Protokoll der Sitzung vom 22.06.2011

(Dr. Joachim Bischoff)

dann aber sagen, wo die dreistelligen Millionenbeträge herkommen, die wir dafür brauchen.

(Beifall bei der SPD)

In dem Zusammenhang müssen Sie dann auch ganz konkret sagen, was Sie tun wollen. Wollen Sie die beiden Staatstheater zusammenlegen? Wollen Sie Feuerwachen und Polizeirevierwachen streichen oder zusammenlegen? Das müssen Sie dann offen sagen und sich der Diskussion in dieser Stadt mit Ihren Vorschlägen stellen, das wäre seriöse Haushaltspolitik, Herr Heintze.

(Beifall bei der SPD)

Dann ist da noch dieses Thema Steuersenkung, Herr Dr. Bischoff hat es schon aufgegriffen. Es ist nun leider so, dass dieses Stichwort in Berlin tatsächlich schon wieder durch die Gegend geistert,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Furchtbar! – Kat- ja Suding FDP: Richtig so!)

und ganz abgesehen davon, dass ich die Debatte in Berlin für gespenstisch und falsch halte, möchte ich noch einmal daran erinnern, dass wir vor nicht allzu langer Zeit tatsächlich ganz konkrete Auswirkungen hatten. Dieses Gesetz hieß "Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums" und hat uns in Hamburg zweistellige Millionenbeträge gekostet.

Herr Wersich, ich habe die herzliche Bitte – er ist jetzt nicht da, dann trifft das Herrn Heintze und Frau Suding –, mit Ihren Kolleginnen und Kollegen in Berlin zu sprechen, damit dieser Unfug endlich aufhört in Berlin. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Katja Suding FDP: Auf keinen Fall!)

Herr Senator Tschentscher hat das Wort.

Ich würde gern noch einmal etwas zu dem Vorschlag von Frau Hajduk sagen, welche Alternativen es zur Verwendung der Steuermehreinnahmen gibt. Es gibt immer zu allem Alternativen, das ist völlig klar, und diese Alternative, die Frau Hajduk skizziert, ist eine denkbare. Wir haben auch überlegt, welche Varianten man wählen kann. Es klingt sogar sehr positiv: Wir halbieren die Nettoneuverschuldung, behalten 12 Millionen Euro für die Hochschulen übrig und dann ist im Pensionsfonds irgendwie trotzdem alles in Ordnung. Und dieser letzte Punkt, der geht nicht auf in dieser Rechnung.

Der Vermögensverlust im Pensionsfonds ist auch über Nacht eingetreten, nämlich im Zusammenhang mit der HSH-Nordbank-Krise. Dort hat es diesen Vermögensverlust gegeben, weil schlicht die Anteile an der HSH Nordbank über Nacht um 700 Millionen Euro weniger wert waren. Das hat

uns damals sehr beschäftigt und wir haben auch von Anfang an gesagt, dass das ein Riesenproblem sei, während die damalige Regierungsseite gesagt hat, die HSH-Krise werde den Haushalt nicht einmal berühren.

Dieses Beispiel ist mir so in Erinnerung, weil es zeigt, dass uns diese Dinge außerhalb des Kernhaushalts immer einholen. Deswegen sind wir sehr empfindlich bei der Frage, was im Kernhaushalt passiert und was wir außerhalb des Kernhaushalts für offene Rechnungen haben; da ist leider noch mehr als nur der Pensionsfonds. Wenn wir diese Rekapitalisierung nicht möglichst schnell hinbekommen, dann läuft das Defizit in spätere Jahre und wir werden nicht darum herumkommen, das Defizit zu einem späteren Zeitpunkt ausgleichen zu müssen. Das ist eine Hypothek, die wir nicht anders loswerden, als es aus dem Kernhaushalt zu begleichen. Sie sollten im Haushaltsausschuss und als Parlament sehr sorgfältig darüber nachdenken, ob man wirklich eine Verpflichtung außerhalb des Kernhaushalts haben will, ohne sie zu decken.

Man kann sich überlegen, diese Pensionsverpflichtung in diesem Fonds komplett aufzulösen und alles zurück in den Kernhaushalt zu nehmen, dann hat man eben auch alle Lasten im Kernhaushalt. Aber eine Last aus dem Kernhaushalt heraus zu verlagern, ohne die entsprechende Deckung, ohne ein entsprechendes Gegenkapital, das ist etwas, was wir uns jedenfalls nicht mehr für die Zukunft wünschen.

Es gibt weitere Sondervermögen dieser Art. Mir macht es durchaus Sorge – und wir haben das auch als Opposition gesagt –, dass wir den Schulbau jetzt außerhalb des Kernhaushalts auf Kredit finanzieren. Das wird uns noch einholen.

(Farid Müller GAL: Ja!)

