Protokoll der Sitzung vom 22.05.2014

Die Frage ist doch, welche Möglichkeiten tatsächlich bei derartigen Planungen bestehen.

(Ole Thorben Buschhüter SPD: Jetzt fängt er an zu eiern! – Philipp-Sebastian Kühn SPD: Sprechblasen!)

Die Frage ist, warum Sie das eigentlich beim Wohnungsbau nicht stört. Die Möglichkeiten für Anwohnerinnen und Anwohner, gegen den Bau von Wohnungen vorzugehen, sind im Rahmen des Baugenehmigungsrechts viel breiter gegeben als beim Planfeststellungsrecht. Natürlich ist es so, dass Sie sich beim Wohnungsbau ein Ziel setzen, und es gibt sehr, sehr viele Klagen. Bauträger, die das im innerstädtischen Bereich machen, sagen, es gibt keinen Wohnungsbau mehr ohne Nachbarklagen. So wird es natürlich sein, und dann muss man sich auch mit solchen Widerständen auseinandersetzen. Deswegen muss man solche Planungen mit langem Atem betreiben, das ist richtig, aber im Kern geht es um die Frage, wie wir das tatsächlich zügig umsetzen können. Das gelingt uns nur, wenn wir vorher eine breite Beteiligung herstellen.

(Glocke)

Herr Dr. Steffen, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Sudmann?

– Vielen Dank, Herr Steffen.

Herr Steffen, haben Sie denn als Rechtsanwalt Erfahrungen aus anderen Städten, in denen aktuell Stadtbahnen geplant werden oder schon umgesetzt sind, mitbekommen, dass die Leute dort zu blöd waren, um zu klagen, oder wie ist es da gewesen?

(Dr. Andreas Dressel SPD: Perfekt, das geht ja runter wie Öl!)

Nicht als Rechtsanwalt.

Tatsächlich ist doch die Frage, warum es der SPD nicht gelingt, ihr Projekt den Menschen in dieser Stadt plausibel zu machen. Das liegt an grundsätzlichen Schwierigkeiten bei der Aufgleisung dieses Projekts. Das haben wir schon ganz am Anfang gesehen. Der Senat wollte uns doch glauben machen, dass man durch diese Investitionen erhebliche Einsparungen erzielen kann. Er hat uns glauben machen wollen – ich brauche jetzt keine weiteren Zwischenfragen mehr –, es würde gelingen, bei der Metrobuslinie 5 Einsparungen im Umfang von 1,275 Millionen Euro zu erzielen. Das war die Rechnung des Senats. Wir haben uns das im Ausschuss einmal genauer angesehen. Der Senat hat uns eine Rechnung vorgelegt, in der er einerseits die Einsparpotenziale darin sah, dass man weniger Busse brauche, wenn die den Weg der Linie schneller schaffen. Das heißt, man könnte mit weniger Bussen die gleiche Anzahl Fahrgäste befördern und dadurch Einsparungen erzielen. In derselben Rechnung waren Mehreinnahmen dafür eingestellt, dass man in der Lage sei, mehr Fahrgäste zu befördern. Tatsächlich sind das Effekte, die sich jeweils ausschließen. Wenn man das dann genau nachrechnet, dann stellt man fest, dass diese Maßnahme eben viel geringere Einsparungen, wenn überhaupt welche, erzielen würde, sodass sich eine Amortisation der vorgesehenen Investitionen allenfalls im Laufe von fünfzig Jahren ergeben würde. Ich hoffe ganz ehrlich, dass wir die nächsten fünfzig Jahre nicht auf eine solche Krücke wie die Busbeschleunigung angewiesen sein werden, sondern dass wir in der nächsten Wahlperiode vernünftige, machbare Verkehrspolitik machen, die geeignet ist, unsere bevorstehenden Verkehrsprobleme wirklich zu lösen und das auch mit wirklich breiter Beteiligung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Dr. Schinnenburg von der FDP-Fraktion hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. Steffen, Sie haben es geschafft. Nach zweieinhalb Jahren Diskussion über die Busbeschleunigung habe ich zum ersten Mal einen Gesichtspunkt gefunden, der für die Busbeschleunigung spricht. Wenn ich Sie so höre, dann scheint es so zu sein, dass Sie die Busbeschleunigung deshalb nicht mögen, weil Sie dann die Stadtbahn nicht durchsetzen können. Das Einzige, was ich an der Busbeschleunigung gut finde, ist, dass sie ein gutes Argument gegen die Stadtbahn ist. Insofern ist die Busbeschleunigung keine schlechte Einrichtung und dies in doppelter Hinsicht.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Zunächst einmal habe ich gehört, dass zum Beispiel in Bramfeld durch die Baumaßnahmen im Rahmen der Busbeschleunigung künftig keine Stadtbahn mehr möglich ist. Gute Arbeit, Senat, das muss ich sagen. Meine Anerkennung, das ist eine gute Maßnahme gegen die Stadtbahn.

