Die Schulabgängerbefragung der Schulbehörde von 2013 sagt: Nur 39 Prozent der Schulabgängerinnen und Schulabgänger haben einen Ausbildungsplatz gefunden, wobei die scheinbare Verbesserung gegenüber dem Vorjahr auf einem einmaligen Effekt beruhte, der gerne verschwiegen wird: Im Schuljahr 2012/2013 gab es nur Schulabgänger und Schulabgängerinnen aus den zehnten Klassen und im Jahr davor noch aus den Klassen 9 und 10, also aus zwei Jahrgängen.
Sie haben von Dynamik gesprochen, Herr Schwieger. Das ist Dynamik, aber leider in die falsche Richtung. Als die Hauptschule in die Krise geriet, waren häufig Berichte aus Hauptschulklassen in den Medien. Ich möchte Ihnen einmal ein Beispiel aus der zehnten Klasse einer Stadtteilschule vorstellen. Von den 27 Schülerinnen und Schülern dieser Klasse werden sechs die Oberstufe besuchen, und von den verbleibenden 21 hat bislang eine einzige Schülerin einen Ausbildungsplatz als Friseurin. Damit sind wir bei der Berufsorientierung. Die SPD sagt dazu:
"Hamburgs Jugendliche brauchen keine populistischen Forderungen, sondern an der schwierigen Nahtstelle zwischen Schule und Beruf wirksame Angebote zur Berufsorientierung und Betreuung."
Berufsorientierung gibt es schon seit 2009, und bisher hat sich dadurch an der Ausbildungsnot nichts geändert, im Gegenteil. In der neuesten Hamburger Lehrerzeitung kann man nachlesen, dass Schulsenator Rabe an den versprochenen 120 Stellen für die Berufsorientierung kürzt. 17 Stellen sind an die Jugendberufsagenturen ge
Wie ernst die Lage in diesem Jahr ist, erkennt man an der Gesamtübersicht der Ausbildungsstellenmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit aus dem Mai. Da taucht bei dem Begriff einmündende Bewerber die Zahl 1408 auf. Wenn man das umrechnet, dann sind vier Wochen vor Schulende 18,2 Prozent der bei der ARGE gemeldeten Bewerber versorgt. Das ist entschieden zu wenig.
Hinzu kommt, dass in der Ausbildungsstatistik nur Jugendliche aus Hamburg gezählt werden, obwohl 40 Prozent der Ausbildungsplätze an Jugendliche aus dem Umland gehen. Das ist ungefähr so, als wenn man bei einer Verkehrszählung in der Hansestadt nur die Autos mit Hamburger Kennzeichen zählen würde. Keiner würde eine derartige Statistik ernst nehmen.
Der SPD-Senat hat keinerlei Verbesserungen angesichts der Ausbildungsnot unserer Jugendlichen bewerkstelligt. Mit dieser Einschätzung sind wir nicht allein. Der DGB hat eine Presseerklärung abgegeben – ich zitiere daraus –:
"Der absolut deutliche Rückgang der gemeldeten Ausbildungsplätze sei besorgniserregend, so der DGB Hamburg. 'Viel zu viele Jugendliche wurden bislang in die Warteschleifen von Übergangsmaßnahmen oder gar Hartz IV geschoben.'"
Das muss aufhören. Ich frage die SPD: Verzerrt der DGB nach Auffassung Ihrer Fraktion und Ihrer Partei auch die Realität? Wir sagen nein, es muss etwas gegen die Ausbildungsnot getan werden.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Arbeitsmarktund Bildungspolitik diskutieren wir leidenschaftlich über Themen wie Hartz IV, Mütterrente, PISAPunkte, Zentralabitur und vieles mehr. Ein aus unserer Sicht besonders wichtiges Thema ist dabei in der Vergangenheit regelmäßig übersehen worden, nämlich die Frage, wie eigentlich jungen Menschen der Übergang von der Schule in den Beruf gelingt. Das ist umso erstaunlicher, als sich an dieser Frage viel stärker als bei der Frage Zentralabitur oder PISA-Punkte das Lebensglück junger Menschen entscheidet. Gelingt der Weg in ein selbstbestimmtes Leben, gelingt der Weg zu Chancen, zu Wohlstand und zu einem Platz in der Gesellschaft? Das
Deswegen hat der Senat gesagt – das sage ich gerade in Richtung FDP, die gesagt hat, das Thema sei gar nicht aktuell –,
dieses Thema muss endlich auf die Tagesordnung gebracht werden und gemeinsam mit Unternehmen, Kammern, Gewerkschaften und allen staatlichen Einrichtungen energisch angepackt werden. Hier geht es um das Lebensglück junger Menschen.
