Protokoll der Sitzung vom 01.10.2015

(Jörg Hamann CDU: Wir danken dem Bür- germeister!)

Genau. Wir danken, das sage ich einmal mit ironischen Anführungszeichen, dem Bürgermeister für diese Negativentwicklung.

Und jetzt wollen Sie sich hier dafür loben, dass Sie 2015 endlich wieder auf dem Stand angekommen sind, den wir 2010 schon einmal erreicht hatten. Das ist heute übrigens der schlechteste Betreuungsschlüssel in ganz Westdeutschland. Sie haben in den letzten Jahren das Prinzip "Hauptsache billig" auf die Kinderbetreuung angewendet, und das war falsch.

(Beifall bei der CDU)

Die Wissenschaft sagt uns, dass wir bei den bis Dreijährigen ein Verhältnis von einem Betreuer für drei Kinder brauchen. Dann können wir wirklich eine gute Betreuung und eine frühkindliche Bildung gewährleisten. Übrigens: Bremen, das wirtschaftlich schlechter dasteht als Hamburg und das deutlich weniger Steuereinnahmen hat, schafft das schon heute, Baden-Württemberg etwa auch. Das geht. Und was ist jetzt Ihr großer Plan, den Sie, Herr Schmitt, angesprochen haben und für den Sie sich hier feiern wollen? Nicht etwa das wissenschaftlich empfohlene Betreuungsverhältnis, sondern Sie wollen irgendwann Ende 2019 ein Betreuungsverhältnis von einem Betreuer auf vier Kinder erreichen. Das ist übrigens in den vergleichbaren westdeutschen Bundesländern immer noch unterdurchschnittlich. Ihre große Vision, die Sie feiern wollen und für die Sie diese Debatte angemeldet haben, ist, dass Sie 2019 und bis 2025/2026 deutlich unterdurchschnittlich bleiben. Unterdurchschnittlichkeit ist Ihre Vision. Wer solche Visionen hat, der sollte wahrscheinlich wirklich zum Arzt gehen.

(Beifall bei der CDU)

Verstehen Sie mich nicht falsch,

(Frank Schmitt)

(Wolfgang Rose SPD: Ich verstehe Sie gar nicht!)

die Maßnahmen, die Sie jetzt auf Druck der GRÜNEN vorziehen, sind längst überfällig und richtig. Aber für wie naiv halten Sie eigentlich die Menschen in dieser Stadt und die Medien, auf die Ihre Show hier wahrscheinlich abzielt, dass Sie nach der Bilanz sozialdemokratischer Politik diesen unfassbaren Versuch der Selbstbeweihräucherung starten? Finanzieren Sie erst einmal Ihre Wahlversprechen. Sorgen Sie erst einmal dafür, dass wir in den Kinderkrippen einen Betreuungsschlüssel erreichen, der frühkindliche Bildung wirklich möglich macht. Machen Sie sich erst einmal Gedanken, wie wir mehr erreichen können, als bis mindestens 2050 einen noch immer unterdurchschnittlichen Betreuungsschlüssel anzustreben. Dass Sie die Bundesgelder aus dem Betreuungsgeld auch wirklich den Krippen zugutekommen lassen, das glaube ich Ihnen nach Ihrem Vorgehen bei den BAföGMillionen erst dann, wenn es wirklich passiert ist.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Jörn Kruse AfD)

Bis Sie in all diesen Punkten wirklich etwas erreicht haben, machen Sie lieber erst einmal Ihre Arbeit, anstatt hier politisches Theater zu diesem wichtigen Thema zu veranstalten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Jörn Kruse AfD)

Vielen Dank, Herr Heißner. – Das Wort hat Frau Gallina von der GRÜNEN Fraktion.

(Jörg Hamann CDU: Du musst jetzt auch dem Bürgermeister danken!)

– Von Ihnen lasse ich mir gar nicht sagen, was ich zu tun habe.

