Protokoll der Sitzung vom 23.10.2019

Vielen Dank, Herr Präsident. – Letzten Mittwoch haben Studierende an der Universität Hamburg mit einer Kundgebung und Protesten im Hörsaal gegen eine Vorlesung des AfD-Gründers Bernd Lucke protestiert. Die Links-Fraktion findet richtig und wichtig, dass Studierende Lucke aufforderten, sich seiner historischen Verantwortung zu stellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Studierenden brachten mit der Kundgebung und den Protesten im Hörsaal ihren Unmut und ihre Sorgen zum Ausdruck. Man sollte Bernd Lucke

(Carsten Ovens)

nicht verbieten, zu lehren – das kann man auch gar nicht –, man sollte jedoch kritischen Studierenden auch nicht verbieten, seine Vorlesungen zu besuchen, ihre Meinung kritisch zu äußern oder Kundgebungen vor der Universität anzumelden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wissenschaft lebt von freier Meinungsäußerung und Dialog, auch Zivilcourage gehört zur Persönlichkeitsentwicklung und an unsere Hochschulen. Bernd Lucke ist der Gründer einer Partei, die für Rassismus und gesellschaftliche Spaltung steht.

(Zuruf von Dirk Nockemann AfD)

Die AfD hat einen starken völkisch-nationalistischen Flügel und ist für das Erstarken rechtsradikaler Kräfte in Deutschland mit verantwortlich.

(Dr. Alexander Wolf AfD: Unsinn!)

Auch wir sind der Meinung, dass Lucke sich seiner historischen Verantwortung stellen sollte. 2013 sprach er von der Entartung der demokratischen Parteien. 2014 sagte er – ich zitiere – :

"Das Problem sind eher Randgruppen wie Sinti und Roma, die leider in großer Zahl kommen und nicht gut integrationsfähig sind."

Auch Luckes neue Partei, die Liberal-Konservativen Reformer, hat mehrfach zu "Merkel muss weg"-Demonstrationen aufgerufen, die glücklicherweise jetzt nicht mehr stattfinden und auch von Senator Andy Grote als rechtsradikal und nicht wünschenswert bezeichnet worden sind. Auf der Homepage des Landesverbandes der Liberal-Konservativen Reformer findet man unter dem Titel "Falsche Doktrin des Multikulturalismus" zudem, dass das Recht auf Asyl infrage gestellt wird und Vorurteile gegen Menschen mit islamischen und afrikanischen Wurzeln geschürt werden. Das ist unerträglich, und auch dazu muss Herr Lucke sich verhalten.

(Beifall bei der LINKEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Weil Herr Rose so fragend guckte, zitiere ich das einmal, damit wir es nachvollziehen können:

"Es fällt auf, dass der kulturelle Hintergrund von [Migrantinnen und] Migranten einen großen Einfluss auf den Willen zur Einhaltung von Regeln und zur Integration insgesamt hat."

Dann wird den Europäern und den Ostasiaten zugeschrieben, dass sie sich einfügen und integrieren können. Und als letzter Satz:

"Umgekehrt gilt das für [Migrantinnen und] Migranten aus islamischen oder afrikanischen Kulturkreisen allzu oft leider nicht."

Wenn die AfD das hier äußern würde, würden wir alle zu Recht sagen, dass das so nicht geht. Herr Lucke, dem müssen Sie sich stellen, und davon müssen Sie sich distanzieren, sonst ist Ihre Distanzierung von Islamophobie nichts wert.

(Beifall bei der LINKEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Wir sind der Meinung, dass dieses komplexe Thema nicht so einfach zu lösen ist, erst recht nicht mit einer Opferrolle von Herrn Lucke, die er sich selbst zuschreibt oder die ihm von der AfD zugeschrieben wird. Wir müssen den Dialog führen,

(Dennis Gladiator CDU: Der wurde doch ver- hindert!)

aber wir müssen den Studierenden auch zugestehen, dass sie den Anfängen wehren wollen, und hinter ihnen stehen, wenn sie eine kritische Auseinandersetzung in der Universität fordern.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort erhält jetzt Frau von Treuenfels-Frowein für die FDP-Fraktion.

Das macht mich echt fassungslos. Meine Herrschaften, was ist hier los? DIE LINKE und ein Teil der GRÜNEN kommen immer noch damit, dass das eine so differenzierte Debatte und alles so schwierig zu erklären wäre. Nein, es ist überhaupt nicht schwierig zu erklären.

(Beifall bei der FDP, der CDU und bei Dr. Jörn Kruse fraktionslos)

Was ist los an unserer Universität, dass wir so etwas überhaupt sagen müssen? Das kann ich überhaupt nicht glauben. Ich glaube, dass auch ein großer Teil von Ihnen, liebe SPD, das genauso sieht; ich sehe es an Ihren Gesichtern.

Zu den Fakten: Herr Lucke ist niedergebrüllt worden. Das nennt sich hier nicht Diskurs, das wollen wir einmal festhalten. Egal, wer da niedergebrüllt wird, ob das jetzt Herr Lucke ist, ob das einer von den Linken, von den Rechten ist, völlig egal, das darf einfach nicht sein, das können wir nicht tolerieren.

