Protokoll der Sitzung vom 25.09.2014

[Antrag der SPD-Fraktion: Neue gewerbliche Nutzungen am Zeiseparkplatz – Ottenser Mischung aus Wohnen und Arbeiten erhalten! – Drs 20/13136 –]

Wer wünscht das Wort? – Frau Sudmann von der Fraktion DIE LINKE.

(Sören Schumacher SPD: Das ist was für die Bezirksversammlung!)

Um was geht es, wenn wir über diese Bebauung in Altona reden? Es geht um eine städtische Fläche, die seit Jahrzehnten als Parkplatz für das Zeise Kino benutzt wird und bebaut werden soll. Die Politik hat 1997 beschlossen, einen Bebauungsplan zu machen. Dieser Bebauungsplan sah damals eine sogenannte Kerngebietsnutzung vor, also Büronutzung. Über Jahre hinweg hat sich aber niemand gefun

den, der dort wirklich Büros errichten konnte. Deswegen hat die Politik im Jahr 2013 gesagt: Wir wollen Wohnungen haben, und deswegen beschließen wir, dass hier Wohnungen entstehen sollen.

(Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg übernimmt den Vorsitz.)

Wir wollen eine Mischung aus sozial gefördertem Wohnungsbau, frei finanziertem Wohnungsbau und kleinem Gewerbe. Das ist schon einmal gut. Und wenn ich Politik sage, dann meine ich natürlich auch die SPD und die CDU im Bezirk. Von der FDP weiß ich gar nicht so genau, ob die mit dabei war, aber SPD und CDU auf alle Fälle. Nach dieser Entscheidung ist dann ein Investor gekommen und hat gesagt: Liebe Leute, ich baue euch das, was ihr wollt, gebt mir dieses Grundstück anderthalb Jahre zur Planung. Ich plane das, was ihr wollt, und am Ende bekommt ihr das, was ihr wollt. Das hatte für den Investor den Vorteil, dass sich die Stadt verpflichtet hat, in diesen anderthalb Jahren mit niemand anderem über dieses Grundstück zu verhandeln. Und jetzt komme ich zu dem Punkt, wo es spannend wird und den ich eine Täuschung nenne. Die Täuschung besteht darin, dass dieser Investor nach knapp einem Jahr verkündet hat, er habe jemanden für hochpreisige Büronutzung gefunden und wolle jetzt Büros bauen. Da würde man doch sagen, dass er dann raus ist aus dem Spiel, oder? Wenn Sie zu Ihrem Fahrradhändler gehen und um ein Angebot für ein tolles Fahrrad bitten, das gern auch etwas kosten darf, weil es qualitativ gut sein soll, und Ihr Fahrradhändler zwei Tage später zu Ihnen kommt und sagt, er habe ein tolles Angebot für ein Auto, ob Sie das nicht lieber nehmen wollten, dann würden Sie doch sagen, er spinnt. In diesem Fall sagt die SPD nicht, ihr spinnt doch, sondern sie sagt, dass das eigentlich gar nicht so schlecht sei und versucht nun, neue Argumente zu finden. Nachdem Sie noch im Jahr 2013 gesagt haben, Ottensen brauche bezahlbare Wohnungen, heißt es bei der SPD jetzt, sie würde die Ottenser Mischung aus Wohnen und Gewerbe herstellen. Das klingt erst einmal gut. Dann versucht die SPD, Bezüge zur Geschichte herzustellen, und beschreibt Ottensen als altes Arbeiterviertel. Vielleicht sollte Ihnen dabei auffallen, dass die Menschen in diesem Arbeiterviertel nicht so wahnsinnig viel Geld hatten und günstigen Wohnraum brauchten – Stichwort Mottenburg. Sie sagen auf einmal, was interessiert mich mein Geschwätz von gestern, wir wollen jetzt Büronutzung haben. Das ist ein sehr, sehr schwaches Argument, eigentlich gar keines.

(Beifall bei der LINKEN)

Mir ist nicht ganz klar, woher der Umschwung kommt. Ich weiß nicht, ob Sie sich zu intensiv mit Ihrem ehemaligen Bezirksabgeordneten Mark Classen unterhalten haben. Mark Classen war Bauausschussvorsitzender und hat genau die Linie

(Dr. Kurt Duwe)

vertreten, die ich gerade beschrieben habe. Er hat gesagt, dort komme Wohnungsbau hin. Am 10. Juni 2014, am selben Tag, an dem er aus der Bezirksversammlung ausgeschieden ist, hat er eine Beratungsfirma gegründet. Diese Firma berät verschiedene Unternehmen – zufälligerweise berät er seitdem auch den Investor für den Zeise-Parkplatz. Sie werden das sicherlich in der SPD unter sich klären, ob solche Interessenkonflikte wirklich so ausgetragen werden dürfen, dass ein führender SPDler in Altona auf einmal Firmen berät, die etwas ganz anderes machen wollen.

