Protokoll der Sitzung vom 12.11.2015

Wir sind nicht der Auffassung, dass der olympische Gedanke schlecht ist, aber in den letzten 30 Jahren wurde dieser Gedanke missbraucht, damit be

(Dr. Anjes Tjarks)

stimmte Organisationen wie das Internationale Olympische Komitee und die Sponsoren Milliardengewinne machen und keine Steuern zahlen, und am Ende müssen die Städte für die Gesamtschulden geradestehen. Ich möchte da Zitate aus dem Vertrag anführen. Was Sie so schön darstellen, zählt nicht, sondern es zählt, was im Vertrag steht. Punkt 1 betrifft die gesamtschuldnerische Haftung. Herr Dressel, ich zitiere von Seite 11, wenn Sie nachschauen wollen.

"Die Gastgeberstadt, das [Nationale Olympische Komitee und das Organisationskomitee] haften gesamtschuldnerisch für alle ihre Verpflichtungen, Garantien, Zusicherungen und anderen Verbindlichkeiten […], unabhängig davon, ob sie […] einzeln oder gemeinsam [eintreten]. […] Die Gastgeberstadt [… hat] sicherzustellen, dass alle Behörden des Gastgeberlandes […] Zusagen, Garantien und Verpflichtungen […] beachten und durch[führen]."

Ich frage mich, wie hier die Rolle des IOC und der Sponsoren aussieht, die Milliardengewinne machen, aber nicht für die Schulden haften müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens zur Frage der Sperrbefreiung. Herr Dressel, auf Seite 20 können Sie nachlesen, was dazu in diesem Host-City-Vertrag steht. Ich zitiere:

"[…] dass die Steuergesetzgebung des Gastgeberlands in einer Weise umgesetzt und angewendet wird, welche die Verwirklichung der Ziele und Ergebnisse […] garantiert, um einer erfolgreichen Planung, Organisation, Finanzierung und Durchführung der Spiele im Einklang mit diesem HCC zu helfen."

Ich lese weiter:

"[…] werden das IOC, jede vom IOC kontrollierte Einrichtung […] von allen direkten und indirekten Steuern […] freigestellt."

Ich frage mich, wie Sie es überhaupt mit unseren demokratischen Gesetzen vereinbaren können, dass ein internationaler Verein, der Milliardengewinne macht – zum Beispiel macht das IOC vom Jahr 2022 bis 2032 nur durch die Vermarktung von Fernsehrechten 8 Milliarden Dollar Gewinn – dafür keine Steuern zahlt. Das frage ich mich, und dazu müssen Sie einmal Stellung nehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Haben Sie heute in der Presse gelesen, dass ein Berliner Verein, der Flüchtlinge unterstützt, kurz vor der Schließung steht, weil er seinen Steuerjahresausgleich nicht geschafft hat? Und die wollen Steuerbefreiung haben.

Drittens Bürgerrechte und Demokratie. Auf Seite 16, Herr Dressel, Sie können es nachlesen, steht, dass

"[…] in der Gastgeberstadt […], in ihrer Nachbarschaft oder in Städten, die andere Wettkampfstätten beherbergen […], ohne die vorherige […] Zustimmung des IOC keine öffentliche oder private Großveranstaltung, Konferenz oder andere Versammlung stattfinden wird, die Auswirkungen auf die […] Durchführung der Spiele […] haben könnte."

Ich frage mich, warum die Hamburger, wenn sie eine Demonstration oder eine Veranstaltung machen wollen, überhaupt das IOC fragen sollten. Man fragt bei uns die Bezirke.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wo waren Sie im Ausschuss, als das geklärt wurde?)

Das steht im Vertrag, erzählen Sie keine Geschichten. Im Ausschuss? Ach, das ist Ihre Schönrederei.

Darüber hat unsere Bezirksversammlung zu entscheiden, unsere Verfassung zu entscheiden, unser Grundgesetz zu entscheiden, nicht das IOC. Das IOC möchte hier einen Blankoscheck, und das geht nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Dressel, Sie stellen dar, dass Sie einen sehr schönen Finanzplan haben, in dem alles durchgerechnet ist. Ich gebe Ihnen einmal ein Beispiel für eine Rechnung.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, beeilen Sie sich mit Ihrer Rede. Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Dann komme ich zu meinem Schlusssatz. Die Hamburger sollten für 16 Tage feiern nicht 16 Jahre lang Schulden abzahlen müssen und daher am 29. November mit Nein stimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Suding von der FDP-Fraktion bekommt das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Yildiz, das war eine durchaus interessante Märchenstunde, die Sie uns gerade geboten haben,