Erstens: Wir müssen feststellen, dass viele junge Menschen und viele Jugendliche zu wenig Erfahrung und Ahnung von der Berufswelt haben. Wir erkennen das immer wieder an einzelnen Beispielen. Auf die Frage, welche Berufe sie kennen, können 80 bis 90 Prozent der Schüler nur fünf oder sechs Berufe nennen. Es gibt jedoch in Hamburg 360 Berufe und mehr. Allein das zeigt schon, mit welcher Ahnungslosigkeit häufig der Berufswelt begegnet wird. Was Wunder, könnte man sagen, denn wer nachmittags Fernsehen schaut, hat den Eindruck, dass man nur Model oder Medienmensch werden kann. Und wenn viele familiäre Strukturen in Hamburg zunehmend dem Arbeitsmarkt nicht mehr so zugewandt sind, dann bleibt es tatsächlich eine Aufgabe der Schulen, dafür zu sorgen, dass junge Menschen sich an der Berufswelt orientieren, dass sie lernen, wie man sich bewirbt, dass sie erfahren, welche Berufe angeboten werden, und dass sie eine gesunde Selbsteinschätzung bekommen über das, was sie können und wozu sie geeignet sind.
künftig zwei Stunden in der Woche im Stundenplan der Klassen 8, 9 und 10 die Berufs- und Studienorientierung zu verankern, die auf all diese Fragen vorbereitet, damit junge Menschen nicht unvorbereitet in den Berufsweg stolpern, sondern gut vorbereitet ins Leben gehen können. Das ist die erste Maßnahme, und ich finde, es ist eine richtige Maßnahme.
Zweitens: Wenn es immer weniger Menschen gibt, die die Hand reichen und jungen Leuten erklären können, wie der Übergang funktioniert, dann muss der Staat tatsächlich darauf eine Antwort finden. Wir haben viele Beratungsinstitutionen, die Arbeitsagentur, das Jobcenter, die beruflichen Schulen,
und selbst in den Bezirksämtern gibt es Stellen, die beraten. Aber sie waren dezentral organisiert, und junge Menschen, die sich auf den Weg machten, landeten häufig bei einer Stelle, die dann ausgerechnet nicht zuständig war. Wir wissen von einer ganzen Reihe von Irrwegen durch die Stadt. Beispielsweise hatte sich jemand erst im Bezirksamt gemeldet, wurde dann zur Arbeitsagentur geschickt und dort stellte man fest, dass die Eltern Hartz-IV-Empfänger sind. Dann wurde der Betreffende weiter geschickt ins Jobcenter, und wenn das Jobcenter dann merkte, dass er unter 18 Jahre alt war, wurde er an die Berufsschule geschickt. Wenn man dann am Ende noch ankommt, ist es kein Wunder – Herr Schwieger hat es gesagt –, dass 1700 junge Menschen auf dieser Odyssee in Hamburg scheinbar verschwunden sind und sich niemand mehr ihrer angenommen hat.
Deswegen bündeln wir diese verschiedenen Hilfsangebote unter einem Dach. Es gibt einen klaren Ansprechpartner, und wenn man an der falschen Tür geklopft hat, dann gibt es dort einen Mitarbeiter, der den Betroffenen an die Hand nimmt und an der richtigen Tür klopft. Dann ist es ein Weg von 3 Metern und kein Weg von drei Wochen und Irrwegen durch diese Stadt. Das ist ein bundesweit einmaliger Schritt, der in der Öffentlichkeit viel Aufmerksamkeit hervorgerufen hat, der von anderen Bundesländern kopiert wird und auch Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden hat. Das zeigt schon, dass wir hier einen energischen Schritt gegangen sind, um etwas zu verbessern, das im Argen lag.
Bei der Jugendberufsagentur haben wir auch gleich ein zweites Problem bewältigt. Es sind so viele Kinder und Jugendliche verloren gegangen, weil keiner wusste, dass sie überhaupt da sind und Rat suchen. Wir haben zum ersten Mal lückenlos genau überprüft, wo unsere Schülerinnen und Schüler denn wirklich nach der Schule bleiben. Da wir ein zentrales Schülerregister haben, ist das leicht möglich. Zum ersten Mal stellte sich heraus – und hier pflichte ich Frau Heyenn ausdrücklich bei –, dass die Zahlen keineswegs so schön sind, wie die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland immer dargestellt wird. Es stimmt, von den Schulabgängern, die kein Abitur machen, sondern mit Haupt- oder Realschulabschluss abgehen, wenige auch ohne Schulabschluss, und die dann ihren Lebensweg gehen, schaffen es tatsächlich nur 25 bis 35 Prozent, direkt im Anschluss an die Schule einen Ausbildungsplatz zu belegen; dagegen bekommen zwei Drittel nicht direkt einen Ausbildungsplatz. Auch das haben wir nachweisen können durch eine genaue Erfassung. Aber genau das, Frau Heyenn, widerspricht auch Ihrer These, dass wir nicht hinschauen wollen. Wir haben damit – das darf ich einmal politisch sagen – sogar indirekt schlechte Zahlen produziert, weil wir jeden
zählen und zum ersten Mal aufgedeckt haben, wie viele nichts bekommen. Die Zahlen sind in der Tat schlecht, das will ich nicht in Abrede stellen. Aber wir schauen genau hin, weil wir nur auf diesem Wege wirklich jedem helfen können, und das ist auch etwas Neues, was es in Deutschland vorher nicht gegeben hat.
