Protokoll der Sitzung vom 08.10.2014

Sie klammern sich an diesen Satz des Bundesverwaltungsgerichts, die Mängel des Planfeststellungsbeschlusses seien behebbar und führten deswegen auch in ihrer Summe nicht zur Aufhebung. Sie wissen aber als Jurist, dass ein Planfeststellungsbeschluss nur dann aufgehoben wird, wenn er auch theoretisch nicht mehr heilbar ist. Die Hürden, das zu heilen, sind extrem hoch. Und wenn Sie nur auf die Beratung von Herrn Drieschner vertrauen, dann werden Sie massiv unter ihnen hindurchlaufen. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Herr Dr. Kluth von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn diese Regierungserklärung etwas gebracht hat, dann zumindest eine schöne Formulierung. Der Bürgermeister hat am Anfang seiner Regierungserklärung formuliert, Flüsse seien Vorfluter für Trübes. Ich muss offen sagen, am Ende der Regierungserklärung hatte ich den Eindruck, dass das gleichfalls als Funktionsbeschreibung für die Politik dieses Senats und dieses Bürgermeisters taugen könnte.

(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei der CDU und bei Jens Kerstan GRÜNE und Dr. Wal- ter Scheuerl fraktionslos)

Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom vergangenen Donnerstag war eine schallende Ohrfeige für diesen Senat. Daran kann es überhaupt keinen Zweifel geben, wenn Sie sich die Entscheidung durchlesen. Sie wissen, dass der ursprüngliche Planfeststellungsbeschluss am 1. Oktober 2013 – also unter der Verantwortung dieses Senats, Herr Kollege Wersich hat schon darauf hingewiesen – ergänzt worden ist. Genau zu dieser Ergänzung hat das Gericht festgestellt, dass die Kriterien für die Bewertung und ihr fachlicher Sinngehalt nicht nachvollziehbar dargelegt worden seien. Das klingt kompliziert, aber im Kern ist es ganz einfach. Es bedeutet, dass ungenügend, dass schlecht gearbeitet wurde, und die politische Verantwortung dafür trägt einzig und allein der SPD-Senat und niemand anderes.

(Beifall bei der FDP und bei Jens Kerstan und Dr. Anjes Tjarks, beide GRÜNE)

Aber etwas anderes hat mich in der letzten Woche fast noch mehr erbost. Sie haben möglicherweise alle das Interview von Manfred Braasch im NDR gesehen. Er sprach immer von – ich zitiere – der

Gegenseite. Wen meint er eigentlich mit Gegenseite?

(Jens Kerstan GRÜNE: Na, vor Gericht!)

Vielleicht die Hamburger Bürger und Bürgerinnen, die Unternehmen und ihre Beschäftigten, die den wirtschaftlichen Schaden und den Schlamassel ausbaden müssen?

(Jens Kerstan GRÜNE: Nee, nee! Sie sind doch Anwalt, so sagt man das vor Gericht, Gegenseite!)

Herr Braasch, ich denke, Sie sollten in die Satzung Ihres Vereins gucken. In Paragraf 2 steht, der BUND dient ausschließlich gemeinnützigen Zwecken. Davon sind Sie in der Realität weit weg.

(Beifall bei der FDP)

Es ist doch absurd, dass gerade sogenannte Naturschutzverbände dafür sorgen, dass die modernsten und damit auch umweltverträglichsten Schiffe Hamburg nicht anlaufen können, dass Gütertransporte auf der Straße stattfinden müssen. Das ist absurd und hat mit Umweltschutz überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren! Planungsprozesse für große Infrastrukturvorhaben sind heute aufwendig, teuer und dauern lange. Das ist eine Binsenweisheit, das muss ich Ihnen an dieser Stelle nicht weiter erläutern. Man hört dazu gelegentlich den Einwand, daran könne man sowieso nichts ändern, das sei durch Verordnungen und Richtlinien der Europäischen Union so vorgegeben. Ich bezweifle diese Aussage und will das an einem Beispiel verdeutlichen.

Der etwa 20 Kilometer lange Fehmarnbelt-Tunnel wird von den dänischen Behörden geplant und genehmigt, lediglich die letzten 300 Meter vor Fehmarn sind in deutscher Hand. Umfang der Genehmigungsunterlagen in Dänemark: 800 Seiten, Umfang der Genehmigungsunterlagen für das kurze deutsche Teilstück: mehrere Tausend Seiten. Auch Dänemark – Frau Suding hat schon darauf hingewiesen – gehört der EU an. Wir haben also, das ist richtig, kein europäisches, wir haben ein deutsches Problem im Planungsrecht. Ich möchte daher darauf eingehen, wie man aus unserer Sicht hieran etwas ändern kann.