(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

aber ich denke, angesichts dieses Themas macht es doch Sinn, wenn wir ein Stück weit zu den Fak

(Mehmet Yildiz)

ten zurückkehren. Die FDP hat in diesem Hause in der letzten Wahlperiode bereits Anträge zugunsten einer Hamburger Olympia-Bewerbung gestellt, als die anderen Fraktionen dieses Thema noch zumindest distanziert betrachtet haben. Heute ist bis auf die extreme LINKE – und bei der Rechten wird es ähnlich sein – praktisch die gesamte Bürgerschaft dafür, und das finde ich richtig und gut so.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der CDU)

Heute erfüllt Hamburg seine breit getragene Kampagne für Olympia sehr intensiv mit Leben, und heute sind wir Freien Demokraten weiter an der Spitze dieser Bewegung. Gemeinsam mit Ihnen werden wir etwa nächsten Mittwoch bei unserem Rathausempfang den DOSB-Präsidenten als Festredner haben und noch einmal die Gelegenheit nutzen, auch über diesen Anlass für ein breites und klares Ja Hamburgs zu Olympischen und Paralympischen Spielen zu werben.

(Beifall bei der FDP)

Das hat viele gute Gründe, etwa im Bereich der Stadtentwicklung. Das Konzept von Spielen der kurzen Wege überzeugt. Die Nutzung des Kleinen Grasbrooks als Herzstück der Spiele ist eine einmalige Chance, um den Sprung über die Elbe zu forcieren. Olympia wird so einen neuen Stadtteil mit dringend benötigtem Wohnraum schaffen für bis zu 18 000 Bewohner mit rund 8 000 Wohnungen und 7 000 Arbeitsplätzen. Es entsteht ein höchst attraktives Quartier, bei dem energieeffizientes Bauen, innovative Energie- und Abfallkonzepte, barrierefreies Wohnen und Gründächer als Kennzeichen der Olympia-City auch über die Spiele hinaus zukunftsweisend sein werden. An die Nachnutzung der Sportstätten und anderen Gebäude und Anlagen wird immer wieder mit gedacht. Der Planungsstand ist in vielen Bereichen beeindruckend, meine Damen und Herren.

Wir sind auch mit dem vorgelegten Finanzkonzept im Grundsatz einverstanden. Der Detaillierungsgrad ist hoch, und Erfahrungen mit Großprojekten aus der Vergangenheit, auch die schlechten Erfahrungen, sind in das umfassende Zahlenwerk eingeflossen. Die Regelungen der Drucksache über kostenstabiles Bauen wurden beachtet, der dargestellte Kostenrahmen gibt eine realistische Prognose ab. Allerdings: Selbstverständlich kann und wird es bei einzelnen Projekten Kostensteigerungen geben, genauso wie bei anderen Projekten geringere Kosten anfallen. Risikobehaftet scheinen aber insbesondere die Kostenansätze bei der Sicherheit und bei der Hafenverlagerung oder auch einige Infrastrukturkosten, etwa einzelne Sportstätten außerhalb der Olympia-City, da hier nur mit Vergleichsprojekten im Benchmark-Verfahren gearbeitet wurde.

Und zur Wahrheit gehört auch: Negativ auf das Referendum wird sich auf jeden Fall auswirken,

dass Olaf Scholz es eben nicht geschafft hat, eine Vereinbarung mit Berlin zur Kostenbeteiligung zu bewerkstelligen. Dieses Versäumnis wird sicherlich einigen Bürgern Kopfschmerzen bereiten, da kann die Garantie des Bürgermeisters nur ein Stück weit als Placebo wirken. Mehr als das Wort des Bürgermeisters wäre ein Letter of Intent des Bundes wert gewesen; das hätte sicherlich den einen oder anderen überzeugt.

In Sachen Mobilität ist Olympia geradezu ein Motor. Die Spiele sind ein Katalysator für dringend benötigte Infrastrukturinvestitionen. Alle Verkehrsträger werden profitieren, da alle während der Spiele benötigt werden. Das am Dienstag vorgestellte Verkehrskonzept gibt auf diese Herausforderung auch meist kluge Antworten. Maßnahmen, die in einer wachsenden Stadt wie Hamburg perspektivisch sowieso erforderlich wären, können durch Olympia beschleunigt werden, und davon profitieren alle. Und sehr gut ist, dass es entgegen der abstrusen Vorstellung von Herrn Kerstan eben keine autofreie Innenstadt geben wird.

