Protokoll der Sitzung vom 15.01.2020

(Ksenija Bekeris SPD: Das ist doch toll!)

frage ich mich: Das kann doch nicht alles sein? Ich habe das Gefühl, gerade jetzt zum Ende der Legislaturperiode …

(Glocke)

Ich wollte Ihnen eine Chance geben, den Satz zu Ende zu sprechen.

Danke schön.

Herr Seelmaecker, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Ich muss sagen, ich finde es sehr traurig, dass Sie es so darstellen, als sei nichts gemacht worden. Mir ist es wesentlich lieber, dass sich der Senat die Zeit genommen hat, die Strategie unter großer Beteiligung der Ehrenamtlichen fortzuentwickeln. Sich jetzt hinzustellen und zu sagen, das habe nicht stattgefunden, ist eine Missachtung der Arbeit von sehr vielen Menschen, die sich hochgradig engagiert haben, um ihre Wünsche, ihre Verbesserungen darzustellen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist offenbar ein Missverständnis, Frau Kollegin Müller.

Ich gebe Ihnen völlig recht, in der Beteiligung ist es richtig, dass die Ehrenamtlichen ihre Wünsche und Zielvorstellungen geäußert haben. Aber Sie setzen sie ja nicht um. Wenn Sie sie umsetzen würden, dann würde ich hier auch applaudieren.

(Beifall bei der CDU und bei Ewald Aukes FDP)

Ich habe das Gefühl, und ich meine, die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt haben ebenfalls dieses Gefühl, dass das Einzige, was jetzt zum Ende der Legislaturperiode noch passiert, Ihr wechselseitiges Überbieten ist, wer vor der nächsten Senatssitzung noch etwas an die Presse durchsteckt und den anderen schlechtmacht. Darunter darf aber bitte das Ehrenamt nicht leiden. Und das tut es.

Ich will es einmal konkret machen. Sie kümmern sich nicht. Und wenn Sie sagen, wir würden das nur schlechtreden, sage ich: Nehmen wir doch einmal ein ganz einfaches, ganz konkretes Beispiel, unsere freiwilligen Feuerwehren. Seit Jahren bitten und betteln die darum, ein zweites Paar Einsatzschuhe zu bekommen. Und noch nicht einmal das bekommen sie. Stattdessen bekommen sie 94 Seiten Papier, auf denen Allgemeinplätze und in der Tat eine Analyse aufgeschrieben werden, aber keine konkreten Ziele, kein Geld und keine Zeitleiste. Das geht so nicht. Damit gehen Sie mit den Ehrenamtlichen nicht ordentlich um, es tut mir leid. – Danke.

(Beifall bei der CDU und bei Ewald Aukes FDP)

Für die GRÜNE Fraktion bekommt nun Frau Engels das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mehr als eine halbe Million Menschen engagieren sich in Hamburg freiwillig in ihrer Freizeit. Diese Menschen bereichern mit ihrem Engagement unsere Gesellschaft und leisten einen großen Beitrag zu dem sozialen Zusammenhalt in unserer Stadt. Sie übernehmen Verantwortung und gestalten unsere Gesellschaft. Deswegen ist Engagement auch eine wichtige Form sozialer Teilhabe und wichtig für unser soziales Miteinander. Deswegen freue ich mich, dass wir als rot-grüne Koalition das freiwillige Engagement mit der Fortschreibung der Engagementstrategie deutlich stärken.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Die Grundlage für die Fortschreibung der Engagementstrategie war ein breites Beteiligungsverfahren; das konnte man auch mitbekommen, wenn man dieses Thema verfolgt hat. Über 2 000 Hamburgerinnen und Hamburger haben ihre Vorschläge zur Verbesserung eingebracht. Im Februar fand außerdem ein Fachtag statt, und es wurden zahl

(Richard Seelmaecker)

reiche Workshops in den Bezirken durchgeführt. Auch wir als Bürgerschaft haben in Form eines Antrags unsere Punkte in die Fortschreibung eingebracht.