Zweitens, und das wurde letztens erst deutlich: Bei der Busbeschleunigung ist vieles ganz schlimm – ich will das gar nicht weiter ausführen –, um nicht zu sagen ganz schrecklich, aber die Stadtbahn ist in jeder Hinsicht um den Faktor 10 schlimmer. Sie ist zehnmal schlimmer, was die Belästigung der Bürger angeht, was die Belästigung auf den Straßen angeht. Die Busbeschleunigung ist schlecht, aber die Stadtbahn ist noch viel, viel schlechter.

(Beifall bei der FDP)

Das als kleine Antwort auf Herrn Steffen. Nun zu dem, was ich ursprünglich sagen wollte, und das bleibt natürlich richtig. Das Busbeschleunigungsprogramm ist eine gigantische Verschwendung. Es handelt sich zunächst einmal um eine Verschwendung öffentlicher Gelder. Ich hatte am Anfang gesagt: Millionen für Minuten. Nun haben diverse Anfragen ergeben, dass es noch nicht einmal Minuten sind, bestenfalls Sekunden. Wir müssen also heute sagen: Zig Millionen für Sekunden. Das nenne ich eine Verschwendung von öffentlichen Geldern; das geht nicht.

(Beifall bei der FDP)

Zweiter Punkt: Sie bauen reihenweise Busbuchten zurück, die vorher mit vielen Steuergeldern erst eingerichtet wurden. Was für eine Verschwendung von öffentlichen Geldern. Nebenbei ist es auch nicht sinnvoll, denn die Busbuchten haben Sinn. Es hat aber keinen Sinn, den Straßenraum zu verringern.

Dritter Punkt: Verschwendung der Zeit von Bürgern während der Baumaßnahmen. Das können Sie jeden Tag in der Zeitung nachlesen und im Fernse

hen oder Radio hören. Die Verkehrsmeldungen im Radio sind sogar zum Teil länger als die eigentlichen Nachrichtenmeldungen. 20 Kilometer Stau an allen Ecken und Enden, das liegt maßgeblich auch am Busbeschleunigungsprogramm. Das ist Verschwendung der Zeit von Bürgern während des Baus.

Vierter Punkt: Verschwendung der Zeit von Bürgern danach. Durch Priorisierung und anderes wird der Querverkehr aufgehalten. Sie wissen genau, was geschieht, wenn der Querverkehr aufgehalten wird. Dann gibt es neue Staus. Busbeschleunigung beschleunigt nicht den Verkehr, sie verlangsamt ihn.

(Beifall bei der FDP)

Das Busbeschleunigungsprogramm führt weiter zu einer Verschwendung von privaten Investitionen. Die Kette von Geschäftsleuten, die schwere Einbußen hinnehmen mussten – ich glaube, einer musste aufgrund der Busbeschleunigung sogar zu machen –, ist lang.

(Kazim Abaci SPD: Stimmt nicht! Stimmt nicht!)

Sie gehen skrupellos mit dem Geld um, das private Bürger für Unternehmen ausgegeben haben. Es ist Ihnen anscheinend egal; schlimme Verschwendung.

Sechster Punkt: Verschwendung von Platz. Die neueste Große Anfrage der CDU-Fraktion hat ergeben, nachzulesen in Anlage 3, dass im Saldo 140 Parkplätze vernichtet werden. Es werden mehr als 200 vernichtet und 50 neu geschaffen. Mehr als 140 Parkplätze, die wir dringend brauchen, werden von Ihnen vernichtet –was für eine Katastrophenbilanz des angeblichen Busbeschleunigungsprogramms. Es gibt nur eine Antwort darauf: Sofortiger Stopp des Busbeschleunigungsprogramms, das sagt die FDP seit zwei Jahren. Netterweise, und das wundert mich wirklich, ist DIE LINKE nun auch dafür. Frau Sudmann, sonst haben wir uns über Fahrräder gestritten. Wie auch immer, schön, dass Sie nun auch dabei sind. Wir brauchen ein Moratorium: Stoppt das Busbeschleunigungsprogramm.

Nun zu den Anträgen. Wir werden uns bei Punkt 1 des Linken-Antrags enthalten, da ein sofortiger vollständiger Stopp, nicht nur der bei einigen Projekten, erforderlich ist. Den Punkten 2 und 3 der Links-Fraktion werden wir zustimmen. Beim Antrag der CDU, tut mir leid, werden wir den Punkt 1 ablehnen, da wir eben keine generelle Priorisierung von Bussen wollen. Punkt 2 werden wir ebenfalls ablehnen. Es hat keinen Sinn, Fahrkartenautomaten zwangsweise an allen Haltestellen einzurichten. Es hat auch keinen Sinn, den Busfahrern quasi zu verbieten, mit Menschen zu kommunizieren. Es gibt Menschen, die kommen mit Fahrkartenautomaten nicht klar, und dann ist es gut und

richtig, wenn sich die Busfahrer um sie kümmern. Den Service in den Bussen völlig einzustellen, ist, ähnlich wie die Gebührenpflicht bei Park and ride, eine Maßnahme, die Attraktivität von Bussen zu verringern. Das wollen wir nicht. Die Punkte 3 und 4 des CDU-Antrags werden wir unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Frau Sudmann von der Fraktion DIE LINKE hat jetzt das Wort.

