Protokoll der Sitzung vom 20.11.2019

(Dirk Kienscherf)

tiefung, dem Ausbau der Fernstraßen oder des Schienennetzes, bei den Übertragungsnetzen oder beim Bau der Fernwärmetrasse in Altona, das deutet sich mittlerweile an –, häufig viele Jahre oder sogar Jahrzehnte. Das liegt im Wesentlichen daran, dass fast immer ein vermeintlicher Umweltschützer oder ein GRÜNER irgendeinen Frosch oder Vogel findet,

(Dr. Monika Schaal SPD: Na, na, na, seien Sie mal vorsichtig!)

um dann sämtliche Möglichkeiten des fehlentwickelten Klage- und Planungsrechtes auszureizen.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Wer regiert ei- gentlich in diesem Land?)

Die Windbranche ist ein ebenso passendes wie auch negatives Beispiel. Derzeit werden rund 1 300 Windkraftanlagenprojekte beklagt – das entspricht im Übrigen einer Leistung von 9 400 Megawatt; das sind mehrere Kernkraftwerke –, und zu 80 Prozent wird als juristischer Hebel der Artenschutz verwendet.

Wartete ein Investor vor wenigen Jahren noch rund 300 Tage auf eine Genehmigung, so dauert es heute durchschnittlich drei Jahre. Die Leistung der nicht realisierten Anlagen aufgrund von langen Genehmigungsverfahren hat sich inzwischen auf 11 000 Megawatt aufgestaut. Diese Entwicklungen lassen in Bezug auf die Vorhaben zur Forcierung des Wasserstoffs nichts Gutes erahnen. Daher bin ich schon überrascht, dass ausgerechnet die GRÜNEN heute zur Aktuellen Stunde das Thema "1000-Meter-Abstandsregel würgt den Ausbau der Windenergie ab" angemeldet haben. Denn für mich ist klar erkennbar, dass Sie nichts zur Lösung dieser Herausforderung beitragen, sondern ein erheblicher Teil des Problems sind.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Glocke)

Herr Gamm, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Tjarks?

Dies gilt im Übrigen auch für die SPD-Bundesumweltministerin, die offenkundig wenig Bereitschaft zeigt, um die längst überfällige Klarheit beim Artenund Naturschutzrecht herbeizuführen. Daher bin ich meinem Kollegen aus dem Bundestag, Christoph Ploß, dankbar, dass er zusammen mit Carsten Lindemann und Paul Ziemiak

(Dr. Monika Schaal SPD: Ja, das ist eine un- heilige Allianz!)

und weiteren Abgeordneten einen Zwölfpunkteplan für ein schnelleres Planen und Bauen in Deutschland auf den Weg gebracht hat.

(Beifall bei der CDU)

Denn ohne eine spürbare Änderung werden wir den Wasserstoff, der sinnvoll ist, nicht zum Fliegen bekommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Dr. Monika Schaal SPD: Schön, dass er sich immer wieder ein- kriegt!)

Herr Lorenzen bekommt das Wort für die GRÜNE Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Gamm, das ist wieder harter Tobak, den Sie da verzapfen.

(Stephan Gamm CDU: Nichts ist härter als die Wahrheit! – Beifall bei der CDU und bei Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP)

Es ist doch unmöglich, wenn Sie Bürgerinnen und Bürger schelten, die ihre Grundrechte wahrnehmen. Wollen Sie das aushöhlen? Das kann doch nicht sein. Kümmern Sie sich doch lieber darum, dass auf Bundesebene endlich die Regulatorik dafür geschaffen wird, dass wir beim Netzausbau vorankommen. Also gehen Sie von der Bremse runter und lästern Sie nicht über unsere Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mich begeistert die Idee des norddeutschen Dubai 2.0. Unsere uralte Handelszentrale der Hanse wird zum Treibstoffproduzenten und Umschlagplatz des postfossilen Zeitalters. Das ist ein schönes Bild, das ist eine Zukunft, an der gemeinsam zu arbeiten sich lohnt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Wind, der schon immer über unser plattes Meer und Land fegt, kann genug Strom und Antriebsenergie für alle erzeugen. Unsere Metropolregion, unsere Nachbarländer mit Hamburg im Zentrum wollen CO2-neutral werden. Bis 2030 wollen wir genug grünen Wasserstoff herstellen, um zum Beispiel alle Autos damit anzutreiben, die derzeit in Schleswig-Holstein angemeldet sind. Gleichzeitig haben wir aber in den letzten zehn Jahren massiv daran gearbeitet, dass weniger Autos auf die Straße kommen, und werden das weiterhin tun.

