Protokoll der Sitzung vom 21.05.2014

(Jan Quast)

behörde, sondern werden bei den Bezirken verbucht. Ich finde diese Argumentation dreist, weil Sie den Bezirken 1,5 Prozent für Tarifsteigerungen geben, obwohl die Tarifsteigerung fast 2,9 Prozent beträgt. Das ist eine reale Einsparung. Also stellen Sie sich hier nicht hin und behaupten, dass Sie die Bezirke gestärkt hätten. Im Gegenteil, Sie haben auch in diesem Fall die Bezirke stärker belastet als der Vorgängersenat. Das erzähle ich Ihnen nun schon zum zweiten oder dritten Mal. Also hören Sie entweder zu oder behaupten Sie nicht immer wieder etwas Unwahres. Das ist nämlich einfach nicht richtig.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU – Jan Quast SPD: Davon wird es auch nicht besser!)

Das Interessante ist, dass in diesem zentralen Titel, der in der Vergangenheit für die Tarifsteigerungen aus dem zentralen Haushalt verwendet wurde und den es immer noch gibt, jedes Jahr 84 Millionen Euro Ansatz stehen.

(Dietrich Wersich CDU: Wie Herr Heintze gesagt hat!)

Und wie Herr Heintze auch letztes Mal schon richtig gesagt hat: Daraus haben Sie 10 Millionen Euro ausgegeben. Mittlerweile ist in diesem Haushaltstitel ein Rest von 244 Millionen Euro aufgelaufen. Wofür Sie die haben wollen, warum die dort stehen, was Sie damit machen wollen, weiß kein Mensch, aber dieses Geld ist dort in einem Titel, für den es nicht mehr gebraucht wird. Jetzt hören Sie auf und erzählen Sie uns nicht, dass Sie den Bezirken die Tarifsteigerungen nicht zahlen könnten. Sie könnten es, wenn Sie diese Mittel, die dafür vorgesehen wurden, dafür verwenden. Sie wollen es nur nicht, und das ist eine politische Entscheidung. Verstecken Sie sich nicht hinter der Haushaltstechnik.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Das war auch immer das, womit wir unseren Antrag finanzieren wollten. Wir wollten das Geld nicht aus dem Rest nehmen, sondern schlicht und ergreifend 16 Millionen Euro aus dem Ansatz von 84 Millionen Euro; dann hätten die Bezirke gar kein Problem. Das könnten Sie auch machen, aber Sie wollen es nicht. Dann müssen Sie aber auch vor Ort sagen, dass man eben länger auf einen Termin warten muss, denn Sie haben mit dem Geld etwas Besseres vor. Was das sein soll, weiß kein Mensch, aber Sie könnten es dafür verwenden.

(Dietrich Wersich CDU: Aus dem dafür zu- ständigen Titel!)

Die Argumentation mit der zentralen Rücklage verwundert mich doch und auch, dass Sie sagen, Sie würden sie ständig benutzen. In der Tat haben Sie 1 Milliarde Euro in diesem Titel von Schwarz-Grün geerbt. Davon haben Sie mittlerweile 500 Millionen

Euro ausgegeben, zusätzlich zu den Schulden, die Sie gemacht haben. Wenn Sie so stolz Ihre Balkendiagramme vorzeigen, wie wenig Schulden Sie gemacht hätten, dann vergessen Sie immer, dass Sie 500 Millionen aus der zentralen Rücklage ausgegeben haben. Auch das ist ein Haushaltstrick und alles andere als solide Haushaltspolitik.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Wenn Sie sagen, Sie nutzten es ständig, um die Staatsverschuldung zu refinanzieren, dann frage ich mich, wieso Sie das Ding jetzt um 500 Millionen Euro abgesenkt haben, wenn Sie damit schon die Schulden tilgen. Ihre Geschichte passt von A bis Z überhaupt nicht. Sie sollten aufhören, Märchen zu erzählen. Sie sollten schlicht und ergreifend den Menschen vor Ort sagen, die Dienstleistungen für die Bürger haben bei diesem Senat keine Priorität. Anders kann man nämlich Ihre Politik im Moment nicht erklären. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kerstan. – Das Wort hat Herr Bläsing von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich den Antrag zum ersten Mal gelesen habe, habe ich gedacht, der Kollege Heintze möchte ein Schloss bauen, das in den Wolken liegt. Schon der Antragsbetreff summiert Zusammenhänge, die so nicht zutreffend sind. Scheinbar einfache Lösungen sind immer gut und eingängig, wie mancher Schlager vielleicht auch. Das ist Ihnen als PR-Fachmann sicher geläufig, und gelegentlich ist diese Regel auch wahr. Aber Ihr neuester haushaltspolitischer Streich provoziert dann doch die Frage, ob man es sich so einfach machen darf, wie die CDU behauptet. Und wenn das so einfach mit der Auflösung der Rücklagen ist, warum hat das dann die CDU in ihrer Regierungszeit bis 2011 nicht umgesetzt? Die Frage stellt sich dann doch.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Die Antwort liegt auf der Hand. Es ist nicht so einfach und auch nicht so sinnvoll, wie es die Herren Heintze und die Fraktion um den Kollegen Wersich verkaufen wollen. Das dokumentieren schon die bisherigen Einlassungen der CDU-Kollegen zu diesem Thema, zum Beispiel vom Anfang der Legislaturperiode. Ich zitiere aus der Schriftlichen Kleinen Anfrage, Drucksache 20/52, der Kollegen Heintze und Wersich unter dem bezeichnenden Titel "Rücklagen und Rückstellungen".

