Protokoll der Sitzung vom 11.11.2015

von der Fraktion DIE LINKE

Städtische Kitaunternehmen (Elbkinder, VKSG) zahlen Armutslöhne und produzieren Altersarmut

Die Fraktionen sind übereingekommen, das erste und vierte Thema gemeinsam debattieren zu wollen. Zu dieser Debatte rufe ich jetzt auf.

Das Wort wird gewünscht. – Herr Kruse von der FDP-Fraktion, Sie bekommen es.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Zunächst herzlichen Dank für diese wirklich würdevollen Worte.

Meine Damen und Herren! Seit Wochen staunt die ganze Stadt über die maximale Überforderung dieses rot-grünen Senats bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise. Es gibt abseits dessen aber noch ein weiteres wichtiges Feld, in dem Rot-Grün versagt: bei der Bewältigung der Folgen der Schifffahrtskrise und der Sicherung der Zukunft der maritimen Wirtschaft in Hamburg. Rot-Grün stolpert durch seine Beteiligungen, dass es nur so kracht. Ob HSH Nordbank, Hapag-Lloyd oder HHLA, nirgends macht der Senat eine glückliche Figur.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das Einzige, was bei Rot-Grün mit neuen Stellen auf Hochtouren läuft, ist das Kaschieren eigener Fehler durch lautstarke Öffentlichkeitsarbeit. Damit werden Sie die Hamburger aber nicht über die ungelösten Probleme dieser Stadt hinwegtäuschen können.

(Dirk Kienscherf SPD: Sie haben doch für die Probleme gesorgt!)

So etwa bei der Eckpunktevereinbarung in Sachen HSH Nordbank. Sie haben sich hier für teures Geld Zeit gekauft. Sie verwandeln drohende Ausfälle der Zukunft in echte Schulden von heute. So weit, so schlecht. Dafür erhält die Stadt weniger Garantiegebühren. Für diese weiteren Stützungsmaßnahmen hat die EU-Kommission dem Senat allerdings eine Auflage gegeben. Er muss die Landesbank privatisieren, und zwar ziemlich schnell. Es rächt sich jetzt also, dass der SPD-Senat dieses Szenario, das wir stets gefordert haben, nie ernsthaft geplant hat. Sie sind überrumpelt, und nicht nur das.

(Beifall bei der FDP – Dirk Kienscherf SPD: So ein Blödsinn!)

Der Kardinalfehler dieser EU-Verhandlung bleibt die Absenkung der Ländergarantien.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Wer braucht die Bank?)

Wer braucht die Bank? Diese Frage sollen Sie beantworten.

Der Kardinalfehler ist die Absenkung der Ländergarantien von 10 auf 7 Milliarden Euro, die uns der alte SPD-Senat eingebrockt hat.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN – Dirk Kienscherf SPD: Da gab es eine ver- tragliche Grundlage!)

Herr Tjarks, das haben selbst Sie in Ihren Presseerklärungen damals erklärt, also sollten Sie jetzt still sein.

Die Bank erklärt, dies in Rücksprache mit den Ländern getan zu haben, und, Herr Tschentscher, die werden nicht beim Hausmeister der Finanzbehörde angerufen haben. Wir fordern Sie deshalb hier und heute auf: Hören Sie endlich auf, den Menschen in Hamburg Sand in die Augen zu streuen. Sie haben kein einziges Problem in dieser Krise gelöst, sondern nur mit Steuergeld etwas Zeit gekauft.

Die größte Katastrophe, die nun eintreten kann, ist, dass die Länder jetzt die Garantien erhöhen und die Bank in zweieinhalb Jahren trotzdem abgewickelt werden muss. Herr Tschentscher, wir werden Sie an Ihren Verkaufserfolgen messen. Aber wir haben angesichts vieler negativer Erfahrungen kein Vertrauen darin, dass Sie diese Aufgabe lösen können. Auch bei Hapag-Lloyd zeigen Sie nämlich gerade, wie orientierungslos Sie in Sachen Staatsbeteiligungen sind.

