Protokoll der Sitzung vom 04.06.2014

Nun bekommt Jens Kerstan von der GRÜNEN Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist ein wichtiger und ein guter Beschluss, den wir heute hier fassen wollen, denn in der Tat sind wir jetzt dabei, einem langen Kampf hoffentlich eine gute Wendung zu geben und mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort in der Altonaer Initiative "Ohne Dach ist Krach" ein wichtiges städtebauliches Projekt voranzubringen, das Zehntausende Menschen vor gesundheitsschädlichem Lärm schützen wird und eine Barriere in einem Stadtteil zu überwinden hilft, was einen großen Fortschritt für die Lebensqualität in diesem Stadtteil bringen wird. Insofern bin ich froh, dass wir uns hier mit großer Mehrheit zu diesem Ziel bekennen werden.

(Dr. Andreas Dressel)

(Beifall bei den GRÜNEN, vereinzelt bei der SPD und bei Hans-Detlef Roock CDU)

Das ist ein großes Projekt aus der letzten Legislaturperiode, und es war nicht selbstverständlich, dass sich hier ein Senat entschließt, den Deckel über die 730 Meter hinaus, die der Bund bereit ist zu finanzieren, auf 2030 Meter zu verlängern. Zu dem Hamburger Anteil: Es ist gut, dass wir uns jetzt auch mit anderen Mehrheitsverhältnissen in dieser Legislaturperiode eindeutig dazu bekennen. Und es ist ein besonders gutes Zeichen, dass wir uns, wie im Altonaer Konsens geschehen, auch hier in der Bürgerschaft einig sind, dass diese 2030 Meter nicht ausreichen und der Deckel nach Süden verlängert werden soll, gerade in den Bereich der Initiative in Altona, wo dieses Projekt vor vielen Jahren angestoßen wurde. Auch das ist eine gute Botschaft.

(Beifall bei den GRÜNEN, vereinzelt bei der SPD und bei Hans-Detlef Roock und Birgit Stöver, beide CDU)

Ich freue mich insbesondere – und da möchte ich Andreas Dressel, aber auch der Mehrheitsfraktion danken –, dass Sie sich in diesem Antrag ohne Wenn und Aber zu dem Hamburger Deckel von 2030 Metern bekennen. Wir wissen, dass das keine Kleinigkeit ist, denn es ist auch bekannt, dass die federführende Behörde und gerade auch der dortige Staatsrat in den letzten Wochen und Monaten häufiger durch die Stadt gerannt ist und von einem Plan B gesprochen hat. Das klare Bekenntnis, das wir in diesem Antrag beschlossen haben, schiebt solchen Überlegungen in der BWVI einen Riegel vor und bekennt sich dazu, dass es nicht sein kann, dass Hamburg, sollte der Bund unter Umständen durch mehr Finanzmittel eine Verlängerung des Deckels nach Süden ermöglichen, dann auf einmal die Verpflichtung im Norden aufheben und den Deckel, so wie er bereits in der letzten Legislaturperiode beschlossen wurde, verkürzen könnte. Das wäre wirklich ein falscher Weg, und ich freue mich einfach, dass da die Mehrheitsfraktion ihrer Verantwortung gegenüber den Menschen in Altona, aber auch gegenüber der Initiative gerecht geworden ist und sich in diesem Punkt solchen Überlegungen im Senat entgegengestellt hat. Das ist auch etwas, worauf wir hier im Parlament stolz sein können und wo es richtig und gut war, dass wir so lange gerungen haben, damit ein solcher einfacher Ausweg in einem wichtigen Projekt nicht kommt. Dafür möchte ich noch einmal dir, lieber Andreas, aber auch der Mehrheitsfraktion ganz herzlich danken.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD und der CDU)

Natürlich kann man den Bund fragen, ob er jetzt auch bereit ist, für den Hamburger Verantwortungsteil mehr Geld herauszurücken. Fragen kostet ja nichts, aber da der Bund nicht einmal in der

Lage ist, seinen gesetzlichen Verpflichtungen bundesweit ohne Probleme nachzukommen, ist es wenig wahrscheinlich, dass er vor dem Hintergrund zum freiwilligen Anteil Hamburgs noch Geld dazugibt. Fragen kostet nichts. Uns war wichtig, dass es kein Junktim geben darf, und wir werden auch im weiteren Planungsprozess sehr genau im Auge behalten, dass ein solches Junktim nicht aufgemacht wird, dass nämlich der Hamburger Deckel von 2030 Metern Länge nur dann kommen sollte, wenn der Bund bereit wäre, zusätzliches Geld herauszugeben. Insofern war es uns wichtig, und darum hat diese Einigung lange gedauert, sich darauf zu verständigen, dass die Formulierungen klar sind.