"Verantwortungsvolle Haushaltspolitik schafft Vorsorge für nicht oder nur schwer planbare Ereignisse. Dazu gehören unter anderem Rechtsänderungen auf Bundes

(Jens Kerstan)

ebene oder Konjunkturschwankungen. Die Freie und Hansestadt Hamburg hatte unter der Regierung des CDU-Senats u.a. für diese Fälle diverse Rücklagen, Rückstellungen und Fonds gebildet."

So Ihre eigene Schriftliche Kleine Anfrage und Ihr Originaltext, meine lieben CDU-Kollegen.

So schnell, wie Sie in den letzten Wochen und Monaten mit hohen Risiken für Hamburgs Haushalt umgefallen sind, kommt man kaum noch hinterher. Milliarden von Euro für eine Stadtbahn, Millionen Euro für die Rolle rückwärts zum G9 an Gymnasien und jetzt also die Rücklagen. Das ist schon sehr beeindruckend, Herr Wersich, da brauchen Sie gar nicht so ertappt zu sein.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Das dürfte Sie gar nicht überraschen, Herr Kollege Wersich.

(Dietrich Wersich CDU: Was Sie wollen, das weiß ich noch!)

Sie reden von Haushaltskonsolidierung und vom Verzicht auf neue Schulden, und gleichzeitig fordern Sie Mehrausgaben in Millionen- und Milliardenhöhe ohne entsprechende Gegenfinanzierung. Das ist einfach unglaubwürdig, Herr Kollege Wersich.

(Beifall bei der FDP und der SPD – Zuruf von Dietrich Wersich CDU)

Nein, Herr Wersich, auch der heutige Antrag dokumentiert, dass Sie Konsolidierung mittlerweile gar nicht mehr buchstabieren können.

(Beifall und Heiterkeit bei der FDP und der SPD)

Wir müssen uns doch klarmachen, wofür die Rücklagen, die Sie auflösen wollen, überhaupt verwendet werden. Erstens – und das können Sie im Übrigen auch in Ihrer eigenen Schriftlichen Kleinen Anfrage nachlesen – werden die Rücklagen dazu benutzt, die jährliche Refinanzierung laufender Kredite erst zu späteren Zeitpunkten vorzunehmen, was bereits heute zu einer geringeren Zinsbelastung des Haushalts führt.

Zweitens – und dafür sollten Sie sich die Entwicklungen der Rücklagen einmal ansehen – wird sie auch benötigt, um Neubewertungen des Anlagevermögens abzusichern. Im letzten Geschäftsbericht führte zum Beispiel die Neubewertung der Hamburger Friedhöfe zu einer außerordentlichen Abschreibung in Höhe von 463,8 Millionen Euro, die aus der allgemeinen Rücklage finanziert wurde. Ohne diese hätten kurzfristige Kredite aufgenommen werden müssen mit einer direkten Wirkung auf den Kernhaushalt. Es handelt sich also um eine, wie Sie selbst schreiben, Vorsorge für nicht oder nur schwer planbare Ereignisse.

(Beifall bei der FDP und der SPD – Dietrich Wersich CDU: Das ist Unsinn, Herr Bläsing!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir brauchen starke Bezirke, die nicht nur finanziell gut ausgestattet sind, sondern dabei auch über eine echte Budgethoheit verfügen. Was wir allerdings in den vergangenen Jahren und insbesondere seit Amtsübernahme dieses SPD-Senats – ich muss dann doch ein bisschen Wasser in den Wein schütten – erleben, ist leider das genaue Gegenteil. Nicht mehr Rahmenzuweisungen und mehr Gestaltungsspielraum für die Bezirke, sondern immer weniger Geld und immer stärkerer Zentralismus prägen die Realität.