(Zuruf)

Das ist Ihr Frauenbild, bei uns ist das schon lange nicht mehr aktuell.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Gratulationsrunde geht natürlich noch ein bisschen weiter. Auch ich möchte erst einmal Frau Dr. Melanie Leonhard zu ihrem Amtsantritt gratulieren. Die Verbesserungen in der Betreuungsqualität, die wir heute diskutieren, sind auch durch sie maßgeblich vorangebracht worden. Mit ihrer Arbeit für Kinder und Jugendliche im Kita- und Jugendhilfebereich hat sie sich für dieses Amt empfohlen, und ich wünsche ihr dabei sehr viel Erfolg.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt zu den Kita-Verbesserungen. Der Bertelsmann-Länderreport hat es vor Kurzem gezeigt: Hamburg holt bei der Krippenqualität schneller auf

als die anderen Bundesländer. Das Eckpunktepapier, das heute in Rede steht, hat dazu geführt, dass Eltern in Hamburg jetzt schon erleben können und auch in weiteren Schritten erleben werden, dass ihre Kleinsten sich die Erzieherinnen mit weniger Kindern teilen müssen und dass es mehr Zeit für Ausflüge und Entwicklungsgespräche gibt. Der vorliegende Bericht der BASFI sagt es: Wir wollen noch besser werden. Das haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart. In Hamburg streben wir aber, Herr Heißner, nicht nur einen guten Betreuungsschlüssel an, sondern auch eine gute Betreuungsquote. Es geht uns darum, dass alle Kinder die Chance haben, in die Kita und die Krippe zu gehen, und das ist natürlich auch etwas, das sich finanziell niederschlägt; das sollten Sie endlich einmal bedenken.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Gerade deshalb bin ich unseren Verhandlern dankbar, dass sie im Rahmen des Asylkompromisses auch die Millionen aus Ihrem verfassungswidrigen Betreuungsgeld einbezogen haben. Dieses Geld kann in Hamburg jetzt sinnvoll im Krippenbereich investiert werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das ist folgerichtig, denn – das Thema hat uns die letzten Tage schon begleitet – gerade auch für geflüchtete Kinder ist eine frühe Integration und der Spracherwerb in den ersten Lebensjahren kaum zu überschätzen. Es tut mir leid für die Kinder in Bayern, das möchte ich an dieser Stelle einmal sagen, dass die Landesregierung dort den Kita-Ausbau weiter aussetzen darf, um ein Landesbetreuungsgeld zu zahlen.

Liebe CDU, bei der ganzen Kritik, die Sie an dem Vorgehen immer äußern – es würde nicht schnell genug gehen und so weiter –, möchte ich endlich einmal einen Finanzierungsvorschlag hören. Ich kenne keinen. Sie wollen beispielsweise die Millionen, über die wir gerade gesprochen haben, lieber wieder in ein Landesbetreuungsgeld investieren. Da frage ich mich schon ernsthaft, wie das Ihrer Vorstellung nach eigentlich für die Flüchtlingsfamilien aussehen soll. Bekommen die das Betreuungsgeld auch oder bekommen sie es nicht? Wollen Sie die diskriminieren oder sind Sie eigentlich froh darüber, wenn diese Kinder gar nicht erst in den Kindergarten kommen?

Ich stelle fest, wir sind auf dem richtigen Weg, auf dem zukunftsweisenden Weg, der tatsächlich Chancengerechtigkeit und Integration ermöglicht, und den werden wir als rot-grüne Koalition erfolgreich weitergehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

(Philipp Heißner)

Vielen Dank, Frau Gallina. – Das Wort hat Herr Yildiz von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Melanie, Frau Dr. Leonhard, auch ich möchte Ihnen meine Glückwünsche aussprechen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg als Senatorin. Wir haben vier schwere Jahre hinter uns, und ich hoffe, dass Sie als Senatorin nicht all das erleben, was wir in den vergangenen vier Jahren bezogen auf die Kinder- und Jugendhilfe erlebt haben. Herzliche Glückwünsche und viel Erfolg.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit ich nicht immer negativ anfange wie beim Thema Olympia, möchte ich heute einmal positiv beginnen. Unabhängig von allem, was in der frühkindlichen Bildung in Hamburg los ist, machen die Kolleginnen und Kollegen in diesem Bereich seit Jahren eine sehr gute Arbeit. Das merkt man auch im Nachhinein in den Folgesystemen.

