Protokoll der Sitzung vom 20.11.2019

Bevor wir gleich zur Aktuellen Stunde kommen, teile ich Ihnen zunächst noch mit, dass sich die Fraktionen auf eine von der Empfehlung des Ältestenrats abweichende Reihenfolge der Tagesordnungspunkte verständigt haben. So wird Tagesordnungspunkt 8, die Wahl eines vertretenden Mitglieds des Hamburgischen Verfassungsgerichts, direkt im Anschluss an die Aktuelle Stunde stattfinden. Weiterhin sind die Fraktionen übereingekommen, die Tagesordnungspunkte 4, 5 und 6, das sind Wahlen zu verschiedenen Gremien, zu vertagen.

Wir kommen zu unserer

Aktuellen Stunde

Dazu sind wie immer vier Themen angemeldet worden, und zwar von der SPD-Fraktion:

Der Norden gibt die Richtung vor: Norddeutsche Wasserstoffstrategie legt Grundstein für erfolgreiche Dekarbonisierung der Industrie

Die Anmeldung der CDU-Fraktion lautet:

Neun Jahre SPD, fünf Jahre GRÜNE – Hamburg als Praxislabor für Stau, Stillstand und Verkehrschaos

Dann folgt die Anmeldung der GRÜNEN Fraktion:

Mehr Klimaschutz mit mehr Windenergie: 1000-Meter-Abstandsregel würgt den Ausbau ab und gefährdet Tausende von Arbeitsplätzen auch in Hamburg

Und schließlich die Anmeldung der Fraktion DIE LINKE:

Tierversuche: Hamburg braucht endlich einen Fahrplan zum Ausstieg

Ich rufe das erste Thema auf und erinnere Sie noch einmal daran, dass wir in der ersten Runde jeweils fünf Minuten Redezeit haben, in den weiteren Runden dann drei Minuten.

Das Wort bekommt für die SPD-Fraktion Herr Kienscherf.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 7. November haben die fünf norddeutschen Länder ihre Wasserstoffstrategie beschlossen, und es ist ein

starkes Signal, dass der Norden die Herausforderungen des Klimawandels gemeinsam annehmen und gemeinsam zu einer Lösung kommen will. Dass man gemeinsam die Energiewende schaffen will, ist ein starkes Signal, und das ist gut so.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Es ist nicht nur ein Signal, sondern eine Strategie. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass man gerade in den heutigen Zeiten nicht nur Absichtserklärungen macht, nicht nur Zeichen gibt, sondern dass man letztendlich konkrete Maßnahmen vorlegt, und das so, wie es die norddeutschen Küstenländer und, liebe FDP-Fraktion, auch Ihr Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein getan haben.

(Zuruf von Michael Kruse FDP)

Man hat sehr klar gesagt, dass man 2025 und 2030 jeweils 5 Gigawatt Wasserstoff produzieren will, dass man ein Tankstellennetz aufbauen will, dass im Hamburger Hafen das größte Elektrolyseumwandlungskraftwerk entstehen soll, dass die Gasnetze entsprechend hergerichtet werden sollen. Das heißt, man redet nicht nur, sondern handelt. Das ist auch vor dem Hintergrund mancher Diskussionen auf Parteitagen, aber auch auf der Straße ein gutes Signal.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Der Wasserstoff ist eine Schlüsseltechnologie bei der Sektorenkopplung und verbindet vieles. Zum einen schaffen wir es erstmals, eine Speicherung überschüssiger Energie hinzukriegen. Zum Zweiten ist er Kraftstoff in der Mobilität, im Bereich schwere Lkws, aber auch im Bereich Flugzeugtechnik, und er ersetzt in der Industrie fossile Betriebsstoffe. Gerade das motiviert uns dazu, dass wir die Dekarbonisierung der Industrie vorantreiben wollen. Wir wollen die klimafreundliche, wir wollen die klimaneutrale Industrie. Das muss unser Ziel sein.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Als größter Industriestandort Deutschlands ist das bei uns von besonderer Bedeutung. Wasserstoff kann verbinden, er kann die Fragen und die Themenbereiche der Ökologie, der Ökonomie und der sozialen Verantwortung verbinden. Es ist gut, dass in Deutschland, in Hamburg auch in Zukunft Stahl zu anderen Klimastandards als in anderen europäischen Ländern oder auf anderen Kontinenten produziert wird. Das ist für Hamburg, aber auch für das Weltklima gut, und deswegen müssen wir daran ein Interesse haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Und es ist gut, wenn wir als größter Industriestandort Deutschlands unserer Industrie eine Zukunft

geben, indem wir sagen, wir wollen Arbeitsplätze sichern, ja, wir wollen neue bauen. Denn das Thema Arbeitsplätze hat auch etwas mit sozialer Verantwortung zu tun. Ich bin dem Ersten Bürgermeister sehr dankbar dafür,

(André Trepoll CDU: Natürlich!)

dass er zusammen mit der Industrie ein Bündnis aufgelegt hat, weil in der Industrie viele gute Arbeitsplätze sind. Lieber Herr Trepoll, ich habe in der Industrie gelernt,

(Dennis Thering CDU: Merkt man!)

und ich weiß, dass wir starke Gewerkschaften und gute Arbeitsbedingungen haben. Daran wollen wir festhalten.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Deswegen ist es gut, dass die norddeutschen Länder ihre Erwartungen an den Bund gemeinsam formulieren.