Die FDP-Fraktion hat bei den beiden letzten Haushaltsberatungen jeweils gezeigt, wie man die finanzielle Ausstattung der Bezirke und deren Entscheidungsbefugnisse verbessert und trotzdem dabei die Haushaltskonsolidierung nicht aus den Augen verliert. Auch zu den kommenden Haushaltsberatungen werden wir entsprechende Vorschläge präsentieren, denen Sie dann auch gern folgen können. Das ist keine Drohung, das ist eine echte Ankündigung, und zwar, ohne dass wir es uns so einfach machen, wie das teilweise von einigen Kollegen beantragt wird.

Deshalb werden wir folgerichtig diesen Antrag auch ablehnen. Es stimmt, wir hatten zunächst die Überweisung beantragt, aber wir haben dann noch einmal ein paar Nächte darüber geschlafen und festgestellt, dass dieser Antrag auch im Haushaltsausschuss nicht mehr zu retten ist.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Vielen Dank, Herr Bläsing. – Das Wort hat Herr Hackbusch von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Welch eine Freude bei der SPD aufgrund dieser Rede, das habe ich selten gesehen.

(Jens Kerstan GRÜNE: Herr Bläsing ist Mit- arbeiter der Woche!)

Hat er schon einen Antrag gestellt? Nein, gut.

Ich möchte jetzt nicht die allgemeinen Wahlkampftrommeln rühren, die wir im Bezirkswahlkampf in den letzten Wochen nun hinter uns haben. Aber ich möchte Sie alle, vor allem die SPD-Fraktion, daran erinnern, wie denn Ihre Bilanz in den Diskussionen in den Bezirken war. Wir haben Bezirkswahlen am nächsten Sonntag. Wir haben alle intensiv in verschiedenen Institutionen in den Bezirken diskutiert, und Sie werden doch sicherlich mit dem Gleichen konfrontiert worden sein, mit dem ich konfrontiert wurde und wahrscheinlich viele hier. Es knirscht in den Bezirken gewaltig. Und je

(Robert Bläsing)

der, der so tut, als wenn das kein Problem wäre, macht einfach nur die Augen zu und ist eigentlich für Politik nicht fähig.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Schauen Sie sich die einzelnen Sachen an, beispielsweise die Öffnungszeiten. Reden Sie mit allen Menschen, die dort in den Bezirken arbeiten. Schauen Sie sich das Grün an oder die Bürgerhäuser. Denken Sie an die Diskussion, die wir in Bergedorf hatten, oder an den Zustand des Grüns, über den wir in Altona diskutiert haben. Was ist denn dort? Das sind doch riesige Defizite. Entweder Sie sagen, die Bezirke organisieren das falsch und sind nicht richtig aufgestellt, oder Sie müssen feststellen, dass es dort ein strukturelles Defizit gibt. Ich denke doch, dass Sie die Augen dort aufgemacht und diese Defizite festgestellt haben.

Nehmen wir beispielsweise die Wohnpflege, die in Altona praktisch nicht mehr besetzt ist. Das sind alles aktuelle Probleme, und ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Abgeordneter oder eine Abgeordnete in den letzten drei Wochen dort durch die Gegend gelaufen ist und damit nicht konfrontiert wurde. Dementsprechend gehört es sich nicht, so zu tun, als wenn es dort keine Probleme gäbe, denn die gibt es dort. Und damit müssen Sie sich auseinandersetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie müssen sich auch mit dem grundsätzlichen Problem der Tarifsteigerungen auseinandersetzen und dass sie nicht abgedeckt sind. Im Kulturbereich und in anderen Bereichen haben wir noch größere Probleme. Fragen Sie den Finanzsenator, was die Bezirke ihm abgeliefert haben vor einigen Wochen, dass sie nämlich nicht in der Lage sind, das für die nächsten Jahre in der mittelfristigen Finanzplanung zu schaffen. Und Sie tun so, als wäre das kein Problem, weil Sie nicht wissen, wie Sie das gegenwärtig lösen können. Genauso ist Herr Quast hier aufgetreten und hat es diskutiert, und deswegen sehen Sie meiner Meinung nach dort nicht richtig hin. Nur derjenige, der feststellt, dass diese Probleme da sind, ist auch in der Lage, sich damit auseinanderzusetzen.

Die letzten ein, zwei Jahre ging das vielleicht noch so einigermaßen. Aber alle Planungen für die nächsten drei, vier Jahre sagen Ihnen, dass das nicht mehr funktionieren wird. Wir werden die mittelfristige Finanzplanung gerade im Zusammenhang mit den Bezirken sehr intensiv diskutieren, und wir werden feststellen, was dort genau überlegt wird. Ich bin nicht der Meinung, dass Sie das durchhalten können. Wir werden diskutieren, inwieweit Sie das durchhalten können und wie weit man in der Lage ist, dieses Moment an der Stelle aufzumachen, denn wir werden diese Kürzungen in den Bezirken nicht durchsetzen, wenn dort nicht richtige, strategische Einschnitte gemacht werden. Und