Protokoll der Sitzung vom 27.08.2014

Ich rufe dann den Tagesordnungspunkt 33 auf, Drucksache 20/12430, Senatsmitteilung: Hamburger Strategie für freiwilliges Engagement und Stellungnahme zu den Ersuchen der Bürgerschaft "Hamburg 2020: Eine Freiwilligenstrategie für Hamburg" sowie "Für ein selbstbestimmtes Leben im Alter – Gründung von Seniorengenossenschaften in Hamburg fördern".

[Senatsmitteilung:

Hamburger Strategie für freiwilliges Engagement (Engagementstrategie 2020) und Stellungnahme zu den Ersuchen der Bürgerschaft "Hamburg 2020: Eine Freiwilligenstrategie für Hamburg" (Drucksache 20/5856 vom 29. November 2012) "Für ein selbstbestimmtes Leben im Alter – Gründung von Seniorengenossenschaften in Hamburg fördern" (Drucksache 20/9880, Be- richt des Gesundheitsausschusses über die Drucksache 20/8471 vom 27. November 2013) – Drs 20/12430 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Frau Müller von der SPD-Fraktion, Sie haben es.

Sehr geehrtes Präsidium, meine Damen und Herren und alle in Hamburg freiwillig Engagierten! Es ist mir eine große Freude, Ihnen das Konzept für die Hamburger Strategie für freiwilliges Engagement oder kurz die Engagementstrategie 2020 vorzustellen. In Hamburg gibt es mehr als 450 000 freiwillig Engagierte, die aus allen Stadtteilen, aus allen Generationen und Einkommensverhältnissen kommen, unabhängig welcher Nationalität und welcher körperlichen oder geistigen Fähigkeiten, und mit ihrem Engagement dafür sorgen, dass Hamburg in allen Bereichen lebenswerter ist.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Motive sind zum Beispiel Kontakt zu anderen Menschen, um gemeinsam etwas zu unternehmen, öffentliches Ansehen, sich zu qualifizieren und Kompetenzen zu erhalten und auszubauen, Mitbestimmung außerhalb politischer Wahlgänge im Gemeinwesen oder ganz einfach, ihren Mitmenschen zu helfen oder sie zu unterstützen. Allen gemeinsam ist der Wunsch, etwas Positives für ihre Mitmenschen, ihren Stadtteil und ihre Stadt zu bewirken. Um das zu erreichen, geben sie freiwillig das Wertvollste: einen Teil ihrer eigenen Lebenszeit, ihrer Energie und ihrer Fähigkeiten. Danke an jeden von Ihnen für alles, was Sie in dieser Stadt Gutes bewirken.

(Beifall bei der SPD und bei Jens Kerstan GRÜNE)

Im Ersuchen der Bürgerschaft aus Drucksache 20/5856 ging es darum, den Stellenwert des zivilgesellschaftlichen Engagements zwischen der erwerbs- und gewinnorientierten Wirtschaft und dem allgemeinwohlorientierten staatlichen Bereich zu stärken und zu unterstützen und auf Augenhöhe, bereichsübergreifend und ohne zu bevormunden die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der Zugang zum Engagement möglichst einfach und barrierefrei ist. Der Trialog zwischen Zivilgesell

(Karin Prien)

schaft, Staat und insbesondere der Wirtschaft, auf der die Strategie beruht, wird auch bundesweit mit viel Aufmerksamkeit verfolgt.

(Ksenija Bekeris SPD: Und gelobt!)

Es ist in Hamburg das erste Mal, dass so viele Gruppen aus völlig verschiedenen Bereichen gemeinsam daran gearbeitet haben, die Bedingungen für freiwilliges Engagement anzupassen, wo es nötig ist, zu verändern und insgeheim zu verbessern. Neben konkreten Handlungsempfehlungen konnten auch Verstärkungsmittel in Höhe von 137 000 Euro mobilisiert werden, um sie umzusetzen.

(Beifall bei der SPD – Ksenija Bekeris SPD: Gut so!)

Mein besonderer Dank gilt allen aktiv Beteiligten, die an dieser Entwicklung teilgenommen haben.

