Protokoll der Sitzung vom 02.07.2014

zurückzuführen. Der Hass auf Lesben und Schwule sei aber gezielt von der Regierung geschürt worden. Deswegen sollte Hamburg ein besonderes Vorbild abgeben und russische sowie natürlich alle Gäste, Touristinnen und Touristen, aber auch Staatsgäste und Delegationen vermehrt einladen und den Dialog fortführen, aber auch praktisch zeigen, dass eine homosexuelle Lebensidentität keine Schande und kein Makel ist, sondern ein Teil unserer Gesellschaft, den wir alle begrüßen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber auch wir müssen weiter daran arbeiten, Homo- und Transphobie aus unseren Köpfen zu vertreiben. Daher ist es richtig, dass wir uns immer und immer wieder – darin gebe ich Herrn Heintze recht – nicht nur im Vorwege des CSD mit Homound Transphobie, die Formen des Sexismus sind, befassen. Aus der Abgrenzung gegenüber anderen, um die eigene Lebensweise zu erhöhen, folgt Diskriminierung bis hin zum Hass, bis hin zur Gewalt, und es ist unsere gemeinsame Verantwortung, dem entgegenzuwirken.

(Beifall bei der LINKEN und bei Farid Müller GRÜNE)

Die Normen dieser Gesellschaft sind aber immer noch der heterosexuelle Mensch und die Zweisamkeit von Frau und Mann. Immer noch sind Homound Transphobie tief und nachhaltig verwurzelt. Dazu müssen wir gar nicht weit nach Russland schauen. Es reicht Baden-Württemberg, und es reichen die homophob motivierten Körperverletzungen während des CSD im vorigen Jahr in Hamburg, die schon angesprochen wurden. Dennoch möchte ich die Frage aufwerfen, inwieweit ein Aktionsplan speziell gegen Homo- und Transphobie zielführend ist, oder ob es nicht vielmehr eine Analyse und Handlungsanleitung geben sollte, die darlegt, wie die Geschlechter insgesamt durch den strukturell bedingten Sexismus Nachteile erleiden. Darunter würden wir die Prävention und Beseitigung von Mehrfachdiskriminierung insbesondere unter Berücksichtigung der Aspekte sexuelle Orientierung und Geschlechteridentität, Migration und weitere Merkmale nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz verstehen, so, wie es DIE LINKE mit dem Landesbüro für Geschlechterdemokratie, das morgen auf der Tagesordnung steht, vorschlägt.

Zum anderen Antrag der GRÜNEN würde ich von Ihnen gern wissen, warum sie den Polizeipräsidenten nicht auffordern wollen, die Regenbogenflagge auf dem Polizeipräsidium zu hissen. Warum beantragen Sie nicht die Aufforderung, die Erfahrungen zur Hasskriminalität mit Berlin abzugleichen? Mit "anregen" und "prüfen" sind wir bei diesen Themen meines Erachtens viel zu zaghaft.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben doch die Berichte vom letzten CSD vorliegen. Lesben, Schwule und Transgender haben Angst vor herabwürdigenden Äußerungen auf Polizeiwachen. Es wäre also mehr drin gewesen, Herr Müller, womit die GRÜNEN hätten Flagge zeigen können.

Selbstverständlich überweisen wir beide Anträge mit an den Ausschuss, ebenso den FDP-Antrag, aber in dieser Form ist er aus unserer Sicht nicht annehmbar. Die konkrete Erfassung von Hasskriminalität aufgrund der sexuellen Orientierung, die Sie hier vorschlagen, kann unter Umständen gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen und müsste wirklich noch einmal intensiv beleuchtet werden. Nicht umsonst ist das bislang niemand angegangen, aber selbstverständlich überweisen wir auch diesen Antrag.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Artus. – Das Wort hat Herr Müller von der GRÜNEN Fraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ganz kurz ein Hinweis: Ich würde nicht empfehlen, diesen Antrag zum Aktionsplan gegen Homophobie an den Innenausschuss zu überweisen. Ich möchte für meine Fraktion beantragen, dass er an den Ausschuss für Justiz, Datenschutz und Gleichstellung überwiesen wird, weil er mit Innenpolitik tatsächlich nichts zu tun hat.

(Dirk Kienscherf SPD: Das soll er doch auch!)

Dann ist es gut. Bei uns war die Information noch nicht angekommen.