So vielfältig, wie die Menschen in Hamburg sind, so vielfältig ist ihr Engagement. Unsere Politik muss sich an diesen unterschiedlichen Bedarfen und Erfahrungen der Freiwilligen orientieren, und deswegen ist dieser breite Beteiligungsprozess für eine gelungene Fortschreibung eine Gelingensbedingung.

Künftig sollen die Freiwilligenagenturen deutlich besser unterstützt und neue geschaffen werden. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Vernetzung im Quartier und für die verbesserte Beratung von engagierten Menschen.

(Beifall bei Christiane Blömeke GRÜNE)

Es werden außerdem mehr Fortbildungen und mehr Beratungsangebote für Freiwillige zu Fördermöglichkeiten angeboten.

(Glocke)

(unterbrechend) : Frau Engels, einen Moment bitte. – Meine Damen und Herren! Es ist nicht sehr voll, aber sehr laut im Plenarsaal. Vielleicht mögen Sie der Rednerin folgen oder den Plenarsaal verlassen.

Fahren Sie bitte fort, Frau Engels.

Damit kamen wir vielfach geäußerten Wünschen nach, zum Beispiel beim Fachtag im Februar. Sowohl für die Engagierten selbst als auch für diejenigen, denen diese Arbeit zugutekommt, bedeutet das einen Gewinn. Zum Beispiel wird der sogenannte Verfügungsfonds für die Bezirke zur Unterstützung der Freiwilligenarbeit in der Geflüchtetenhilfe verstetigt und, was mich sehr freut, auf andere Engagementfelder ausgeweitet. Dies ist auch ein zentrales Anliegen in unserem Antrag der rot-grünen Fraktionen, denn die Erfahrungen, die wir in der Geflüchtetenhilfe gemacht haben, dürfen nicht verpuffen. Gerade die niedrigschwellige Unterstützung von spontanen Aktivitäten und auch kleineren Initiativen ist enorm wichtig, denn Engagement findet nicht nur dort statt, wo es im Hintergrund eine große Organisation gibt, die die Buchhaltung zur Abrechnung von Projektmitteln übernehmen kann.

Mir ist es wichtig, dass wir Zugangshürden abbauen und das Engagement inklusiver und diverser gestalten, sodass sich alle, die wollen, in unserem Zusammenleben einbringen können. Ich bin der festen Überzeugung, dass alle Menschen Stärken haben, die für das gesellschaftliche Miteinander wichtig sind. Die Unterteilung in Menschen, die Hilfe benötigen, und diejenigen, die Hilfe leisten können, ist eine künstliche, die es aufzuheben gilt.

Künftig sollen viele Aktivitäten der Unterstützung von Freiwilligen im Haus des Engagements gebündelt werden. Damit schaffen wir mehr Sichtbarkeit, was ich ausdrücklich begrüße, denn das Engagement von Menschen ist ein wichtiger Grundpfeiler unserer Gesellschaft und für das solidarische Miteinander.

Das Museum für Hamburgische Geschichte ist der richtige, weil zentrale Ort dafür. Hier sollen auch Räumlichkeiten zur unkomplizierten Nutzung bereitgestellt werden. Es ist einer der Punkte, die von den Freiwilligen immer sehr stark betont werden, dass sie Räume brauchen, in denen sie sich treffen und organisieren können.

