Protokoll der Sitzung vom 10.09.2014

Jetzt hat Herr Bill von der GRÜNEN Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn man die Debatte hört und auch die Presse der letzten Tage liest, dann hat sich doch eine ganz schöne Behördenposse entwickelt. Die große BSU, einer der Dinosaurier der Hamburger Behörden, vergisst erst eine lange bekannte Frist aus dem Bundesrecht, läuft dann schnell hinterher und stolpert gleich über den ersten Bindfaden, der auf der Straße liegt. Das ist, wenn man es mit etwas Ironie betrachtet, wäre es nicht so traurig, ganz witzig.

(Beifall bei Jens Kerstan GRÜNE)

Aber die Traurigkeit kommt dann gleich wieder hervor. Ich lese in den Schriftlichen Kleinen Anfragen, dass es eine breit angelegte allgemeine Information gäbe, und im nächsten Satz lese ich dann, dass es im Amtlichen Anzeiger veröffentlicht worden sei. Ich habe den Amtlichen Anzeiger einmal lesen müssen, aber ich habe in Hamburg keinen Leidensgenossen gefunden, der das auch getan hat. Dass das im Ergebnis ein Kommunikationsdesaster war, ich glaube, darüber sind sich mittlerweile alle in diesem Hause einig.

(Beifall bei Jens Kerstan GRÜNE und Katja Suding FDP)

Ich dachte eigentlich auch, eine Behörde, die 6000 Wohnungen im Jahr bauen will,

(Dirk Kienscherf SPD: 32 000, das waren die Bezirke!)

und die sich zurzeit damit rühmt, auch 6000 Baugenehmigungen ausgestellt zu haben,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Mehr als 6000!)

muss eigentlich wissen, dass so eine Information im Amtlichen Anzeiger nicht ausreicht. Vielleicht war ich einfach ein bisschen zu naiv in der Annahme, vielleicht ist es aber auch ganz gut, dass in Hamburg die Bezirke für die Baugenehmigungen zuständig sind.

(Finn-Ole Ritter FDP: Sie wissen ja nicht mal, was ein Nebenjob an Kohle bringt!)

Nun lese ich, und das freut mich sehr, dass die Frist verlängert wurde und dass es endlich Veranstaltungen vor Ort gibt. Das Krisenmanagement von Herrn Dr. Dressel hat damit erste Früchte getragen. Wir meinen aber, die Grundeigentümer der Grundstücke in den Überschwemmungsgebieten sind alle bekannt, die Karten, welche Grundstücke betroffen sind, liegen sogar öffentlich aus. Da könnte man sich doch jetzt einmal die Mühe machen, die Leute direkt anzuschreiben, direkt zu informieren und direkt mit ihnen zu diskutieren. Es ist natürlich anstrengend, 5000 Adressen herauszusuchen, aber eine Behörde, die die Stadtentwicklung von 1,7 Millionen Einwohnern verwaltet, kann einmal 5000 Adressen heraussuchen. Für die Betroffenen geht auch eine sehr große Belastung damit einher, das haben wir eben besprochen, und dann kann sich auch die Behörde ein bisschen anstrengen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In einem zweiten Schritt ist es jetzt besonders wichtig, konkrete Ansprechpartner für diese Grundeigentümer zu benennen. Wir haben es eben gehört, es gibt Ausnahmemöglichkeiten von den Baueinschränkungen. Es ist manchmal auch möglich, wenn man ein bisschen an den Plänen variiert, sodass sie nicht mehr hochwasserunverträglich sind. Da sind die Bezirke zurzeit anscheinend noch sehr restriktiv, sie haben auch wahrscheinlich noch keine Erfahrung mit diesen Anträgen. Und wenn man dann ein wenig miteinander redet, wird man sicherlich gute Lösungen finden. Es nützt doch am Ende nichts, wenn erst kostenpflichtig der Bauantrag abgelehnt wurde und man dann nachschaut, wie man es eigentlich anders hätte machen können.

Wäre das Verfahren nicht ganz so schlecht gelaufen, dann könnte man vielleicht auch einmal inhaltlich darüber diskutieren, was eigentlich mit dem Hochwasserschutz in Hamburg ist, denn grundsätzlich ist es eine gute Idee, sich auch einmal um die Hochwassergefahren zu kümmern, die nicht von einer Sturmflut abhängen, sondern von Starkregen, von der Klimaveränderung, und um die Möglichkeiten, Eigentum zu schützen, Sachwerte, Leben und Gesundheit zu schützen.

(Birgit Stöver)

Unser dritter Punkt im Zusatzantrag. Wenn man in das Gesetz schaut, dann entdeckt man noch zwei weitere Fristen, nämlich die Risikomanagementpläne, die bis Ende 2015 Maßnahmen aufstellen müssen, und bis 2021 sollen diese Maßnahmen umgesetzt sein. Schon heute schlagen die Bürgerinnen und Bürger vor Ort konkrete Maßnahmen vor, wie man auf die Hochwassergefahren reagieren könnte, zum Beispiel durch Ausweisung von neuen Retentionsflächen. Wenn man solche Maßnahmen umsetzt und sie Wirkung zeigen, dann könnte man die Überschwemmungsgebiete – auch das ist in den Antworten zu den Schriftlichen Kleinen Anfragen dargelegt – auch wieder zurücksetzen oder neu ausweisen aufgrund neuer Berechnungen. Dann könnten diese Grundstücke auch aus den Überschwemmungsgebieten herausgenommen werden.

Wir glauben, diese Debatte sollte man jetzt beginnen. Die BSU sollte anfangen, die Maßnahmen zu entwickeln und einen Dialog mit den Bürgern über die Maßnahmen zu führen. Dann werden die Fristen eingehalten, denn wenn sie im Gesetz stehen, sollte auch Hamburg diese Fristen wahren. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Heyenn von der Fraktion DIE LINKE hat das Wort.

Warum es in Hamburg zusätzliche Überschwemmungsgebiete gibt, die ausgewiesen werden müssen, ist von allen Fraktionen ausführlich dargelegt worden, auch die rechtlichen Grundlagen; das will ich gar nicht alles wiederholen. Richtig ist, dass von den vorgesehenen 16 Flächen in Hamburg etwa 5000 Hauseigentümer betroffen sind. Daraufhin hat der Grundeigentümer-Verband im "Hamburger Abendblatt" am 9. September rechtliche Schritte angekündigt und spricht von entschädigungspflichtigem Eingriff ins Eigentum. Nach Auffassung der LINKEN liegt hier keine Enteignung im Sinne von Artikel 14 Absatz 3 Grundgesetz vor, sondern eine Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gemäß Artikel 14:

"(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allge

meinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen."

Es wurde schon gesagt, dass die Informationspolitik der BSU so gut wie nicht vorhanden war und dass sie jetzt nachgeholt werden muss. Natürlich muss mit den Betroffenen gesprochen werden. Insgesamt muss man aber sagen, dass Binnenhochwasserschutz eine Vorsorge ist, die uns alle angeht. Deshalb muss auch den Beteiligten klar sein, dass das Interesse des Einzelnen nicht über das Interesse der Allgemeinheit an der Vorsorge gegen Binnenhochwasser stehen darf.

Dass Sie von der FDP das nicht verstehen, ist hinlänglich bekannt, das müssen Sie mir nicht erklären.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir meinen nur, dass jetzt bei dem Verfahren zur endgültigen Festsetzung der Überschwemmungsgebiete natürlich auch alle Alternativen ausgeschöpft werden müssen, nämlich die Modernisierung der bestehenden Rückhaltebecken oder der Retentionsflächen. Das muss eingehend berücksichtigt werden. Bevor es einen Eingriff in das Eigentum der betroffenen Bürger gibt, muss die BSU Gespräche führen und ernsthaft prüfen, ob das auch wirklich gesetzlich notwendig ist. Wir hoffen, dass die BSU das schafft.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt hat Herr Dr. Duwe von der FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die FDP hat eine andere Definition von Enteignung als DIE LINKE, aber das wird Sie wahrscheinlich nicht überraschen.

(Beifall bei der FDP – Dora Heyenn DIE LIN- KE: Das kann ich mir vorstellen! – Finn-Ole Ritter FDP: Gott sei Dank!)

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal einen Appell aussprechen. Das Jahr 2021 ist sehr weit in der Zukunft, und diejenigen, die betroffen sind, sind nicht die Verursacher, das möchte ich ganz klar sagen. Diejenigen, die in den Überschwemmungsgebieten wohnen und ihr Eigentum haben, sind nicht die Verursacher dieses Problems.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb müssen auch alle, inklusive natürlich der Bewohner, daran arbeiten, dass dieses Problem gelöst wird. Man kann sich nicht auf die Hinterbeine stellen nach dem Motto, bis 2021 könne man irgendwelche Maßnahmen umsetzen, und in der Zwischenzeit sollten die sehen, wie sie klarkommen. Das geht so nicht.

(Martin Bill)

(Beifall bei der FDP)

Wir sollten gerade jetzt, wo sehr viele Menschen dort engagiert sind und sich selbst Gedanken machen, wie sie Vorschläge machen können, um die Situation zu verbessern,

(Dr. Monika Schaal SPD: Ganze Arbeit ge- leistet!)

die Chance ergreifen, die betroffenen Menschen und diejenigen, die vielleicht noch betroffen sein werden, endlich in die Überlegungen mit einzubeziehen. Wenn man dieses Problem nicht angeht, das heißt, wenn diese Überschwemmungsgebiete noch größer werden, dann werden noch andere Bewohnerinnen und Bewohner betroffen sein. Ich habe sehr viele Gespräche geführt, und es sind schon einige Vorschläge gekommen, die wahrscheinlich nicht in den Amtsstuben der BSU produziert worden wären. Ich bitte ganz eindringlich, dass man diese Gespräche und diese Foren dazu nutzt,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das passiert schon, da sind wir dabei!)

die Vorschläge derjenigen, die dort wohnen und die Verhältnisse kennen, wirklich zu übernehmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.

Wer möchte nun zunächst die Drucksache 20/12837 federführend an den Umweltausschuss und mitberatend an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dies ist abgelehnt.

Dann kommen wir zu den Abstimmungen in der Sache. Wir beginnen mit dem Antrag der GRÜNEN Fraktion aus Drucksache 20/12967. Hierzu möchte die Fraktion DIE LINKE die Ziffer 1 separat abstimmen lassen.

Wer möchte also zunächst Ziffer 1 des GRÜNENAntrags zustimmen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist abgelehnt.

Wer möchte dann noch die Ziffern 2 und 3 annehmen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist auch abgelehnt.

Wir kommen dann zur Abstimmung über den FDPAntrag aus Drucksache 20/12837. Diesen möchte die SPD-Fraktion ziffernweise abstimmen lassen.

Wer Ziffer 1 annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Die Ziffer ist abgelehnt.

Wer stimmt Ziffer 2 zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Somit ist Ziffer 2 angenommen.