Protokoll der Sitzung vom 05.11.2014

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Ich komme zum zweiten Thema, zum naturwissenschaftlichen Bereich. Man sollte bei den Fakten bleiben. Ich habe heute in der Weltpresse, der "Hamburger Morgenpost", die Behauptung lesen können, dass drei Viertel des Stickstoffdioxids durch den Verkehr verursacht würden und ein Drittel durch Schifffahrt und Industrie. In diesem Satz sind zwei kleine Fehler. Zum einen ist es so, dass ungefähr ein Drittel auf den Verkehr entfällt, ein

(Birgit Stöver)

Drittel auf die Schifffahrt, ein Sechstel auf die Industrie und die übrigen Anteile auf den Rest.

(Jens Kerstan GRÜNE: Wo kommt der Rest her?)

Zum anderen ist bei drei Viertel plus ein Drittel ein Zwölftel zu viel – so habe ich es zumindest gelernt.

(Beifall bei der FDP)

Soweit zur Stichhaltigkeit dessen, was in der Diskussion teilweise angeführt wird. 13 Zwölftel hört sich eben besser an als 12 Zwölftel, das ist immer schon so gewesen.

Wenn ich höre, was schon wieder gefordert wird, obwohl wir noch gar nicht wissen, wie das Urteil ausfallen wird – Tempo 30 zum Beispiel, eine Citymaut oder was andere Städte so alles anzubieten haben –, dann kann ich nur sagen, dass die meisten dieser Maßnahmen wirkungsvoll und teilweise sogar kontraproduktiv sind, weil sie zu Ausweichverkehren führen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wirkungslos! Sie haben wirkungsvoll gesagt!)

Wirkungslos, genau. Danke für die Korrektur. Ich bin immer gerne für Korrekturen zu haben, wenn sie richtig sind.

(Wolfgang Rose SPD: Wir passen auf!)

Wir müssen sehen, dass alles, was zur Luftreinhaltung führen kann, mittel- oder langfristig angesetzt werden muss. Das geht nicht von heute auf morgen. Einiges ist vom SPD-Senat schon angeschoben worden. Natürlich kann man sich ein höheres Tempo wünschen und sollte das auch tun. Aber da sind oft europäische Richtlinien im Spiel, in der Schifffahrt teilweise sogar weltweit geltende Richtlinien, bei denen es mindestens 15 oder 20 Jahre dauert, bis sich alle Nationen auf Schadstoffbegrenzungen geeinigt haben. Selbst ein Gerichtsurteil des hamburgischen Verwaltungsgerichts wird leider nichts daran ändern können, dass die meisten Containerschiffe in den nächsten zehn Jahren immer noch mit – ich sage es einmal so – Dreck befeuert werden. Das ist leider so. Die Alternative wäre, entweder den Hafen oder den Kraftfahrzeugverkehr in Hamburg abzuschaffen, um die Stickstoffdioxidwerte zu senken. Das sind jährliche Mittelwerte. Das heißt, man muss die Hintergrundbelastung soweit herunterbringen, dass man unter die 40 Mikrogramm kommt. Da nützt es nichts, an einigen Punkten keine Lastwagen fahren zu lassen. Ich bitte also um mehr Respekt vor der Naturwissenschaft, gerade bei diesen Themen. Wenn man Milliarden ausgeben will, dann muss man auch wirklich darauf schauen, ob das optimal gemacht wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Frau Heyenn von der Fraktion DIE LINKE bekommt jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Duwe, es ist nicht so, dass der Kampf gegen den Klimawandel teuer ist, sondern teuer ist es, wenn wir überhaupt nichts machen und den Klimawandel gewähren lassen. Das wird richtig teuer.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und bei Birgit Stöver CDU)

