Protokoll der Sitzung vom 15.01.2020

Gerade der Umgang in der Diskussion miteinander hat sich aus unserer Sicht in den letzten Jahren durch das Internetzeitalter noch etwas verschlechtert. Hier sehen wir den Ansatz, hier hat vieles in den letzten Jahren gelitten. Es gibt sicherlich einen großen Nachholbedarf, einen großen Nachschulungsbedarf in unserer Gesellschaft. Die Diskussion darf aber nicht, wie von Ihnen vorgeschlagen, abstrakt im luftleeren Raum geführt werden. Es geht dabei aus unserer Sicht um die Grundfeste des öffentlichen Gesprächs in unserer Demokratie, aber auch um die Konflikte beim Umgang mit der kulturellen Vielfalt, den globalen Bedrohungen, wie wir sie heute haben, der Bewältigung der ökologischen Krise und der Sicherung der Freiheit als eine der Grundlagen des vernünftigen Gemeinsinns unserer Gesellschaft.

Die Diskussion über diesen gemeinsamen Umgang in unserer Gesellschaft müssen und werden wir führen. Es wird aus unserer Sicht die Aufgabe der demokratischen Parteien dieses Hauses sein, in der nächsten Legislatur diese Diskussion unter

Einbeziehung der maßgeblichen Institutionen in dieser Stadt, auch den Vertretern der Presse, zu führen. Dafür stehen wir, der Antrag aber ist etwas kurz gesprungen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Steinbiß. – Das Wort erhält jetzt Herr Trepoll als Fraktionsvorsitzender der CDU.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ja, selbstverständlich ist die Meinungsfreiheit ein hohes Gut. Unsere Aufgabe als Demokraten, insbesondere als Abgeordnete, ist es, die Freiheit der Meinung zu verteidigen, und zwar nicht nur die der eigenen, sondern die aller Meinungen, auch derjenigen, die wir vielleicht nicht teilen. Ich denke, darin besteht auch in diesem Haus weitestgehend Einigkeit.

Der Wahlkampf hat nun begonnen, die Auseinandersetzung über Hamburgs Zukunft ist in vollem Gang, und ich finde, diese Bühne wird von allen Parteien und von allen Kandidaten genutzt, und zwar, ohne dass sich jemand besonders auffällig mit der eigenen Meinung zurückhält.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Um uns geht es nicht!)

Das ist Sinn und Aufgabe in der Demokratie, Frau von Treuenfels.

Ich glaube, dass es bei diesen Auseinandersetzungen auch wichtig ist, dass wir mit den Regeln, die wir uns gegeben haben, unterschiedliche Meinungen austragen, diskutieren und debattieren. Dazu gehört, dass sich jeder in unserer Stadt grundsätzlich frei äußern, auch zuspitzen und unbequem sein kann.

Die Bundeskanzlerin hat vor einigen Wochen im Deutschen Bundestag in ihrer eigenen Art sehr kurz und klar zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht empfindet, dass in Deutschland die Meinungsfreiheit in Gefahr ist, dass wir aber manchmal ein bisschen vergessen haben, dass dazu auch gehört, Gegenwind auszuhalten, wenn man die eigene Meinung äußert. Ich glaube, dass durch Aussprüche wie "Das wird man ja noch sagen dürfen" oder "Das darf man eben gerade nicht sagen" die Meinungsfreiheit durch wen auch immer tatsächlich eingeschränkt werden kann. Dass das der Fall ist, behaupten heutzutage viele, aber es hat natürlich auch manchmal Gründe. Wir als Gesellschaft haben uns zum Beispiel gemeinsam die Maßgabe gesetzt, dass es nicht mehr zulässig ist, den Holocaust zu leugnen. Wenn man Menschen beleidigt oder ihnen die Ehre abspricht, dann müssen wir dafür einstehen, und das, glaube ich, ist wichtig.