Aber kommen wir zu unseren Kritikpunkten. Wir haben in den vergangenen Monaten erlebt, dass sehr viele Erzieherinnen und Erzieher in diesem Bereich unterbezahlt sind, dass der Stress tagtäglich steigt und dadurch die Qualität und die Betreuung beeinflusst werden. Auch die Eltern sind davon in den vergangenen Monaten beeinflusst worden. Hinsichtlich der Qualität im Bereich der frühkindlichen Bildung, der Betreuung in den Krippen, sind wir, das haben auch meine Vorredner erwähnt, bundesweit fast das Schlusslicht. Welche Folgen hat das? Wir haben im Februar eine Große Anfrage gestellt, in der wir den Krankenstand in den Kitas abgefragt haben. Durchschnittlich liegt der Krankenstand im Bundesgebiet im Bereich der Kitas bei 17,4 Prozent, aber in Hamburg sind es um die 21 Prozent bei der Vereinigung Hamburger Kitas, und beim PARITÄTISCHEN Wohlfahrtsverband Hamburg sieht es nicht viel anders aus. Das hat zur Folge, dass Erzieherinnen und Erzieher natürlich früher in Rente gehen müssen; durchschnittlich geht eine Erzieherin mit 59 Jahren in Rente. Damit verbunden kommt das Problem der Altersarmut auf, und wir haben einen Riesenfachkräftemangel in diesem Bereich.

Wenn wir tatsächlich wollen, dass eine vernünftige Arbeit geleistet wird – die wird geleistet, aber das soll nicht unter Stress stattfinden –, dann müssen wir uns eines anschauen: Die jetzige Verbesserung ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Ich will das mit einem Beispiel verdeutlichen. Für einen großen Betrieb, der 120 Kinder betreut, bedeutet das pro Tag für alle Kinder 12 Stunden. Für eine kleinere Einrichtung sind es Minuten. Das ist natürlich im Vergleich zur Vergangenheit eine Verbesserung, aber es ist keine grundlegende Veränderung. Wenn man tatsächlich möchte, dass das be

schleunigt wird, muss man außerdem berücksichtigen – meine Vorredner haben es gesagt –, dass wir immer mehr Flüchtlingskinder in den Kitas haben, die natürlich auch Probleme mitbringen. Sie haben Krieg und Flucht hinter sich, und das hinterlässt Spuren bei den Kindern. Wir müssen auch ihre Bedarfe berücksichtigen und die Kitas, die in besonderem Maße in diesem Bereich arbeiten, unterstützen, auch personell unterstützen. Erzieherinnen und Erzieher müssen diesbezüglich geschult werden, damit diese Kinder besser integriert werden und mehr Zuneigung bekommen, damit unsere Erzieherinnen und Erzieher ihre Arbeit gut machen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist gut, dass die SPD jetzt das Bundesgeld in die Hand nimmt und im Bereich der frühkindlichen Bildung investiert, aber wir finden, unabhängig davon muss der Schritt gemacht werden, dass diese Investition früher kommt. Wenn zusätzlich Bundesgelder kommen, dann ist das eine zusätzliche Bereicherung für diesen Bereich, eine Investition, mit der der Personalschlüssel schneller umgesetzt und die Qualität gesteigert werden kann. Brandenburg, wo LINKE und SPD gemeinsam regieren, hat den Vorschlag gemacht, dass diese Gelder im Bereich der Kita-Betreuung bleiben. Gleichwohl müssen wir auf Bundesebene ein Qualitätsgesetz für den Bereich Kita beschließen, damit auch in den Folgejahren auf dieser Ebene Gelder für die Qualität zur Verfügung gestellt werden. Diesen Vorstoß kann Hamburg unterstützen. Wir haben auf Bundesebene einen Antrag gestellt, dass langfristig mehr Mittel vom Bund für die frühkindliche Bildung zur Verfügung gestellt werden.