Ich wollte noch etwas zum Thema Fachtagung sagen. Herr Kühn, jetzt kommt das auch in den anderen Ausschuss, aber Sie haben das vielleicht noch nicht ganz verstanden. Ein Aktionsplan wird entwickelt mit der Community. Ihre Fachtagung kann man machen als Behörde, sich Experten einladen und dann auch versuchen, tagsüber die Zivilgesellschaft dazu zu holen, die wahrscheinlich arbeiten muss, aber das ist nicht die Idee eines Aktionsplanes gegen Homophobie. Der wird in allen Bundesländern über eine gewisse Zeit zusammen mit der Zivilgesellschaft entwickelt. Das ist etwas anderes, als wenn eine Behörde sagt, sie rede einmal mit den Akteuren über die Themen, die man sich hier ausgedacht habe und die wichtig seien. Und dann nimmt man auch noch Experten, die sozusagen gegen die Zivilgesellschaft da eingebunden werden.

(Beifall bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Das ist nicht der Weg, den die anderen Bundesländer gehen, und wir als GRÜNE wollen diesen Weg

(Kersten Artus)

so auch nicht gehen. Die Fachtagung kann man machen, aber mit einem Aktionsplan hat das alles nichts zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kommen wir noch einmal kurz zur Polizei. Wir haben den Antrag zur Beflaggung natürlich nicht gestellt, weil wir die Leute ärgern oder verunsichern wollen,

(Olaf Ohlsen CDU: Natürlich wollt ihr das!)

sondern das hat natürlich einen ganz entscheidenden Grund, der hier auch schon angeklungen und im Grunde genommen von niemandem richtig infrage gestellt worden ist. Es geht darum, dass wir das Vertrauen zwischen Polizei und Community noch besser machen, um es einmal so freundlich zu formulieren. Die Beflaggung wäre ein Schritt dazu. Ich weiß, dass der innerhalb der Polizei auch umstritten sein kann. So war es in Berlin auch. Es gab darüber Diskussionen, aber der Polizeipräsident in Berlin hat es dann gemacht, und seitdem hängt die Flagge zu jedem CSD da. Man kann auch mit Fragebögen arbeiten, Herr Kühn, aber es ist ein rundes Paket, ein Verhältnis, das nicht immer das beste war und auch heute noch nicht das beste ist, mit sehr vielen unterschiedlichen Bausteinen nach vorne zu bringen und zu versuchen, Vertrauen zu gewinnen. Ich möchte Sie noch einmal bitten, darüber nachzudenken. Das ist keine Sache, die wir leichtfertig machen, und auch wenn DIE LINKE sagt, man hätte Forderungen stellen müssen, wollten wir genau das nicht. Wir wollen nicht, dass sie gezwungen werden. Wir wollen, dass das auf Einsicht bei der Polizei hin geschieht, und deswegen haben wir das auch so beantragt – bewusst in dieser Wortwahl. Wir wären kein guter Ratgeber, es von oben herab zu verordnen.

(Olaf Ohlsen CDU: Das könnt ihr ja auch nicht!)

Deswegen haben wir das angeregt, und wir freuen uns, wenn es dazu kommt. Wenn es dieses Jahr noch nicht klappt, dann vielleicht nächstes Jahr. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Müller. – Herr Senator Neumann begehrt das Wort und hat es.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe heute die Beschaffungsentscheidung für die Flagge getroffen. Sie kostet 119 Euro bei FahnenFleck, und sie ist jetzt bestellt worden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Senator.

Mir liegen nun keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen damit zur Abstimmung.

Wer möchte zunächst die Drucksachen 20/12189 und 20/12307 an den Innenausschuss überweisen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig beschlossen worden.

Wer möchte darüber hinaus die Drucksache 20/ 12191 an den Ausschuss für Justiz, Datenschutz und Gleichstellung überweisen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist ebenfalls einstimmig beschlossen worden.

Ich rufe dann auf den Tagesordnungspunkt 76, Drucksache 20/12199, Antrag der FDP-Fraktion: Allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Anwendung des Paragrafen 25a Aufenthaltsgesetz erlassen – Schüler mit Behinderung berücksichtigen.