(Beifall bei der FDP und bei André Trepoll CDU)

Hamburg will nicht nur durch geringere Entfernungen, sondern auch durch ein besonders nachhaltiges Konzept Maßstäbe setzen. Dabei werden Zuschauer vorrangig mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sein, ergänzt durch den Rad- und Fußverkehr. Während der Spiele werden große, sich überlagernde Verkehrsströme von Zuschauern und Athleten auftreten. Dennoch muss gewährleistet sein, dass der Alltagsverkehr, der Hafen- und der Wirtschaftsverkehr fließen können, und deshalb sind auch Straßen- und Infrastrukturverbesserungen, insbesondere im Umfeld des Hafens, unerlässlich. Das Mobilitätsmanagement sollte zudem schon Monate vor den Spielen einsetzen, um die Bürger frühzeitig an die Veränderungen zu gewöhnen und einen Probelauf zu ermöglichen. Allerdings ist für die FDP von besonderer Bedeutung, dass die im Vorfeld erforderlichen Baumaßnahmen auch sehr gut koordiniert ablaufen. Die Leistung, die Rot-Grün und insbesondere die Verkehrsbehörde von Herrn Horch hier momentan erbringt, muss auf jeden Fall noch deutlich verbessert werden.

Meine Damen und Herren! Unterm Strich bleibt für uns klar: Wir wollen Olympia, genauso wie wir wollen, dass Olaf Scholz in Berlin etwas bewegt, um in der Bundesregierung klarzumachen, dass Olympia eine Chance für Deutschland ist. Wir werben für eine breite Beteiligung beim Referendum, und wir werben für ein kraftvolles Ja zu Olympia. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der CDU)

Das Wort hat Herr Professor Kruse von der AfD-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die AfD-Fraktion ist für ein klares, eindeutiges "Ja, aber". Ich erkläre Ihnen beide Punkte.

Das Aber bezieht sich auf genau das, was der Rechnungshof moniert hat, nämlich dass zum Zeitpunkt des Referendums an zwei wesentlichen Stellen die Zahlen nicht hinreichend klar sind. Zum einen betrifft das den erheblichen Finanzierungsbeitrag, den wir von der Bundesregierung erwarten. Ob der Bund 6,2 Milliarden Euro zahlen wird – was unbedingt notwendig wäre –, wissen wir zum Zeitpunkt des Referendums noch nicht. Der zweite Punkt ist, dass wir über die Kosten, die entstehen werden, noch keine hinreichende Klarheit haben. Ich glaube dem Senat zwar durchaus, wenn er sagt, er habe vorsichtig geplant, aber ich als Nicht-Experte für Bauen und Baukosten bin da etwas vorsichtig und was der Landesrechnungshof dazu gesagt hat, überzeugt mich an dieser Stelle.

Das Ja möchte ich stark betonen, weil Olympia ein supertolles Ereignis ist. Ich bin 1972 bei der Olympiade in München gewesen und war – und bin es heute immer noch – begeistert von der Stimmung. München und ganz Deutschland hat das einen enormen Imageschwung gebracht. In gewisser Weise war das für Deutschland imagemäßig so etwas wie das Ende der Nachkriegszeit. Von da ab hat man Deutschland mit anderen Augen betrachtet, übrigens ein Effekt, den wir auch 2006 in Deutschland gehabt haben. Insofern ist allein das schon positiv.

Es ist von meinen Vorrednern schon viel dazu gesagt worden, was für Olympia spricht. Das muss ich nicht wiederholen. Eine Tatsache ist aber noch nicht hinreichend deutlich geworden: Wenn die Olympischen Spiele zu uns kommen, wird Hamburg schon vorher einen hohen Bekanntheitsgrad erlangen, und das wird für Hamburger Firmen überall in der Welt vorteilhaft für ihre Geschäfte sein. Und Vorteile für die Geschäfte Hamburger Firmen bedeuten eben auch zusätzliche Arbeitsplätze in Hamburg.

Ich bin ziemlich häufig unterwegs für die Tour "It's Your Choice". In der Regel sind sieben verschiedene Teilnehmer dabei, nicht immer alle, aber immer auch Vertreter der LINKEN und von NOlympia oder STOP Olympia, und denen ist kein Argument zu billig, um dagegen zu sein.

(Beifall bei der AfD)