Ich weiß nicht, wie Sie dazu gekommen sind. Ich habe aber gelesen, dass die SPD in Altona und auch auf Bürgerschaftsebene sagt, sie hätte ein ganz tolles Argument: es gehe um 850 oder 900 Arbeitsplätze. Das wäre ein tolles Argument, wenn das mindestens 300, 400, von mir aus auch nur 100 neue Arbeitsplätze wären. Aber nein, nichts dergleichen. Die Firma WPP, die viele verschiedene Niederlassungen in Hamburg hat – die Werbeagentur Scholz & Friends gehört dazu –, will diese an einem Standort konzentrieren. Ich frage Sie ganz ernsthaft, warum die nach Ottensen müssen. Und selbst wenn, in Ottensen gibt es Neubauten; Frau Dobusch wird es sicherlich gleich bestätigen. Es gibt Planungen für ein Bürogebäude an der Barnerstraße/Ecke Gaußstraße, der Neubau an den Kühne-Höfen läuft, und es gibt ganz viel Büroraum in der Nähe der Bahrenfelder Trabrennbahn, 1a angeschlossen an die Autobahn. Da gibt es seit Jahren Leerstand. Das interessiert Sie alles überhaupt nicht. Sie haben da jemanden an der Angel, der so viel Geld hat, dass er endlich die HafenCity füllen und dort Büros anmieten könnte, aber Sie sagen, Ottensen könne noch ein bisschen mehr vertragen. Ich habe kein einziges Argument bei Ihnen gefunden, wie Sie stadtentwicklungspolitisch vertreten können,

(Dirk Kienscherf SPD: Da müssen Sie mal nachlesen!)

in Ottensen eine Firma anzusiedeln, die mit Leuten kommen wird, die wesentlich mehr Geld verdienen als der durchschnittliche Ottenser – der alte jedenfalls. Heute sind da auch Leute, die mehr Geld verdienen.

(Gabi Dobusch SPD: Wann waren Sie zu- letzt da?)

Es ist eine Mischung, genau. Das ist das Problem in Ottensen. Ich danke, dass Sie hierauf angesprungen sind, Frau Dobusch.

Das ist genau das Problem, dass mittlerweile Menschen mit normalem Einkommen in Ottensen kaum eine Wohnung finden. Das ist noch ein Argument, warum Sie dagegen sein sollten, dass WPP dort hinkommt und keine Wohnungsnutzung.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt auch ein moralisches Argument, das Ihnen irgendwann auf die Füße fallen wird. Da kommt jemand und sagt, dieses städtische Grundstück überplane ich euch so, wie ihr euch das wünscht, und dann sagt dieser Investor auf einmal, er mache da etwas ganz anderes – und Sie belohnen das auch noch. Das können Sie doch nicht ernsthaft wollen und auch alle anderen nicht, die nicht aus Altona kommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aus diesem Grund sind wir als Links-Fraktion dafür, dass es keinen Verkauf gibt. Wir sind nicht in der Kommission für Bodenordnung. Sie haben es bisher immer geschickt hinbekommen, die Geschäftsordnung oder was auch immer zu bemühen, dass alle Fraktionen in der Kommission sein dürfen, nur wir nicht.

(Hans-Detlef Roock CDU: Dafür sind Sie in der Kommission für Stadtentwicklung!)

In der Kommission für Bodenordnung erfolgen die Grundstücksverkäufe. Sie hat die Möglichkeit, ihr Minderheitenrecht auszuüben. Ich bin sehr erstaunt, dass die Opposition, die in der Kommission sitzt – die GRÜNEN, die CDU, die FDP –, nicht bereit ist zu sagen, wir wollen, dass das in der Bürgerschaft diskutiert wird. Dass die SPD kein Interesse daran hat, dieses Thema öffentlich zu diskutieren, damit es transparenter wird, wie sie sich verhält, kann ich verstehen. Aber dass die Opposition nicht sagt, diese Täuschung machen wir nicht mit, das kann ich nicht verstehen. Ich wünsche mir, dass Sie alle – von der SPD zumindest diejenigen, die aus Altona kommen –zustimmen und sich der öffentlichen Debatte stellen. Sie sollten sagen, wir haben kein Problem damit, in der Bürgerschaft laut und deutlich zu sagen, Ottensen geht uns am Hintern vorbei, Hauptsache, wir bekommen dort neue Bürogebäude. Darauf warte ich.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Sudmann. – Das Wort hat jetzt Frau Dobusch von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vielleicht zunächst ein Hinweis an die Kollegin, weil Sie sagten, wir hätten kein Interesse daran, etwas öffentlich zu verhandeln. Sie haben doch bestimmt von den Kollegen Ihrer Fraktion aus der Bezirksversammlung mitbekommen, dass es zum Beispiel am 2. Oktober eine öffentliche Sitzung im Kollegiensaal geben wird. Dort werden alle Interessierten die Gelegenheit haben, sich noch einmal damit auseinanderzusetzen. Im Moment ist das ein Bezirksthema und nicht eines von uns.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Das ist eine städtische Fläche!)