Auch ich möchte noch einmal eindeutig der Initiative selbst danken. Sie haben sich in diesen Prozess konstruktiv eingebracht, und das hat mit Sicherheit geholfen, dass wir heute diesen guten Antrag gemeinsam beschließen, der den Bürgerinnen und Bürgern in Altona endlich das in Aussicht stellt, wofür sie schon lange gekämpft haben, nämlich nicht nur einen Deckel von 2030 Metern Länge, sondern auch die Möglichkeit, ihn nach Süden noch weiter zu verlängern. Insofern hoffen wir, was lange währt, wird endlich gut. Da sind wir noch nicht, und es wird mit Sicherheit am Ende der Vorplanungen noch eine endgültige Entscheidung geben, wenn Kosten und Machbarkeit deutlich klarer untersucht sind und vorgelegt werden, aber heute gehen wir gemeinsam einen wichtigen Schritt. Ich möchte noch einmal allen Beteiligten im Parlament, aber auch der Initiative danken, dass das gelungen ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD und der CDU – Olaf Ohlsen CDU: Ja, nun ist auch gut!)

Jetzt bekommt Herr Dr. Schinnenburg von der FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist in der Tat eine sehr schöne Stunde, die wir hier erleben, und in der sich immerhin vier von fünf Fraktionen in dieser wichtigen Sache zusammenfinden und gemeinsam etwas beschließen. Es ist auch aus einem anderen Grund eine schöne Stunde, weil es ein Teilerfolg für die Bürgerinitiative ist, ein Teilerfolg insofern, als noch viel passieren muss, aber ein Schritt in die richtige Richtung ist getan. Ich will jetzt gar nicht bauchpinseln, aber wir haben alle viel mit Bürgerinitiativen zu tun. Manche sind einfach nur destruktiv, sie sind grundsätzlich dagegen oder wollen etwas, sagen aber nicht, wie es geht und wie es finanziert wird. Diese Bürgerinitiative hat sehr konstruktiv gearbeitet und konkrete Forderungen gestellt, aber auch konkrete Finanzierungsvorschläge vorgelegt. Das ist absolut vorbildlich, und

(Jens Kerstan)

daran sollten sich viele Bürgerinitiativen einmal ein Beispiel nehmen.

(Beifall bei der FDP, der SPD, den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Wir brauchen eine Verbreiterung der A 7, wir brauchen auch eine Überdeckelung. Diese Argumente wurden schon genannt; ich will sie nicht wiederholen. Ich will nur einmal quasi aus dem Bauch heraus sagen, dass ich, als ich vor ein paar Jahren zum ersten Mal von der Galerielösung auf einem vergleichsweise kurzen Stück hörte, dachte, das könne doch gar nicht sein. Ich fand die Idee, eine Galerielösung zu machen, von vornherein absurd. Ich kann mir vorstellen, dass man sagt, wir wollen überhaupt keinen Deckel, das ist alles zu teuer; das würde ich verstehen. Aber wenn ich schon Hunderte Millionen Euro ausgebe, dann lasse ich es nicht an gut 10 Millionen Euro scheitern und mache etwas, was nie wieder geändert werden kann, denn keiner darf glauben, es werde erst eine Galerielösung geben und nach 20 Jahren komme doch der volle Deckel. Das wird nicht passieren. Wenn, dann muss man gleich für einen richtigen Volldeckel kämpfen. Die Galerielösung hat mich nie überzeugt, und 10 oder 15 Millionen Euro Mehrkosten für einen Volldeckel können eigentlich nicht der Grund sein, insbesondere deshalb nicht, wenn man sich anschaut, dass allein die Gesamtkosten für Autobahn und Deckel von 2009 bis 2011 um 35 Prozent oder 150 Millionen Euro gestiegen sind, davon allein 34 Millionen Euro für Hamburg. Dann kann es doch nicht ernsthaft an 10 oder 15 Millionen Euro scheitern. Das Argument hat mir ehrlich gesagt nie eingeleuchtet.

Jetzt will ich es einmal positiv ausdrücken: Ich freue mich, dass die SPD nun auch mitmacht. Ich kann mich noch an den Dezember 2011 erinnern, da hatten die Oppositionsfraktionen einen Antrag eingereicht, Drucksache 20/2613, in dem wir einen Volldeckel beantragt haben, und den hat die SPD abgelehnt. Aber das ist kein Problem, jetzt haben Sie die Kurve gekriegt, und das begrüßen wir außerordentlich. Deshalb stimmen wir diesem Antrag selbstverständlich auch zu.

Eine Bemerkung möchte ich noch machen – es klang bei einigen anderen Rednern auch schon an –: Es ist richtig, den Bund aufzufordern, sich konstruktiv zu verhalten, aber es wäre grundfalsch, sich hinter dem Bund zu verstecken. Es geht um Hamburger Bürger, die einen Vorteil haben sollen, und zwar um nicht wenige Hamburger Bürger. Bei den Kostenrelationen, die ich gerade genannt habe, kann sich Hamburg nicht auf Dauer hinter dem Bund verstecken. Der Volldeckel muss her. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Nun bekommt das Wort Frau Sudmann von der Fraktion DIE LINKE.

(Zuruf von Olaf Ohlsen CDU)

Soll ich etwas sagen oder wollen Sie die Rede selbst halten? Okay, ich fange an, und zwar mit drei kurzen Punkten, die ich nachher noch einmal vertiefen werde.