Einen letzten Punkte möchte ich zur Sprache bringen: Die Forderung der Beschäftigten vom KitaNetzwerk bleibt bestehen, und das zu Recht. Sie sagen, dass sie 25 Prozent mehr Personal brauchen, weil die mittelbare pädagogische Arbeit – Elterngespräche, Vor- und Nachbereitung, Dokumentation, Beobachtung – sowie Urlaub und krankheitsbedingte Ausfallzeiten im Personalschlüssel nicht berücksichtigt sind. Wir müssen dahin kommen, dass all dies im Personalschlüssel berücksichtigt wird, damit wir in den Kitas weniger kranke Erzieher und besser betreute Kinder haben. Davon profitieren wir alle.

Ich will in meinem Schlusssatz die SPD nicht davonkommen lassen. Für das 16-Tage-Event Olympia findet man Geld, liebe SPD, liebe GRÜNE, aber wenn es dann konkret wird im sozialen Bereich, hofft man auf andere Gelder wie etwa vom Bund. Ich wünsche mir, dass man hier Geld in die Hand nimmt. Die Kita vergleiche ich, weil ich aus dem Bereich Bau komme, immer mit einem Haus. Die Kita ist das Fundament der weiterführenden Bildung. Wenn wir in das Fundament gut investieren und es erfolgreich voranbringen, dann werden

alle Bildungssysteme profitieren. Das haben wir bei der Sprachförderung erlebt. Nachdem Sie unsere Anregung übernommen haben, dass Migrantenkinder früh in die Kita kommen, müssen diese im Schulbereich weniger Sprachförderung in Anspruch nehmen. Wir haben gesehen, dass das Erfolge zeigt. Ich wünsche mir, dass man auch hier mehr und früh investiert. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Yildiz. – Das Wort hat Herr Oetzel von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich einmal die Gelegenheit nutzen, meiner ehemaligen Fachsprecherkollegin Melanie Leonhard zum neuen Amt zu gratulieren. Ich wünsche viel Erfolg bei der neuen Aufgabe und eine glückliche Hand bei den großen Herausforderungen, vor denen Hamburg im Sozial- und Familienbereich steht. Viel Erfolg dabei.

(Beifall bei der FDP)

Wie in den vergangenen Jahren auch werden wir die Arbeit weiterhin konstruktiv und kritisch begleiten, da können Sie sicher sein. Wir kommen damit im Grunde direkt zur vorliegenden Drucksache, die noch vom Sozialsenator – a. D. mittlerweile – Scheele verfasst wurde, quasi sein Übergabeprotokoll in Sachen Betreuungsqualität in Hamburger Kitas. Das Thema dürfte neben der Flüchtlingsunterbringung und einem gewissen IT-Projekt zu den größten Baustellen dieser Wahlperiode in der BASFI gehören.

Es ist wirklich völlig unangemessen, dass sich RotGrün heute wieder abfeiern lässt für eine zehnprozentige Verbesserung des rechnerischen Betreuungsschlüssels für Kinder bis zu zwei Jahren. Frau Gallina, da können Sie sich noch so oft hier vorn hinstellen und sagen, Sie seien auf dem richtigen Weg, ich kann nur sagen, Sie sind auf dem Holzweg.

(Anna Gallina GRÜNE: Sie wollen den Be- treuungsschlüssel nicht verbessern?)

Ihr Argument, Hamburg habe viel toller aufgeholt als andere Bundesländer, trifft nur deshalb zu, weil Hamburg im Vergleich mit den Bundesländern ganz hinten liegt. Man kann nur viel aufholen, wenn man ganz hinten liegt. Deshalb ist es auch Quatsch, dass Sie sich hier hinstellen und sagen, wir seien auf einem tollen Weg, weil wir immer noch ganz hinten sind, nur nicht mehr so weit.

(Beifall bei der FDP)