Ich habe Ihre Drucksache zu Hapag-Lloyd aus 2014 gelesen. Was erzählen Sie uns da? Zitat:

"Zur Beschaffung der weiteren 370 Mio. Euro soll im Zeitraum zwischen 1. März […] und 31. Dezember 2015 ein Börsengang durchgeführt werden, für den ein Bezugsrecht der Aktionäre ausgeschlossen werden soll."

Zitatende.

Und was passiert jetzt? Die Aktionäre Kühne und Luksic kaufen nun doch für 60 Millionen Dollar weitere Aktien. Aber es kommt sogar noch besser. Sie schreiben – Zitat –:

"Gelingt der Börsengang nicht im vorgesehenen Zeitraum, etwa wegen eines ungünstigen Marktumfeldes, soll er in den darauffolgenden zwölf Monaten stattfinden."

Zitatende.

Liebe Senatsvertreter, Sie hätten genügend Zeit für einen ausgegorenen Börsengang gehabt. Jetzt aber besteht überhaupt kein Zweifel an einem schlechten Marktumfeld. Der äußerst holprige Börsengang von Hapag-Lloyd hat dies untermauert. Rot-Grün und vor allem Bürgermeister und Finanzsenator haben so leider bewiesen, dass sie orientierungslos sind in ihrer Beteiligungsstrategie.

(Beifall bei der FDP)

Vergangene Woche im Ausschuss – Herr Tjarks, Sie haben da gefehlt – hieß es lapidar, dass man beim Börsengang einen Discount gewähren müsse. Einen Discount. Herr Bürgermeister, Herr Finanzsenator, ein Discount von 50 Prozent ist das Eingeständnis Ihres politischen Versagens.

(Beifall bei der FDP)

Statt den berühmten Satz "I want my money back" in die Tat umzusetzen, lösen Sie hier ein WorstCase-Szenario aus, nämlich das der Millionenvernichtung, wenn nicht gar der Milliardenvernichtung, von HSH bis Hapag-Lloyd. Und trotzdem verkünden Sie, Herr Tschentscher, im Ausschuss auf meine Nachfrage, dass Sie die Kosten für die Anteile plus die Finanzierungskosten wieder hereinholen wollten. Das ist rot-grüne Realitätsverweigerung, das ist Politik zum Schaden Hamburgs. Und das ist nach der Flüchtlingskrise eine zweite Zukunftskrise für Hamburg, die Sie und nur Sie zu verantworten haben.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Herr Schreiber von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als erster Redner der SPDFraktion möchte ich betonen, dass Helmut Schmidt

(Michael Kruse)

uns fehlen wird, und zwar nicht nur uns, wie man draußen gesehen hat. Es hat mich sehr beeindruckt, und Sie wahrscheinlich auch, dass vorm Rathaus eine 100 bis 300 Meter lange Schlange von Menschen wartet und es eine von Bürgern eingerichtete Stelle gibt, an der Blumen, Schreiben, Danksagungen an Helmut Schmidt niedergelegt werden. Das ist schon beeindruckend, und es zeigt, dass der Hamburger Sozialdemokrat nicht nur der SPD-Fraktion, insbesondere der SPDFraktion Hamburg, fehlen wird, sondern auch vielen anderen. Er war offenbar weit darüber hinaus beliebt.

Es ist nicht ganz einfach, sich jetzt wieder auf die Niederungen der Politik zu begeben, auch wenn es um Finanzpolitik geht, was ihm vielleicht Freude bereitet hätte – oder auch nicht. Er hätte hierzu sicherlich auch Tipps geben können.

(André Trepoll CDU: Hätten Sie mal ge- fragt!)

Können wir jetzt nicht mehr, Herr Trepoll.