(Olaf Steinbiß)

(Beifall bei der CDU, den GRÜNEN und der FDP)

Manchmal wäre sicherlich etwas mehr Selbstkritik vonseiten der Politik, manchmal vielleicht auch vonseiten der Medien wichtig, ob das, was wir diskutieren und was veröffentlicht wird, mit dem, was von den Bürgern wahrgenommen wird, übereinstimmt. Ich glaube, darüber müssen wir tatsächlich sprechen. Wir müssen weiterhin auch über die neuen Medien diskutieren, die gar nicht mehr so neu und für viele junge Menschen ganz selbstverständlich sind. Wie gehen wir damit um, dass im Internet jeder losbrüllen kann, auch kluge Sachen sagen kann, und dort dann natürlich auch Echoräume und Blasen entstehen, und ein breiter Diskurs im klassischen öffentlichen Raum, in der Debatte von Angesicht zu Angesicht, dadurch vielleicht schmaler geworden ist? Auch darüber müssen wir sprechen. Kommentatoren sprechen von einer Verengung des Mainstreams, und das ist, glaube ich, etwas, was viele Menschen umtreibt. Wenn sie bestimmte Dinge nicht mehr sagen können, dann werden eben diese Gefühle stärker, dass die Ränder immer stärker werden

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Das ist das, was ich meine!)

und in der Mitte kein offener, kontroverser, kluger Diskurs mehr stattfindet.

Ich glaube, eines der Probleme, die wir in dem Zusammenhang diskutieren müssen, wird in letzter Zeit oft zu schnell moralisiert, auch zu schnell verordnet, wenn diese Äußerungen, die man tätigt – hier im Parlament sind sie besonders geschützt, aber auch in der Diskussionskultur in der Stadt – … Wir haben erlebt, wo Meinungsfreiheit unter Druck gerät, zum Beispiel an der Hamburger Universität bei den Vorgängen mit Herrn Lucke oder auch beim Auftrittsverbot von Herrn Lindner. Dann helfen uns keine politischen Konvente, sondern da haben wir klare Regelungen, und der Senat, egal, wer ihn führt, ist in der Pflicht, diese Dinge umzusetzen. Eine Wissenschaftssenatorin, die von Anfang an dafür einsteht, und ein Innensenator, der dafür sorgt, dass Vorlesungen stattfinden können, sodass an der Universität Wissenschaftsfreiheit und Redefreiheit gewährleistet sind, das ist der richtige Weg.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Extremismus in unserer Stadt gemeinsam bekämpfen, das ist unsere Aufgabe. Unsere Demokratie, unsere freiheitliche Grundordnung und auch unsere Gesellschaft sind stark. Je mehr sie von links und rechts unter Druck geraten und infrage gestellt werden, umso stärker müssen wir als Demokraten zusammenstehen und uns wehren. Wir müssen uns klarmachen, dass Milliarden Menschen auf dieser Erde nicht so frei reden können

wie wir, dass das nicht nur ein Recht, sondern auch ein Privileg ist, um das uns viele Menschen beneiden, und dass es nicht ausgemacht ist, dass der Weg in Richtung Demokratie, Presse- und Meinungsfreiheit sich auch weltweit durchsetzen wird.

Deshalb ist mein Appell an Sie: Seien wir stolz auf diese Freiheit in unserer Stadt, verteidigen wir sie, wo wir können, reden wir sie auch nicht schlechter, als sie ist, und stehen wir zusammen, wo unsere Freiheit, auch unsere Meinungsfreiheit, bedroht ist. Deshalb keine Toleranz der Intoleranz. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, den GRÜNEN, der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Trepoll. – Als Nächster erhält das Wort Farid Müller für die GRÜNE Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Über die Begründung des Antrags der FDP ist schon von meinen Vorrednern etwas gesagt worden. Im Wesentlichen stützt sie sich auf eine Frage in der großen Untersuchung von Allensbach. 63 Prozent der Befragten meinen, dass man seine Meinung nicht mehr ohne Bedenken aussprechen könne. Ihre Schlussfolgerung ist: Krise der Meinungsfreiheit und Krise der Demokratie. Das sind starke Worte für die Analyse unseres politischen Systems, und jetzt beantragen Sie hier im Haus eine groß angelegte Evaluation und sind sich anscheinend Ihrer Analyse doch nicht mehr so sicher. Jedenfalls wollen Sie sie auf eine breitere Basis stellen.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Was hat das denn damit zu tun?)

Wir GRÜNE, wie auch der Vorredner, Herr Trepoll, und auch mein Kollege Herr Steinbiß, sehen die Meinungsfreiheit nicht grundlegend in Gefahr. Nein, wir finden auch nicht, dass vonseiten der politischen LINKEN der Meinungskorridor in öffentlichen Debatten immer weiter verengt wird, wie von Ihrer Seite gesagt wurde. Wenn man die Logik Ihres Antrags hier in der Bürgerschaft weiterspinnt, dann soll nun gerade eine Regierung in Auftrag geben, ob die Meinungsfreiheit in dieser Stadt oder in diesem Land wirklich gefährdet ist. Ich finde, das ist in gewisser Weise ein Widerspruch. Vielleicht denken Sie darüber einmal nach, Frau Kollegin.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Jenspeter Rosenfeldt SPD)

Obwohl wir in diesem Haus viel über die Ereignisse in der Ida-Ehre-Schule diskutiert haben,

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Das ist das beste Beispiel!)