(Zuruf von Michael Kruse FDP)

Wasserstofftechnologie bedarf viel regenerativen Stroms. Deswegen ist es wichtig, dass Ihr Bundeswirtschaftsminister endlich eine Wasserstoffstrategie vorlegt und endlich dazu kommt, den Ausbau von Windenergie nicht zu blockieren,

(Zuruf von Dennis Thering CDU)

sondern zu fördern.

(Beifall bei der SPD)

Es kann doch nicht sein, dass wir Zehntausende von Arbeitsplätzen in diesem Land verlieren, weil er untätig ist. Es kann doch nicht sein, dass wir mehr als 3 Terawatt Strom in Norddeutschland nicht nutzen können, weil er es nicht schafft, die Netze auszubauen. Diese Blockadehaltung muss überwunden werden. Das sehen alle fünf norddeutschen Bundeslänger so, und das ist gut so.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Deswegen kommt es jetzt – wie damals bei der Windenergie – darauf an, das Potenzial dieser neuen Technologie zu nutzen und dass alle norddeutschen Küstenländer gemeinsam daran arbeiten, dass wir uns zum Impulsgeber in Deutschland, ja in Europa, entwickeln und dass das dazu führt, dass wir die Themenbereiche Ökologie, Ökonomie und soziale Verantwortung zusammen denken und gemeinsam zu einer guten Lösung beitragen.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Das ist gut so!)

In diesem Sinne ist die Wasserstoffstrategie ein wichtiger Grundstein. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Herr Gamm bekommt das Wort für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Der Vorstoß der norddeutschen Länder zur Stärkung der Wasserstofftechnologie und Wirtschaft ist ausdrücklich zu begrüßen. Gleichwohl muss ich feststellen, dass die Inhalte dem Beschluss der norddeutschen CDU-Fraktionsvorsitzendenkonferenz vom 30. September de facto entsprechen, an der auch unser Fraktionsvorsitzender André Trepoll intensiv mitgewirkt hat. Das aber nur am Rande.

(Beifall bei der CDU – Zurufe)

Warum ist Wasserstoff aber nun so wichtig? Für unsere Energieversorgung der Zukunft kann die Bedeutung von Wasserstoff gar nicht hoch genug eingeschätzt werden – wir haben schon einiges dazu gehört –, denn Wasserstoff lässt sich langfristig lagern, transportieren, bei Bedarf als Energieträger emissionsfrei rückverstromen oder verbrennen, er kann als Speichermedium dienen, um überschüssigen Windstrom zu nutzen, und dabei helfen, Netzengpässe zu kompensieren. Und er kann in der Industrie als chemischer Grundstoff, zum Beispiel als Kohleersatz, verwendet werden. Im Wärmesektor kann Wasserstoff mittels Blockheizkraftwerken, der Beimischung zu Erdgas oder als Ausgangsprodukt für synthetisches Methan genutzt werden. Auch im Verkehrssektor sind seine Einsatzmöglichkeiten vielfältig, sei es in Brennstoffzellenfahrzeugen oder als Ausgangsprodukt für synthetische Kraftstoffe. Für die Förderung von Wasserstoff gibt es also mehr als nur einen guten Grund.

Inhaltlich sehe ich in diesem Papier jedoch ein zentrales Versäumnis. Wenn die formulierten Ziele erreicht werden sollen, kann dies nur gelingen, wenn eine Vielzahl von unterschiedlichen Infrastrukturprojekten zeitnah umgesetzt wird. Die 250 zusätzlichen Wasserstofftankstellen in Norddeutschland, die der Wirtschaftsminister aus Schleswig-Holstein als Zielgröße benannt hat, stellen dabei nur einen kleinen Teil der erforderlichen Projekte dar. Doch ist das unter den jetzigen Rahmenbedingungen, wie sie in Deutschlang vorherrschen, überhaupt möglich? Meine Einschätzung ist hier sehr klar: nein. Unser Land hat sich vollständig der Fähigkeit beraubt, wichtige und notwendige Infrastrukturprojekte in überschaubarer Zeit zu verwirklichen. Wenn wir wollen, dass sich unser Land auch künftig weiterentwickeln kann, müssen wir hier sehr schnell eine Lösung finden und die Zeiträume von Planung bis Fertigstellung signifikant verkürzen.

(Beifall bei der CDU)

Heute vergehen nahezu bei jedem Infrastrukturprojekt in Deutschland – wie zum Beispiel der Elbver

(Dirk Kienscherf)