu diesem Thema gibt, kommen wir zum zweiten Thema, angemeldet von der Fraktion DIE LINKE.

Aktuelle Stunde

Die Pflege liegt am Boden, Hamburg muss handeln: Schluss mit Arbeitskräftemangel, niedriger Bezahlung und geringer Wertschätzung!

Das Wort bekommt Frau Artus von der Links-Fraktion.

Was bei VW am Fließband möglich ist, das geht auch im Krankenhaus. Das, verehrte Abgeordnete, Frau Präsidentin, sagte einst ein Gesundheitsmanager zu Herrn Dr. Michael Scheele, dem ehemaligen Chefarzt der Geburtshilfe in der Asklepios Klinik Heidberg. Die rezitierte Aussage stammt als O-Ton aus dem Film "Die Krankenhausprivatisierung", der vor zwei Tagen im NDR lief.

Immer mehr Beschäftigte sagen heute, dass die Pflege am Boden liege. Sie sagen, es sei nicht mehr auszuhalten, sie könnten ihr Verantwortungsgefühl nicht mehr mit dem, wie sie an der Patientin und dem Patienten arbeiten müssten, vereinbaren, sie arbeiteten wie am Fließband. Das muss endlich ein Ende haben, verehrte Abgeordnete, damit muss endlich Schluss sein.

(Beifall bei der LINKEN – Erster Vizepräsi- dent Frank Schira übernimmt den Vorsitz.)

Es kann doch nicht sein, dass Fachkräfte nach wenigen Jahren schon aus ihrem Beruf aussteigen, weil sie kaputt sind und weil sie von der Arbeit auch nicht leben können. Es kann nicht sein, dass der Pflegeberuf eine so geringe Wertschätzung erfährt und so schlecht bezahlt ist. Am kommenden Montag ist der internationale Aktionstag "Tag der Pflege". Es ist der 194. Geburtstag von Florence Nightingale. Sie gilt als Begründerin der modernen Krankenpflege. Sie entwickelte sie zu einem anerkannten Beruf für Frauen. Sie begründete pflegetheoretische Grundsätze, die bis heute Gültigkeit haben. Sie setzte Standards, nach denen die Pflege neben der ärztlichen eine eigenständige Tätigkeit im Gesundheitswesen ist. Der Senat nutzt diesen Tag und zeichnet, ich glaube, zum vierten Mal, die Ausbildungsbesten in Hamburgs Pflege im Rat

(Dr. Till Steffen)

haus aus. Das ist eine schöne Würdigung, das haben die jungen Leute auch verdient.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber am 12. Mai werden um 15 Uhr in ganz Deutschland auch Demonstrationen und Flashmobs stattfinden. In über 100 Städten Deutschlands gehen Menschen mittlerweile regelmäßig auf die Straße. Sie machen unter dem Motto "Die Pflege liegt am Boden" auf die miserablen Arbeitsbedingungen in der Pflege aufmerksam. Das finden wir gut, und das muss unterstützt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Verehrte Abgeordnete! Derzeit finden Tarifverhandlungen für die Beschäftigten in den Krankenhäusern statt. Asklepios verhängte deswegen einen Einstellungsstopp, den ersten seit der Privatisierung des LBK, und der wirkt sich aus: Es wurden bereits Stationen geschlossen. Damit werden aber die Pflegebedingungen überhaupt nicht verbessert, im Gegenteil, damit verschärft sich der Frust. Deswegen kritisieren wir diesen Einstellungsstopp scharf.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Schließung der Geburtsstation durch Asklepios auf Sylt. Weil es nur 100 Geburten im Jahr gibt, wurde die Abteilung einfach dicht gemacht. Hochschwangere müssen zwei Wochen vorher in ein Wohnheim aufs Festland ziehen, um dort auf die Niederkunft zu warten. Dass der Besitzer von Asklepios, der Milliardär Dr. Bernard Broermann, mit Schließungen nicht zimperlich ist, hat er bereits in den USA bewiesen. Dort hat er laut NDR-Bericht kurzerhand vier Krankenhäuser geschlossen.

(Sören Schumacher SPD: Was hat das jetzt mit Hamburg zu tun?)

Verehrte Abgeordnete! Wir haben zwar noch keine amerikanischen Verhältnisse im Gesundheitswesen, aber ich sage Ihnen hier und heute: Wehret den Anfängen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Einstellungsstopp und die Stationsschließungen erfordern unseren Protest. Wer eine bessere Pflege will, der muss die Pflegefachkräfte gut bezahlen und darf sie nicht mit Einstellungsstopps einschüchtern.

(Beifall bei der LINKEN)