Die vorhandenen Schwierigkeiten mit der HSH Nordbank und Hapag-Lloyd dem Bürgermeister persönlich anzulasten, wie es in der Überschrift der Themenanmeldung der FDP heute passiert, als ob er persönlich Herrn Dr. Peiner und Herrn Dr. Freytag gedrängt hätte, aus der Hamburgischen Landesbank eine internationale Großbank zu machen und bei Hapag-Lloyd einzusteigen, ist dummes Zeug; das wissen Sie auch.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Der jetzige Senat muss im Gegenteil die schwierige Situation retten und den angerichteten Schaden für den Steuerzahler so klein wie möglich halten. Das ist sein Job, und den macht er so gut es eben unter den vorliegenden Bedingungen geht.

Hinsichtlich der HSH Nordbank ist die Rechnung für den Steuerzahler nicht sehr kompliziert. Ich versuche, das einmal zu erklären. Die Erhöhung der Garantie von 7 auf 10 Milliarden Euro bedeutet, dass Hamburg bei voller Inanspruchnahme um 1,5 Milliarden Euro höher belastet werden könnte. Das kann man sich merken. Dafür ist die HSH Nordbank über den 1. Januar 2016 hinaus gerettet worden. Wäre dies nicht passiert, wäre im Oktober eine Gewährträgerhaftung von circa 12 Milliarden Euro in Anspruch genommen worden. 12 Milliarden Euro merken wir uns jetzt. Bis Ende des Jahres wird diese Gewährträgerhaftung auf etwa 3 Milliarden Euro abschmelzen. Zwölf minus drei sind neun. Von den 9 Milliarden Euro Unterschied muss ungefähr ein Drittel die Freie und Hansestadt Hamburg bezahlen. Ein Drittel von 9 Milliarden sind 3 Milliarden Euro. Wenn Sie jetzt scharf rechnen

(Zuruf von Heike Sudmann DIE LINKE)

so viele mathematische Kenntnisse gehören nicht dazu –, dann sind 3 Milliarden Euro Belas

tung für den Hamburger Steuerzahler sehr viel schlechter als eine Belastung von 1,5 Milliarden Euro.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Insofern ist Olaf Scholz eher ein Milliardenretter als ein Milliardenvernichter, wenn man denn in diesen Kategorien denken würde, was ich aber nicht tue.

Die Hamburgische Bürgerschaft wird Anfang Dezember ausführlich und parallel zum SchleswigHolsteinischen Landtag über eine Mitteilung des Senats beziehungsweise der Landesregierung Schleswig-Holsteins zur Verständigung mit der EUKommission im Beihilfeverfahren zur HSH Nordbank debattieren. Dort können wir das Ergebnis der Verhandlung diskutieren und einen Staatsvertrag über eine neue Anstalt öffentlichen Rechts beschließen. Wir werden die Senatsmitteilung am 26. November, also noch in diesem Monat, im Ausschuss für Öffentliche Unternehmen besprechen und uns am 4. Dezember in einer Sondersitzung des Haushaltsausschusses mit ihr befassen, sodass die Bürgerschaftsdebatte gut vorbereitet wird. Lassen Sie uns dabei um die beste und für den Steuerzahler billigste Lösung ringen, das ist dann der richtige Ort.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Hinsichtlich des Börsengangs bei Hapag-Lloyd möchte ich mit Erlaubnis der Präsidentin gern den Bund der Steuerzahler Hamburg zitieren, der den Börsengang ausdrücklich begrüßt hat und schreibt:

"Durch den Anteilsverkauf ergibt sich für Hapag-Lloyd die Möglichkeit, wichtige Investitionsmittel für den Ausbau der eigenen Marktposition zu generieren. Zudem erhöht der Börsengang die Transparenz über den Marktwert der Anteile, die der Hamburger Steuerzahler an der Reederei hält. Auch wenn sich hierdurch möglicherweise ein erheblicher Abschreibungsbedarf ergibt, so ist dies immer noch wahrhaftiger als der aktuelle fiktive Buchwert."