Wir haben ein Sondervermögen Stadt und Hafen außerhalb des Kernhaushalts; darüber ist noch viel zu wenig gesprochen worden.

(Jens Kerstan GAL: Von Herrn Voscherau, genau!)

Ja, eingesetzt außerhalb des Kernhaushalts, von wem auch immer, Herr Kerstan. Die Schulden sind völlig unpolitisch, sie treffen immer jeden und uns als Parlament.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb haben wir außerhalb des Kernhaushalts eine Reihe an offenen Rechnungen. Ich würde dem Parlament, ich würde uns allen empfehlen, diese offenen Rechnungen so schnell wie möglich zu schließen, denn nur dann haben wir die nötige Transparenz, die nötige Wahrheit, wo wir eigentlich im Verhältnis zu Einnahmen und Ausgaben, im Verhältnis zu Vermögen und Kredit stehen. Unsere Last wird nicht dadurch geringer, dass wir es an

(Thomas Völsch)

ders buchen. Wir müssen lernen, Vermögensmobilisierung, Verbrauch von Rücklagen und Nettokreditaufnahme gleichmäßig zu bewerten, nämlich als gleich schlecht.

Vermögensverkäufe sind genauso schlecht wie Kreditaufnahme und Rücklagenverbrauch. Das ist eine Botschaft, die uns der Rechnungshof schon vor Jahren ins Stammbuch geschrieben hat: Versucht nicht, im Kernhaushalt etwas zurechtzurechnen, dann aber Vermögen zu verkaufen, um Defizite zu decken, die ihr dadurch nur verdeckt. Deswegen würde ich das Parlament auch sehr bitten, diese Botschaft des Rechnungshofs ernst zu nehmen, sich alles anzusehen, Kernhaushalt und Nebenhaushalte, und dann sorgfältig zu überlegen, wie schnell wir bestimmte Positionen, die über Nacht als Defizit aufgetreten sind, dann auch wieder bereinigen sollten.

Das wäre wichtig und es wäre wichtig, dass wir diese Steuermehreinnahmen genau unter dem Gesichtspunkt Konsolidierung des Kernhaushalts einsetzen und an diesem Punkt hat die Debatte einen ganz guten Auftakt gegeben. Wir sollten dies sehr sorgfältig im Haushaltsausschuss fortführen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Die Abgeordnete Hajduk hat das Wort.

Ich möchte von meiner Seite noch einmal deutlich machen, dass ich Ihr Argument, Herr Tschentscher, dass man die Risiken solcher Kredite, die außerhalb des Kernhaushalts liegen, genauso ernst nehmen muss, sehr wohl gehört habe. An dieser Stelle weise ich noch einmal darauf hin, dass unser Modell vorsieht, den Versorgungsfonds bis 2015 ebenfalls vollständig zu kapitalisieren. Ich nenne das Jahr 2015, weil wir in Ihrer Drucksache gelesen haben, dass zum Beispiel die laufenden Versorgungsverpflichtungen ohne weitere Kapitalmarktdarlehen bis zum Jahr 2014 gedeckt sind allein durch die Auffüllung, die wir im letzten Herbst gemacht haben.

Insofern sollten wir noch einmal darüber reden. Ich bin nur davon überzeugt, dass wir ein Modell vorgelegt haben, das nicht die Schwäche hat, zu vergessen, dass es auch Verbindlichkeiten gibt, sondern wir haben uns das schon sehr genau angeguckt. Was ich heute deutlich machen wollte, Herr Tschentscher, ist, dass bei aller Unterstützung, die Sie von uns für den ehrlichen Kurs der Haushaltskonsolidierung durch die Steuermehreinnahmen aus dem Doppelhaushalt 2011/2012 bekommen, nicht der nächste Doppelhaushalt dafür herhalten muss, dass wir eigentlich eine Haushaltsausweitung haben, die man aber nicht mehr erkennt, weil man die jetzige Haushaltsausweitung vergessen hat.

Das meine ich mit dem 300-Millionen-Euro-Polster, das treibt uns haushalterisch um, sie haben das früher Kriegskasse genannt. Ich möchte nicht, dass die SPD sich für die zweite Hälfte der Legislaturperiode ein Polster aufbaut. Darüber werden wir noch zu sprechen haben. Den Beweis müssen Sie dann mit den Haushaltseckdaten 2013/2014 antreten und dann können wir zwischendurch überlegen, wie wir am besten die Hochschulen finanzieren. – Schönen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Herr Dr. Bischoff, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will ausdrücklich bekräftigen, dass ich sehr dafür bin, all diese Sondervermögen anders zu behandeln und möglichst keine Sondervermögen mehr zuzulassen. Da haben wir überhaupt keine Differenz.