(Beifall bei der FDP, der CDU und bei Dr. Jörn Kruse fraktionslos)

Frau Fegebank, wenn Sie hier versuchen zu erklären, was Sie da gesagt hätten … Heute sagen Sie etwas anderes, Gott sei Dank, da haben Sie Haltung bewiesen. Aber es kann doch nicht sein, dass Sie damit so lange warten.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Das stimmt doch gar nicht! Donnerstag!)

(Martin Dolzer)

Sie haben damit wirklich eine echte nationale Presse bekommen.

(Zuruf)

Ich muss ehrlich sagen, ich bin echt enttäuscht gewesen über die Tatsache, dass man eine solche Erklärung abgibt und danach nicht einfach sagt: Tut mir leid, das habe ich nicht so gemeint, ich meine es ganz anders, ich verteidige hier die Freiheit der Hochschulen. Das hätte kommen müssen. Ich glaube – auch das ist ein Teil der Wahrheit –, dass es an unserer Universität ein bisschen anders aussieht, als uns lieb ist. Heute ist diese Vorlesung wieder gestört worden, es ist schon wieder passiert. Das zeichnet doch ein Bild, das wir nicht tolerieren dürfen. Herr Ovens hat es dankenswerterweise angesprochen: Sahra Wagenknecht, ein bisschen linkeres Gedankengut, als wir es pflegen, darf an der Uni frei reden, sie darf da sein, aber Christian Lindner bekommt witzigerweise keinen Zutritt. Wie sollen wir das denn verstehen? Da erwarte ich jetzt einmal eine klare Haltung und nicht wachsweiche Worte. Da erwarte ich von der SPD – von einigen von Ihnen weiß ich genau, dass Sie so denken wie ich, und auch von Ihnen, liebe GRÜNE –, dass Sie jetzt einmal klare Kante zeigen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und bei Dr. Jörn Kruse fraktionslos und Dr. Alexan- der Wolf AfD)

Das Wort erhält jetzt Herr Nockemann für die AfD-Fraktion für ebenfalls drei Minuten.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Nachrichtenlage, die uns von der Universität erreicht, ist sehr irritierend. Sollte es sich bestätigen, dass die Unileitung die Lage dort nicht mehr unter Kontrolle hat, dann müsste sich der Innensenator wirklich langsam einmal fragen, da er den entsprechenden Polizeischutz auf Anforderung des Universitätspräsidenten verweigert hat, ob er nicht seinen Hut nehmen möchte. Darüber wirklich ernsthaft nachzudenken, würde ich ihm empfehlen.

(Beifall bei der AfD – Dirk Kienscherf SPD: Das ist doch abenteuerlich!)

Es liegt eine Wortmeldung vor von Herrn Professor Kruse, fraktionslos, ebenfalls für drei Minuten.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich fange einmal aus Zeitgründen mit dem an, was ich eigentlich am Ende sagen wollte, mit einer Bemerkung zu Bernd Lucke. Bernd Lucke ist nicht nur ein

brillanter Ökonom und Intellektueller, sondern auch ein Demokrat reinsten Wassers.

(André Trepoll CDU: Politischer Irrläufer! – Gegenruf von Martin Dolzer DIE LINKE: Ver- harmlosung!)

Das ist er als Person immer gewesen, und glauben Sie mir, ich kann das beurteilen. Dass Sie Leute aus der AfD nicht schätzen – das sind meistens dieselben, die auch ich nicht schätze –, hat mit Herrn Lucke absolut nichts zu tun. Sie tun alles, was Sie an einer Partei zu mäkeln haben, in einen Topf, was mit Herrn Lucke nichts zu tun hat. Er ist nämlich frühzeitig ausgetreten.

Unabhängig davon ist das, was wir am letzten Mittwoch erlebt haben, nicht einfach nur der blinde Mob von ein paar Antifa-Fuzzis, sondern das waren SA-Methoden. SA-Methoden hat es auch während der 68er-Revolution gegeben, und der linke Philosoph Habermas hat sie schon damals als linke Faschisten bezeichnet.

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Sagen Sie mal!)

Ich war in der Zeit Student an der Universität Hamburg und habe das hier erlebt, als der Professor aus Berlin, Herr Sanmann, berufen und von linken Studenten am Reden gehindert wurde. Damals hieß das Go-in, das klingt so harmlos, das war eine brutale Verweigerung der Diskussion mit einem Hochschullehrer. Das war übel, und obwohl ich selbst damals ziemlich links war, habe ich das zum Kotzen gefunden. Das Ganze ging nur deshalb einigermaßen gut aus, weil der damalige Präsident sich in die Vorlesung gesetzt hat und damit für den Hochschullehrer Horst Sanmann Rückgrat gezeigt hat. Rückgrat zu zeigen, einen Hochschullehrer, der nicht nur ein brillanter Ökonom ist, sondern tatsächlich auch jemand, der zur Ehre der Universität gereicht, zu unterstützen, das hätte ich mir heute auch von Herrn Lenzen gewünscht.

(Glocke)

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Herr Kruse, gemach, es gibt schon länger die Meldung für eine Zwischenfrage.

Ich lehne die ab, egal, von wem sie kommt. Ich möchte das hier einfach zu Ende bringen.