Der Weltklimabericht, der vor einigen Tagen in Kopenhagen vorgestellt wurde, warnt eindringlich – wieder einmal, kann man sagen – vor den Folgen der Erderwärmung. Er hat noch einmal deutlich gemacht und unmissverständlich festgestellt, dass der Klimawandel menschengemacht ist und seine Konsequenzen den Wohnsitz und die Existenz von Milliarden Menschen bedrohen. Kein Teil der Welt wird davon unberührt bleiben. Wenn die globale Erwärmung weiterhin im derzeitigen Tempo voranschreitet, werden weitere Millionen Menschen von Hunger bedroht sein, und wir werden es mit Millionen von Umweltflüchtlingen zu tun bekommen. Davor haben schon viele, viele gewarnt, aber wir sind nicht in der Lage zuzuhören. Die Wissenschaftler haben wieder einmal schnelle Reaktionen angemahnt und darauf hingewiesen, dass die Durchschnittstemperatur um 4 Grad steigen wird, wenn der Ausstoß von Treibhausgasen bis Ende des Jahrhunderts nicht auf null reduziert wird. Und das heißt noch heftigere Stürme, noch mehr Überschwemmungen und noch mehr Dürrephasen. Sie mahnen eine Begrenzung auf 0 Prozent an, und wo stehen wir? Wir sind nicht einmal in der Lage, den Anstieg zu begrenzen. Die Klimaziele haben sich von Konferenz zu Konferenz, von Kyoto über Kopenhagen und Rio, bis heute immer weiter reduziert. Das Ergebnis ist, dass wir den Klimawandel nicht mehr bremsen können, sondern nur noch versuchen können, einen noch größeren Temperaturanstieg zu vermeiden.

Zur Wirtschaft: Die USA sagen, erst müsse China etwas tun, China sagt, die USA müssten handeln, die Entwicklungsländer sagen, das sollten bitte schön die Industrieländer tun und so weiter und so weiter. Ständig wird der Schwarze Peter verschoben und darauf hingewiesen, dass man die vorgeschlagenen Maßnahmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht umsetzen könne. Das ist ein Irrglaube.

(Finn-Ole Ritter FDP: Was ist jetzt Ihre Lö- sung?)

Wie sieht es in Hamburg aus? Auch in Hamburg ist die CO2-Emission in den letzten Jahren wieder stark angestiegen. Das Traurige ist: Es war eigentlich Konsens in diesem Haus, das verbindliche Ziel, die CO2-Produktion bis 2020 um 40 Prozent

(Dr. Kurt Duwe)

zu reduzieren, erreichen zu wollen. Davon sind wir weit entfernt. Wir haben jetzt gerade die Haushaltsberatungen, und wir haben feststellen müssen, dass dem Masterplan Klimaschutz von diesem Senat weniger Geld zur Verfügung gestellt wird. Wir haben aus der Opposition mehrfach nachgefragt, wie Sie das mit den erhöhten Anstrengungen vereinbaren können, die für Klimaschutz erforderlich sind. Dann ist uns gesagt worden, wie eben schon einmal kurz angesprochen wurde, das sei jetzt eine Querschnittsaufgabe für alle Behörden. In allen Behörden würden sich Mittel verstecken – das Wort "verstecken" kam übrigens häufig vor in den Haushaltsberatungen – und alle Behörden würden sich fürchterlich anstrengen, den Klimaschutz voranzubringen. Auf die Frage, wo in welcher Behörde in welchem Haushalt sich denn wieviel Mittel für den Klimaschutz verstecken, gab es bisher keine einzige Antwort. Was hat Frau Kisseler einmal gesagt? Schluss mit Spielchen. Ich sage, Schluss mit den Sonntagsreden und Schluss mit der Symbolpolitik. Bäume pflanzen ist gut und schön, aber wirksame Maßnahmen zum Klimaschutz sehen wirklich anders aus.

(Beifall bei der LINKEN)

Hamburg hat die dritthöchste Stickoxidbelastung deutscher Großstädte. Nun sagt die SPD immer, das sei aber alles nicht so schlimm, weil die anderen Großstädte das auch hätten. Genau das Schema pflegen wir jetzt schon mindestens 20 Jahre – immer darauf zeigen, dass es woanders auch nicht besser ist und dass erst einmal die anderen anfangen müssen. Mit dieser bekannten Strategie werden wir eines auf keinen Fall schaffen: den Klimawandel in den Griff zu bekommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Mehr als 220 000 Menschen in Hamburg haben keine saubere Luft, weil sie in Stadtteilen wohnen, in denen die Grenzwerte zum Teil deutlich überschritten sind. Bereits 2011 beantragte der Senat bei der EU-Kommission eine Fristverlängerung bis 2015, um Maßnahmen zur Minderung des Schadstoffausstoßes einleiten zu können. Der Aufschub wurde abgelehnt, und jetzt haben wir ein sogenanntes Luftreinhalteprogramm. Dazu gehören natürlich Radverkehr, ÖPNV und Landstromanbindung. Das ist immerhin etwas, aber es ist zu wenig. Die Autos müssen von der Straße, sie müssen 30 km/h fahren, es müssen mehr 30er-Zonen her, und vor allen Dingen geht eines gar nicht, dass die ÖPNV-Preise noch steigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sind der Auffassung, sie müssten kräftig sinken, und komischerweise mit uns auch die Handelskammer; da wird man staunen.