(André Trepoll CDU: Die stehen noch, die Autos!)

Denn wenn mehr Menschen mit gut ausgebauten öffentlichen Verkehrsmitteln und Radwegen vorankommen, ist die Vision eines emissionsfreien Verkehrs in Deutschland auch mit Wasserstoff in greifbarer Nähe.

(Stephan Gamm)

Ich möchte an dieser Stelle unseren Wirtschaftssenator ausdrücklich loben. Michael Westhagemann setzt sich seit Jahrzehnten für das Thema Wasserstoff ein. Sie sind ein Überzeugungstäter im besten Sinne für das Thema Wasserstoff im Senat, vorher in der Industrie, und tragen auch dazu bei, dass wir bei dem Thema in Hamburg unsere Hausaufgaben gemacht haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich komme darauf gleich noch einmal zurück. Liebe CDU, das kann man auf Bundesebene von Ihnen absolut nicht behaupten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Und an all die Berufsskeptiker, die meinen, die Brennstoffzelle sei noch nicht ausgereift und die Wasserstoffgewinnung mit Elektrolyse habe noch einen zu geringen Wirkungsgrad: Führen Sie sich bitte vor Augen, was die Windkraftanlagen oder die Photovoltaik in den vergangenen Jahren für Effizienzsprünge gemacht haben. Diesen Technologien wurde noch vor 25 Jahren nachgesagt, sie könnten fossile und nukleare Energieträger niemals ersetzen, Solarenergie sei in Nordeuropa grundsätzlich nicht nutzbar. Und jetzt schauen Sie sich an, wo wir heute stehen: 40 Prozent Erneuerbare Energien im gesamten Stromnetz. Wir haben die Chance, hier einen wirklichen Wechsel herbeizuführen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Die Frage ist doch nicht, ob Wasserstoff als Energiequelle nutzbar gemacht wird. Die Frage ist auch nicht, ob wir zum Beispiel in der Mobilität Elektroautos oder Wasserstoffautos haben. Es ist selbstverständlich ein Sowohl-als-auch. Die Frage ist doch nur, von wem diese Technologie nutzbar gemacht wird.

(Michael Kruse FDP: Nicht von den GRÜ- NEN!)

Stellen Sie sich doch bitte einmal die industriepolitischen Auswirkungen vor, wenn wir Norddeutschland nicht nur zum Zentrum der Windkraftindustrie, sondern in Zukunft auch zum Zentrum der nachhaltigen Kraftstoffproduktion machen,

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

und das im Übrigen, während die USA noch auf Fracking im großen Maßstab setzen und Russland seine Vorräte auslaugt.

(André Trepoll CDU: Wie viele Windräder haben Sie denn gebaut in Hamburg in die- sem Jahr?)

Wir können in völlig neuen Industriezweigen Pionierarbeit leisten und dann von diesem Boom profitieren.

Hamburg ist eine lebenswerte Großstadt und ein wichtiger Industriestandort mit über 120 000 Ar

beitsplätzen. Das ist eine echte Chance, durch eine wasserstoffbasierte Industrie hier in die Zukunft zu investieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Und zum Schluss: Mit der Windenergie haben wir zugleich ein mahnendes Beispiel. Nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz der rot-grünen Bundesregierung haben alle nachfolgenden Bundesregierungen den Ausbau der Erneuerbaren Energien gebremst. In der Windkraftindustrie sehen wir aktuell die dramatischen Folgen, wenn Know-how in andere Weltteile abwandert und die heimische Industrie abgewürgt wird. Wie weit wären wir schon ohne den absurden Ausbaudeckel in der Windindustrie. Und wenn nun aus Berlin mit aller Macht versucht wird, den Neubau und das Repowering von Windkraftanlagen abzuwürgen, dann müssen wir uns dem entschieden entgegenstellen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Noch mehr benötigen wir endlich eine wirksame CO2-Besteuerung, damit fossile Energien einen ehrlichen Preis und neue Technologien eine faire Chance bekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Denn worum geht es? Es geht um eine ökologische Neuausrichtung, eine alternativlose Neuausrichtung unserer Wirtschaft. Es geht um Tausende Arbeitsplätze, und es geht vor allem um einen wirksamen Beitrag zum Klimawandel. – Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Herr Jersch bekommt jetzt das Wort für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ein Grundstein für erfolgreiche Dekarbonisierung der Industrie ist mit Sicherheit noch kein festes Fundament, auf dem man ein Gebäude mit Perspektive bauen kann. Und genau das scheint diese Strategie zu sein: relativ beliebig und mit mangelnder Stringenz.