Der erste Punkt: Es gibt eine völlige Übereinstimmung, das wissen Sie alle. Alle Fraktionen, auch DIE LINKE, haben immer gesagt, dass sie einen langen Deckel wollen. Sie wissen auch ganz genau, dass es die SPD war, die gesagt hat – ich denke da an die Diskussion im Verkehrsausschuss im September 2011 –, ein langer Deckel wäre zwar irgendwie schön, aber eigentlich können wir das nicht machen. Der zitierte Staatsrat hat mit sehr starken Argumenten dagegengehalten.

Der zweite Punkt: Konsens klingt immer gut, und wenn jemand da nicht mitmacht, ist es immer schwierig. Wenn Sie den Konsens, den Sie beschließen werden, genau betrachten, dann werden Sie aber feststellen, dass schon mal eine Hintertür weit aufgestoßen wurde; ich werde gleich noch darauf eingehen, was ich damit meine.

Zur Bürgerinitiative: Ich wünsche ihr, dass sie weiterhin einen langen Atem hat, weil ich glaube, dass sie ihn leider weiterhin brauchen wird. Als vor gut 20 Jahren die vierte Röhre gebaut wurde und sie sich für Lärmschutz eingesetzt hat und die Deckelidee geboren wurde, waren alle begeistert. Das wurde ein paar Jahre diskutiert, dann ist es unter den Tisch gefallen,

(Zuruf von Olaf Ohlsen CDU)

und dann wurde diese Deckelidee ganz fiese verknüpft nach dem Motto: Ihr könnt einen Deckel bekommen, aber dafür brauchen wir einen achtspurigen Ausbau.

Verkehrspolitik aus Sicht der LINKEN sieht anders aus; das haben wir heute schon einmal diskutiert. Sie besteht nicht darin zu sagen: Erst einmal erzeugen wir wesentlich mehr Verkehr und dann schauen wir, ob wir die Bürger und Bürgerinnen schützen können. Auch die Stadtentwicklungspolitik, die wir uns vorstellen, sieht anders aus. Dass diese Wunde zwischen den Stadtteilen, die damals ein SPD-Senat durch die Stadt geschlagen hat – die Schneise für die A 7 –, geschlossen werden muss, steht völlig außer Frage.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Helmut Schmidt in den Siebzigern!)

Helmut Schmidt war's? Wunderbar, jetzt haben wir auch noch einen Schuldigen gefunden.

Sie von der Initiative wohnen da und andere, die dort an der Autobahn wohnen, wissen, dass das eine unüberbrückbare Situation ist. Da wächst

(Dr. Wieland Schinnenburg)

auch kein Stadtteil wieder zusammen. Wir stellen uns aber eine Stadtentwicklung vor, die durch einen Deckel verbessert wird. Dieser Deckel ist wunderbar,

(Olaf Ohlsen CDU: Ja, aber!)

aber Sie haben vor – mittlerweile im breiten Konsens –, diesen Deckel durch Grundstücksverkäufe zu finanzieren, und zwar zu Höchstpreisen,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wie ist denn Ihr Finanzierungsmodell?)

und dann wollen Sie da Wohnungsbau haben. Ich glaube, selbst Herr Ohlsen in seinem heimeligen Eidelstedt und Herr Dressel in seinen Walddörfern haben schon erkannt, dass wir in Hamburg Wohnungsbau brauchen, der für die Mieter und Mieterinnen finanzierbar ist; wir brauchen günstige Wohnungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Was Sie machen, bedeutet, dass wir im gesamten Umfeld nur hochpreisige Wohnungen haben werden; das brauchen wir nicht.

(Olaf Ohlsen CDU: Wenn wir dafür Mieter finden, ist das doch in Ordnung!)

Endlich haben Sie es einmal wunderschön beschrieben. Sie finden dafür Mieter, aber andere finden keine Wohnung, weil auf den Flächen, auf denen günstiger Wohnungsbau entstehen sollte, sauteure Wohnungen stehen. Genau das ist das Problem, Herr Ohlsen.

(Dietrich Wersich CDU: Das ist doch eine Milchmädchenrechnung!)

Ich merke, Sie haben es verstanden.

(Finn-Ole Ritter FDP: Nein, Sie haben es nicht verstanden!)

Sie wollen sich doch eigentlich immer nach der Nachfrage richten; Markt heißt schließlich Angebot und Nachfrage. Die Nachfrage kennen Sie: 53 Prozent der Hamburger und Hamburgerinnen haben Anspruch auf geförderten Wohnraum, Herr Roock sagt es doch immer, und dafür brauchen wir das.

(Jens Kerstan GRÜNE: Sie drucken das Geld wohl selber?)

Wir drucken das Geld nicht selber, Herr Kerstan, sondern wir sagen, das Geld ist da, in Hamburg und im Bund.

Wir als LINKE haben – auch wenn Sie die Stirn kraus ziehen, Herr Dressel – schon sehr viele Finanzierungsvorschläge gemacht, die darauf zielen, wie man die Einnahmeseite erhöhen kann.

(Zurufe von der SPD und der FDP)