Zum Schluss will ich auf eine dritte Maßnahme hinweisen, und die haben wir gemeinsam angeschoben. Diejenigen, die nichts bekommen – wir wünschen uns, dass es weniger werden –, waren in der Vergangenheit in Warteschleifen der beruflichen Schulen. Sie wurden dort sicherlich mit viel Mühe und viel Engagement der Pädagogen begleitet, aber es führte in der Regel zu wenig Erfolg. Deswegen haben wir fraktionsübergreifend gesagt – ich glaube, ursprünglich eine grüne Initiative, die dann Herr Wersich in dem Interregnum eingebracht hat und wo alle Parteien zugestimmt haben –, dass wir diese Übergangsmaßnahmen der Berufsschulen jetzt anders gestalten. Wir machen sie so, dass die Jugendlichen nicht nur in der Berufsschule lernen, sondern immer parallel ein Praktikum in einem richtigen Unternehmen machen. Wir erhofften uns davon einen Klebeeffekt, und dieser Effekt ist tatsächlich eingetreten. Es gibt manchmal einen regelrechten Hallo-Wach-Effekt auf beiden Seiten. Junge Menschen entdecken, dass sie vielleicht in der Schulzeit immer die Schwierigen in der letzten Bank waren, aber jetzt plötzlich in einem Unternehmen stehen und ernst genommen werden. Das nehmen sie als Chance zu einem Neuanfang. Aber auch Unternehmen erkennen, dass man jemanden von der Bewerbungsmappe her vielleicht nicht eingestellt hätte, dass es aber ein tüchtiger junger Mann oder eine tüchtige junge Frau ist. Deswegen funktioniert genau dieses Übergangssystem wirklich deutlich besser. Unsere dritte Maßnahme ist eine, wie ich finde, richtige Einrichtung. Dual oder BQ sind die beiden Stichworte, und sie funktionieren ausgezeichnet.
Nicht leugnen lassen sich die Zahlen, die Frau Heyenn genannt hat: 25 Prozent waren es im vorletzten Jahr, 38 bis 39 Prozent in diesem. Ein halbes Jahr später sah es schon etwas besser aus, weil durch Nachvermittlung noch etwas mehr ging, aber das ist natürlich deutlich zu wenig.
Wenn wir jetzt zum ersten Mal genau hinschauen, entdecken wir viele Arbeitsfelder, die ich nicht leugnen will. Dazu zählt, dass wir die Berufsorientierung der Stadtteilschule noch verbessern müssen. Dazu zählt, dass wir passgenauer vermitteln müssen; das ist sicherlich eine große Aufgabe. Dazu zählt auch, dass wir Ausbildungsplätze schaffen müssen, und das ist nicht nur eine Aufgabe des Staates, sondern auch eine Aufgabe der Wirtschaft. Wir sind in guten Gesprächen mit den Un
ternehmen, aber manchmal kann es auch nicht schaden, den Unternehmen zuzurufen, dass Azubis nicht 19 Jahre alt, verheiratet und einen Führerschein haben müssen, sondern die duale Berufsausbildung Teil einer Ausbildung ist. Es sind keine fertigen, perfekten Menschen, die dort ankommen, sondern Menschen, die von den Sozialpartnerinnen und Sozialpartnern genauso wie von der Schule in das Leben begleitet werden. Das ist die Stärke der dualen Ausbildung, und deswegen sind alle Beteiligten, auch die Unternehmen, gebeten,
energisch weiter daran zu arbeiten, dass wir genügend Ausbildungsplätze für die jungen Menschen haben. Dann wird es gelingen, diese schwierige Frage für Hamburg gut zu beantworten. – Vielen Dank.
Herr Senator, ich weise Sie darauf hin, dass den Abgeordneten in der Aktuellen Stunde lediglich eine Redezeit von 5 Minuten zur Verfügung steht.
Jetzt wird das Wort erneut gewünscht von Frau Heyenn von der Fraktion DIE LINKE, und sie bekommt es.
Wenn wir schon von Berufsorientierung sprechen, dann macht Berufsorientierung nur dann Sinn, wenn die Jugendlichen auch wissen und hoffen können, dass es ausreichend Ausbildungsplätze gibt. Aber genau das ist nicht der Fall. Darauf weist auch der DGB in seiner Presseerklärung hin – ich zitiere –: