Protokoll der Sitzung vom 10.09.2014

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Traum und die Entstehung der Olympischen Spiele beruhen auf Völkerverständigung, Begegnung der Jugend und Frieden. Diese Vorstellung haben wir nötiger als je zuvor. Aus dem Traum Olympia hat das IOC einen

Albtraum gemacht. Wo die Heuschrecke Olympia in den letzten 30 bis 40 Jahren unterwegs war, hat sie nur Chaos hinterlassen. Das IOC legt den Städten Knebelverträge vor, an deren Vorgaben sie sich strikt zu halten haben. Der Vertragspartner Stadt hat nichts mitzubestimmen. Die Folgen dieser Knebelverträge und der Austragung der Spiele sind steigende Miet-, Boden- und Immobilienpreise, Verdrängung der Armen und der Geringverdienerinnen und -verdiener, steigende Umwelt- und Verkehrsbelastung und Milliardenschulden für den Steuerzahler.

In keinem einzigen Land sind die Kosten im geplanten Rahmen geblieben. Ein Beispiel sind die vielgelobten Londoner Olympischen Spiele. Geplant waren alleine für die Durchführung 1,9 Milliarden Euro, am Ende kamen 3 Milliarden Euro dabei heraus. Für den Bau der Sportstätten waren 2,9 Milliarden Euro geplant, herausgekommen sind etwa 14 Milliarden Euro. Die Gesamtkosten der Olympischen Spiele für die Londoner und Londonerinnen betrugen etwa 28 Milliarden Euro. Das ist das Ergebnis der Knebelverträge des IOC. Dabei hatte das britische Parlament nicht einmal etwas mitzureden. Eine Studie besagt, dass bei allen Olympischen Spielen in den letzten 50 Jahren die Endkosten im Durchschnitt fast 180 Prozent höher ausgefallen sind – ich zitiere die Autorinnen –:

"Eine Olympiade ist für eine Stadt […] eines der finanziell riskantesten Projekte überhaupt."

Zitatende.

Ein Blick nach Athen reicht, um zu sehen, welche irrsinnigen Vorgaben das IOC den Ausrichtern machte. Dort gammeln Stadien vor sich hin, weil sie niemand mehr braucht. Für den Rückbau fehlt das Geld, unter anderem, weil die Athenerinnen und Athener auf Gesamtkosten von 15 Milliarden Euro sitzen geblieben sind. Wenn Senat und Handelskammer also von 2 beziehungsweise 6,5 Milliarden Euro reden, dann können wir mindestens mit dem Doppelten rechnen. Sie alle haben deutlich gemacht, dass nur bei einer Änderung der Ausschreibungspraxis mit einer Hamburger Bewerbung zu rechnen sei. Das IOC wird allerdings erst frühestens im Dezember entscheiden, ob es überhaupt einen solchen Prozess geben wird. Dass der Senat jetzt schon mit einem großspurigen Bauund Standortkonzept an den Start geht und so tut, als sei alles in trockenen Tüchern, ist eine bewusste Täuschung der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der LINKEN)

Dabei wissen Sie genau, dass das IOC ein Ungetüm ist. Allein mit Thomas Bach die Hoffnung zu verbinden, es würden echte Reformen durchgesetzt, zeigt, dass der Senat keine Ahnung hat oder blauäugig ist.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Oder beides!)

Thomas Bach ist in der Vergangenheit eher Teil des Problems gewesen. Er hat sich als Geldbeschaffer und Marketingexperte hervorgetan statt als großer Reformer. Gerade erst hat Thomas Bach die Übertragungsrechte für die Olympischen Spiele für satte 8 Milliarden Dollar verkauft. Und schon jetzt zeichnet sich ab, dass Hamburg sich für eine der kommenden Olympiaden bewerben wird. Statt Steuergelder für sinnlose Bewerbungen zu verschleudern, sollten Sie sie lieber in Bildung und Breitensport investieren, damit alle von uns etwas davon haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Sportvereine berichten uns, dass die Toiletten nicht funktionieren. Eltern beschweren sich bei mir, dass ihre Tochter wegen Platzmangel nicht im Sportverein aufgenommen wird. Der Hamburger Fußball-Verband hat uns gestern in der Sportausschusssitzung berichtet, dass die Preissteigerung nicht übernommen wird und die Flutlichtanlagen nicht funktionieren. Der Vereinsvorsitzende berichtet mir, dass die Sportlerinnen und Sportler sich draußen umziehen müssen, weil sie Angst haben, dass der Putz von der Decke fällt. Das ist ein Skandal.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir uns anschauen, dass 90 Prozent der Grundschulkinder aus meinem Wahlkreis Billstedt nicht schwimmen können, dann macht es keinen Sinn, dass wir für 16 Tage Milliarden investieren und dafür 16 Jahre zahlen müssen. Daher sagen wir Nein zu 16 Tage feiern und 16 Jahre abzahlen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Yildiz, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie bei weiteren Wortmeldungen den parlamentarischen Sprachgebrauch beachten würden. Vielen Dank. – Jetzt bekommt Herr Dr. Dressel von der SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Yildiz, Sie haben hier einen beachtlichen Sprint hingelegt und zwischendurch kaum Luft geholt, aber es wäre gut, wenn Sie in diesen Fragen bei der Wahrheit blieben, denn eine Täuschung der Öffentlichkeit kann ich bei der transparenten Vorbereitung, die der Senat in den letzten Wochen und Monaten an den Tag gelegt hat, beim besten Willen nicht erkennen.

(Beifall bei der SPD)

Selbstverständlich haben, auch interfraktionell, alle Fraktionen mit Ausnahme der LINKEN gesagt, dass wir erwarten und dies auch ein Stück weit zur Voraussetzung für eine Hamburger Bewerbung machen, dass sich beim IOC etwas ändert. Das steht glasklar darin, das hat der neue IOC-Präsi

dent Bach mit seiner Agenda genauso auf den Weg gebracht, und wir alle in diesem Haus können ihm für diesen Veränderungsprozess, auch im Hinblick auf die olympische Idee, viel Erfolg wünschen. Das wird das IOC nachhaltig nach vorne bringen.

(Beifall bei der SPD)

Kommen wir aber zur Hamburger Interessenbekundung. Ich möchte zunächst ein Dankeschön richten nicht nur an die Kolleginnen und Kollegen in der Innen- und Sportbehörde, sondern auch an alle anderen Aktiven aus Wirtschaft und Sport, dass sie über die Sommerpause eine so hervorragende Interessenbekundung und die Beantwortung der 13 Fragen vorgelegt haben. Das ist schon eine olympiareife Leistung gewesen. Vielen Dank, Herr Neumann.

(Beifall bei der SPD)

Das Konzept ist faszinierend in dieser Nachhaltigkeit, Transparenz und auch in der Förderung des Umweltgedankens. Nehmen wir das Thema Nachhaltigkeit: Für alle Bauten, die neu geplant werden, ist hier auch schon eine Nachnutzungsperspektive genannt. Das Stichwort Wohnungen ist berücksichtigt, ein Drittel wird öffentlich gefördert. Auch die Prinzipien des kostenstabilen Bauens als Lehre aus der Elbphilharmonie sind verankert. Stichwort Transparenz: Man kann zum jetzigen Zeitpunkt auf jeden Fall schon sagen, dass eine Hamburger Olympiabewerbung vermutlich die transparenteste sein wird, die es bisher gab, weil wir nun einmal unser einmaliges, von uns allen beschlossenes Transparenzgesetz haben, das dazu führen wird, dass auch zum Beispiel der Host-City-Vertrag als ein wichtiges vertragliches Dokument der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Gerade bei diesem Thema ist es wichtig, dass wir mit Transparenz neues Vertrauen schaffen.

(Beifall bei der SPD)

Beim Stichwort Umwelt würde ich mir noch einen Tick mehr Beifall von den GRÜNEN wünschen, denn solch umweltschonende Spiele

(Dr. Roland Heintze CDU: Hat es noch nie gegeben!)

autofrei, CO2-neutral, Berücksichtigung von Landstrom, Bereitstellung versiegelter Flächen im Herzen unseres Hafens auch für Parknutzung – sind ein Quantensprung für die ökologische Weiterentwicklung von Olympischen Spielen. Ich glaube, das wird am Schluss auch die GRÜNEN überzeugen; uns überzeugt es jedenfalls.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

In den nächsten Wochen wird es natürlich darauf ankommen, viele Gespräche mit Multiplikatoren in der Stadt zu führen und dafür zu werben, aber dar

(Mehmet Yildiz)

über hinaus ganz konkret alle Fragen zu beantworten – auch die kritischen, die zu den Risiken und den Kosten und auch die der (N)Olympia-Bewegung, die sich in Hamburg gegründet hat. Sie hat gesagt, im Moment habe sie Fragen, aber sie hat sich, anders als die Links-Fraktion, nicht definitiv festgelegt, dass das auf gar keinen Fall infrage kommt. Das muss alles beantwortet werden, und – das sage ich ganz klar für uns – kein Risiko soll kleingeredet und keine Kostenposition kleingerechnet werden. Das würde sich auch später bei der Bürgerabstimmung rächen, die am Schluss der Entscheidung steht. Alle Fakten müssen sauber auf den Tisch. Auch damit werden wir Vertrauen schaffen.

(Beifall bei der SPD)

Das gilt natürlich auch für den Fragenkatalog der Bürgerschaft, den wir hier mit Ausnahme der Links-Fraktion einvernehmlich verabschiedet haben. Er wird in diesem Herbst beantwortet werden, und dafür werden wir dann auch die entsprechenden Grundlagen haben. Vielleicht meldet sich gleich der Kollege Scheuerl, der auch noch Fragen gestellt hat – er hat sich schon gemeldet, ich habe es gesehen –, etwa die Frage, ob Hamburg und Berlin sich gemeinsam bewerben können. Das wird wohl nicht möglich sein, weil die IOC-Regularien das nicht hergeben. Aber auch diese Fragen müssen auf den Tisch und beantwortet werden. Dass jetzt der ganze Norden hinter der Bewerbung steht und es gestern auch noch einmal Rückenwind von der schleswig-holsteinischen Landesregierung gegeben hat, ist ein gutes Zeichen. Es zeigt einmal mehr, dass die Zusammenarbeit im Norden viel besser funktioniert, als hier gelegentlich behauptet wird.

(Beifall bei der SPD)

Hamburg hat seine Hausaufgaben gemacht. Wir müssen hier noch Hausaufgaben machen, denn am Schluss, das ist klar, entscheidet nicht die Politik, ob es dazu kommt oder nicht, sondern die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt. Dafür werden wir gemeinsam die Voraussetzungen schaffen, und wir sind auf einem guten Weg. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält nun Herr Schira von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gleich zu Anfang: Hamburg hat eine Chance bei der Bewerbung für die Olympischen Sommerspiele, und wir sollten sie auch nutzen. Selbstverständlich ist mir bewusst, dass mit einer erneuten Hamburger Olympiabewerbung große Herausforderungen und eine gewaltige Kraftanstrengung verbunden sind, die weder Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft noch

der organisierte Sport alleine leisten können. Es ist eine Gemeinschaftsaufgabe, und wir als CDU stehen zu der damit verbundenen Verantwortung.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Natürlich verlangen wir vom Senat – das ist unsere Erwartung und das ist in den letzten Debatten und Gesprächen und auch in der parlamentarischen Begleitgruppe immer wieder deutlich geworden – die notwendige Transparenz, was die Zahlen und eventuelle Risiken angeht. Diese müssen hier transparent und sauber aufgearbeitet werden, denn am Ende geht es um eines: Am Ende fragen wir die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, ob sie für eine olympische Bewerbung sind oder nicht. Das ist ganz wichtig und entscheidend, denn nicht wir im Parlament entscheiden darüber, sondern die Bürgerinnen und Bürger, und die müssen wir von Olympia überzeugen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren! Ich bin mir ganz sicher, dass Hamburg Olympia kann. Wir sind eine sportbegeisterte Stadt. Über 500 000 Mitglieder in den knapp 800 Sportvereinen engagieren sich, und die Sportbegeisterung haben wir bei der Ankunft der deutschen Olympiamannschaft 2012 in Hamburg hautnah miterleben dürfen. Diese offenherzige und begeisterungsfähige Atmosphäre entstand nicht irgendwann, sondern sie baut auf einer großen Sportbegeisterung in unserer Stadt auf.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Vor uns liegt eine einmalige Gelegenheit, diese Stadt in Sachen Olympiabewerbung voranzutreiben. Nehmen Sie den Breiten- und Leistungssport; da haben wir eine dezidiert andere Auffassung als Sie, Herr Yildiz. Den Aus- und Neubau von Sportstätten oder eine intensive Nachwuchsförderung, das alles können die Olympischen Spiele in Hamburg bewegen, und deswegen unterstützen wir sie. Nehmen wir die Stadtentwicklung und den Wohnungsbau. Durch intelligente Bauweise sowie Nachnutzungskonzepte, die im Konzept mitenthalten sind, können wir Wohnraum für mehrere Tausend Menschen schaffen, und dies zu bezahlbaren Preisen. Oder nehmen Sie unsere Wirtschaft und Industrie. Im globalen Standortwettbewerb würden wir einen deutlichen Schub nach vorne leisten. Arbeitsplätze würden so gesichert und neu geschaffen. Oder das große Thema Verkehr: Unter Zuhilfenahme des Bundes, und anders geht es gar nicht, könnten wir so manches Projekt hier realisieren, das nicht nur die Logistik der Spiele unterstützt, sondern langfristig für unsere Stadt überlebenswichtig ist.

(Beifall bei Dr. Andreas Dressel SPD)

Die Jahrhundertchance, um die es hier geht, ist die mögliche Bewerbung Hamburgs um die Austra

(Dr. Andreas Dressel)

gung der Olympischen Spiele 2024 oder 2028. Wir haben den großen Vorteil, dass diverse Planungsarbeiten schon stattgefunden haben, nämlich zur Olympiabewerbung 2003. Dieses solide Fundament ist genutzt worden, und das Ergebnis ist das Konzept, das am Montag vorgestellt worden ist. Hamburg will mit der Idee von den Spielen am Wasser nicht nur einen Platz in den Herzen der Menschen erobern, sondern insbesondere auch – und da wird letztlich abgestimmt – das Präsidium und die Vollversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes für sich gewinnen. Bei allen Anstrengungen gilt: Wir müssen die Hamburgerinnen und Hamburger davon überzeugen. Wir als CDU haben im Mai schon einen Antrag in Sachen Volksbefragung auf den Weg gebracht, und ich habe mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass der Bürgermeister auf Nachfrage eines Journalisten auf der Landespressekonferenz unseren Antrag auch gut fand. Das finden wir natürlich gut, aber entsprechend müssen wir jetzt natürlich auch in den Beratungen vorankommen.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns die Gelegenheit nutzen, den Versuch zu wagen, für die Olympischen Spiele zu werben. Ich bin überzeugt, dass es uns im Interesse unserer Stadt, wenn wir uns gemeinsam engagieren, auch gelingt. Hamburg hat mit der Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger eine gute Chance, die Olympischen Sommerspiele in unsere Stadt zu holen. Daran sollten wir alle zusammen auch hier im Parlament arbeiten. – Vielen Dank.