(Beifall bei der SPD)

Ich wünsche der Strategie viel Beachtung von allen Interessierten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bitte stimmen Sie der Überweisung an den Sozialausschuss zu, damit wir dort ausgiebig diskutieren können, denn eine Strategie ist immer nur ein Teil. Es ist ein Diskurs, wie die Veranstaltungen gelehrt haben, der immer weiter geht, permanent.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank Frau Müller. — Das Wort hat Frau Dr. Föcking von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nun ist sie also da, die lange angekündigte Engagementstrategie 2020. Vor fast zwei Jahren wurde sie beantragt, fast ein Jahr lang haben etwa 200 Personen darüber beraten, es wurden Arbeitspapiere erstellt und das Ganze wurde sogar wissenschaftlich begleitet. In der Strategie steckt also viel ehrenamtliche Arbeit, und für dieses Engagement danken wir den Beteiligten ausdrücklich.

(Beifall bei der CDU, vereinzelt bei der SPD und bei Katharina Fegebank GRÜNE)

Verfasst wurden die 40 strategischen Seiten allerdings von der Sozialbehörde. Damit kommt es wieder so wie bei vielen anderen Themen auch. Es gibt eine Aufgabe in der Stadt, die auch der Senat nicht einfach ignorieren kann, also sorgt er für einen Antrag der SPD. Dann wird ein langwieriges Verfahren mit vielen Beteiligten gestartet, große Erwartungen werden geweckt, und am Ende wird eine umfangreiche Drucksache geschrieben. Viel Text, wenig Inhalt, viele Prüfaufträge und Arbeitsgruppen, deutlich weniger konkrete Maßnahmen – damit ist das Thema abgehakt.

(Jan Quast SPD: Jetzt freuen Sie sich doch mal!)

Das fällt mir halt ein bisschen schwer. Ich hatte mehr erwartet.

Dabei sollen gute Ansätze der Strategie – insofern freue ich mich doch, Herr Quast – gar nicht verschwiegen werden. Sinnvoll ist etwa die Förderung der Freiwilligenakademie, was zumindest für zwei Jahre geschehen soll. Ebenso sinnvoll ist es, dass nun zwei weitere Freiwilligenagenturen, nämlich die in Wandsbek und in Bergedorf, auch unterstützt werden sollen. Warum aber zwei so wichtige Agenturen wie das Freiwilligenzentrum und die Zeitspender auch künftig nicht öffentlich gefördert werden, bleibt unklar. Ansonsten wird in der Drucksache viel strategischer Dampf produziert. Zentral, heißt es etwa, sei der sogenannte Trialog zwischen Wirtschaft, Staat und Zivilgesellschaft. Schließlich sollten doch Unternehmen für die Unterstützung des Freiwilligenengagements geworben werden. Und was macht der Senat? Er lässt bereits vorhandene Arbeitsgruppen fast aller Behörden noch etwas häufiger tagen. Hinzu kommen neue Gremien, die dann auch noch weiter beraten. Das ist sicher nicht verkehrt, aber konkret: Warum wurden nicht Wirtschaftsvertreter in geeigneter Form hinzugebeten? Was will die Stadt selbst mit ihren verschiedenen Unternehmen als doch große Arbeitgeberin tun, um das Freiwilligenengagement ihrer Beschäftigten zu fördern? Aufschreiben ist Silber, Handeln, lieber Herr Senator, wäre Gold.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wichtig ist auch die Anerkennung der freiwilligen Arbeit. Frau Müller hat das schon mit guten Worten getan. Hier soll etwa der Hamburger Nachweis zu einem aussagekräftigen Zeugnis ausgebaut werden. Das ist eine konkrete Maßnahme und zu begrüßen. Wenn es aber um die etwas bessere materielle Anerkennung geht, dann zieht sich die Stadt zurück. So war und ist beispielsweise die Gesundheitsbehörde nicht bereit, finanziell schlechter gestellte Mitglieder der Bezirksseniorenbeiräte mit etwas Geld für die eine oder andere Druckerpatrone zu unterstützen. Das wäre einmal etwas ganz Konkretes, aber wie gesagt, schreiben ist Silber, selbst entsprechend zu handeln wäre eben Gold.

Dazu gleich noch ein weiteres Beispiel. Die Strategie betont zu Recht, dass mehr Migranten für das klassische Ehrenamt gewonnen werden sollen. Ausdrücklich wird die sogenannte interkulturelle Öffnung aller zivilgesellschaftlichen Organisationen gefordert. Dabei geht die Sozialbehörde aber nun sogar so weit, künftig jede Projektförderung von dieser Öffnung abhängig zu machen. Wie das funktionieren soll, bleibt unklar. Ist ein katholischer Verein interkulturell offen genug, wenn ein Teil seiner Mitglieder polnischstämmig ist? Muss sich jeder Naturschutzverein eine kleine Migrantenorgani

(Doris Müller)

sation mit völlig anderem Ziel als Tandempartner suchen, um von der Stadt künftig Geld zu bekommen? Das ist eine entscheidende Frage, und hier müssen wir im Ausschuss dringend nachfragen, denn sonst wäre das ein Paradigmenwechsel.