Ein wichtiger Punkt: Planfeststellungsverfahren weiter reformieren und öffnen. Planfeststellungsverfahren sind in den Verwaltungsgesetzen des Bundes und der Länder und verschiedenen Fachplanungsgesetzen geregelt. All diese Gesetze haben eines gemeinsam: Die Pläne werden im Wesentlichen zunächst verwaltungsintern zur Planreife gebracht, also ohne öffentliche Beteiligung, und häufig zumeist auch ohne Beteiligung der Parlamente. Im geltenden Recht ist die Planung von In

(Dr. Anjes Tjarks)

frastruktur also in erster Linie Sache der Exekutive. Erst dann, wenn der Plan steht, wird die Öffentlichkeit angehört und beteiligt. Im Zentrum der dann folgenden Anhörung, das ist nach deutschem Planungsrecht so, steht dann der Betroffene, der seine Einwände gegen das Vorhaben geltend macht, und auch nur derjenige, der das tut, hat anschließend ein Klagerecht. So hatten wir zum Beispiel über 7000 Einwendungen gegen die laufende neunte Elbvertiefung. Wo sind aber zum Beispiel die Beschäftigten der betroffenen Hafenunternehmen, deren Arbeitsplätze von der Genehmigung abhängen? Fakt ist, sie finden im Planfeststellungsverfahren nicht statt. Der Gegenstand der öffentlichen Anhörung ist entsprechend verengt. Wichtige Fragen wie der Nutzen für die Allgemeinheit oder die Kosten werden im Planverfahren also nicht diskutiert. Der Bürger muss den Eindruck haben, dass der Plan zum Zeitpunkt der Anhörung im Wesentlichen bereits feststeht. Und das schafft ein Gefühl der Ohnmacht, das produziert Wutbürger.

(Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

Was ist nun die Lösung? Die Lösung lautet: frühzeitige öffentliche Vorerörterungen, und zwar bevor ein Plan verwaltungsintern aufgestellt wird. Das erhöht die Akzeptanz für eine Planung und trägt zur Beschleunigung bei. Das jedenfalls ist für uns die Lehre aus Planungsvorhaben in Skandinavien. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt nun Herr Hackbusch von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will keine große Grundsatzrede halten,

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

sondern versuchen, die noch offenen Punkte, die wir besprechen wollten, einmal kurz aufzuführen.

Weil Sie es gerade angeführt haben, Herr Kluth und vorher Herr Scheuerl, fange ich mit dem Verbandsklagerecht an und den Möglichkeiten der Umweltverbände, etwas zu tun. Die Entscheidung von Leipzig hat doch deutlich bewiesen, dass die Umweltverbände völlig zu Recht darauf hingewiesen haben, dass es dort Fehler gibt. Wie kann denn mehr bestätigt werden, dass sie das zu Recht gemacht haben, dass sie einen Grund dafür haben und dementsprechend ihre Entscheidung, dagegen vorzugehen, richtig war, als dadurch, dass ihnen vor Gericht Recht gegeben wurde? Wie will man eine höhere Unterstützung dessen noch haben?

(Beifall bei der LINKEN)

Ein zweiter Punkt. Ich will noch einmal deutlich machen, warum das Verbandsklagerecht so wichtig ist, und Ihnen das mit einem ganz einfachen Beispiel erklären. Es gab große Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Airbus-Ausbau in Finkenwerder. Mein Vater wohnte direkt in der Einflugschneise und war richtig hart von dem Ausbau betroffen. Er hatte keine Möglichkeit, juristisch dagegen vorzugehen, mit der Begründung, er habe keinen Grund und Boden, das heißt, er war nur Mieter und ist aufgrund dessen vom Klagerecht abgeschnitten worden. Dementsprechend ist die Veränderung des Klagerechts, die auch einem Verband die Möglichkeit zu klagen einräumt und nicht nur den Eigentümern von Grund und Boden, eine demokratische Weiterentwicklung, die ich mit aller Schärfe und aller Kraft verteidigen werde.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Zweite ist das Stichwort Verlässlichkeit. Das hat vor allen Dingen der Bürgermeister angeführt und natürlich Herr Dressel. Im Zusammenhang mit Verlässlichkeit kann ich mich noch gut an die letzte Elbvertiefung erinnern. Damals wurde hoch und heilig versprochen, das sei die allerletzte Elbvertiefung, die man sich vorstellen könne. Das ist dementsprechend auch festgesetzt worden – und kurz danach wurde es wieder aufgehoben.