(Heike Sudmann)

Wir haben in unserem Antrag etwas weiter ausgeholt,

(Hans-Detlef Roock CDU: Das hätten Sie sich sparen können!)

weil es unseres Erachtens notwendig ist, sich in der Sache Zeise-Parkplatz mit ein paar Fakten genauer auseinanderzusetzen. Ihre Ausführungen, Frau Sudmann, haben mich davon überzeugt, dass das tatsächlich absolut notwendig ist.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben es zwar erwähnt, aber lassen Sie es mich noch einmal ausdrücklich feststellen. Die zur Debatte stehende Nutzung ist genau den Vorgaben des Bebauungsplans entsprechend.

(Heike Sudmann DIE LINKE: 17 Jahre alt!)

Das Vorhaben widerspricht dem geltenden Bebauungsplan für Ottensen überhaupt nicht, sondern liegt ganz und gar auf dessen Linie. An diesem alten Industriestandort, dem Ex-Gelände der Schiffsschraubenfabrik Zeise, wurde damals ein Teilgrundstück, nämlich Zeise 2, ganz bewusst der Schaffung von Arbeitsplätzen vorbehalten. Das wurde 1997 noch einmal bekräftigt und seither auch von keiner der Fraktionen in der Bezirksversammlung jemals infrage gestellt, und das aus sehr gutem Grund, Frau Sudmann.

(Beifall bei der SPD)

Vielleicht ein kleiner Hinweis, weil Sie das nicht erwähnt und sehr in Richtung SPD argumentiert haben. Wir haben in der dortigen Bezirksversammlung derzeit nicht die Mehrheit.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Aber haben Sie anders abgestimmt?)

Meine Damen und Herren! Ottensen, das ehemalige Arbeiterviertel, hat, genau wie das ganze Altonaer Kerngebiet, seit den Sechziger-, Siebzigerjahren kontinuierlich Gewerbeflächen und damit Arbeitsplätze eingebüßt. Im Gewerbeflächenkonzept für Altona von 2013, auf das die GRÜNEN dankenswerterweise in ihrer Anfrage zur Flächenentwicklung verwiesen haben, heißt es dazu absolut kritisch:

"Die Immobilienwirtschaft versucht gegenwärtig nicht genutzte Gewerbestandorte für den Wohnungsbau zu nutzen. Die Bodenpreise für Wohnobjekte betragen im Kerngebiet Altona/Ottensen/Bahrenfeld das Zweibis Fünffache der Preise für Gewerbeflächen."

Und weiter heißt es dort:

"Eine solche Tendenz zu Spekulationen lässt sich in Altona, dem 'West-End Hamburgs', zunehmend erkennen."

Ich habe das noch einmal als Hinweis für die LINKEN zitiert. Die Spekulationen laufen derzeit nämlich in diese Richtung und nicht umgekehrt, wie Sie fälschlicherweise in die Welt gesetzt haben. Es lohnt sich, da genauer hinzusehen.

(Beifall bei der SPD)

Damit sind wir wieder bei Zeise 2. Über lange Jahre hinweg scheiterten dort Projekte, das stimmt. Weder die Verlagerung der BSU, die einmal geplant war, noch die Ansiedlung von Greenpeace ist gelungen. Es ist erstaunlich, dass genau in der Mitte von Altona eine Leerstelle geblieben ist. Irgendwie standen dem, das wissen Sie wahrscheinlich genauso gut wie ich, die Nutzungsrechte des Grundstücksnachbars von Zeise 1 entgegen. Deswegen war der Bezirk, auch angesichts der Wohnungsknappheit, zuletzt einvernehmlich bereit, doch eine Sondergenehmigung für eine Mischnutzung in Betracht zu ziehen: Einzelhandel wie Budnikowsky, Büroflächen und auch ein paar Wohnungen.

Nun haben wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten überhaupt nichts gegen Wohnungsbau – das dürfte bekannt sein –, ganz im Gegenteil. Vor allen Dingen die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum auch in innerstädtischen Gebieten bleibt unsere Priorität Nummer 1.

(Beifall bei der SPD)

Aber es gehört auch zu einer guten Politik, das Ganze im Blick zu behalten. In Ottensen und im direkten Umfeld sind seit 2011 bereits über 400 Sozialwohnungen gefördert worden. In Mitte Altona kommen demnächst 500 neue Sozialwohnungen dazu, und nach der Entscheidung der Bahn, den Bahnhof zu verlagern, kann ebenfalls mit dem zweiten Bauabschnitt gerechnet werden.

(Heike Sudmann DIE LINKE: 2030!)

Sie haben es erwähnt, auf dem Euler-Hermes-Gelände werden Wohnungen entstehen, auf dem Kolbenschmidt-Gelände und dem Gelände der Gewürzmühle Petersen, auch bei den Kühne-Höfen geht es weiter. Und jedes Mal reden wir von ganz anderen, um das Zehnfache höher liegenden Dimensionen als bei Zeise 2. Damit tun wir wirklich viel für eine merkliche Entspannung auf dem Wohnungsmarkt in Altona.

(Beifall bei der SPD)