Zweitens kommt in der Diskussion oft der Eindruck auf, die Schuldenbremse 2020 sei noch weit hin. Faktisch sind die Bundesländer und auch Hamburg seit diesem Jahr verpflichtet, ihre Stabilitätsberichte vorzulegen. Für vier Länder steht bereits fest, dass sie in einer Haushaltsnotlage sind und insofern diese Auflagen haben; Herr Tschentscher verweist zu Recht darauf. Hamburg ist nicht so weit davon entfernt und wenn wir in diesem Zustand sind, ist das zwar ein bisschen angenehmer als in Griechenland, aber faktisch dasselbe, weil wir dann keine Kontrolle mehr über unsere Ausgaben haben. Es kann nicht im Interesse des Parlaments sein, das zu wollen.

Und drittens sind wir vom Gesetzeswerk des Konjunkturstabilisierungsfonds her nicht gehalten, diese Rückführung in dem Umfang schon in diesem Jahr zu machen. Das kann man auch anders machen und für uns ist das wichtige Argument, nicht einfach mehr Geld auszugeben, sondern das auch sinnvoll zur Stabilisierung des Wirtschaftsraums in Hamburg anzuwenden. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Es liegen nun keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Da der Senatsantrag bereits im Vorwege an die zuständigen Ausschüsse überwiesen wurde, bedarf es heute hierüber keiner weiteren Abstimmung.

Ich rufe nun also den Punkt 43 auf, Drucksache 20/744, Antrag der SPD-Fraktion: Öffnung der Ehe für Menschen gleichen Geschlechts.

[Antrag der SPD-Fraktion: Öffnung der Ehe für Menschen gleichen Geschlechts – Drs 20/744 –]

(Senator Dr. Peter Tschentscher)

Herr Kühn, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nicht nur, dass die Bürgerschaft kurz vor ihrer Sommerpause steht, traditionell sind die Sommermonate auch die Monate, wo Lesben, Schwule, Transgender und all ihre Freunde und Familien gemeinsam in den Städten Deutschlands, aber auch weltweit den Christopher Street Day feiern und damit an einen der ersten mutigen Aufstände der Community erinnern, der damals in Amerika stattfand.

Wir wollen die CSD-Saison damit verbinden, diesen Antrag einzubringen, weil die CSD-Saison immer auch eine Saison ist, in der die Öffentlichkeit offen ist für die Problemlagen unserer Community.

(Beifall bei der SPD)

Wie viele von Ihnen wissen, dass ich Historiker bin. Insofern kann ich mir bei einer solchen Debatte auch nicht ersparen, etwas in die Geschichte zu gucken, zumal gerade die Hamburger SPD und die Bürgerschaftsfraktion in Hamburg sehr wohl stolz auf ihre Geschichte sein kann, auch auf die Geschichte der Gleichberechtigung schwuler und lesbischer Politikerinnen und Politiker. Ich erinnere an dieser Stelle an Lutz Kretschmann-Johannsen erinnern, der 1997 der erste offen schwule Abgeordnete dieses Hauses war. Er war ein Sozialdemokrat und das macht mich besonders stolz. Insofern freut es mich auch, dass wir mit diesem Antrag an ein gutes Stück unserer sozialdemokratischen Geschichte anschließen können.

(Beifall bei der SPD)

An dieser Stelle möchte ich Sie auf dieser Seite des Hauses nicht vergessen, denn die rot-grüne Koalition damals unter Ortwin Runde war es, in der Lutz Kretschmann, aber auch andere gemeinsam dafür geworben haben, die damalige sogenannte Hamburger Ehe ins Leben zu rufen. Sie war in der Bundesrepublik der erste große Schritt in Richtung der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einen zusätzlichen Impuls hat diese Diskussion gerade durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs erfahren, auf das wir uns auch in der Begründung zu diesem Antrag beziehen. Auch hier ging es wieder um einen Hamburger, der in seiner Lebenspartnerschaft, was die Rentenansprüche und so weiter anging, nicht so gleich behandelt wurde, wie das bei anderen Paaren der Fall ist. Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vollkommen zu Recht darauf verwiesen, dass die rechtlichen Unterschiede zwischen der herkömmlichen Ehe im klassischen Sinne und den eingetragenen Lebenspartnerschaften zunehmend verwischen und dass in dieser Vermischung eine nicht mehr haltbare Ungleichbehandlung begründet liegt.

Insofern sind wir aufgefordert zu reagieren und es ist an dieser Stelle ganz wichtig, gerade auch in Richtung dieser Seite des Hohen Hauses, eine große Angst zu nehmen, nämlich die Angst, dass die Öffnung der Ehe das historisch gewachsene Institut der Ehe negieren, relativieren würde. Ganz im Gegenteil können durch die Öffnung der Ehe eher Impulse ausgesandt werden, dieses historisch gewachsene Institut zu modernisieren und ihm neue Impulse zu geben. Insofern hoffe ich, dass das Haus gleich in großer Mehrheit und in großer Übereinstimmung unserem Antrag zustimmen wird.