(Arno Münster SPD: Das stimmt doch gar nicht! Das ist doch gar nicht wahr!)

Arno Münster, das weißt du doch ganz genau. Ich weiß nicht, warum du schimpfst.

Das Dritte ist natürlich auch die Verlässlichkeit der Stadt Hamburg gegenüber den Reedern. Es hat dem Hamburger Hafen nicht gut getan, dass Herr Horch im Jahr 2011 herumgefahren ist und gesagt hat, die Elbvertiefung werde spätestens nächstes Jahr umgesetzt sein. Wir sehen, dass das gegenwärtig immer noch nicht der Fall ist. Das ist eine Art und Weise von nichtverlässlicher Politik, und es fehlen mir selbstkritische Worte des Senats dazu. Er sollte einmal eingestehen, dass er sich geirrt und einen Fehler gemacht hat, statt immer hochmütig davon zu sprechen, wie toll er alles gemacht habe und dass nur die anderen Fehler gemacht hätten.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist auch eine Verteidigung von demokratischem Recht, dass man in der Lage ist, so etwas zu machen, und dass wir keine chinesischen Verhältnisse hier haben, worauf wir hoffentlich in dieser Bürgerschaft gemeinsam stolz sind, Herr Dressel, und nicht vielleicht plötzlich China als ein Vorbild für uns ansehen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Davon sind wir sehr weit weg!)

Das ist ja schon einmal gut.

(Dr. Thomas-Sönke Kluth)

Diese Selbstkritik ist notwendig. In Bezug auf die Argumentation mit dem Artikel aus der "Zeit" möchte ich am liebsten Arno Münster nach vorn rufen. Um das einmal ganz einfach zu erklären: Es ist eine Art Mickey-Mouse-Vorstellung, wenn Sie argumentieren, es gäbe mehr Lkw-Verkehr, wenn die Schiffe in Rotterdam abladen würden. Das wird natürlich nicht passieren; das kommt mit Schiffen hierher,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Woher wissen Sie, dass das so ist?)

genauso wie gegenwärtig Danzig mit Schiffen aus Hamburg beliefert wird. Natürlich gibt es dafür keine Garantie, denn es gibt keine Planungsbehörde, die das unterschreibt, aber alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, und dementsprechend ist das wirklich eine Argumentation aus der Dummen-Kiste. Dass so etwas in der seriösen "Zeit" stehen kann, finde ich auch unvorstellbar.

(Finn-Ole Ritter FDP: Was ist denn eine seri- öse Zeit?)

Dass Sie dazu noch nicht einmal kritische Überlegungen anstellen, verstehe ich überhaupt nicht, und es ist peinlich, dass sich auch der Bürgermeister darauf bezieht.

(Beifall bei der LINKEN und bei Jens Kers- tan GRÜNE)

Ich komme dann zu einem Punkt, den wir häufig in der Bürgerschaft diskutieren, und das ist die Frage der Kosten. Ich will Ihnen noch einmal die gegenwärtige Situation in diesem Land schildern, weil die Elbvertiefung nicht nur von der Stadt, sondern im Wesentlichen auch vom Bund finanziert werden soll. Es stellen sich derzeit verschiedene Städte hin und fordern, dass drei Flüsse gemeinsam vertieft werden, die Ems, die Weser und die Elbe, und zwar alle drei. Da stellt sich natürlich die Frage, wieso es notwendig ist, dass alle drei vertieft werden. Sollte man vielleicht noch die Este vertiefen?

(Finn-Ole Ritter FDP: Die Bille vertiefen!)

Weiß der Teufel, auf welche Ideen man noch kommt. Das ist natürlich keine Logik, die man unbedingt akzeptieren sollte. Ein weiterer Punkt, den man fordert und als Grundvoraussetzung ansieht, ist die Anbindung aller drei großen Häfen in Deutschland an Schiene und Autobahn, auch Wilhelmshaven. Auch das ist keine vernünftige Art und Weise. Der normale sparsame Mensch geht hin und sagt, man werde einen Schifffahrtsweg vertiefen und einigermaßen ausbauen. Das ist eine vernünftige Art und Weise, mit Geld umzugehen.

(Beifall bei der LINKEN – Finn-Ole Ritter FDP: Das kommt aus dem falschen Mund!)