(André Trepoll)

gehen Sie mit Ihrem Antrag einer Erzählung der Rechten auf den Leim. Ich denke, auch darüber sollten Sie einmal nachdenken.

(Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Auf der einen Seite bemängeln Sie, dass man nichts mehr sagen darf, und auf der anderen Seite sagen Sie, dann sollen sich aber die Schülerinnen und Schüler bitte auch zurückhalten. Ich finde, da muss man sich jetzt einmal entscheiden, für wen denn die Meinungsfreiheit gilt und für wen nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Anna-Elisabeth von Treuenfels- Frowein FDP: Was?)

Gerade gestern haben wir gehört, dass es wieder ein Unwort des Jahres gibt. Ich habe mir einmal ein paar herausgesucht: Döner-Morde, Opfer-Abo, Sozialtourismus, Lügenpresse, Gutmensch, Volksverräter, alternative Fakten, Anti-Abschiebe-Industrie und jetzt ganz aktuell Klimahysterie. Das ist symbolisch. Diese Liste zeigt für mich aber eines: Die Grenzen des Sagbaren wurden in den letzten Jahren immer weiter verschoben,

(Dr. Alexander Wolf AfD: Nach links!)

und – da hat die FDP natürlich einen Punkt – das hat zur Folge, dass immer mehr gehetzt und aufs Übelste beleidigt und bedroht wird. Darauf hat schon der Kollege Trepoll hingewiesen. Ich finde, bei dieser schwerwiegenden Verbindung zwischen Hass und Hetze und Teil der freien Meinungsäußerung treffen Sie den Punkt nicht richtig. Ich glaube auch, dass wir ein Problem mit der Debatte in diesem Land und mit dem politischen Streit untereinander haben. Aber das ist nicht eine Frage der Freiheit der Meinungsäußerung.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD und der LINKEN)

Selbst die GroKo hat einiges auf den Weg gebracht – nicht viel, aber immerhin einiges –, was das Thema Hass im Internet betrifft, und Handlungsbedarf gesehen. Auch der Hamburger Senat hat gerade gestern, wenn Sie es lesen konnten, eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, um der GroKo zu sagen, dass wir ein bisschen stärker an den Kampf gegen die Hate Speech im Internet ranmüssen, von der viele Frauen und viele Männer in diesem Land, auch politische Verantwortungsträger und Amtsträger, betroffen sind. Da müssen wir ran, weil wir mit den jetzigen gesetzlichen Mitteln nicht wirklich an die Verursacher dieser Hasskommentare auf Facebook, Twitter und den anderen Plattformen herankommen und sich diese großen Plattformen wegducken.

Mit anderen Worten: Unterstützen Sie uns bitte im Kampf gegen den Hass im Internet und auch gegen Beleidigungen in Diskussionen. Da müssen wir ran, damit das Gift eben doch dazu beiträgt,

dass wir wieder eine gute Debatte in diesem Land hinbekommen,

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Das Gift trägt zur Debatte bei?)

und unterschiedliche Meinungen ertragen können.

Ihre Analyse kann ich so erst einmal nicht teilen, und deswegen lehnen wir den Antrag ab. Aber diejenigen, die die Meinungsfreiheit wirklich ohne Beleidigungen und ohne Hass wollen, haben uns an ihrer Seite.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Müller. – Das Wort erhält jetzt Christiane Schneider für die Fraktion DIE LINKE.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Meinungsfreiheit ist als Grundrecht eines jeden Menschen im Grundgesetz Artikel 5 verankert. Sie ist in Deutschland gewährleistet. Ja, erst jüngst bekräftigte ein Gericht den hohen Wert von Meinungsfreiheit, indem es urteilte, dass Herr Höcke als Faschist bezeichnet werden darf. Wenn die FDP von Krise der Meinungsfreiheit und Krise der Demokratie spricht, dann hat sie ein Wahrnehmungsproblem.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: 66 Prozent!)

Vor allem geht es bei der Meinungsfreiheit um ein Abwehrrecht gegen den Staat. Sie hat natürlich auch für den öffentlichen Diskurs eine wichtige Bedeutung.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Das ist schon mal falsch!)