Immer wieder bin ich darüber erstaunt, wie vielfältig das gesellschaftliche Engagement in Hamburg ist und mit welcher Freude sich Menschen in ihrem Sportverein, im Umweltverband, in der Nachbarschaft, bei der freiwilligen Feuerwehr, für Obdachlose oder in anderen Zusammenhängen einbringen. Einige von uns waren beim Fachtag und erinnern sich vielleicht an die Blume, die immer mehr Blütenblätter bekam, jedes Blatt für eine Form beziehungsweise für einen Bereich des Engagements: So bunt und vielfältig ist Hamburg.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wer sich freiwillig engagiert, der bereichert und gestaltet unsere Gesellschaft. Deswegen ist es mir wichtig zu betonen, dass gesellschaftliches Engagement nicht nur von Bedeutung für unseren sozialen Zusammenhalt ist, sondern auch wesentlich für unsere Demokratie als solche, ganz abgesehen davon, dass auch Politik immer freiwillig und zum größten Teil ehrenamtlich betrieben wird. Gesellschaftliches Engagement ist Ausdruck gelebter Verantwortungsübernahme. Engagement ist häufig kritisch gegenüber politischem Handeln, und auch das ist enorm wertvoll, denn zu unserer Demokratie gehört eine kritische Bürgergesellschaft, die sich einmischt. Ich bin stolz und froh, dass wir so eine kritische, engagierte Gesellschaft in Hamburg haben. Deswegen freue ich mich so sehr, dass wir künftig freiwillig engagierte Menschen und ihre wichtige Arbeit für unser Gemeinwohl noch besser unterstützen werden. – Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE bekommt nun Frau Özdemir das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Was wäre die Stadt ohne all die Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, zum Beispiel gerade aktuell im Winternotprogramm? Diese Menschen bereiten obdachlosen Menschen wahrscheinlich die erste Mahlzeit des Tages und sorgen zudem dafür, dass

(Mareike Engels)

den Hauptamtlichen eine große Last genommen wird.

Es macht Hamburg aus, dass sich so viele Menschen in die Strukturen einbringen möchten. Dazu muss man allerdings sagen, dass es leider schon viele Beispiele in der Vergangenheit gab, wo Ehrenamtliche wie Hauptamtliche eingesetzt wurden. Ehrenamt soll aber nicht das Hauptamt ersetzen, sondern Ehrenamtliche sollen dort einspringen, wo das Hauptamt an die Grenzen kommt.

(Beifall bei der LINKEN)

Das gilt vor allen Dingen für den Bereich der Pflege – hier finde ich es besonders wichtig, das noch einmal zu betonen – und gerade auch bei der Betreuung von Menschen mit Behinderung.

Positiv bewerte ich – und das ist mir eine Herzensangelegenheit –, dass die Förderrichtlinien für die Migrantinnen- und Migrantenselbstorganisationen vereinheitlicht werden, die Zugangsbarrieren abgebaut werden und bei der Finanzierung Unterstützung geleistet werden soll. Warum ist das eigentlich so wichtig? Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. Meine Großeltern kamen als Gastarbeiter nach Altona. Sie haben unter der Woche drei oder vier Jobs gehabt, knallhart gearbeitet. An den Wochenenden waren sie dann in ihrem Verein aktiv, haben den neu Angekommenen Unterstützung geleistet, haben dabei geholfen, Behördendeutsch zu übersetzen, haben Frauen beim Gang zum Frauenarzt, zur Gynäkologin unterstützt. Das ist eine wichtige Arbeit, die seit Jahrzehnten in den Migrantinnen- und Migrantenselbstorganisationen geleistet wird und meiner Auffassung nach bis heute viel zu wenig Wertschätzung bekommen hat.

(Beifall bei der LINKEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Es ist immer noch so, dass gerade die Migrantinnen- und Migrantenselbstorganisationen nicht ausreichend finanziert sind, sehr oft von kurzfristigen Projekten, aber auch von Mitgliedsbeiträgen leben müssen. Deshalb freut mich dieser Schritt.

Ein weiterer Punkt: Weil es Unterschiede von Bezirk zu Bezirk gibt, ist immer noch nicht nachvollziehbar, wie die Antragsabläufe sein werden. Es bleibt immer noch die Frage offen, wann eine Antragstellung digital erfolgen kann.

Für uns als Fraktion ein sehr wichtiger Punkt: Es gibt Geringverdienerinnen und -verdiener, Grundsicherungsbezieherinnen und -bezieher, die auch gern ehrenamtlich tätig wären. Aber da stellt sich immer die Problematik der Anrechnung von Aufwandsentschädigungen. Diese Frage ist leider auch noch unbeantwortet. Wir müssen also davon ausgehen, dass den Menschen, die ein Erfrischungsgeld bekommen, dieses angerechnet wird.

Ich glaube, es wäre ein wirklich sehr sinnvoller und sehr solidarischer Schritt, zu sagen, dass der

ÖPNV kostenlos wird für die freiwillig Engagierten, die ja auch unterwegs sein müssen.

(Beifall bei der LINKEN)