Ich gebe Ihnen noch ein schönes praktisches Beispiel aus dem SAGA-Wohnquartier Großlohe in meinem Heimatstadtteil Rahlstedt. Dort haben sich Einwohner aus vielen Nationen aufgemacht, einen interkulturellen Gemeinschaftsgarten aufzubauen. Alles, was ehrenamtlich zu tun und klären war, wurde getan. Mehr Interkulturalität geht einfach nicht. Das Einzige, was fehlt, ist die Genehmigung des Bezirksamts Wandsbek, einen 10 Meter breiten Knick niederlegen zu dürfen, um einen Zufahrtsweg zu haben. Bis heute, nach vielen Monaten freiwilligen Engagements von oft sozial benachteiligten Großlohern, hat das Bezirksamt Wandsbek diese Genehmigung nicht erteilt. Schreiben, lieber Senat, mag Silber sein, Handeln wäre hier pures Gold.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Über ein Modell des Engagements möchte der Senat am liebsten nicht einmal reden, die Seniorengenossenschaften. Der Antrag, diese auch in Hamburg zu fördern, war nämlich eine Idee der CDU, und was die Opposition fordert, das kann man nicht wirklich gut finden und umsetzen.

(Ksenija Bekeris SPD: Das kennen wir doch irgendwoher!)

Daher wird es sich in der Drucksache auch sehr einfach gemacht. Man machte eine Internetrecherche. Das Ergebnis: So etwas brauchen wir in Hamburg nicht wirklich. Immerhin möchte man dann doch einen Info-Flyer drucken. Dabei war Ihre Recherche nicht einmal gründlich. Dass nun auch Sachsen als weiteres großes Bundesland dieses Modell fördern möchte, fiel genauso unter den Tisch wie die Tatsache, dass es diese Genossenschaften eben auch in Städten gibt. Eine Stadt wie Freiburg hat die SAGES, eine erfolgreiche Genossenschaft, schon seit vielen Jahren.

(Olaf Ohlsen CDU: Wunderbar!)

Hier hat es sich der Senat zu leicht gemacht. Behauptet wird aber vor allem, dass es in Hamburg schon genug Hilfesysteme von und für Senioren gebe. Wozu dann noch Seniorengenossenschaften? In einer Stadt, meine Damen und Herren, wo der Anteil an älteren Menschen stetig zunimmt und in der diese Menschen möglichst lange in den eigenen vier Wänden leben wollen, in einer solchen Stadt ist das schon eine bemerkenswert rückwärtsgewandte Zukunftsstrategie. Behauptet wird übrigens auch, dass es in Hamburg noch keine Seniorengenossenschaft gebe. Tatsächlich wurde gerade die erste in Hinschenfelde gegründet. Sie hat schon jetzt 60 Mitglieder. Statt solche positiven Beispiele freiwilligen Engagements nicht zur

Kenntnis zu nehmen, sollte die Stadt diese nach Kräften fördern und nicht nur in großen Papieren darüber schreiben, lieber Senat, sondern auch wirklich danach handeln. Das wäre eine Engagementstrategie 2020, die diesen Namen wirklich verdient.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Föcking. — Das Wort hat Frau Fegebank von der GRÜNEN Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben an verschiedener Stelle, auch in diesem Hause, häufiger über das Thema ehrenamtliches Engagement, bürgerschaftliches Engagement, freiwilliges Engagement und Freiwilligenstrategie gesprochen. Nun liegt uns tatsächlich das Dokument vor. Wie ich finde, ist es erst einmal ein geglückter Aufschlag, weil es die verschiedenen Initiativen, mit denen wir teilweise im Ausschuss diskutiert haben, aber auch die Akteure in der Stadt bündelt und noch einmal deutlich macht, welche Erwartungen, welche Bedürfnisse, vielleicht auch welche Probleme und Hürden die eine oder andere Zielgruppe hat, sich wirklich in voller und gleichberechtigter Teilhabe diesem noch relativ neuen Politikfeld zu widmen. Daher würde ich sagen, die Bündelung ist gut und geglückt. Gut ist auch, dass der Bedeutung freiwilligen Engagements in Hamburg Ausdruck verliehen wird. Tagtäglich setzen sich hier tatsächlich mehr als 450 000 Menschen – und das ist schon eine Zahl, die man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen kann, auch im Ländervergleich sind wir hier ziemlich gut aufgestellt – für das Gemeinwesen ein, verändern dieses und gestalten es. Das trägt diese Drucksache in sich und nimmt es zur Kenntnis. Das ist erst einmal positiv.