(Finn-Ole Ritter FDP: Das glaube ich nicht!)

Sie müssen mindestens um die Hälfte sinken, und Park and ride darf auch nichts kosten, sonst bekommen Sie die Autos nicht von der Straße und die Luft wird immer dicker.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort erhält Frau Senatorin Blankau.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich eines klarstellen: Erstens hat sich die Luftqualität in Hamburg in den letzten 25 Jahren kontinuierlich verbessert.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Graduell!)

Zweitens hat der Senat mit dem Luftreinhalteplan und dem dazugehörigen Maßnahmenbündel die geeigneten Mittel in der Hand, die Luftqualität auch in Zukunft weiter zu verbessern, und er wendet diese auch an. Fakt ist, dass alle Grenzwerte in Hamburg eingehalten werden, bis auf einen einzigen: NO2. Den Grenzwert für Feinstaub überschreiten wir hingegen im Vergleich zu Berlin nicht. Was Stickstoffoxide angeht, haben tatsächlich viele Städte Probleme mit diesen Emissionen, auch die Fahrradstädte Münster und Kopenhagen, die beide mit überschrittenen Grenzwerten zu kämpfen haben. London hat übrigens erst gar keinen Plan bei der EU-Kommission eingereicht, weil die Werte dort trotz Umweltzone für Lkw und Citymaut so hoch sind.

Meine Damen und Herren! Seit 12 Uhr wird beim Verwaltungsgericht über die gemeinsame Klage eines Anwohners in Altona und des BUND gegen den Luftreinhalteplan verhandelt. Einmal völlig unabhängig vom Ausgang des Verfahrens ist als Positives festzuhalten, dass alle Gerichtsentscheidungen, die bislang in anderen Fällen getroffen worden sind, nach ganz kurzer Zeit gefällt waren, und dieses Gericht setzt sich zurzeit unter anderem mit unserem Luftreinhalteplan argumentativ auseinander. Das ist etwas Positives, denn was der BUND mit seiner Klage fordert, bringt uns aus unserer Sicht in der Sache nicht weiter.

(Beifall bei der SPD)

Umweltzone und Citymaut halten wir für völlig ungeeignete Mittel, um den NO2-Ausstoß zu begrenzen. Die Einrichtung von Umweltzonen kann nicht dabei helfen, den NO2-Ausstoß zu bekämpfen, denn diese haben die Reduzierung von Feinstaubemissionen zum Ziel, und das ist kein Hamburger Problem.

(Beifall bei der SPD)

Dies hat übrigens Herr Braasch vom BUND richtig erkannt – ich zitiere –:

(Dora Heyenn)

"Die Umweltzone ist als Instrument, wie es derzeit aufgestellt ist, gar nicht mehr das Mittel der Wahl, um die Stickoxidbelastung voranzubringen oder einzugrenzen."

Das können Sie übrigens im Wortprotokoll des Umweltausschusses vom 30. August 2013 nachlesen.

(Birgit Stöver CDU: Da haben Sie recht, und das habe ich auch schon gesagt!)

Auch Geschwindigkeitsbegrenzungen helfen nicht, weil NO2 auch bei langsamen Fahrten oder beim Stillstand ausgestoßen wird. Tempo-30-Zonen führen nicht zu einer Verringerung des Problems; im Gegenteil stoßen Fahrzeuge bei Tempo 30 mehr NOX aus als bei Tempo 50.

(Uwe Lohmann SPD: Genau!)

Entsprechend müssen Staus und Stockungen verhindert und eine Verstetigung des Verkehrsflusses erreicht werden, beispielsweise durch Optimierung der Ampelschaltungen, und genau das tun wir.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP)

Wir ergreifen Maßnahmen, zum Beispiel bei der Verschiebung des Modal Split hin zu einer emissionsarmen Mobilität.

(Jens Kerstan GRÜNE: Sie schaffen das Rot an den Ampeln ab! – Gegenruf von Dr. An- dreas Dressel SPD: Rot wird nie abge- schafft!)