[Antrag der FDP-Fraktion: Allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Anwendung des § 25a Aufenthaltsgesetz erlassen – Schüler mit Behinderung berücksichtigen – Drs 20/12199 –]

Die Fraktionen der SPD, CDU und FDP möchten diese Drucksache an den Innenausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Ritter von der FDP-Fraktion begehrt es und hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Sachverhalt ist kaum zu glauben, aber wahr. Es gibt in Hamburg gut integrierte Schüler mit Behinderungen, die durch unsere Ausländerbehörde abgeschoben werden können, weil sie aufgrund der Schwere ihrer Behinderung mit sehr großer Wahrscheinlichkeit keinen Schulabschluss erreichen. Ich frage Sie: Wenn jemand regelmäßig zur Schule geht und sein Bestmögliches gibt, um sich in die Gesellschaft zu integrieren, und wenn Menschen mit Behinderung zu unserer Gesellschaft einfach dazugehören, warum sollen diese Schüler benachteiligt werden gegenüber ihren Mitschülern, die einen Schulabschluss erreichen können und dadurch die Möglichkeit auf einen Aufenthaltstitel nach Paragraf 25a Aufenthaltsgesetz für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende bekommen?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Benachteiligung ist schlicht und ergreifend nicht gerecht. An dieser Stelle wird das Gesetz inhuman ausgelegt. Das gilt erst recht, wenn ich einen Blick ins Aufenthaltsgesetz werfe. Dort geht es in Paragraf 9 zum Beispiel um die Niederlassungserlaubnis. Für diejenigen, die sich nicht so gut im Aufenthaltsgesetz auskennen, möchte ich die Niederlas

(Farid Müller)

sungserlaubnis noch einmal kurz übersetzen. Sie ist ein unbefristeter Aufenthaltstitel. Von den engen Voraussetzungen für die Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels wird abgesehen – ich zitiere das Gesetz –,

"wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen kann."

Da muss ich mich doch fragen, was bei den Voraussetzungen eines Aufenthaltstitels nach Paragraf 25a Aufenthaltsgesetz eigentlich falsch läuft. Warum soll nicht auch bei gut integrierten jugendlichen Heranwachsenden das Gleiche gelten? Warum sollen hier Jugendliche und Heranwachsende mit Behinderung benachteiligt werden? Das erschließt sich mir hier überhaupt nicht.

(Beifall bei der FDP und der LINKEN)

Nun möchte ich einmal vorausschauend nach Berlin in ein anderes Gesetz schauen, nämlich in den Entwurf des Paragrafen 25b Aufenthaltsgesetz. Geduldeten Ausländern soll danach eine Aufenthaltserlaubnis bei nachhaltiger Integration erteilt werden. Ein Blick in den geplanten Absatz 3 des Paragrafen 25b verrät mir Folgendes – ich zitiere auch hier wieder –:

"Von den Voraussetzungen […] kann abgesehen werden, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit, einer Behinderung […] nicht erfüllen kann."

Diese Formulierung kennen wir bereits aus der Niederlassungserlaubnis, Paragraf 9 Aufenthaltsgesetz, und aus dem neuen Entwurf der Großen Koalition in Berlin für den Paragrafen 25b Aufenthaltsgesetz. Als Drittes können Sie sie nun in unserem Antrag im Petitum 2 nachlesen, das Gleiches für die Anwendung des Paragrafen 25a Aufenthaltsgesetz in Bezug auf die Voraussetzungen für einen Schulabschluss fordert. Dieser Absatz gehört aus unserer Sicht schlicht und einfach in den Paragrafen 25a Aufenthaltsgesetz, wie wir es in unserem Antrag gefordert haben,

(Beifall bei der FDP)

denn Jugendliche und Heranwachsende mit Behinderung dürfen nicht benachteiligt werden, wenn sie aufgrund der Schwere ihrer Behinderung keinen Schulabschluss erreichen können. Das sollte uns als Abgeordneten in der Bürgerschaft klar sein, und ich hoffe doch sehr, dass jeder von uns diese Sicht auf die Dinge teilt. Humanität darf an diesem Punkt nicht weiter Auslegungssache sein.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und bei Dr. Stefanie von Berg und Antje Möller, beide GRÜNE)

Wir als Abgeordnete können hier und jetzt den Senat auffordern, eine Fachanweisung zu erlassen,

die vorsieht, dass der erfolgreiche Schulbesuch nach Paragraf 25a Aufenthaltsgesetz von der hamburgischen Verwaltung so verstanden wird, dass bei Vorliegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung von einem Schulabschluss abgesehen werden kann. Diese Fachanweisung müssen wir hier und jetzt einfordern, damit jeder ausländische Jugendliche und Heranwachsende mit Behinderung in Hamburg auch die Möglichkeit hat, einen Aufenthaltstitel nach Paragraf 25a Aufenthaltsgesetz zu bekommen, sprich eine dauerhafte rechtlich abgesicherte Lebensperspektive in Deutschland zu erhalten.