(Beifall bei der SPD)

Wichtig finde ich auch, das bestätigen auch die Rückmeldungen, die wir im Laufe des Prozesses bekommen haben, dass man versucht hat, sehr früh die verschiedenen Akteure an einen Tisch zu bekommen, zu beteiligen, hinzuhören und daraus auch die entsprechenden Schlüsse zu ziehen und in der Drucksache zu verarbeiten. Auch das finden wir ausdrücklich gut, genauso wie den Punkt der Anerkennung. Ich habe mich besonders darüber gefreut, auch wenn das wieder einmal nur ein Prüfauftrag ist, dass unser Antrag von vor ein paar Monaten, auch über eine Ehrenamtskarte nach dem Vorbild Schleswig-Holsteins oder Nordrhein-Westfalens nachzudenken, zumindest aufgenommen wurde.

Ansonsten muss ich allerdings Frau Dr. Föcking recht geben, die in netter Art und Weise an konkreten Beispielen festgemacht hat, dass es natürlich auch das eine oder andere kritische Moment gibt.

(Dr. Friederike Föcking)

Zum einen vermisse ich, und das ist auch etwas, was zum Beispiel vom AKTIVOLI-Netzwerk an uns herangetragen wurde, eine langfristige Vision oder Zielsetzung. Gerade wenn man von einer Freiwilligenstrategie 2020 spricht, dann kann man schon erwarten, anhand von konkreten Zielen oder Kennzahlen oder einer beschriebenen Vision, die sagt, wir wollen 2025 das Engagement noch um weitere 5 oder 10 oder 15 Prozent steigern, ein etwas mehr ambitioniertes Programm einzubringen. Das ist etwas, was ich vermisse. Es ist an der einen oder anderen Stelle nicht so ambitioniert, wie ich es mir vorstelle.

Dann kommen wir auch schon zur Frage der Beteiligung. Was auf der einen Seite sehr positiv ist, ist auf der anderen Seite kritisiert worden. Man sagt zwar, man spreche die Wirtschaft an, aber ich habe nicht so richtig den Eindruck, dass eine Bereitschaft der Unternehmen besteht, sich sehr aktiv einzubringen. Die habe ich noch nicht erkennen können. Das wollen wir auf jeden Fall im Ausschuss noch einmal thematisieren und Nachfragen dazu stellen.

Beim dritten großen Punkt geht es, glaube ich, wirklich darum, ob man den Mut hat, eine klare Präferenz für das Politikfeld Engagementpolitik zu setzen. Das ist nämlich eine Frage der Prioritäten. Frau Müller, Sie haben gesagt, es gebe Verstärkungsmittel. Wenn ich mir aber anschaue, was eigentlich in einer solchen koordinierten Arbeit erreicht werden soll im Sinne von Ansprache und Einbindung von Migrantinnen und Migranten, Jugendlichen, Seniorinnen und Senioren, Erwerbslosen, Langzeitarbeitslosen, Menschen mit Behinderungen – ich finde es ausdrücklich gut, dass es dazu so einen umfangreichen Passus gibt –, man dann aber alles auf die bestehenden Strukturen setzt und noch erwartet, dass zum Beispiel das Netzwerk gleichzeitig eine Inklusionsagentur wird, dann müssen diejenigen, die ohnehin schon viel machen, überproportional viel schultern. Dann sollte man sich wirklich überlegen – nun kommen wir zum lieben Geld –, ob es dem Senat so wichtig ist, hier eine Priorität zu setzen und tatsächlich noch etwas hineinzugeben, um dieses wichtige, weiter wachsende Feld, das wir doch alle fördern und stärken wollen, auch noch im politischen Handeln stärker zu machen. Das ist auf jeden Fall auch etwas, worauf wir in den Ausschusssitzungen genau sehen wollen. Der Ansatz ist also gut, aber ich hoffe, dass wir die Drucksache vielleicht an der einen oder anderen Stelle gemeinsam noch besser, noch konkreter machen können und vielleicht mit dem einen oder anderen Euro mehr ausstatten können, um dann weiter freiwillig gemeinsam engagiert für Hamburg zu agieren. – Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)