Ich werde nicht über die Stadtbahn und die Stadtbahnplanung in anderen Städten reden, sondern gehe noch einmal auf den Antrag der Links-Fraktion ein und lese vor, was Sie vielleicht ein bisschen bewegen kann. Unter Punkt 1.e schreiben wir:

"Organisation von Beteiligungsverfahren für die Anwohner/-innen – unter Einbeziehung vorhandener Quartiers- und Stadtteilbeiräte und anderer Anwohner/-innengremien –, in denen ergebnisoffen die Grundlagen und Daten der Planungen zur Diskussion und Disposition gestellt werden. Dabei sind sämtliche erhobene Daten, erarbeitete Pläne und kalkulatorische Berechnungen ebenfalls zu veröffentlichen."

Das können Sie eigentlich gar nicht ablehnen, weil Sie gerade versucht haben darzustellen, dass alles wunderbar läuft. In Richtung von Frau Koeppen, die doch die transparente Beteiligung gelobt hat, will ich Ihnen als Beispiel die Gerichtstraße nennen und wie es dort war. Sie können in zahllosen Anfragen nachlesen, dass die Vorplanung für die Maßnahme an der Max-Brauer-Allee in Altona, Haltestelle Gerichtstraße, noch nicht abgeschlossen ist. Man rechnet mit einem Abschluss im Frühjahr 2014. Das hat aber den Senat nicht daran gehindert, vergangenes Jahr am 14. Juni, also fast genau vor einem Jahr, die Haltestellen schon einmal zu verlegen. Es hat keine Beteiligung der Bezirksversammlung gegeben, Frau Koeppen, weil die Vorplanung noch nicht abgeschlossen war. Die Haltestelle wurde weit weg von der Kreuzung verlegt. Dadurch ist die Rechtsabbiegespur für den Individualverkehr frei gemacht worden. Deswegen kann ich mich hier mit Fug und Recht hinstellen und sagen: Dort haben Sie eine reine Autoverkehrsbeschleunigung gemacht.

(Arno Münster SPD: Das stimmt doch gar nicht! Sie kennen sich doch gar nicht aus! Das ist doch Blödsinn!)

Herr Münster, in Altona sollten Sie sich auskennen. Gerichtstraße ist die Haltestelle, die in der Nähe des Gerichtsviertels liegt, und Sie werden wissen – bleiben Sie bitte hier –, da Sie sich in Altona auskennen,

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

dass sehr viele Menschen im Gerichtsviertel und dem gegenüberliegenden Wohngebiet wohnen. Diese Menschen sollten beteiligt werden. Der Senat sagt, er habe 200 Exemplare einer Hauswurfsendung verteilt. Es gibt dort weit über tausend Haushalte. Überlegen Sie einmal, wer da wo beteiligt wurde.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Jede fünf- te!)

Jede fünfte mag gut sein. Mir ist das definitiv zu wenig.

Deswegen waren auch viele Leute völlig überrascht, als eines Tages die Haltestelle weg war. Sie, Herr Münster, wissen, dass es dort auch Stifte gibt, Sie wissen, dass dort auch alte Menschen leben. Alle von Ihnen haben vermutlich ältere Eltern und werden wissen, wie schwer es für alte und behinderte Menschen ist, plötzlich 200 Meter weiter zu gehen. Genau das machen Sie in der Gerichtstraße in Altona. Deswegen schauen Sie bitte noch einmal auf das Petitum Nummer 2 der LinksFraktion und sorgen dafür, dass diese Haltestellenverlegung rückgängig gemacht wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Herr Münster aus Altona oder Frau Koeppen aus Eimsbüttel und alle aus der SPD-Fraktion sich hier immer noch hinstellen mögen und sagen, auch das sei ein Beispiel für transparente Beteiligung, was sich für andere Stadtteile auch eignen würde, dann tun Sie es bitte. Wenn Sie das nicht können, dann stimmen Sie unserem Antrag zu oder überweisen Sie ihn wenigstens.

(Beifall bei der LINKEN)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer möchte zunächst einer Überweisung der Drucksachen 20/11740 und 20/11746 an den Verkehrsausschuss zustimmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Überweisung abgelehnt.

Ich lasse nun in der Sache abstimmen. Wir beginnen mit dem Antrag der Fraktion DIE LINKE aus Drucksache 20/11746. Hierzu möchte die FDPFraktion Ziffer 1 separat abstimmen lassen.

Wer möchte dann zunächst Ziffer 1 des Antrags annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist diese Ziffer abgelehnt.

Wer möchte nun den Ziffern 2 und 3 seine Zustimmung geben? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit sind auch diese beiden Ziffern abgelehnt.